Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AS 2661/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, wie mit der rückwirkenden Aufhebung eines Unter-haltsvorschusses umzugehen ist, nachdem dieser in der Vergangenheit als Einkom¬men auf die parallel bezogenen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an-gerechnet worden war.
Die 1976 geborene Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2), ihr am 00.00.2005 geborener Sohn, beziehen Leistungen nach dem SGB II und bilden eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes.
Mit Bescheid vom 20.01.2010 wurden der Klägerin seitens des Beigeladenen zudem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von 133,00 EUR monatlich gewährt. Dieser Unterhalts¬vorschuss wurde im Rahmen der Leistungsbewilligungen nach dem SGB II bedarfsmin¬dernd als Einkommen berücksichtigt, wobei der Beklagte – wohl versehentlich - lediglich einen Betrag von 117,00 EUR monatlich zugrunde legte.
Am 17.08.2010 heiratete die Klägerin. Ihr Ehemann verblieb zunächst in seinem Heimat¬land Kasachstan.
Am 27.01.2011 setzte die Klägerin den Beigeladenen von der Eheschließung in Kenntnis. Daraufhin hob dieser mit Bescheid vom 22.02.2011 die gewährten Leistungen nach dem UVG ab Datum der Eheschließung (17.08.2010) auf und forderte den ent¬sprechenden Betrag von 860,00 EUR zurück.
Am 15.03.2011 informierte die Klägerin den Beklagten von der UVG-Aufhebung und bat um Prüfung, ob die Rückforderungssumme übernommen werden könne.
Mit formlosen Schreiben vom gleichen Tage teilte der Beklagte mit, dass eine Übernahme gesetzlich nicht vorgesehen sei. Für den laufenden Zeitraum ab März 2011 sei der Fortfall des Einkommens aus UVG jedoch berücksichtigt worden.
Mit Schreiben vom 25.03.2011 legten die Kläger –vertreten durch ihren Prozessbevoll-mächtigten – Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung vom 15.03.2011 ein. Der Antrag der Klägerin auf Übernahme des Rückforderungsbetrages sei als Antrag gemäß § 44 SGB X zu werten. Es müsse eine Neuberechnung für die Vergangenheit stattfinden, denn die als Einkommen berücksichtigten UVG – Leistungen seien bereits im Zeitpunkt der Auszahlung mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet gewesen.
Mit Bescheid vom 04.07.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbe-gründet zurück. Für eine Abänderung der in der Vergangenheit gewährten Leistungen bestünde kein Raum, denn die UVG - Leistungen seien unstreitig zugeflossen und hätten als Einkommen zur Verfügung gestanden. Eine Veränderung der tatsächlichen Verhält¬nisse sei allenfalls ab Erlass des Rückforderungsbescheids zu bejahen.
Am 29.07.2011 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung beziehen sie sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchs¬ver¬fahren. Sie verweisen insbesondere auf eine Entscheidung des SG Detmold vom 31.03.2009 (Az.: S 8 AS 61/08), wonach eine rückwirkende Aufhebung von Kindergeld auch gegenüber dem SGB II – Träger einzuwenden und im Rahmen eines Überprüfungs¬verfahrens beachtlich sein soll.
Sie beantragen sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2011 zu verpflichten, die sie betreffenden Leistungsbescheide für den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 insoweit abzuändern, als die in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen nach dem UVG keine Berücksichtigung als Einkommen finden;
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin von dem Rückforderungsbegehren des Beigeladenen freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat unter dem 14.11.2011 die Stadt Neuss, Jugendamt/Unterhaltsvorschuss-stelle beigeladen, da auch deren Interessen durch die Entscheidung berührt werden können (einfache Beiladung).
Eine gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beigeladenen gerichtete Klage vor dem VG Düsseldorf nahm die Klägerin nach endgültiger Ablehnung ihres dortigen PKH-Gesuchs schließlich zurück. Die weitere Klage der Klägerin gegen den Beigeladenen gerichtet auf einen Erlass des Rückforderungbetrages ist noch anhängig, wobei die dortigen Beteiligten nach einem richterlichen Hinweis jedoch einvernehmlich von einer Klageabweisung ausgehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Die die Klägerin betreffende Akte des Beklagten lag im Termin vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 04.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Änderung der Leistungsbescheide betreffend den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 (I.), noch können sie eine Freistellung von dem Rückforderungsbegehren der Beigeladenen beanspruchen (II.).
I. Hauptantrag
Einzig denkbare Anspruchsgrundlage für eine rückwirkende Änderung bestandkräftiger Verwaltungsakte ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gemäß § 44 Abs.1 S.1 ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Vorliegend wurde weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zutreffenderweise hat der Beklagte im Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 die Leistungen nach dem UVG als Einkommen berücksichtigt.
Gemäß § 11 Abs. S.1 SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, soweit sie nicht einer in § 11a SGB II ausdrücklich benannten Ausnahme unterfallen, als Einkommen zu berücksichtigen. Einer Berücksichtigung des monatlichen Unterhalts¬vor-schusses als Einkommen steht hier insbesondere nicht entgegen, dass diese Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend aufgehoben und zurückgefordert wurden.
Zwar ist anerkannt, dass Einnahmen dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung einhergehen, da in einem sol¬chem Falle kein endgültiger Zuwachs bereiter Mittel vorliege (BSG, Urteil vom 17.06.2010, Az.: B 14 AS 46/09 R). Entscheidend dabei ist jedoch, dass die Einnahme bereits bei Zu¬fluss mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Dies ergibt sich aus dem so ge¬nan¬nten Monats-prinzip, wonach laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen (§ 11 Abs.2 S.1 SGB II) und wonach Hilfebedürftige Einnahmen im Monat ihres Zuflusses zur Bestreitung des Lebensunter¬haltes einzusetzen haben (BSG, Urteil vom 23.08.2011, Az.: B 14 AS 165/10 R). Hier war der Unterhaltsvorschuss in den Monaten des jeweiligen Zuflusses noch nicht mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet. Der zugrundeliegende Bewilligungsbescheid war zu dem Zeitpunkt noch nicht aufgehoben, so dass die Kläger die UVG-Leistungen in dem Monat des jeweiligen Zuflusses zur Finan¬zierung ihres Lebensunterhaltes einsetzten durften, mussten und dies tatsächlich auch taten. Die Rückzahlungsverpflichtung entstand demgegenüber erst später, namentlich mit Erlass des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides der Beigeladenen vom 22.02.2011, welcher der erfolgten Leistungsgewährung die rechtliche Grundlage entzog.
Da die Rückzahlungsverpflichtung damit erst nach Ablauf der Zuflussmonate begründet wurde, kommt eine rückwirkende Berücksichtigung nicht in Betracht, so dass die in diesem Zeitraum zugeflossenen UVG – Leistungen auch in der Rückschau als Einkommen zu werten sind.
Für die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Änderung der bestandskräftigen Bewil-ligungs¬bescheide des Beklagten für den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 bleibt nach alldem kein Raum.
II. Hilfsantrag
Die Kläger haben ferner keinen Anspruch auf eine Freistellung von dem Rück¬zahlungs-begehren der Beigeladenen. Insbesondere kann sie sich diesbezüglich nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund ob-liegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§ 14, 15 SGB I, verletzt hat und durch dieses pflichtwidrige Verwaltungshandeln bei dem Betroffenen ein Nachteil ein-getreten ist, welcher durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (BSG, Ur¬teile vom 31.10.2007, Az.: B 14/11b AS 63/06 R und vom 18.01.2011, Az.: B 4 AS 99/10 R).
Es mangelt bereits an einer des Beklagten Pflichtverletzung, denn die Kläger wurden seitens der Beigeladenen in hinreichendem Umfang über die Notwendigkeit aufgeklärt, dort Änderungen der persönlichen Verhältnisse umgehend mitzuteilen. Unstreitig wurde der Klägerin zu 1) ein entsprechendes Merkblatt ausgehändigt und erläutert. Unbeachtlich ist in diesem Zu¬sammenhang, dass die Klägerin zu 1) jedenfalls zuletzt vorträgt, sie habe die Belehrungen der Beigeladenen mangels genügender Sprachkenntnis nicht verstanden. Sofern dies tatsächlich der Fall war, hätte sie ihre Verständnisschwierigkeiten gegenüber der Beigeladenen offenlegen können und müssen, um eine Übersetzung herbeizuführen. Da sie dies wohl unstreitig unterlassen hat, ist sie so zu stellen, als habe sie volle Kenntnis ihrer Mitteilungsobliegenheiten erlangt. Die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreterin muss der Kläger zu 2) sich entsprechend §§ 166 Abs.1, 1629 Abs.1 BGB zurechnen lassen.
Da die Kläger demnach durch die Beigeladene bereits hinreichenden über ihre Obliegen-heiten aufgeklärt worden waren, war der Beklagte nicht gehalten, sie erneut über ihre Mittei-lungs¬pflichten gegenüber der Beigeladenen zu belehren.
Selbst wenn man diese Auffassung nicht teilen und eine Pflichtverletzung des Beklagten annehmen wollte, so folgt hieraus kein Herstellungsanspruch der Kläger. Ein solcher Her-stellungsanspruch setzt neben der behördlichen Pflichtverletzung voraus, dass diese ur¬säch-lich ist für einen auf Seiten des Leistungsempfängers eingetretenen Nachteil. Bei Hin-zudenken eines pflichtgerechten Verwaltungshandeln müsste demnach der Nachteil ent¬fallen. Dies ist vorliegend nicht anzunehmen. Selbst wenn der Beklagte die Kläger auf ihre Mitteilungspflichten gegenüber dem Beigeladenen hingewiesen hätte, so ließe dies die man-gelnde Mitteilung der Kläger nicht zwangsläufig entfallen. Im Verhältnis zur Beigelade¬nen berufen sich die Kläger auf die mangelnden Sprachkenntnisse der Klägerin zu 1), um ihre unterbliebene bzw. verspätete Mitteilung zu entschuldigen. Es kann daher nicht an¬genommen werden, dass sie eine Belehrung des Beklagten besser verstanden und sich hiernach gerichtet hätten.
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch der Kläger gegen den Beklagten ist damit nicht gegeben.
Ob schließlich ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegenüber dem Beklagten be-steht, ist nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreites. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 107 SGB X. Nach der dort normierten Erfüllungsfiktion gilt der Anspruch des Be¬rech-tigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Er-stattungsanspruch besteht. Hieraus ergibt sich zugunsten des Empfängers von Sozial-leistungen ein Rechts¬grund, die Leistung zu behalten. Eine Aufhe¬bung bzw. Rückforderung der Leistungs¬be¬willigung gemäß §§ 45 ff, 50 SGB X durch den Leistungsträger, der den Erstattungsan¬spruch inne hat, ist damit ausgeschlossen (Burkiczak in: jurisPK-SGB X, 1. Auflage 2013, § 107, Rn.28). Ein etwaiger Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen den Beklagten ist daher ausschließlich gegenüber der Beigeladenen in dem Rechtsstreit betreffend den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 22.01.2011 einzuwenden. In diesem Zusammenhang wird jedoch auf den Beschluss des OVG NRW vom 21.06.2012, Az.: 12 E 1219/11, (Bl. 58 f der Gerichtsakte) verwiesen.
Nach alldem können die Kläger auch mit ihrem Hilfsantrag nicht durchdringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist gemäß § 143 SGG berufungsfähig.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten steht im Streit, wie mit der rückwirkenden Aufhebung eines Unter-haltsvorschusses umzugehen ist, nachdem dieser in der Vergangenheit als Einkom¬men auf die parallel bezogenen Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an-gerechnet worden war.
Die 1976 geborene Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2), ihr am 00.00.2005 geborener Sohn, beziehen Leistungen nach dem SGB II und bilden eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne dieses Gesetzes.
Mit Bescheid vom 20.01.2010 wurden der Klägerin seitens des Beigeladenen zudem Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) in Höhe von 133,00 EUR monatlich gewährt. Dieser Unterhalts¬vorschuss wurde im Rahmen der Leistungsbewilligungen nach dem SGB II bedarfsmin¬dernd als Einkommen berücksichtigt, wobei der Beklagte – wohl versehentlich - lediglich einen Betrag von 117,00 EUR monatlich zugrunde legte.
Am 17.08.2010 heiratete die Klägerin. Ihr Ehemann verblieb zunächst in seinem Heimat¬land Kasachstan.
Am 27.01.2011 setzte die Klägerin den Beigeladenen von der Eheschließung in Kenntnis. Daraufhin hob dieser mit Bescheid vom 22.02.2011 die gewährten Leistungen nach dem UVG ab Datum der Eheschließung (17.08.2010) auf und forderte den ent¬sprechenden Betrag von 860,00 EUR zurück.
Am 15.03.2011 informierte die Klägerin den Beklagten von der UVG-Aufhebung und bat um Prüfung, ob die Rückforderungssumme übernommen werden könne.
Mit formlosen Schreiben vom gleichen Tage teilte der Beklagte mit, dass eine Übernahme gesetzlich nicht vorgesehen sei. Für den laufenden Zeitraum ab März 2011 sei der Fortfall des Einkommens aus UVG jedoch berücksichtigt worden.
Mit Schreiben vom 25.03.2011 legten die Kläger –vertreten durch ihren Prozessbevoll-mächtigten – Widerspruch gegen die Ablehnungsentscheidung vom 15.03.2011 ein. Der Antrag der Klägerin auf Übernahme des Rückforderungsbetrages sei als Antrag gemäß § 44 SGB X zu werten. Es müsse eine Neuberechnung für die Vergangenheit stattfinden, denn die als Einkommen berücksichtigten UVG – Leistungen seien bereits im Zeitpunkt der Auszahlung mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet gewesen.
Mit Bescheid vom 04.07.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbe-gründet zurück. Für eine Abänderung der in der Vergangenheit gewährten Leistungen bestünde kein Raum, denn die UVG - Leistungen seien unstreitig zugeflossen und hätten als Einkommen zur Verfügung gestanden. Eine Veränderung der tatsächlichen Verhält¬nisse sei allenfalls ab Erlass des Rückforderungsbescheids zu bejahen.
Am 29.07.2011 haben die Kläger Klage vor dem Sozialgericht Düsseldorf erhoben. Zur Begründung beziehen sie sich im Wesentlichen auf ihren Vortrag im Widerspruchs¬ver¬fahren. Sie verweisen insbesondere auf eine Entscheidung des SG Detmold vom 31.03.2009 (Az.: S 8 AS 61/08), wonach eine rückwirkende Aufhebung von Kindergeld auch gegenüber dem SGB II – Träger einzuwenden und im Rahmen eines Überprüfungs¬verfahrens beachtlich sein soll.
Sie beantragen sinngemäß,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.07.2011 zu verpflichten, die sie betreffenden Leistungsbescheide für den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 insoweit abzuändern, als die in diesem Zeitraum bezogenen Leistungen nach dem UVG keine Berücksichtigung als Einkommen finden;
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, die Klägerin von dem Rückforderungsbegehren des Beigeladenen freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat unter dem 14.11.2011 die Stadt Neuss, Jugendamt/Unterhaltsvorschuss-stelle beigeladen, da auch deren Interessen durch die Entscheidung berührt werden können (einfache Beiladung).
Eine gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid der Beigeladenen gerichtete Klage vor dem VG Düsseldorf nahm die Klägerin nach endgültiger Ablehnung ihres dortigen PKH-Gesuchs schließlich zurück. Die weitere Klage der Klägerin gegen den Beigeladenen gerichtet auf einen Erlass des Rückforderungbetrages ist noch anhängig, wobei die dortigen Beteiligten nach einem richterlichen Hinweis jedoch einvernehmlich von einer Klageabweisung ausgehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen. Die die Klägerin betreffende Akte des Beklagten lag im Termin vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 15.03.2011 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 04.07.2011 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.
Die Kläger haben weder einen Anspruch auf Änderung der Leistungsbescheide betreffend den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 (I.), noch können sie eine Freistellung von dem Rückforderungsbegehren der Beigeladenen beanspruchen (II.).
I. Hauptantrag
Einzig denkbare Anspruchsgrundlage für eine rückwirkende Änderung bestandkräftiger Verwaltungsakte ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Gemäß § 44 Abs.1 S.1 ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Vorliegend wurde weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen. Zutreffenderweise hat der Beklagte im Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 die Leistungen nach dem UVG als Einkommen berücksichtigt.
Gemäß § 11 Abs. S.1 SGB II sind grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, soweit sie nicht einer in § 11a SGB II ausdrücklich benannten Ausnahme unterfallen, als Einkommen zu berücksichtigen. Einer Berücksichtigung des monatlichen Unterhalts¬vor-schusses als Einkommen steht hier insbesondere nicht entgegen, dass diese Leistungen zu einem späteren Zeitpunkt rückwirkend aufgehoben und zurückgefordert wurden.
Zwar ist anerkannt, dass Einnahmen dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie mit einer wirksamen Rückzahlungsverpflichtung einhergehen, da in einem sol¬chem Falle kein endgültiger Zuwachs bereiter Mittel vorliege (BSG, Urteil vom 17.06.2010, Az.: B 14 AS 46/09 R). Entscheidend dabei ist jedoch, dass die Einnahme bereits bei Zu¬fluss mit der Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Dies ergibt sich aus dem so ge¬nan¬nten Monats-prinzip, wonach laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen (§ 11 Abs.2 S.1 SGB II) und wonach Hilfebedürftige Einnahmen im Monat ihres Zuflusses zur Bestreitung des Lebensunter¬haltes einzusetzen haben (BSG, Urteil vom 23.08.2011, Az.: B 14 AS 165/10 R). Hier war der Unterhaltsvorschuss in den Monaten des jeweiligen Zuflusses noch nicht mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet. Der zugrundeliegende Bewilligungsbescheid war zu dem Zeitpunkt noch nicht aufgehoben, so dass die Kläger die UVG-Leistungen in dem Monat des jeweiligen Zuflusses zur Finan¬zierung ihres Lebensunterhaltes einsetzten durften, mussten und dies tatsächlich auch taten. Die Rückzahlungsverpflichtung entstand demgegenüber erst später, namentlich mit Erlass des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides der Beigeladenen vom 22.02.2011, welcher der erfolgten Leistungsgewährung die rechtliche Grundlage entzog.
Da die Rückzahlungsverpflichtung damit erst nach Ablauf der Zuflussmonate begründet wurde, kommt eine rückwirkende Berücksichtigung nicht in Betracht, so dass die in diesem Zeitraum zugeflossenen UVG – Leistungen auch in der Rückschau als Einkommen zu werten sind.
Für die mit dem Hauptantrag geltend gemachte Änderung der bestandskräftigen Bewil-ligungs¬bescheide des Beklagten für den Zeitraum August 2010 bis Februar 2011 bleibt nach alldem kein Raum.
II. Hilfsantrag
Die Kläger haben ferner keinen Anspruch auf eine Freistellung von dem Rück¬zahlungs-begehren der Beigeladenen. Insbesondere kann sie sich diesbezüglich nicht auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen.
Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass ein Sozialleistungsträger eine ihm aufgrund ob-liegende Pflicht, insbesondere zur Beratung und Auskunft nach §§ 14, 15 SGB I, verletzt hat und durch dieses pflichtwidrige Verwaltungshandeln bei dem Betroffenen ein Nachteil ein-getreten ist, welcher durch eine zulässige Amtshandlung beseitigt werden kann (BSG, Ur¬teile vom 31.10.2007, Az.: B 14/11b AS 63/06 R und vom 18.01.2011, Az.: B 4 AS 99/10 R).
Es mangelt bereits an einer des Beklagten Pflichtverletzung, denn die Kläger wurden seitens der Beigeladenen in hinreichendem Umfang über die Notwendigkeit aufgeklärt, dort Änderungen der persönlichen Verhältnisse umgehend mitzuteilen. Unstreitig wurde der Klägerin zu 1) ein entsprechendes Merkblatt ausgehändigt und erläutert. Unbeachtlich ist in diesem Zu¬sammenhang, dass die Klägerin zu 1) jedenfalls zuletzt vorträgt, sie habe die Belehrungen der Beigeladenen mangels genügender Sprachkenntnis nicht verstanden. Sofern dies tatsächlich der Fall war, hätte sie ihre Verständnisschwierigkeiten gegenüber der Beigeladenen offenlegen können und müssen, um eine Übersetzung herbeizuführen. Da sie dies wohl unstreitig unterlassen hat, ist sie so zu stellen, als habe sie volle Kenntnis ihrer Mitteilungsobliegenheiten erlangt. Die Kenntnis seiner gesetzlichen Vertreterin muss der Kläger zu 2) sich entsprechend §§ 166 Abs.1, 1629 Abs.1 BGB zurechnen lassen.
Da die Kläger demnach durch die Beigeladene bereits hinreichenden über ihre Obliegen-heiten aufgeklärt worden waren, war der Beklagte nicht gehalten, sie erneut über ihre Mittei-lungs¬pflichten gegenüber der Beigeladenen zu belehren.
Selbst wenn man diese Auffassung nicht teilen und eine Pflichtverletzung des Beklagten annehmen wollte, so folgt hieraus kein Herstellungsanspruch der Kläger. Ein solcher Her-stellungsanspruch setzt neben der behördlichen Pflichtverletzung voraus, dass diese ur¬säch-lich ist für einen auf Seiten des Leistungsempfängers eingetretenen Nachteil. Bei Hin-zudenken eines pflichtgerechten Verwaltungshandeln müsste demnach der Nachteil ent¬fallen. Dies ist vorliegend nicht anzunehmen. Selbst wenn der Beklagte die Kläger auf ihre Mitteilungspflichten gegenüber dem Beigeladenen hingewiesen hätte, so ließe dies die man-gelnde Mitteilung der Kläger nicht zwangsläufig entfallen. Im Verhältnis zur Beigelade¬nen berufen sich die Kläger auf die mangelnden Sprachkenntnisse der Klägerin zu 1), um ihre unterbliebene bzw. verspätete Mitteilung zu entschuldigen. Es kann daher nicht an¬genommen werden, dass sie eine Belehrung des Beklagten besser verstanden und sich hiernach gerichtet hätten.
Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch der Kläger gegen den Beklagten ist damit nicht gegeben.
Ob schließlich ein Erstattungsanspruch des Beigeladenen gegenüber dem Beklagten be-steht, ist nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreites. Dies ergibt sich aus der Wertung des § 107 SGB X. Nach der dort normierten Erfüllungsfiktion gilt der Anspruch des Be¬rech-tigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt, soweit ein Er-stattungsanspruch besteht. Hieraus ergibt sich zugunsten des Empfängers von Sozial-leistungen ein Rechts¬grund, die Leistung zu behalten. Eine Aufhe¬bung bzw. Rückforderung der Leistungs¬be¬willigung gemäß §§ 45 ff, 50 SGB X durch den Leistungsträger, der den Erstattungsan¬spruch inne hat, ist damit ausgeschlossen (Burkiczak in: jurisPK-SGB X, 1. Auflage 2013, § 107, Rn.28). Ein etwaiger Erstattungsanspruch der Beigeladenen gegen den Beklagten ist daher ausschließlich gegenüber der Beigeladenen in dem Rechtsstreit betreffend den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 22.01.2011 einzuwenden. In diesem Zusammenhang wird jedoch auf den Beschluss des OVG NRW vom 21.06.2012, Az.: 12 E 1219/11, (Bl. 58 f der Gerichtsakte) verwiesen.
Nach alldem können die Kläger auch mit ihrem Hilfsantrag nicht durchdringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Entscheidung ist gemäß § 143 SGG berufungsfähig.
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