Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 7 AS 1933/10
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 61/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 7/17 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Weiteren: Klägerin) wendet sich gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter), mit dem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2009 zurückgefordert werden.
Die am ... 1947 in M. geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Nach einer Zusage des Bundesverwaltungsamts über die "Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion" reiste sie am 7. Mai 2004 ein. Zuvor hatte sie auf einem zweisprachigen Vordruck eine Zoll- und Devisenerklärung abgegeben, in der sie zu ihren monatlichen Einkünften in der Rubrik "Gehalt/Rente/Sozial-leistungen" einen Betrag von 2.365 Rubel angab. Weiterhin erklärte sie, Eigentümerin einer 42,7 m² großen Wohnung zu sein, die jetzt von ihrem Bruder bewohnt werde.
Nach ihrer Einreise wurde die Klägerin zunächst bis zum 1. Juli 2004 in der Landesaufnah-mestelle für jüdische Emigranten in D. untergebracht. Am 11. Mai 2004 stellte sie beim Sozialamt, Hilfe für Spätaussiedler und Flüchtlinge, der Beigeladenen unter Vorlage der zweisprachigen Zollerklärung einen Kurzantrag auf Sozialhilfeleistungen. Zu ihren Einkom-mens- und Vermögensverhältnissen gab sie an, 200 EUR Bargeld zu besitzen. Zu den weiteren im Formular abgefragten Punkten: "Einkommen, Vermögen, Grundstücke/Haus, sonstige Werte im Sinne des § 88 BSHG" machte sie keine Angaben. Die Beigeladene bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im Form von Sachleistungen im Wohnheim und Barleistungen in Tagessätzen von 5,25 EUR. Zum 1. Juli 2004 wies das Landesverwaltungsamt die Klägerin zur Wohnsitznahme der Stadt D. zu. Sie stellte einen weiteren Antrag auf Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen – Krankenhilfe). Sie gab an, ihr erlernter und zuletzt ausgeübter Beruf sei "Wirtschaftsfachmann" gewesen. Fragen nach Einkommen und Vermögen verneinte sie durch Streichung der jeweiligen Unterpunkte: a. beim Einkommen: Arbeitsentgelt, Renten aus der Sozialversicherung, Renten nach dem BVG, Landwirtschaftliches Altersgeld, Lastenausgleich, Pension, Leistungen des Arbeitsamtes, Kindergeld, Krankenversicherung, Unterhaltszahlungen und sonstige Einnahmen; b. beim Vermögen: Bank- und Sparguthaben, Wertpapier/Aktien, Bausparverträge, Grundvermögen, Kraftfahrzeuge/Maschinen und sonstiges Vermögen.
Die Beigeladene gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenhilfe sowie nach Bezug einer Wohnung im Oktober 2004 auch Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) und Beihilfen für die Ausstattung.
Bereits mit Schreiben vom 1. September 2004 wies die Beigeladene die Klägerin unter Übersendung von SGB II-Antragsformularen auf die im Januar 2005 bevorstehende Umstel-lung der bisherigen Sozialhilfe auf die neuen Regelungen im SGB II hin. Die Beigeladene vergab einen Termin zur Antragsabgabe im Sozialamt und benannte zwei Anlaufstellen, die Hilfe anböten beim Ausfüllen der Antragsvordrucke.
Nach einem Vermerk in der Verwaltungsakte teilte "das Arbeitsamt" der Beigeladenen am 15. Dezember 2004 telefonisch mit, die Klägerin werde ab 20. Dezember 2004 einen Sprachkurs besuchen, "Leistungen d. AA" würden erstmalig am 30. Dezember 2004 ausgezahlt. Im Hinblick darauf werde "keine KE abgefordert". Belege über den Bezug von SGB III-Leistungen oder die Kursteilnahme der Klägerin sind in der Sozialhilfeakte nicht enthalten.
Am 22. Oktober 2004 stellte die Klägerin einen SGB II-Leistungsantrag. Unter VI. des Formulars "Einkommensverhältnisse des Antragstellers", in dem beispielhaft Einnahmen aus nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit, Vermietung oder Verpachtung, Kindergeld, Entgeltersatzleistungen, Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Krankengeld, Renten aus der Sozialversicherung, Betriebsrenten oder Pensionen, Unterhaltszahlungen etc. aufgeführt und abgefragt wurden, gab sie an, sie beziehe Sozialhilfe. Sie erklärte zudem, sie besitze kein Vermögen mit einem Wert von mehr als 4.850 EUR. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklä-rung/Verdienstbescheinigung" kreuzte sie an, sie beziehe "sonstiges Einkommen", Sozialhilfe in Höhe von 273,94 EUR monatlich. Zu den übrigen genannten Einkommensarten, wie Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Rente, Pension, Arbeitslosengeld, Einmalige Einnahmen, machte sie keine Angaben. Bei der Antragstellung legte sie eine Kopie der Aufenthaltserlaubnis, eine Bescheinigung der Ausländerbehörde, ein Schreiben der LVA Sachsen-Anhalt mit der Vergabe einer Versicherungsnummer und eine vorläufige Mitgliedsbescheinigung der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Weiterhin legte sie eine Karte der Agentur für Arbeit D. vor, auf der Name, Geburtsdatum und Kundennummer der Klägerin vermerkt sind.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 24. November 2011 für den Zeitraum von Januar bis April 2005 SGB II-Leistungen von zunächst 566,80 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR, KdU: 235,80 EUR). Die Leistungen wurden mit einem Änderungsbescheid leicht erhöht. Auf den Weiterbewilligungsantrag, in dem die Klägerin erklärte, in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich keine relevanten Änderungen ergeben, bewilligte der Beklagte weiter SGB II-Leistungen. Jeweils zum Ablauf des sechsmonatigen Bewilligungsabschnitts beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Leistungen und gab jeweils an, es hätten sich keine Änderungen in den Einkommensverhältnissen ergeben. Im Weiterbewilligungsverfahren für die Zeit ab Mai 2008 war die "Anlage EK" erneut auszufüllen: Die Klägerin verneinte, eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung (z.B. Rente wegen Alters- oder Knapp-schaftsausgleichsleistungen, Unfall-/Verletztenrente), Betriebsrenten oder Pensionen" zu beziehen.
Mit Bescheiden, Änderungsbescheiden sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 24. November 2004, 21. April, 7. September und 14. Oktober 2005, 1. April und 27. Oktober 2006, 13. und 29. März, und 26. Oktober 2007, 7. April und 8. Oktober 2008 und 23. April 2009 gewährte der Beklagte die folgenden Leistungen:
- Tabelle nicht darstellbar -
Im August 2009 gingen bei dem Beklagten zwei gleichlautende Schreiben ein, in denen u.a. mitgeteilt wurde, die Klägerin beziehe eine russische Rente von ca. 300 EUR monatlich, die auf ein Konto in Russland gezahlt werde. Sie verwende das Geld bei Urlauben in Russland.
Unter dem 26. Oktober 2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, über den Leistungsantrag für die Zeit ab November 2009 könne noch nicht entschieden werden. Er forderte sie unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten auf, eine Kopie ihres Rentenbescheids in deutscher Sprache vorzulegen und anzugeben, seit wann und in welcher Höhe Rentenzahlungen erfolgten. Zudem seien Unterlagen zum Wohnungsverkauf vorzulegen.
Mit Schreiben vom 15. November 2009 beschwerte sich die Klägerin über die Mitarbeiter des Beklagten und verwies auf ihre Zollerklärung vom 30. Januar 2004, in der sie die Höhe der Rente angegeben habe. Diese könne der Beklagte "bei Bedarf aus der Erklärung rausholen". Bei der Vorsprache am 20. November 2009 legte sie Kopien des russischen Reisepasses, der Zoll- und Devisenerklärung sowie eines von ihr ausgefüllten Fragebogens der Bundes-versicherungsanstalt über Anrechnungszeiten in der ehemaligen Sowjetunion vor. Zudem legte sie in Kopie ein Dokument in russischer Sprache mit einer kursorischen, von Y. Z., gefertigten Übersetzung vor. Danach belief sich die von ihr bezogene lebenslängliche Rente seit April 2007 auf 3.536,73 Rubel monatlich, was nach der Ermittlung des Beklagten am 10. November 2009 einem Wert von 82,16 EUR entsprach. Weiterhin legte sie in Kopie ein "Rentenbuch" vor, aus dem sich der o.g. Rentenbetrag ab April 2007 und für die Zeit ab Oktober 1997 ein geringerer Rentenbetrag ergab. Die Klägerin erklärte dazu, sie beziehe seit Oktober 1997 eine Altersrente für Frauen ab 55 Jahre. Der anwesende Herr Z. erklärte, er sei ein Bekannter der Klägerin und habe ihr gemeinsam mit einem Sozialarbeiter der jüdischen Gemeinde beim Ausfüllen der Anträge geholfen. Viele der aus Russland stammenden SGB II-Leistungsberechtigte seien in derselben Lage wie die Klägerin und bezögen neben der russischen Rente noch SGB II-Leistungen. Bislang habe noch nie jemand nach der russischen Rente gefragt.
Am 24. November 2009 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Hilfe zum Lebensun-terhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII), die auch bewilligt wurde.
Mit Bescheid vom 26. November 2009 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin ab. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II lägen wegen des Bezugs einer Altersrente die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht vor.
Unter dem 26. November 2009 meldete der Beklagte bei der Beigeladenen einen Erstat-tungsanspruch nach den §§ 103, 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an und zeigte an, dass er SGB II-Leistungen zahle bzw. gezahlt habe.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung der im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2009 gezahlten SGB II-Leistungen an. Die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II hätten gemäß § 7 Abs. 4 SGB II nicht vorgelegen, weil sie eine russische Altersrente für Frauen beziehe. Ihr sei die Fehlerhaftigkeit der Leistungsgewährung bekannt gewesen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die SGB II-Leistungen seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Ebenso seien die erbrachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II iVm § 335 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) zu erstatten. Unter Auflistung der erbrachten Leistungen in den einzelnen Bewilligungszeiträumen bezifferte er die Gesamtforderung auf 42.155,88 EUR.
In einem am 2. Februar 2010 beim Beklagten eingegangenen Schreiben führte die Klägerin aus, sie habe ihre russische Rente nie verheimlicht. Sie sei in allen Dokumenten erwähnt – insbesondere in der Vermögenserklärung vom 30. Januar 2004. Die Rente sei sehr gering, sie reiche nicht für den Lebensunterhalt. Deshalb erhalte sie SGB II-Leistungen für den Regelbedarf als Zuschuss zur Rente.
Mit auf § 40 Abs. 1 SGB II iVm § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestütztem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16. Februar 2010 nahm der Beklagte seine Leistungsbewilligungen für den Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2009 ganz zurück. Er listete die in den einzelnen Bewilligungszeiträumen eingetretenen Überzahlungen differenziert nach Regelleistung, KdU sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf und bezifferte eine Überzahlung von 42.155,88 EUR. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe SGB II-Leistungen bezogen, ohne leis-tungsberechtigt zu sein. Sie beziehe eine Altersrente, die sie in ihren Leistungsanträgen gegenüber dem Beklagten nicht angegeben habe. Sie habe sogar ein Einkommen aus Rente ausdrücklich verneint. Aufgrund der zumindest grob fahrlässig falschen und unvollständigen Angaben sei die fehlerhafte Bewilligung (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) erfolgt. Zudem habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen erkennen können (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Soweit sie aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse die Leistungsanträge unvollständig bzw. fehlerhaft ausgefüllt habe, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Die Amtssprache sei deutsch (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zudem habe sie erklärt, dass ihr Sozialarbeiter der jüdischen Gemeinde beim Ausfüllen der Anträge geholfen hätten. Sie habe jeweils mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der Angaben in den Anträgen bestätigt. Es sei der Gesamtbetrag der gezahlten Leistungen zu erstatten.
Dagegen legte die Klägerin am 4. März 2010 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 31. Mai 2010 als unbegründet zurückwies. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II für Bezieher von Altersrenten gelte grundsätzlich auch für ausländische Altersrenten, wenn sie einer deutschen Rente vergleichbar seien. Es komme nicht auf die Höhe des Rentenbetrags an. Da die Klägerin seit 1997 eine russische Altersrente erhalte, habe sie im Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2009 keinen SGB II-Leistungsanspruch. Die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide seien gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB II mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, da sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen könne. Es sei von grober Fahrlässigkeit iSv § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X auszugehen, da sie nach den Hinweisen in Vordrucken und Merkblättern hätte wissen müssen, dass Angaben zum Rentenbezug zu machen waren. Im Erstantrag sei nach einem Rentenbezug gefragt worden, den die Klägerin – wie auch in den Folgeanträgen – verneint habe. Zudem hätte sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen erkennen können. Die SGB II-Leistungen von insgesamt 34.307,03 EUR seien gemäß § 50 Abs. 1 SGB X und die für den Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversiche-rung von insgesamt 7.848,85 EUR seien nach § 335 SGB III iVm § 40 Abs. 1 SGB II zu erstatten. Es ergebe sich ein Gesamtbetrag von 42.155,88 EUR.
Am 22. Juni 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beklagte habe im Rücknahme- und Erstattungsbescheid nicht berücksichtigt, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrsche. Ihr Verständnis der gesprochenen Sprache sei gering und sie sei nicht in der Lage, sich selbst mündlich auszudrücken. Die Schriftsprache verstehe sie nicht, insbesondere dann nicht, wenn sie in lateinischen Buchstaben geschrieben sei. Sie könne allein kyrillische Buchstaben lesen. Sie habe den Bezug der russischen Rente beim Ausfüllen der Anträge nicht verschwiegen. Sie habe den Inhalt der Formulare nicht verstanden. Immer dann, wenn man sie in russischer Sprache und in kyrillischen Buchstaben nach der Altersrente gefragt habe, habe sie diese auch angegeben. Dies gelte beispielsweise für ihre Angaben gegenüber der Bundesversi-cherungsanstalt für Angestellte. Wegen des Verständigungsproblems sei ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Verweis auf die Amtssprache sei zynisch Da ihre Rente nicht bedarfsdeckend sei, müsse ohnehin ein Sozialleistungsträger Leistungen erbringen. Es sei kein Schaden entstanden. Daher bestehe kein Grund für eine Rücknahme der Bewilligungen. Die betroffenen Leistungsträger (SGB II und SGB XII) seien zur Zusammenarbeit verpflichtet und könnten die Leistungen im Erstattungswege ausgleichen, ohne sie zu belasten. Sie habe nach ihrer Übersiedlung eine Vielzahl vorformulierter Erklärungen und Formulare unterschreiben müssen, für deren Übersetzung niemand Sorge getragen habe. Da der Beklagte ihr keinen Dolmetscher zur Verfügung gestellt habe, gehe der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Leere.
Im Erörterungstermin des SG am 26. Januar 2012 hat die Klägerin erklärt, sie habe die russische Rente überall angegeben, beim Finanzamt, bei der Rente und beim Sozialamt. Y. Z., ein Bekannter aus der jüdischen Gemeinde, habe mit ihr zusammen die Anträge ausgefüllt und abgegeben. Mit Beschluss vom 6. Februar 2012 hat das SG die Stadt D. als zuständige Sozialhilfeträgerin beigeladen.
Die Klägerin hat im Juni 2012 ergänzend ausgeführt, sie genieße Vertrauensschutz, da sie nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Denn sie habe die Leistungsanträge nicht ohne eigene Prüfung "blind" unterschrieben. Vielmehr habe sie stets das Erforderliche unternommen, um ihr Verständigungsproblem zu beseitigen. Jedes Mal, wenn sie Vordrucke und Formulare nicht verstanden habe, habe sie sich um eine Übersetzung von ihr sachkundig erscheinenden Dritten bemüht. Der von ihr regelmäßig zu Rate gezogene Y. Z. entstamme dem russischen Sprachraum und werde als ehrenamtlicher Helfer insbesondere in Behördenangelegenheiten für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde tätig. Professionelle Dolmetscher könne sie sich nicht leisten. Sie habe sich angesichts der Erfahrung und der Sprachkenntnisse der Hilfspersonen darauf verlassen, dass diese die ggf. erforderlichen Informationen zur Ausfüllung der Formulare erfrage.
Dem ist der Beklagte entgegen getreten: Die Klägerin müsse sich das Tun bzw. Unterlassen des von ihr herangezogenen Hilfspersonen zurechnen lassen, da sie mit ihrer Unterschrift auf den Formularen die Richtigkeit der Angaben bestätigt habe. Soweit sie wegen der Angaben unsicher gewesen sei, hätte sie dies bei der persönlichen Vorsprache beim Beklagten deutlich machen und sich um Klärung bemühen müssen.
Die Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass auch in der Zollerklärung der Rentenbezug nicht ausdrücklich erklärt sei; dort sei lediglich ein Rubelbetrag in einem Feld eingetragen, das für die Angabe von Gehalt, Rente und Sozialleistung vorgesehen sei. Die Art des konkreten Einkommens sei nicht benannt. Zudem bilde die Erklärung allenfalls die Einkom-mensverhältnisse im Januar 2004 ab. Sie sei nicht geeignet, spätere Angaben zu ersetzen. Die Beigeladene habe keine Kenntnis vom Rentenbezug gehabt. Deshalb komme auch kein Erstattungsanspruch des Beklagten in Betracht. Sie habe erst am 26. November 2009 vom Bezug der russischen Rente und von ihrer Leistungspflicht erfahren. Der Sozialhilfebezug im Jahr 2004 ersetze nicht die erforderliche Kenntnis vom später bestehenden Leistungsfall.
In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin ergänzend erklärt, den Zeugen Z. aus dem Wohnheim in D. zu kennen. Den ersten SGB II-Antrag habe jedoch Frau T. von der Sprachenschule, die sie damals besucht habe, ausgefüllt. Sie selber habe nichts in die Formulare eingetragen; sie nehme solche Sachen sehr ernst. Frau T. habe das Formular schnell ausgefüllt und sie dann unterschreiben lassen. Die Formularfragen seien ihr nicht übersetzt worden. Sie sei nach Geburtsnamen und Ort gefragt worden, jedoch nicht nach Einkommen. Alle anderen Anträge habe sie mit Herrn Z. ausgefüllt. In den Formularen sei ihres Wissens nicht gefordert gewesen, eine russische Rente anzugeben. Es sei nur nach deutschen Renten gefragt worden. Bis April 2007 habe niemand gewusst, dass die russische Rente anzugeben war. Der als Zeuge vernommene Y. Z. hat angegeben, er habe übersetzt und gefragt, wie und was er eintragen solle. Die persönlichen Angaben der Klägerin habe er anfangs nicht gekannt, deshalb habe er fragen müssen. Nach ihren Angaben habe er dann die Formulare ausgefüllt. Er habe anfangs nicht gewusst, dass sie eine russische Altersrente bezog. Das habe er erst später erfahren. Er meine, dass in den Formularen nicht nach dem Bezug einer russischen Rente gefragt worden sei.
Mit Urteil vom 2. Dezember 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungen lägen vor, denn diese seien anfänglich rechtswidrig gewesen, da die Klägerin aufgrund des Bezugs der russischen Altersrente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sei. Sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie zumindest grob fahrlässig unvollstän-dige und unrichtige Angaben in den Antragsformularen gemacht habe. Die Nichtangabe des Rentenbezugs sei ein Verschweigen leistungserheblicher Umstände. Die Klägerin habe die ihr obliegende Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt, weil sie einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt habe. Sie sei nach ihren intellektuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen zu erkennen, dass das Renteneinkommen anzugeben war. Es hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass die Frage nach einer Rente oder nach sonstigem Einkommen entsprechend zu beantworten war. Es sei offensichtlich, dass alle Einkünfte anzugeben waren. Mangelnde Sprachkenntnisse könnten die Klägerin nicht entschuldigen, denn sie habe keinen Anspruch darauf, dass Formulare in einer anderen als der deutschen Sprache abgefasst seien. Sie habe bei Verständigungsproblemen alles Erforderliche unternehmen müssen, um die Probleme zu beseitigen. Der Sorgfaltspflichtverstoß bestehe darin, dass sie sich nicht ausreichend darum bemüht habe, den Inhalt der Antragsformulare vollständig zu verstehen. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sie zudem seit April 2007 gewusst, dass russische Altersrenten für den Bezug von Sozialleistungen relevant waren. Bereits die Nichtangabe bei der Erstantragstellung sei grob fahrlässig gewesen. Denn die Klägerin habe nach dem "Schnelldurchgang" bei der Erstantragstellung nicht davon ausgehen können, dass das vielseitige Formular vollständig und korrekt ausgefüllt worden war. Ein Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander stehe der Rücknahme und -forderung gegen die Klägerin nicht entgegen, weil die Beigeladene als Trägerin der Sozialhilfe gemäß § 105 Abs. 3 SGB X erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der eigenen Leistungspflicht erstattungspflichtig sei. Diese sei erst im November 2009 eingetreten.
Gegen das ihr am 15. Januar 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Januar 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, wegen ihrer mangelnden Deutsch-kenntnisse könne ihr eine Falschangabe nur dann vorgeworfen werden, wenn sie nichts unternommen hätte, um eine Übersetzung zu erhalten. Sie habe sich um Hilfe bemüht und den Zeugen Z. zu Rate gezogen. Sie habe sich auf die Richtigkeit dessen Erklärung, in dem Formular werde nicht nach einer russischen Rente gefragt, verlassen. Dies könne ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für überzeugend. Die Klägerin habe eingeräumt, dass ihr die einzelnen Fragen aus den Antragsformularen nicht wörtlich übersetzt worden seien. Dadurch habe sie sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt. Gleichwohl habe sie mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der in den Anträgen gemachten Angaben bestätigt. Dies sei grob fahrlässig.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hält die Ausführungen im Urteil des SG für zutreffend. Die Nichtangabe der Rente sei der Klägerin zuzurechnen, selbst wenn die herangezogene Hilfsperson sie nicht nach Renteneinkommen gefragt habe sollte. Die fehlerhafte Einschätzung, eine russische Rente sei nicht anzugeben, sei grob fahrlässig. Die Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens entlaste die Klägerin im sozialge-richtlichen Verfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte, die Beiakte des Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, denn der Wert der Beschwer übersteigt 750 EUR. Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung von 42.155,88 EUR.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 31. Mai 2010 ist rechtmäßig.
Rechtgrundlage für die Rücknahme der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2009 sind § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 45, 50 SGB X sowie wegen der Rückforderung der erbrachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen die §§ 330 und 335 SGB III. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit er von Anfang an rechtwidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist weiter, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen, ob die Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2010 mit dem unzutreffenden Verschuldensvorwurf (Kenntnis der fehlerhaften Bewilligung) noch den Anforderungen des § 24 Abs. 1 SGB X entspricht. Insoweit war der erlassene Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16. Februar 2010, der der Klägerin sowohl zumindest grob fahrlässige Falschangaben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) als auch das Erkennen Können der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) vorwirft, zunächst formell rechtswidrig. Indes ist der Anhörungsmangel durch eine Nachholung im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Denn vorliegend ersetzt das Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung. Der angegriffene Ausgangsbescheid enthielt die wesentlichen Tatsachen, auf die es nach der Rechtsansicht des Beklagten für den Verfügungssatz objektiv ankam (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2011, Az.: B 13 R 9/11 R, juris RN 14); insbesondere ist der einschlägige Vorwurf der grob fahrlässigen Falschangaben genannt und dargelegt worden. Die Klägerin hatte mithin im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern.
Der angegriffene Rücknahme- und Erstattungsbescheid genügt in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2010 erhalten hat, auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände in die Lage versetzt werden, die in dem Bescheid getroffenen Rechtsfolgen vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 89/12 R, juris RN 15). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwal-tungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss. Da vorliegend der Beklagte seine Leistungsbewilligung für die genannten Bewilligungszeiträume vollständig aufgehoben hat, bedurfte es keiner Bezifferung der auf die einzelnen Monate entfallenden Aufhebungsbeträge, weil die Klägerin erkennen konnte, dass ihr kein monatlicher Leistungsbetrag mehr verbleiben sollte. Unter Heranziehung der Bewilligungsbescheide konnte sie auch erkennen, wie hoch die monatlichen Aufhebungsbeträge waren.
Mit dem Ausgangsbescheid vom 16. Februar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2010 wird auch die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt. Der Beklagte hatte erst im November 2009 nach der Vorsprache der Klägerin und der Vorlage der Ren-tenbelege hinreichend sichere Kenntnis vom Altersrentenbezug und der Rentenhöhe im streitigen Zeitraum.
Die Rücknahmeentscheidung ist auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Alle Bewilligungsbe-scheide für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2010 waren von Anfang an vollständig rechtwidrig, weil die Klägerin bereits dem Grunde nach von SGB II-Leistungen ausgeschlossen war. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhalten Personen, die eine Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art beziehen, keine SGB II-Leistungen. Auch der Bezug einer ausländischen Altersrente führt zum Leistungsausschluss, wenn diese Rente durch einen öffentlichen Träger gezahlt wird, sie an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze anknüpft und sie einen Lohnersatz nach einer im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellenden Gesamtkonzeption darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: B 4 AS 105/11 R, juris, Leitsatz). Das BSG hat ausgeführt, zwar sei dem Wortlaut von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Ausschlussgrund nur eintrete, wenn eine Rente nach deutschem Recht bezogen werde oder ob der Begriff der "Altersrente" auch eine ausländische Rentenleistung umfasse. Aber nach der gesetzlichen Formulierung müsse es sich in jeden Fall um eine Leistung handeln, die einer Altersrente nach dem Vorbild des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch "ähnlich" sei. Bereits im Arbeitsförderungsrecht des AFG, fortgeführt im SGB III, habe der Bezug einer ausländischen Altersrente zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe geführt. Hieran knüpfe das SGB II konzeptionell abgestimmt an, indem es zwischen Sozialversicherungsleistungen und steuerfinanzierten Existenzsicherungssystemen differenziere und ausländische Altersrenten, soweit sie deutschen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar seien, erfasse. Typisierend sei anzunehmen, dass der Bezug einer Altersrente zum endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und dadurch zum Leistungsausschluss nach dem SGB II führt. Daher komme es nicht darauf an, ob die ausländische Altersrente bereits bezogen werden könne, bevor dies im Hinblick auf das Renteneintrittsalter nach deutschem Recht möglich sei oder ob diese (individuell) den Lebensunterhalt sichern könne (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, a.a.O., RN 25f.).
Die russische Altersrente der Klägerin in Höhe von monatlich 2.365 Rubel bis März 2007 – bzw. 3.536,73 Rubel ab April 2007 – erfüllt die Kriterien für eine zum Ausschluss von SGB II-Leistungen führende Altersrente. Sie wird der Klägerin seit Erreichen des 50. Lebensjahrs gezahlt und wurde mit Erreichen des 60. Lebensjahrs (2007) deutlich erhöht, sie dient dem Lohnersatz und wird von einem öffentlichen Träger erbracht. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin nicht über die Rentenzahlungen verfügen konnte. Es ist von einem "laufenden Bezug" auszugehen, auch wenn der Zahlweg nicht bekannt ist. Der Senat geht davon aus, dass die Rentengewährung in Russland mit Erreichen einer Altersgrenze erfolgt und als Lohnersatzleistung für die vom Empfänger zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit dient. Aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II hat die Klägerin im streitigen Zeitraum von Anfang an keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt.
Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs. 2 SGB X steht der Rücknahme der Leistungsbewilligungen nicht entgegen. Denn es liegen die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor. Die Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hatte. Eine unrichtige oder unvollständige Angabe kann durch das passive Verschweigen bestimmter Umstände erfolgen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine gesetzliche Mitteilungspflicht im Sinne von § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) hinsichtlich der Einkommenserzielung besteht und nicht (vollständig) erfüllt wird. Auch eine unvollständige Angabe stellt ein Verschweigen dar, wenn sie den fälschlichen Eindruck erweckt, alle entscheidungserheblichen Angaben zu Sachverhalt vollständig gemacht zu haben (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 RN 49). Das Unterlassen der Angabe der laufenden Rentenzahlungen in den Antragsformularen ist eine in wesentlicher Beziehung unvollständige Angabe der Einkommensverhältnisse. Im Mantelbogen des Antragsformulars wird unter VI zu den Einkommensverhältnissen ausdrücklich nach Einnahmen aus Renten aus der Sozialversicherung, Betriebsrenten oder Pensionen (3. Spiegelstrich) gefragt. Gleichwohl hat die Klägerin das Renteneinkommen nicht aufgeführt, sondern nur den Bezug von BSHG-Leistungen angegeben. Es wird weiterhin (6. Spiegelstrich) nach sonstigen laufenden oder einmaligen Einnahmen gleich welcher Art gefragt. Auch insoweit erfolgte keine Angabe. Die Klägerin hat die Richtigkeit ihrer Angaben in den Formularen jeweils durch ihre Unterschrift bestätigt. Der Vorwurf der unvollständigen Angaben im Antragsformular könnte ggf. nur dann entfallen, wenn die Klägerin bei ihrer Vorsprache im Zuge der Erstantragstellung deutlich gemacht hätte, dass sie nicht sicher ist, ob und wo sie den Bezug einer ausländischen Altersrente eintragen muss. Die Klägerin hat jedoch den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass sie über weitere, im Formular nicht erklärte Einnahmen verfügt. Sie hat durch ihre Unterschrift den Eindruck erweckt, im Formular vollständige und zutreffende Angaben gemacht zu haben. Dadurch hat sie die rechtswidrige Leistungsbewilligung durch den Beklagten verursacht. Denn mangels Kenntnis vom Rentenbezug hatte dieser aufgrund des Alters der Klägerin keinen Anlass, einem möglichen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II nachzugehen.
Der Senat ist – nach Befragen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – und nach Auswertung des Verwaltungsvorgangs einschließlich der Einlassungen der Klägerin im Verfahren zu der Überzeugung gelangt, dass sie hinsichtlich der unterlassenen Angabe des Rentenbezugs als Einnahme auch grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der gesetzlichen Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im ganz besonders schweren Maße verletzt hat. Dies verlangt, dass schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was ggf. jedem einleuchten muss. Entscheidend ist das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben erkennen zu können. Maßgeblich ist daher, ob die Klägerin bei einer Parallelwertung in der Lage gewesen war, zu erkennen, dass das Renteneinkommen bei Antragstellung anzugeben war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 76/08 R, juris RN 20).
Der Einwand der Klägerin, sie habe die allein in deutscher Sprache abgefassten Antragsfor-mulare nicht verstanden, kann sie vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entlasten. Gemäß § 19 Abs. 1 SGB X ist die Amtssprache deutsch. Daher sind deutsche Behörden nicht verpflichtet, amtliche Formulare in der Heimatsprache eines Antragstellers zur Verfügung zu stellen. Zwar darf die Behörde fremdsprachige Merkblätter o.ä. herausgeben, einen Rechtsanspruch hierauf haben ausländische Antragsteller jedoch nicht (vgl. Roller in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 19 RN 6). Ebenso besteht kein Anspruch darauf, dass die Behörde zu Anhörungen und Vorsprachen einen Dolmetscher hinzuzieht. Ausländische Antragsteller müssen, wenn sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, sich über den Inhalt amtlicher Schriftstücke – zu denen auch die Antragsformulare für SGB II-Leistungen gehören – mit Hilfe eines Dolmetschers Klarheit verschaffen. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass einem Ausländer ein Sorgfaltspflichtverstoß anzulasten ist, wenn er in Kenntnis seiner Verständigungsprobleme nicht alles Erforderliche unternimmt, um diese auszuräumen. Es obliegt einem ausländischen Antragsteller, dass er seinerseits alles Zumutbare unternimmt, um sich die notwendige zuverlässige Kenntnis von Inhalt amtlicher Schriftstücke zu verschaffen. Zuverlässige Kenntnis vom Inhalt erhält jedoch nur, wer sich amtliche Schriftstücke vollständig übersetzen lässt. Dies bedeutet, dass alle Einzelfragen eines ggf. mehrseitigen Formulars zu übersetzen sind. Grob fahrlässig handelt derjenige ausländische Antragsteller, der das von einem Dritten ausgefüllte Antragsformular "blind", d.h. ohne Kenntnis der Einzelangaben, unterschreibt. Dem kommt es gleich, wenn sich ein ausländischer Antragsteller auf die Einschätzung (bzw. rechtliche Würdigung oder das Wissen) der herangezogenen Hilfsperson verlässt, eine russische Rente müssten nicht angegeben werden, ohne sich selbst durch eine wortgetreue Übersetzung der Fragen zu dem Einkommen darüber zu informieren, welche Angaben zu machen sind. Denn bei einer Übersetzung der Frage nach Renteneinkommen hätten sich jedenfalls zumindest Zweifel dahingehend aufdrängen müssen, ob nur deutsche oder auch ausländische Renten gemeint waren. Im Zusammenhang mit den Fragen nach den übrigen Einkommensarten (Arbeitsentgelt, Vermietung oder Verpachtung, Zinsen, Kapitalerträge, Unterhaltszahlungen oder sonstige laufende oder einmalige Einnahmen gleich welcher Art) liegt die Erkenntnis nahe, dass jegliche Zuflüsse in Geldeswert anzugeben waren.
Der Umstand, dass die Klägerin sich keine Gedanken zu den abgefragten Informationen in den Antragsformularen gemacht und dementsprechend bei ihrer Vorsprache beim Beklagten zur Antragstellung weder nachgefragt noch zu erkennen gegeben hat, dass sie den Inhalt der Formulare nicht erfasst hat, macht die Nichtangabe des laufenden Renteneinkommens grob fahrlässig (vgl. zu den Sorgfaltspflichten ausländischer Antragsteller: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 2000, Az.: L 5 AL 4372/00, juris RN 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2009, Az.: L 3 AL 3823/06, juris RN 35; BSG, Urteil vom 27. April 1997, Az.: 11 RAr 89/96, juris). Denn sie hat sich nicht ausreichend darum bemüht, die an sie gerichteten Fragen vollständig zu erfassen und zu beantworten. Mit der insoweit unzureichenden Beantwortung hat sie zumindest billigend in Kauf genommen, dass abgefragte und benötigte Einzel- bzw. Detailinformationen nicht vollständig oder zutreffend erklärt wurden. Es ist angesichts des gehobenen Bildungsstand der Klägerin nach der Überzeugung des Senats als grob fahrlässig anzusehen, dass sie nach ihren Angaben ohne eine Übersetzung der einzelnen Fragen darauf vertraute, die herangezogenen Hilfsperson werde die Fragen schon zutreffend beantworten. Sie hat davon abgesehen, sich selbst die notwendige Kenntnis von den einzelnen Fragen oder den von der Hilfsperson eingetragenen Angaben im Detail zu verschaffen. Hinzu kommt, dass sie gegenüber den Beklagten ihre Unkenntnis oder eine Unsicherheit hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben nicht offengelegt hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. September 2010, Az.: L 12 AS 233/06, juris RN 65 f.). Der Senat hat nach seinem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeit und den intellektuellen Fähigkeiten der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nach ihrem individuellen Horizont mit den ihr abverlangten Sorgfaltspflichten überfordert war. Sie hat es sich zu leicht gemacht und das nicht beachtet, was jedem einleuchten muss.
Die Klägerin kann sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie die Leistungen verbraucht habe und somit "entreichert" sei. Bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ist bei der Rücknahmeent-scheidung der Verbrauch der erhaltenen Leistungen nicht relevant (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 76/08 R, juris RN 21). Der Beklagte hatte gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen auszuüben. Er war zur Rücknahme der Leistungsbewilligungen verpflichtet. Der Beklagte hat daher dem Grunde nach zutreffend seine Bewilligungsentscheidungen vollständig aufgehoben.
Die Klägerin ist daher gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im streitigen Zeitraum erhaltenen SGB II-Leistungen zu erstatten. Der Beklagte hat den Rückforderungsbetrag für die gesamten Bewilligungsabschnitte mit insgesamt 34.307,03 EUR beziffert. Die Erstat-tungsforderung ist auch zutreffend berechnet worden; da die im streitigen Zeit-raum erlasse-nen Änderungsbescheide sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. April 2009 mit einer Rücknahme von 750,91 EUR einbezogen worden sind. Zudem hat der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Klägerin gezahlt, die sich nach der Aufstellung im angegriffenen Bescheid auf insgesamt 7.848,85 EUR belaufen. Diese sind nach der vollständigen Rücknahme der Leistungsbewilligung ebenfalls in voller Höhe zu erstatten. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 iVm § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 5 SGB III. Mithin ergibt sich eine Gesamterstattung von 42.155,88 EUR.
Die Rücknahme und Rückforderung der Leistungen (und Beiträge) durch den Beklagten ist vorliegend auch nicht durch § 107 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gilt im Verhältnis zwischen einem erstattungsberechtigten Leistungsträger (hier der Beklagte) und dem Sozialleistungsberechtigten (hier: der Klägerin) ein bestehender Erstattungsanspruch als erfüllt, wenn und soweit zwischen den beteiligten Sozialleistungsträgern ein Erstattungsanspruch besteht (hier: der Beklagte und die Beigeladene). Bei Bestehen eines Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff. SGB X wird kraft Gesetzes fingiert, dass durch die Leistung des vorleistenden Trägers, hier des Beklagten als erstattungsberechtigtem SGB II-Leistungsträger, die Verpflichtung des "an sich" leistungspflichtigen Trägers, der Beigeladenen als erstattungspflichtigem Sozialhilfeträger, erfüllt ist. Aufgrund dieser Regelung kann einerseits der Sozialleistungsberechtigte nicht mehr gegen den eigentlich leistungsverpflich-teten Träger vorgehen (und Leistungen für die Vergangenheit fordern). Damit werden Doppelleistungen verhindert (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2011, Az.: B 11 AL 15/10 R, juris RN 16). Es erübrigt sich aber auch eine Rückabwicklung des materiell zu Unrecht begründeten Sozialleistungsverhältnisses zwischen dem Leistungsberechtigten und dem erstattungsberechtigten Leistungsträger. Soweit einer der gesetzlich geregelten Erstattungs-tatbestände eingreift, ist wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X eine Rückab-wicklung im Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem Berechtigten ausgeschlossen. Maßgeblich für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion ist das objektive Bestehen eines Erstattungsanspruchs. Es kommt nicht darauf an, ob dieser geltend gemacht oder erfüllt worden ist. In Höhe eines bestehenden Erstattungsanspruchs gilt der Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten als befriedigt. Die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs durch den unzuständigen Leistungsträger ist ausgeschlossen.
Erstattungsansprüche nach § 102 oder § 103 SGB X kommen vorliegend nicht in Betracht, da der Beklagte weder vorläufig Leistungen erbracht hat noch seine Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist (§ 103 SGB X). Auch liegt kein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gemäß § 104 SGB X vor, weil der Beklagte von Anfang an nicht leistungsverpflichtet war. Indes liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 SGB X vor. Danach hat ein unzuständiger Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen oder zuständig gewesenen Leistungsträger, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Hier hat der Beklagte wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu Unrecht existenzsi-chernde SGB II-Leistungen an die Klägerin erbracht. Diese hätte Anspruch auf existenzsi-chernde Leistungen nach dem SGB XII gehabt. Die Beigeladene wäre als zuständige Sozialhilfeträgerin zur Erbringung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 21, 27f. SGB XII, § 5 Abs. 2 SGB II an die Klägerin zuständig gewesen. Die Klägerin gehörte nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41ff. SGB XII, weil sie im streitigen Zeitraum die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 Satz 3 SGB XII (für den Geburtsjahrgang 1947, 65 Jahre und 1 Monat) noch nicht erreicht hatte. Sie hat erst im Jahr 2012 ihr 65. Lebensjahr vollendet und war zuvor auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert. Zudem war sie bedürftig im Sinne von §§ 19 Abs. 1, 27 SGB XII. Insoweit kann auf die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten verwiesen werden, wobei allerdings das Renteneinkommen der Klägerin von 2.365 Rubel (Wert am 1. Januar 2005: 62,85 EUR) bzw. 3.536 Rubel ab 1. April 2007 (damaliger Wert: 101,84 EUR) bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen wäre.
Einer im Erstattungszeitraum bestehenden Leistungspflicht der Beigeladenen steht nach materiellem Leistungsrecht nicht entgegen, dass sie damals keine Kenntnis von ihrer Leistungspflicht hatte. Insoweit müsste sie sich nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Antragstellung bei dem Beklagten zurechnen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Augst 2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R, juris RN 22f.). Denn eine für ein Einsetzen von Sozialhilfe grundsätzlich erforderliche Kenntnis der Beigeladenen vom Bedarfsfall der Klägerin als solchem (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2011, Az.: B 8 SO 18/10 R, juris RN 21) lässt sich hier für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt 1. Januar 2005 nicht feststellen. Nach den vorliegenden Sozialhilfeakten hatte die Beigeladene zwar BSHG-Leistungen bis zum 31. Dezember 2004 erbracht, ging jedoch nach der telefonischen Mitteilung vom 15. Dezember 2004 von der Beendigung des Leistungsfalls aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers (wegen der Teilnahme der Klägerin am Sprachkurs) ab dem 20. Dezember 2004, spätestens aber zum Jahresende 2004 aus. Nach dem Aktenvermerk sah die Beigela-dene von der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs ab, weil eine erste Auszahlung von SGB III-Leistungen erst am 30. Dezember 2004 erfolgen sollte. Von ihrer weiteren sachlichen Zuständigkeit für den Leistungsfall oder der weiteren Hilfebedürftigkeit der Klägerin über das Jahresende 2004 hinaus hatte die Beigeladene nach den vorliegenden Unterlagen keine Kenntnis.
Der dem Grunde nach bestehende Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X ist jedoch durch die Sonderregelung in § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen. § 105 Abs. 3 SGB X begrenzt (wie auch § 103 Abs. 3 SGB X) den Erstattungsanspruch gegenüber den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Kinder- und Jugendhilfe zeitlich auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Trägers von seiner Leistungspflicht. Ein Sozialhilfeträger ist folglich erst ab dem Zeitpunkt, da ihm seine Leistungspflicht bekannt ist, zur Kostenerstattung verpflichtet. Maßgeblich ist die tatsächliche Kenntnisnahme des zuständigen Sachbearbeiters der Behörde; das bloße Kennenmüssen reicht nicht aus. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil des 5. Senats vom 2. Juni 2005, Az.: 5 C 30/04, juris) ausgeführt, im Erstattungsrechtsverhältnis komme es für den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Voraussetzungen der Leistungspflicht im Sinne von § 105 Abs. 3 SGB X maßgeblich auf die (tatsächliche) Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe an, gegen den der Erstattungsanspruch geltend gemacht werde. Das für den Leistungsfall nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (bzw. 16 Abs. 2 SGB I) für das Einsetzen von Sozialhilfe ausreichende Bekanntwerden bei einem nichtzuständigen Sozialhilfeträger ersetze im Erstattungsverhältnis nicht die nach § 105 Abs. 3 SGB X erforderliche eigene Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers. Nach dem Wortlaut des § 105 Abs. 3 SGB X sei die Anwendung der Abs. 1 und 2 im Verhältnis zu bestimmten Leistungsträgern begrenzt und stelle darauf ab, ob diesen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Stelle man hingegen letztlich auf die Kenntnis des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers ab, liefe die gesetzliche Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X mangels sinnvollen Anwendungsbereichs ins Leere. Denn Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung sei eine Begrenzung von Erstattungsansprüchen gegen die genannten Sozialleistungsträger. In Ansehung der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (jetzt wortgleich: § 18 Abs. 2 SGB XII), der eingeführt worden sei, um § 16 Abs. 2 SGB I im Sozialhilferecht Geltung zu verschaffen, ergebe sich kein Grund für eine teleologisch reduzierende Auslegung (a.a.O., RN 11). Der Gesetzgeber habe die Einführung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG im Jahr 1996 nicht zum Anlass genommen, § 105 Abs. 3 SGB X neu zu regeln oder einzuschränken. Mithin sei für das Erstattungsrecht der allgemeine Schutzzweck des § 105 Abs. 3 SGB X, nicht wegen Aufwendungen für Leistungen in Anspruch genommen zu werden, von denen den benannten Trägern nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen, auch weiterhin gültig.
§ 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (jetzt: § 18 Abs. 2 SGB XII) betreffe allein das Leistungsverhältnis zum Hilfesuchenden; Schutzzweck der Regelung sei, dass Hilfesuchende angesichts des gegliederten Sozialleistungssystems und der mitunter schwierigen Zuständigkeitsabgrenzung nicht darunter "leiden" sollten, dass einem anderen als dem zuständigen Träger die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung bekannt geworden sei (a.a.O., RN 12). § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG habe schon nicht angeordnet, dass die Kenntnis des unzuständigen Sozialhilfeträgers umfassend dem zuständigen Sozialhilfeträger zugerechnet werde, sondern beschränke die Kenntniszurechnung auf das Einsetzen der Sozialhilfe (Zeitpunkt des Leistungsbeginns). Für eine weitergehende Wirkung der Zurechnung, insbesondere in dem systematisch vom Leistungsrecht zur unterscheidenden Erstattungsrecht, fehle dem Wortlaut der Regelung der Anhalt. Eine Ausdehnung des auf das Leistungsverhältnis bezogenen Anwendungsbereichs von § 5 Abs. 2 BSHG bzw. § 18 Abs. 2 SGB XII auf das Erstattungs-rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern sei nicht geboten; der Zurechnungszusammen-hang müsse nicht identisch sein.
Dieser Rechtsprechung des BVerwG aus dem Jahr 2005 zum Erstattungsrecht ist das BSG nicht entgegengetreten. Seine Entscheidungen zu § 16 Abs. 2 SGB I (BSG, Urteil vom 26. August 2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R, juris, Urteil vom 2. Dezember 2014, Az.: B 14 AS 66/13 R, juris) betreffen allein Leistungsverhältnisse. Wegen des Meistbegünstigungsgrundsatzes und der Regelung von § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I sei im Verhältnis von SGB II- und SGB XII-Leistungen im Zweifel davon auszugehen, dass ein Antrag auf SGB II-Leistungen auch als Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII zu verstehen sei. Die Urteile enthalten keine Aussagen zu Erstattungsverfahren. Rechtsprechung des BSG zur Reichweite oder Auslegung von § 105 Abs. 3 SGB X gibt es nicht.
Soweit mehrere Sozialgerichte (SG Augsburg, Urteil vom 17. November 2015, Az.: S 8 AS 983/15, juris; SG Altenburg, Urteil vom 20. Oktober 2016, Az.: S 30 AS 471/14, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2012, Az.: L 9 AS 36/09, juris RN 95-97; erwägend im Rahmen der PKH-Beschwerde: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Februar 2016, Az.: L 9 AS 2914/15 B, juris) die Rechtsprechung des BSG zu § 16 Abs. 2 SGB I auf das Erstattungsrecht der §§ 102 ff. SGB X übertragen und dies mit der "notwenigen Konnexität" von materiellem Leistungsrecht und Erstattungsrecht begründen (SG Altenburg, a.a.O., RN 48; SG Augsburg a.a.O., RN 35), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Einen Gleichklang von Leistungsrecht und Erstattungsrecht gibt es wegen der gesetzlich normierten Durchbrechungen u.a. durch § 105 Abs. 3 SGB X nicht. Denn nicht jede unzuständige Leistungserbringung ist im Erstattungswege rückabzuwickeln. Nur mit den gesetzlich geregelten Tatbeständen wird bezweckt, mehrere Transaktionen im Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungspflichtigem und leistungsgewährendem Träger zu vermeiden und sicher zu stellen, dass derjenige Träger die Kosten der Leistung endgültig trägt, dessen Leistungspflicht der Sache nach "eigentlich" besteht. Liegt keiner der in § 102ff. geregelten Erstattungstatbestände vor, gibt es keinen Ausgleich zwischen verschiedenen Leistungsträgern. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X u.a. den Sozialhilfeträgern einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungen zugebilligt, auch wenn dieser mit dem materiellen Leistungsrecht nicht im Einklang steht (vgl. VG Aachen, Urteil vom 3. Februar 2004, Az.: 2 K 71/02, juris, RN 41; BVerwG, a.a.O., RN 12). Insoweit bezweifelt auch das LSG Baden-Württemberg (a.a.O., RN 11), dass wegen des klaren Wortlauts von § 105 Abs. 3 SGB X eine entsprechende Kenntniszurechnung in Erstattungsfällen geboten sei.
Nach Auffassung des Senats ist die für den Leistungsfall nachvollziehbare und zutreffende Bewertung des BSG nicht auf den Erstattungsfall zu übertragen, weil zugrunde liegende Fallgestaltungen und die beteiligten Interessen nicht vergleichbar sind. Die im Leistungsfall fingierte Kenntnis des zuständigen Sozialhilfeträgers soll den "rechtzeitigen" Zugang zu Sozialleistungen und damit die Verwirklichung sozialer Rechte sicherstellen. Leistungsbe-rechtigte sollen nicht unter Zuständigkeitsstreiten zwischen Sozialleistungsträgern leiden müssen. Diese Problemlage stellt sich im Erstattungsfall nicht. Eine besondere Schutzbe-dürftigkeit des Leistungsberechtigten – hier der Klägerin – ist nicht ersichtlich. Sie hat aufgrund eines vorwerfbaren Verhaltens im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X die rechtwidrige Leistungserbringung und nachfolgend den die Rückforderung auslösenden Ausschluss vom Vertrauensschutz selbst verursacht. Schließlich führte eine Übertragung der BSG-Rechtsprechung für Leistungsfälle auf Erstattungsfälle dazu, dass die Vorschrift des § 105 Abs. 3 SGB X für Sozialhilfeträger im Leistungsrecht nach dem SGB II und SGB XII praktisch keinen Anwendungsfall hätte, was weder systematisch noch leistungsrechtlich geboten ist.
Nach alledem ist sowohl die Rücknahmeentscheidung als auch die Erstattungsforderung des Beklagten gegen die Klägerin nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gesamtleistungen in Höhe von 42.155,88 EUR an den Beklagten zu erstatten. Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach berechtigt. Rechenfehler sind für den Senat nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Auslegung von § 105 Abs. 3 SGB X grundsätzliche Bedeutung hat. Zudem gibt es von der Rechtsauffassung des Senat abweichende Entschei-dungen von Sozialgerichten.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Weiteren: Klägerin) wendet sich gegen einen Rücknahme- und Erstattungsbescheid des Beklagten und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Beklagter), mit dem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2009 zurückgefordert werden.
Die am ... 1947 in M. geborene Klägerin ist russische Staatsangehörige. Sie besitzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Bundesrepublik Deutschland. Nach einer Zusage des Bundesverwaltungsamts über die "Aufnahme jüdischer Emigranten aus der ehemaligen Sowjetunion" reiste sie am 7. Mai 2004 ein. Zuvor hatte sie auf einem zweisprachigen Vordruck eine Zoll- und Devisenerklärung abgegeben, in der sie zu ihren monatlichen Einkünften in der Rubrik "Gehalt/Rente/Sozial-leistungen" einen Betrag von 2.365 Rubel angab. Weiterhin erklärte sie, Eigentümerin einer 42,7 m² großen Wohnung zu sein, die jetzt von ihrem Bruder bewohnt werde.
Nach ihrer Einreise wurde die Klägerin zunächst bis zum 1. Juli 2004 in der Landesaufnah-mestelle für jüdische Emigranten in D. untergebracht. Am 11. Mai 2004 stellte sie beim Sozialamt, Hilfe für Spätaussiedler und Flüchtlinge, der Beigeladenen unter Vorlage der zweisprachigen Zollerklärung einen Kurzantrag auf Sozialhilfeleistungen. Zu ihren Einkom-mens- und Vermögensverhältnissen gab sie an, 200 EUR Bargeld zu besitzen. Zu den weiteren im Formular abgefragten Punkten: "Einkommen, Vermögen, Grundstücke/Haus, sonstige Werte im Sinne des § 88 BSHG" machte sie keine Angaben. Die Beigeladene bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) im Form von Sachleistungen im Wohnheim und Barleistungen in Tagessätzen von 5,25 EUR. Zum 1. Juli 2004 wies das Landesverwaltungsamt die Klägerin zur Wohnsitznahme der Stadt D. zu. Sie stellte einen weiteren Antrag auf Sozialhilfe (Hilfe zum Lebensunterhalt und Hilfe in besonderen Lebenslagen – Krankenhilfe). Sie gab an, ihr erlernter und zuletzt ausgeübter Beruf sei "Wirtschaftsfachmann" gewesen. Fragen nach Einkommen und Vermögen verneinte sie durch Streichung der jeweiligen Unterpunkte: a. beim Einkommen: Arbeitsentgelt, Renten aus der Sozialversicherung, Renten nach dem BVG, Landwirtschaftliches Altersgeld, Lastenausgleich, Pension, Leistungen des Arbeitsamtes, Kindergeld, Krankenversicherung, Unterhaltszahlungen und sonstige Einnahmen; b. beim Vermögen: Bank- und Sparguthaben, Wertpapier/Aktien, Bausparverträge, Grundvermögen, Kraftfahrzeuge/Maschinen und sonstiges Vermögen.
Die Beigeladene gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt und Krankenhilfe sowie nach Bezug einer Wohnung im Oktober 2004 auch Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) und Beihilfen für die Ausstattung.
Bereits mit Schreiben vom 1. September 2004 wies die Beigeladene die Klägerin unter Übersendung von SGB II-Antragsformularen auf die im Januar 2005 bevorstehende Umstel-lung der bisherigen Sozialhilfe auf die neuen Regelungen im SGB II hin. Die Beigeladene vergab einen Termin zur Antragsabgabe im Sozialamt und benannte zwei Anlaufstellen, die Hilfe anböten beim Ausfüllen der Antragsvordrucke.
Nach einem Vermerk in der Verwaltungsakte teilte "das Arbeitsamt" der Beigeladenen am 15. Dezember 2004 telefonisch mit, die Klägerin werde ab 20. Dezember 2004 einen Sprachkurs besuchen, "Leistungen d. AA" würden erstmalig am 30. Dezember 2004 ausgezahlt. Im Hinblick darauf werde "keine KE abgefordert". Belege über den Bezug von SGB III-Leistungen oder die Kursteilnahme der Klägerin sind in der Sozialhilfeakte nicht enthalten.
Am 22. Oktober 2004 stellte die Klägerin einen SGB II-Leistungsantrag. Unter VI. des Formulars "Einkommensverhältnisse des Antragstellers", in dem beispielhaft Einnahmen aus nichtselbständiger oder selbständiger Arbeit, Vermietung oder Verpachtung, Kindergeld, Entgeltersatzleistungen, Arbeitslosengeld, Übergangsgeld, Krankengeld, Renten aus der Sozialversicherung, Betriebsrenten oder Pensionen, Unterhaltszahlungen etc. aufgeführt und abgefragt wurden, gab sie an, sie beziehe Sozialhilfe. Sie erklärte zudem, sie besitze kein Vermögen mit einem Wert von mehr als 4.850 EUR. Im Zusatzblatt 2 "Einkommenserklä-rung/Verdienstbescheinigung" kreuzte sie an, sie beziehe "sonstiges Einkommen", Sozialhilfe in Höhe von 273,94 EUR monatlich. Zu den übrigen genannten Einkommensarten, wie Arbeitsentgelt, Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Rente, Pension, Arbeitslosengeld, Einmalige Einnahmen, machte sie keine Angaben. Bei der Antragstellung legte sie eine Kopie der Aufenthaltserlaubnis, eine Bescheinigung der Ausländerbehörde, ein Schreiben der LVA Sachsen-Anhalt mit der Vergabe einer Versicherungsnummer und eine vorläufige Mitgliedsbescheinigung der gesetzlichen Krankenversicherung vor. Weiterhin legte sie eine Karte der Agentur für Arbeit D. vor, auf der Name, Geburtsdatum und Kundennummer der Klägerin vermerkt sind.
Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 24. November 2011 für den Zeitraum von Januar bis April 2005 SGB II-Leistungen von zunächst 566,80 EUR (Regelleistung: 331,00 EUR, KdU: 235,80 EUR). Die Leistungen wurden mit einem Änderungsbescheid leicht erhöht. Auf den Weiterbewilligungsantrag, in dem die Klägerin erklärte, in ihren persönlichen Verhältnissen hätten sich keine relevanten Änderungen ergeben, bewilligte der Beklagte weiter SGB II-Leistungen. Jeweils zum Ablauf des sechsmonatigen Bewilligungsabschnitts beantragte die Klägerin die Weitergewährung der Leistungen und gab jeweils an, es hätten sich keine Änderungen in den Einkommensverhältnissen ergeben. Im Weiterbewilligungsverfahren für die Zeit ab Mai 2008 war die "Anlage EK" erneut auszufüllen: Die Klägerin verneinte, eine Rente aus der gesetzlichen Sozialversicherung (z.B. Rente wegen Alters- oder Knapp-schaftsausgleichsleistungen, Unfall-/Verletztenrente), Betriebsrenten oder Pensionen" zu beziehen.
Mit Bescheiden, Änderungsbescheiden sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 24. November 2004, 21. April, 7. September und 14. Oktober 2005, 1. April und 27. Oktober 2006, 13. und 29. März, und 26. Oktober 2007, 7. April und 8. Oktober 2008 und 23. April 2009 gewährte der Beklagte die folgenden Leistungen:
- Tabelle nicht darstellbar -
Im August 2009 gingen bei dem Beklagten zwei gleichlautende Schreiben ein, in denen u.a. mitgeteilt wurde, die Klägerin beziehe eine russische Rente von ca. 300 EUR monatlich, die auf ein Konto in Russland gezahlt werde. Sie verwende das Geld bei Urlauben in Russland.
Unter dem 26. Oktober 2009 teilte der Beklagte der Klägerin mit, über den Leistungsantrag für die Zeit ab November 2009 könne noch nicht entschieden werden. Er forderte sie unter Hinweis auf ihre Mitwirkungspflichten auf, eine Kopie ihres Rentenbescheids in deutscher Sprache vorzulegen und anzugeben, seit wann und in welcher Höhe Rentenzahlungen erfolgten. Zudem seien Unterlagen zum Wohnungsverkauf vorzulegen.
Mit Schreiben vom 15. November 2009 beschwerte sich die Klägerin über die Mitarbeiter des Beklagten und verwies auf ihre Zollerklärung vom 30. Januar 2004, in der sie die Höhe der Rente angegeben habe. Diese könne der Beklagte "bei Bedarf aus der Erklärung rausholen". Bei der Vorsprache am 20. November 2009 legte sie Kopien des russischen Reisepasses, der Zoll- und Devisenerklärung sowie eines von ihr ausgefüllten Fragebogens der Bundes-versicherungsanstalt über Anrechnungszeiten in der ehemaligen Sowjetunion vor. Zudem legte sie in Kopie ein Dokument in russischer Sprache mit einer kursorischen, von Y. Z., gefertigten Übersetzung vor. Danach belief sich die von ihr bezogene lebenslängliche Rente seit April 2007 auf 3.536,73 Rubel monatlich, was nach der Ermittlung des Beklagten am 10. November 2009 einem Wert von 82,16 EUR entsprach. Weiterhin legte sie in Kopie ein "Rentenbuch" vor, aus dem sich der o.g. Rentenbetrag ab April 2007 und für die Zeit ab Oktober 1997 ein geringerer Rentenbetrag ergab. Die Klägerin erklärte dazu, sie beziehe seit Oktober 1997 eine Altersrente für Frauen ab 55 Jahre. Der anwesende Herr Z. erklärte, er sei ein Bekannter der Klägerin und habe ihr gemeinsam mit einem Sozialarbeiter der jüdischen Gemeinde beim Ausfüllen der Anträge geholfen. Viele der aus Russland stammenden SGB II-Leistungsberechtigte seien in derselben Lage wie die Klägerin und bezögen neben der russischen Rente noch SGB II-Leistungen. Bislang habe noch nie jemand nach der russischen Rente gefragt.
Am 24. November 2009 beantragte die Klägerin bei der Beigeladenen Hilfe zum Lebensun-terhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII), die auch bewilligt wurde.
Mit Bescheid vom 26. November 2009 lehnte der Beklagte den Leistungsantrag der Klägerin ab. Gemäß § 7 Abs. 4 SGB II lägen wegen des Bezugs einer Altersrente die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht vor.
Unter dem 26. November 2009 meldete der Beklagte bei der Beigeladenen einen Erstat-tungsanspruch nach den §§ 103, 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) an und zeigte an, dass er SGB II-Leistungen zahle bzw. gezahlt habe.
Mit Schreiben vom 19. Januar 2010 hörte der Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Rückforderung der im Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2009 gezahlten SGB II-Leistungen an. Die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nach dem SGB II hätten gemäß § 7 Abs. 4 SGB II nicht vorgelegen, weil sie eine russische Altersrente für Frauen beziehe. Ihr sei die Fehlerhaftigkeit der Leistungsgewährung bekannt gewesen (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Die SGB II-Leistungen seien gemäß § 50 SGB X zu erstatten. Ebenso seien die erbrachten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II iVm § 335 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) zu erstatten. Unter Auflistung der erbrachten Leistungen in den einzelnen Bewilligungszeiträumen bezifferte er die Gesamtforderung auf 42.155,88 EUR.
In einem am 2. Februar 2010 beim Beklagten eingegangenen Schreiben führte die Klägerin aus, sie habe ihre russische Rente nie verheimlicht. Sie sei in allen Dokumenten erwähnt – insbesondere in der Vermögenserklärung vom 30. Januar 2004. Die Rente sei sehr gering, sie reiche nicht für den Lebensunterhalt. Deshalb erhalte sie SGB II-Leistungen für den Regelbedarf als Zuschuss zur Rente.
Mit auf § 40 Abs. 1 SGB II iVm § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X, 330 Abs. 2 SGB III und § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestütztem Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16. Februar 2010 nahm der Beklagte seine Leistungsbewilligungen für den Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2009 ganz zurück. Er listete die in den einzelnen Bewilligungszeiträumen eingetretenen Überzahlungen differenziert nach Regelleistung, KdU sowie Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung auf und bezifferte eine Überzahlung von 42.155,88 EUR. Zur Begründung führte er aus, die Klägerin habe SGB II-Leistungen bezogen, ohne leis-tungsberechtigt zu sein. Sie beziehe eine Altersrente, die sie in ihren Leistungsanträgen gegenüber dem Beklagten nicht angegeben habe. Sie habe sogar ein Einkommen aus Rente ausdrücklich verneint. Aufgrund der zumindest grob fahrlässig falschen und unvollständigen Angaben sei die fehlerhafte Bewilligung (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) erfolgt. Zudem habe sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen erkennen können (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Soweit sie aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse die Leistungsanträge unvollständig bzw. fehlerhaft ausgefüllt habe, rechtfertige dies keine andere Entscheidung. Die Amtssprache sei deutsch (§ 19 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Zudem habe sie erklärt, dass ihr Sozialarbeiter der jüdischen Gemeinde beim Ausfüllen der Anträge geholfen hätten. Sie habe jeweils mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der Angaben in den Anträgen bestätigt. Es sei der Gesamtbetrag der gezahlten Leistungen zu erstatten.
Dagegen legte die Klägerin am 4. März 2010 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Wider-spruchsbescheid vom 31. Mai 2010 als unbegründet zurückwies. Der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II für Bezieher von Altersrenten gelte grundsätzlich auch für ausländische Altersrenten, wenn sie einer deutschen Rente vergleichbar seien. Es komme nicht auf die Höhe des Rentenbetrags an. Da die Klägerin seit 1997 eine russische Altersrente erhalte, habe sie im Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2009 keinen SGB II-Leistungsanspruch. Die von Anfang an rechtswidrigen Bewilligungsbescheide seien gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB II mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, da sich die Klägerin nicht auf Vertrauen berufen könne. Es sei von grober Fahrlässigkeit iSv § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3 SGB X auszugehen, da sie nach den Hinweisen in Vordrucken und Merkblättern hätte wissen müssen, dass Angaben zum Rentenbezug zu machen waren. Im Erstantrag sei nach einem Rentenbezug gefragt worden, den die Klägerin – wie auch in den Folgeanträgen – verneint habe. Zudem hätte sie die Rechtswidrigkeit der Bewilligungen erkennen können. Die SGB II-Leistungen von insgesamt 34.307,03 EUR seien gemäß § 50 Abs. 1 SGB X und die für den Zeitraum gezahlten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversiche-rung von insgesamt 7.848,85 EUR seien nach § 335 SGB III iVm § 40 Abs. 1 SGB II zu erstatten. Es ergebe sich ein Gesamtbetrag von 42.155,88 EUR.
Am 22. Juni 2010 hat die Klägerin beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Beklagte habe im Rücknahme- und Erstattungsbescheid nicht berücksichtigt, dass sie die deutsche Sprache nicht beherrsche. Ihr Verständnis der gesprochenen Sprache sei gering und sie sei nicht in der Lage, sich selbst mündlich auszudrücken. Die Schriftsprache verstehe sie nicht, insbesondere dann nicht, wenn sie in lateinischen Buchstaben geschrieben sei. Sie könne allein kyrillische Buchstaben lesen. Sie habe den Bezug der russischen Rente beim Ausfüllen der Anträge nicht verschwiegen. Sie habe den Inhalt der Formulare nicht verstanden. Immer dann, wenn man sie in russischer Sprache und in kyrillischen Buchstaben nach der Altersrente gefragt habe, habe sie diese auch angegeben. Dies gelte beispielsweise für ihre Angaben gegenüber der Bundesversi-cherungsanstalt für Angestellte. Wegen des Verständigungsproblems sei ihr keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Der Verweis auf die Amtssprache sei zynisch Da ihre Rente nicht bedarfsdeckend sei, müsse ohnehin ein Sozialleistungsträger Leistungen erbringen. Es sei kein Schaden entstanden. Daher bestehe kein Grund für eine Rücknahme der Bewilligungen. Die betroffenen Leistungsträger (SGB II und SGB XII) seien zur Zusammenarbeit verpflichtet und könnten die Leistungen im Erstattungswege ausgleichen, ohne sie zu belasten. Sie habe nach ihrer Übersiedlung eine Vielzahl vorformulierter Erklärungen und Formulare unterschreiben müssen, für deren Übersetzung niemand Sorge getragen habe. Da der Beklagte ihr keinen Dolmetscher zur Verfügung gestellt habe, gehe der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit ins Leere.
Im Erörterungstermin des SG am 26. Januar 2012 hat die Klägerin erklärt, sie habe die russische Rente überall angegeben, beim Finanzamt, bei der Rente und beim Sozialamt. Y. Z., ein Bekannter aus der jüdischen Gemeinde, habe mit ihr zusammen die Anträge ausgefüllt und abgegeben. Mit Beschluss vom 6. Februar 2012 hat das SG die Stadt D. als zuständige Sozialhilfeträgerin beigeladen.
Die Klägerin hat im Juni 2012 ergänzend ausgeführt, sie genieße Vertrauensschutz, da sie nicht grob fahrlässig gehandelt habe. Denn sie habe die Leistungsanträge nicht ohne eigene Prüfung "blind" unterschrieben. Vielmehr habe sie stets das Erforderliche unternommen, um ihr Verständigungsproblem zu beseitigen. Jedes Mal, wenn sie Vordrucke und Formulare nicht verstanden habe, habe sie sich um eine Übersetzung von ihr sachkundig erscheinenden Dritten bemüht. Der von ihr regelmäßig zu Rate gezogene Y. Z. entstamme dem russischen Sprachraum und werde als ehrenamtlicher Helfer insbesondere in Behördenangelegenheiten für die Mitglieder der jüdischen Gemeinde tätig. Professionelle Dolmetscher könne sie sich nicht leisten. Sie habe sich angesichts der Erfahrung und der Sprachkenntnisse der Hilfspersonen darauf verlassen, dass diese die ggf. erforderlichen Informationen zur Ausfüllung der Formulare erfrage.
Dem ist der Beklagte entgegen getreten: Die Klägerin müsse sich das Tun bzw. Unterlassen des von ihr herangezogenen Hilfspersonen zurechnen lassen, da sie mit ihrer Unterschrift auf den Formularen die Richtigkeit der Angaben bestätigt habe. Soweit sie wegen der Angaben unsicher gewesen sei, hätte sie dies bei der persönlichen Vorsprache beim Beklagten deutlich machen und sich um Klärung bemühen müssen.
Die Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass auch in der Zollerklärung der Rentenbezug nicht ausdrücklich erklärt sei; dort sei lediglich ein Rubelbetrag in einem Feld eingetragen, das für die Angabe von Gehalt, Rente und Sozialleistung vorgesehen sei. Die Art des konkreten Einkommens sei nicht benannt. Zudem bilde die Erklärung allenfalls die Einkom-mensverhältnisse im Januar 2004 ab. Sie sei nicht geeignet, spätere Angaben zu ersetzen. Die Beigeladene habe keine Kenntnis vom Rentenbezug gehabt. Deshalb komme auch kein Erstattungsanspruch des Beklagten in Betracht. Sie habe erst am 26. November 2009 vom Bezug der russischen Rente und von ihrer Leistungspflicht erfahren. Der Sozialhilfebezug im Jahr 2004 ersetze nicht die erforderliche Kenntnis vom später bestehenden Leistungsfall.
In der mündlichen Verhandlung des SG hat die Klägerin ergänzend erklärt, den Zeugen Z. aus dem Wohnheim in D. zu kennen. Den ersten SGB II-Antrag habe jedoch Frau T. von der Sprachenschule, die sie damals besucht habe, ausgefüllt. Sie selber habe nichts in die Formulare eingetragen; sie nehme solche Sachen sehr ernst. Frau T. habe das Formular schnell ausgefüllt und sie dann unterschreiben lassen. Die Formularfragen seien ihr nicht übersetzt worden. Sie sei nach Geburtsnamen und Ort gefragt worden, jedoch nicht nach Einkommen. Alle anderen Anträge habe sie mit Herrn Z. ausgefüllt. In den Formularen sei ihres Wissens nicht gefordert gewesen, eine russische Rente anzugeben. Es sei nur nach deutschen Renten gefragt worden. Bis April 2007 habe niemand gewusst, dass die russische Rente anzugeben war. Der als Zeuge vernommene Y. Z. hat angegeben, er habe übersetzt und gefragt, wie und was er eintragen solle. Die persönlichen Angaben der Klägerin habe er anfangs nicht gekannt, deshalb habe er fragen müssen. Nach ihren Angaben habe er dann die Formulare ausgefüllt. Er habe anfangs nicht gewusst, dass sie eine russische Altersrente bezog. Das habe er erst später erfahren. Er meine, dass in den Formularen nicht nach dem Bezug einer russischen Rente gefragt worden sei.
Mit Urteil vom 2. Dezember 2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Rücknahme der Bewilligungen lägen vor, denn diese seien anfänglich rechtswidrig gewesen, da die Klägerin aufgrund des Bezugs der russischen Altersrente gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II von SGB II-Leistungen ausgeschlossen sei. Sie könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, da sie zumindest grob fahrlässig unvollstän-dige und unrichtige Angaben in den Antragsformularen gemacht habe. Die Nichtangabe des Rentenbezugs sei ein Verschweigen leistungserheblicher Umstände. Die Klägerin habe die ihr obliegende Sorgfalt im besonders schweren Maße verletzt, weil sie einfache und naheliegende Überlegungen nicht angestellt habe. Sie sei nach ihren intellektuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen zu erkennen, dass das Renteneinkommen anzugeben war. Es hätte sich ihr aufdrängen müssen, dass die Frage nach einer Rente oder nach sonstigem Einkommen entsprechend zu beantworten war. Es sei offensichtlich, dass alle Einkünfte anzugeben waren. Mangelnde Sprachkenntnisse könnten die Klägerin nicht entschuldigen, denn sie habe keinen Anspruch darauf, dass Formulare in einer anderen als der deutschen Sprache abgefasst seien. Sie habe bei Verständigungsproblemen alles Erforderliche unternehmen müssen, um die Probleme zu beseitigen. Der Sorgfaltspflichtverstoß bestehe darin, dass sie sich nicht ausreichend darum bemüht habe, den Inhalt der Antragsformulare vollständig zu verstehen. Nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung habe sie zudem seit April 2007 gewusst, dass russische Altersrenten für den Bezug von Sozialleistungen relevant waren. Bereits die Nichtangabe bei der Erstantragstellung sei grob fahrlässig gewesen. Denn die Klägerin habe nach dem "Schnelldurchgang" bei der Erstantragstellung nicht davon ausgehen können, dass das vielseitige Formular vollständig und korrekt ausgefüllt worden war. Ein Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander stehe der Rücknahme und -forderung gegen die Klägerin nicht entgegen, weil die Beigeladene als Trägerin der Sozialhilfe gemäß § 105 Abs. 3 SGB X erst ab dem Zeitpunkt der Kenntnis der eigenen Leistungspflicht erstattungspflichtig sei. Diese sei erst im November 2009 eingetreten.
Gegen das ihr am 15. Januar 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Januar 2014 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, wegen ihrer mangelnden Deutsch-kenntnisse könne ihr eine Falschangabe nur dann vorgeworfen werden, wenn sie nichts unternommen hätte, um eine Übersetzung zu erhalten. Sie habe sich um Hilfe bemüht und den Zeugen Z. zu Rate gezogen. Sie habe sich auf die Richtigkeit dessen Erklärung, in dem Formular werde nicht nach einer russischen Rente gefragt, verlassen. Dies könne ihr nicht zum Vorwurf gemacht werden.
Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das erstinstanzliche Urteil für überzeugend. Die Klägerin habe eingeräumt, dass ihr die einzelnen Fragen aus den Antragsformularen nicht wörtlich übersetzt worden seien. Dadurch habe sie sich nicht hinreichend damit auseinandergesetzt. Gleichwohl habe sie mit ihrer Unterschrift die Richtigkeit der in den Anträgen gemachten Angaben bestätigt. Dies sei grob fahrlässig.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hält die Ausführungen im Urteil des SG für zutreffend. Die Nichtangabe der Rente sei der Klägerin zuzurechnen, selbst wenn die herangezogene Hilfsperson sie nicht nach Renteneinkommen gefragt habe sollte. Die fehlerhafte Einschätzung, eine russische Rente sei nicht anzugeben, sei grob fahrlässig. Die Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens entlaste die Klägerin im sozialge-richtlichen Verfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtakte, die Beiakte des Beklagten sowie die Verwaltungsvorgänge der Beigeladenen ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, denn der Wert der Beschwer übersteigt 750 EUR. Die Klägerin wendet sich gegen eine Erstattungsforderung von 42.155,88 EUR.
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 16. Februar 2010 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 31. Mai 2010 ist rechtmäßig.
Rechtgrundlage für die Rücknahme der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2009 sind § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm §§ 45, 50 SGB X sowie wegen der Rückforderung der erbrachten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen die §§ 330 und 335 SGB III. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III und § 45 Abs. 1, 2 Satz 3 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 SGB X wird ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, soweit er von Anfang an rechtwidrig begünstigend ist. Voraussetzung ist weiter, dass der Begünstigte sich nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen kann, weil der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die er vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Der Rücknahme- und Erstattungsbescheid ist formell rechtmäßig. Es kann dahinstehen, ob die Anhörung der Klägerin mit Schreiben vom 19. Januar 2010 mit dem unzutreffenden Verschuldensvorwurf (Kenntnis der fehlerhaften Bewilligung) noch den Anforderungen des § 24 Abs. 1 SGB X entspricht. Insoweit war der erlassene Rücknahme- und Erstattungsbescheid vom 16. Februar 2010, der der Klägerin sowohl zumindest grob fahrlässige Falschangaben (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X) als auch das Erkennen Können der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X) vorwirft, zunächst formell rechtswidrig. Indes ist der Anhörungsmangel durch eine Nachholung im Sinne von § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X geheilt worden. Denn vorliegend ersetzt das Widerspruchsverfahren die förmliche Anhörung. Der angegriffene Ausgangsbescheid enthielt die wesentlichen Tatsachen, auf die es nach der Rechtsansicht des Beklagten für den Verfügungssatz objektiv ankam (vgl. BSG, Urteil vom 9. Oktober 2011, Az.: B 13 R 9/11 R, juris RN 14); insbesondere ist der einschlägige Vorwurf der grob fahrlässigen Falschangaben genannt und dargelegt worden. Die Klägerin hatte mithin im Widerspruchsverfahren die Gelegenheit, sich zu den entscheidungserheblichen Tatsachen sachgerecht zu äußern.
Der angegriffene Rücknahme- und Erstattungsbescheid genügt in der Fassung, die er durch den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2010 erhalten hat, auch den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis des § 33 Abs. 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände in die Lage versetzt werden, die in dem Bescheid getroffenen Rechtsfolgen vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013, Az.: B 4 AS 89/12 R, juris RN 15). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwal-tungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss. Da vorliegend der Beklagte seine Leistungsbewilligung für die genannten Bewilligungszeiträume vollständig aufgehoben hat, bedurfte es keiner Bezifferung der auf die einzelnen Monate entfallenden Aufhebungsbeträge, weil die Klägerin erkennen konnte, dass ihr kein monatlicher Leistungsbetrag mehr verbleiben sollte. Unter Heranziehung der Bewilligungsbescheide konnte sie auch erkennen, wie hoch die monatlichen Aufhebungsbeträge waren.
Mit dem Ausgangsbescheid vom 16. Februar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 31. Mai 2010 wird auch die Jahresfrist gemäß § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt. Der Beklagte hatte erst im November 2009 nach der Vorsprache der Klägerin und der Vorlage der Ren-tenbelege hinreichend sichere Kenntnis vom Altersrentenbezug und der Rentenhöhe im streitigen Zeitraum.
Die Rücknahmeentscheidung ist auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Alle Bewilligungsbe-scheide für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 31. Oktober 2010 waren von Anfang an vollständig rechtwidrig, weil die Klägerin bereits dem Grunde nach von SGB II-Leistungen ausgeschlossen war. Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II erhalten Personen, die eine Rente wegen Alters oder Knappschaftsausgleichsleistung oder ähnliche Leistungen öffentlich-rechtlicher Art beziehen, keine SGB II-Leistungen. Auch der Bezug einer ausländischen Altersrente führt zum Leistungsausschluss, wenn diese Rente durch einen öffentlichen Träger gezahlt wird, sie an das Erreichen einer bestimmten Altersgrenze anknüpft und sie einen Lohnersatz nach einer im allgemeinen den Lebensunterhalt sicherstellenden Gesamtkonzeption darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: B 4 AS 105/11 R, juris, Leitsatz). Das BSG hat ausgeführt, zwar sei dem Wortlaut von § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II nicht eindeutig zu entnehmen, ob der Ausschlussgrund nur eintrete, wenn eine Rente nach deutschem Recht bezogen werde oder ob der Begriff der "Altersrente" auch eine ausländische Rentenleistung umfasse. Aber nach der gesetzlichen Formulierung müsse es sich in jeden Fall um eine Leistung handeln, die einer Altersrente nach dem Vorbild des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch "ähnlich" sei. Bereits im Arbeitsförderungsrecht des AFG, fortgeführt im SGB III, habe der Bezug einer ausländischen Altersrente zum Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe geführt. Hieran knüpfe das SGB II konzeptionell abgestimmt an, indem es zwischen Sozialversicherungsleistungen und steuerfinanzierten Existenzsicherungssystemen differenziere und ausländische Altersrenten, soweit sie deutschen Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung vergleichbar seien, erfasse. Typisierend sei anzunehmen, dass der Bezug einer Altersrente zum endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben und dadurch zum Leistungsausschluss nach dem SGB II führt. Daher komme es nicht darauf an, ob die ausländische Altersrente bereits bezogen werden könne, bevor dies im Hinblick auf das Renteneintrittsalter nach deutschem Recht möglich sei oder ob diese (individuell) den Lebensunterhalt sichern könne (vgl. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, a.a.O., RN 25f.).
Die russische Altersrente der Klägerin in Höhe von monatlich 2.365 Rubel bis März 2007 – bzw. 3.536,73 Rubel ab April 2007 – erfüllt die Kriterien für eine zum Ausschluss von SGB II-Leistungen führende Altersrente. Sie wird der Klägerin seit Erreichen des 50. Lebensjahrs gezahlt und wurde mit Erreichen des 60. Lebensjahrs (2007) deutlich erhöht, sie dient dem Lohnersatz und wird von einem öffentlichen Träger erbracht. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die Klägerin nicht über die Rentenzahlungen verfügen konnte. Es ist von einem "laufenden Bezug" auszugehen, auch wenn der Zahlweg nicht bekannt ist. Der Senat geht davon aus, dass die Rentengewährung in Russland mit Erreichen einer Altersgrenze erfolgt und als Lohnersatzleistung für die vom Empfänger zuvor ausgeübte Erwerbstätigkeit dient. Aufgrund des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II hat die Klägerin im streitigen Zeitraum von Anfang an keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II gehabt.
Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin im Sinne von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 45 Abs. 2 SGB X steht der Rücknahme der Leistungsbewilligungen nicht entgegen. Denn es liegen die Voraussetzungen von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor. Die Bewilligungsbescheide beruhten auf Angaben, die die Klägerin zumindest grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hatte. Eine unrichtige oder unvollständige Angabe kann durch das passive Verschweigen bestimmter Umstände erfolgen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine gesetzliche Mitteilungspflicht im Sinne von § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (SGB I) hinsichtlich der Einkommenserzielung besteht und nicht (vollständig) erfüllt wird. Auch eine unvollständige Angabe stellt ein Verschweigen dar, wenn sie den fälschlichen Eindruck erweckt, alle entscheidungserheblichen Angaben zu Sachverhalt vollständig gemacht zu haben (vgl. Schütze in: von Wulffen, SGB X, 8. Auflage 2014, § 45 RN 49). Das Unterlassen der Angabe der laufenden Rentenzahlungen in den Antragsformularen ist eine in wesentlicher Beziehung unvollständige Angabe der Einkommensverhältnisse. Im Mantelbogen des Antragsformulars wird unter VI zu den Einkommensverhältnissen ausdrücklich nach Einnahmen aus Renten aus der Sozialversicherung, Betriebsrenten oder Pensionen (3. Spiegelstrich) gefragt. Gleichwohl hat die Klägerin das Renteneinkommen nicht aufgeführt, sondern nur den Bezug von BSHG-Leistungen angegeben. Es wird weiterhin (6. Spiegelstrich) nach sonstigen laufenden oder einmaligen Einnahmen gleich welcher Art gefragt. Auch insoweit erfolgte keine Angabe. Die Klägerin hat die Richtigkeit ihrer Angaben in den Formularen jeweils durch ihre Unterschrift bestätigt. Der Vorwurf der unvollständigen Angaben im Antragsformular könnte ggf. nur dann entfallen, wenn die Klägerin bei ihrer Vorsprache im Zuge der Erstantragstellung deutlich gemacht hätte, dass sie nicht sicher ist, ob und wo sie den Bezug einer ausländischen Altersrente eintragen muss. Die Klägerin hat jedoch den Beklagten nicht darauf hingewiesen, dass sie über weitere, im Formular nicht erklärte Einnahmen verfügt. Sie hat durch ihre Unterschrift den Eindruck erweckt, im Formular vollständige und zutreffende Angaben gemacht zu haben. Dadurch hat sie die rechtswidrige Leistungsbewilligung durch den Beklagten verursacht. Denn mangels Kenntnis vom Rentenbezug hatte dieser aufgrund des Alters der Klägerin keinen Anlass, einem möglichen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II nachzugehen.
Der Senat ist – nach Befragen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung – und nach Auswertung des Verwaltungsvorgangs einschließlich der Einlassungen der Klägerin im Verfahren zu der Überzeugung gelangt, dass sie hinsichtlich der unterlassenen Angabe des Rentenbezugs als Einnahme auch grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt nach der gesetzlichen Definition in § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im ganz besonders schweren Maße verletzt hat. Dies verlangt, dass schon einfache, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt werden und daher nicht beachtet wird, was ggf. jedem einleuchten muss. Entscheidend ist das individuelle Vermögen, die Fehlerhaftigkeit der gemachten Angaben erkennen zu können. Maßgeblich ist daher, ob die Klägerin bei einer Parallelwertung in der Lage gewesen war, zu erkennen, dass das Renteneinkommen bei Antragstellung anzugeben war (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 76/08 R, juris RN 20).
Der Einwand der Klägerin, sie habe die allein in deutscher Sprache abgefassten Antragsfor-mulare nicht verstanden, kann sie vom Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entlasten. Gemäß § 19 Abs. 1 SGB X ist die Amtssprache deutsch. Daher sind deutsche Behörden nicht verpflichtet, amtliche Formulare in der Heimatsprache eines Antragstellers zur Verfügung zu stellen. Zwar darf die Behörde fremdsprachige Merkblätter o.ä. herausgeben, einen Rechtsanspruch hierauf haben ausländische Antragsteller jedoch nicht (vgl. Roller in: von Wulffen/Schütze, a.a.O., § 19 RN 6). Ebenso besteht kein Anspruch darauf, dass die Behörde zu Anhörungen und Vorsprachen einen Dolmetscher hinzuzieht. Ausländische Antragsteller müssen, wenn sie der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sind, sich über den Inhalt amtlicher Schriftstücke – zu denen auch die Antragsformulare für SGB II-Leistungen gehören – mit Hilfe eines Dolmetschers Klarheit verschaffen. Insoweit ist allgemein anerkannt, dass einem Ausländer ein Sorgfaltspflichtverstoß anzulasten ist, wenn er in Kenntnis seiner Verständigungsprobleme nicht alles Erforderliche unternimmt, um diese auszuräumen. Es obliegt einem ausländischen Antragsteller, dass er seinerseits alles Zumutbare unternimmt, um sich die notwendige zuverlässige Kenntnis von Inhalt amtlicher Schriftstücke zu verschaffen. Zuverlässige Kenntnis vom Inhalt erhält jedoch nur, wer sich amtliche Schriftstücke vollständig übersetzen lässt. Dies bedeutet, dass alle Einzelfragen eines ggf. mehrseitigen Formulars zu übersetzen sind. Grob fahrlässig handelt derjenige ausländische Antragsteller, der das von einem Dritten ausgefüllte Antragsformular "blind", d.h. ohne Kenntnis der Einzelangaben, unterschreibt. Dem kommt es gleich, wenn sich ein ausländischer Antragsteller auf die Einschätzung (bzw. rechtliche Würdigung oder das Wissen) der herangezogenen Hilfsperson verlässt, eine russische Rente müssten nicht angegeben werden, ohne sich selbst durch eine wortgetreue Übersetzung der Fragen zu dem Einkommen darüber zu informieren, welche Angaben zu machen sind. Denn bei einer Übersetzung der Frage nach Renteneinkommen hätten sich jedenfalls zumindest Zweifel dahingehend aufdrängen müssen, ob nur deutsche oder auch ausländische Renten gemeint waren. Im Zusammenhang mit den Fragen nach den übrigen Einkommensarten (Arbeitsentgelt, Vermietung oder Verpachtung, Zinsen, Kapitalerträge, Unterhaltszahlungen oder sonstige laufende oder einmalige Einnahmen gleich welcher Art) liegt die Erkenntnis nahe, dass jegliche Zuflüsse in Geldeswert anzugeben waren.
Der Umstand, dass die Klägerin sich keine Gedanken zu den abgefragten Informationen in den Antragsformularen gemacht und dementsprechend bei ihrer Vorsprache beim Beklagten zur Antragstellung weder nachgefragt noch zu erkennen gegeben hat, dass sie den Inhalt der Formulare nicht erfasst hat, macht die Nichtangabe des laufenden Renteneinkommens grob fahrlässig (vgl. zu den Sorgfaltspflichten ausländischer Antragsteller: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Dezember 2000, Az.: L 5 AL 4372/00, juris RN 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2009, Az.: L 3 AL 3823/06, juris RN 35; BSG, Urteil vom 27. April 1997, Az.: 11 RAr 89/96, juris). Denn sie hat sich nicht ausreichend darum bemüht, die an sie gerichteten Fragen vollständig zu erfassen und zu beantworten. Mit der insoweit unzureichenden Beantwortung hat sie zumindest billigend in Kauf genommen, dass abgefragte und benötigte Einzel- bzw. Detailinformationen nicht vollständig oder zutreffend erklärt wurden. Es ist angesichts des gehobenen Bildungsstand der Klägerin nach der Überzeugung des Senats als grob fahrlässig anzusehen, dass sie nach ihren Angaben ohne eine Übersetzung der einzelnen Fragen darauf vertraute, die herangezogenen Hilfsperson werde die Fragen schon zutreffend beantworten. Sie hat davon abgesehen, sich selbst die notwendige Kenntnis von den einzelnen Fragen oder den von der Hilfsperson eingetragenen Angaben im Detail zu verschaffen. Hinzu kommt, dass sie gegenüber den Beklagten ihre Unkenntnis oder eine Unsicherheit hinsichtlich der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben nicht offengelegt hat (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. September 2010, Az.: L 12 AS 233/06, juris RN 65 f.). Der Senat hat nach seinem in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindruck von der Persönlichkeit und den intellektuellen Fähigkeiten der Klägerin keine Anhaltspunkte dafür, dass sie nach ihrem individuellen Horizont mit den ihr abverlangten Sorgfaltspflichten überfordert war. Sie hat es sich zu leicht gemacht und das nicht beachtet, was jedem einleuchten muss.
Die Klägerin kann sich daher nicht auf Vertrauensschutz berufen. Sie kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie die Leistungen verbraucht habe und somit "entreichert" sei. Bei Vorliegen grober Fahrlässigkeit gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X ist bei der Rücknahmeent-scheidung der Verbrauch der erhaltenen Leistungen nicht relevant (vgl. BSG, Urteil vom 18. Februar 2010, Az.: B 14 AS 76/08 R, juris RN 21). Der Beklagte hatte gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 330 Abs. 2 SGB III kein Ermessen auszuüben. Er war zur Rücknahme der Leistungsbewilligungen verpflichtet. Der Beklagte hat daher dem Grunde nach zutreffend seine Bewilligungsentscheidungen vollständig aufgehoben.
Die Klägerin ist daher gemäß § 50 Abs. 1 SGB X verpflichtet, die im streitigen Zeitraum erhaltenen SGB II-Leistungen zu erstatten. Der Beklagte hat den Rückforderungsbetrag für die gesamten Bewilligungsabschnitte mit insgesamt 34.307,03 EUR beziffert. Die Erstat-tungsforderung ist auch zutreffend berechnet worden; da die im streitigen Zeit-raum erlasse-nen Änderungsbescheide sowie der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 23. April 2009 mit einer Rücknahme von 750,91 EUR einbezogen worden sind. Zudem hat der Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Klägerin gezahlt, die sich nach der Aufstellung im angegriffenen Bescheid auf insgesamt 7.848,85 EUR belaufen. Diese sind nach der vollständigen Rücknahme der Leistungsbewilligung ebenfalls in voller Höhe zu erstatten. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 iVm § 335 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 5 SGB III. Mithin ergibt sich eine Gesamterstattung von 42.155,88 EUR.
Die Rücknahme und Rückforderung der Leistungen (und Beiträge) durch den Beklagten ist vorliegend auch nicht durch § 107 Abs. 1 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift gilt im Verhältnis zwischen einem erstattungsberechtigten Leistungsträger (hier der Beklagte) und dem Sozialleistungsberechtigten (hier: der Klägerin) ein bestehender Erstattungsanspruch als erfüllt, wenn und soweit zwischen den beteiligten Sozialleistungsträgern ein Erstattungsanspruch besteht (hier: der Beklagte und die Beigeladene). Bei Bestehen eines Erstattungsanspruch nach den §§ 102ff. SGB X wird kraft Gesetzes fingiert, dass durch die Leistung des vorleistenden Trägers, hier des Beklagten als erstattungsberechtigtem SGB II-Leistungsträger, die Verpflichtung des "an sich" leistungspflichtigen Trägers, der Beigeladenen als erstattungspflichtigem Sozialhilfeträger, erfüllt ist. Aufgrund dieser Regelung kann einerseits der Sozialleistungsberechtigte nicht mehr gegen den eigentlich leistungsverpflich-teten Träger vorgehen (und Leistungen für die Vergangenheit fordern). Damit werden Doppelleistungen verhindert (vgl. BSG, Urteil vom 23. Februar 2011, Az.: B 11 AL 15/10 R, juris RN 16). Es erübrigt sich aber auch eine Rückabwicklung des materiell zu Unrecht begründeten Sozialleistungsverhältnisses zwischen dem Leistungsberechtigten und dem erstattungsberechtigten Leistungsträger. Soweit einer der gesetzlich geregelten Erstattungs-tatbestände eingreift, ist wegen der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X eine Rückab-wicklung im Verhältnis zwischen dem Leistungsträger und dem Berechtigten ausgeschlossen. Maßgeblich für den Eintritt dieser gesetzlichen Fiktion ist das objektive Bestehen eines Erstattungsanspruchs. Es kommt nicht darauf an, ob dieser geltend gemacht oder erfüllt worden ist. In Höhe eines bestehenden Erstattungsanspruchs gilt der Leistungsanspruch des Leistungsberechtigten als befriedigt. Die Geltendmachung eines Rückforderungsanspruchs durch den unzuständigen Leistungsträger ist ausgeschlossen.
Erstattungsansprüche nach § 102 oder § 103 SGB X kommen vorliegend nicht in Betracht, da der Beklagte weder vorläufig Leistungen erbracht hat noch seine Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist (§ 103 SGB X). Auch liegt kein Erstattungsanspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers gemäß § 104 SGB X vor, weil der Beklagte von Anfang an nicht leistungsverpflichtet war. Indes liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 105 Abs. 1 SGB X vor. Danach hat ein unzuständiger Leistungsträger, der Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 102 Abs. 1 SGB X vorliegen, einen Erstattungsanspruch gegen den zuständigen oder zuständig gewesenen Leistungsträger, soweit dieser nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat (§ 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Hier hat der Beklagte wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II zu Unrecht existenzsi-chernde SGB II-Leistungen an die Klägerin erbracht. Diese hätte Anspruch auf existenzsi-chernde Leistungen nach dem SGB XII gehabt. Die Beigeladene wäre als zuständige Sozialhilfeträgerin zur Erbringung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach den §§ 21, 27f. SGB XII, § 5 Abs. 2 SGB II an die Klägerin zuständig gewesen. Die Klägerin gehörte nicht zum Kreis der Leistungsberechtigten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den §§ 41ff. SGB XII, weil sie im streitigen Zeitraum die Altersgrenze des § 41 Abs. 2 Satz 3 SGB XII (für den Geburtsjahrgang 1947, 65 Jahre und 1 Monat) noch nicht erreicht hatte. Sie hat erst im Jahr 2012 ihr 65. Lebensjahr vollendet und war zuvor auch nicht dauerhaft voll erwerbsgemindert. Zudem war sie bedürftig im Sinne von §§ 19 Abs. 1, 27 SGB XII. Insoweit kann auf die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten verwiesen werden, wobei allerdings das Renteneinkommen der Klägerin von 2.365 Rubel (Wert am 1. Januar 2005: 62,85 EUR) bzw. 3.536 Rubel ab 1. April 2007 (damaliger Wert: 101,84 EUR) bedarfsmindernd zu berücksichtigen gewesen wäre.
Einer im Erstattungszeitraum bestehenden Leistungspflicht der Beigeladenen steht nach materiellem Leistungsrecht nicht entgegen, dass sie damals keine Kenntnis von ihrer Leistungspflicht hatte. Insoweit müsste sie sich nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung die Antragstellung bei dem Beklagten zurechnen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 26. Augst 2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R, juris RN 22f.). Denn eine für ein Einsetzen von Sozialhilfe grundsätzlich erforderliche Kenntnis der Beigeladenen vom Bedarfsfall der Klägerin als solchem (vgl. BSG, Urteil vom 10. November 2011, Az.: B 8 SO 18/10 R, juris RN 21) lässt sich hier für den insoweit maßgeblichen Zeitpunkt 1. Januar 2005 nicht feststellen. Nach den vorliegenden Sozialhilfeakten hatte die Beigeladene zwar BSHG-Leistungen bis zum 31. Dezember 2004 erbracht, ging jedoch nach der telefonischen Mitteilung vom 15. Dezember 2004 von der Beendigung des Leistungsfalls aufgrund der Zuständigkeit eines anderen Leistungsträgers (wegen der Teilnahme der Klägerin am Sprachkurs) ab dem 20. Dezember 2004, spätestens aber zum Jahresende 2004 aus. Nach dem Aktenvermerk sah die Beigela-dene von der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs ab, weil eine erste Auszahlung von SGB III-Leistungen erst am 30. Dezember 2004 erfolgen sollte. Von ihrer weiteren sachlichen Zuständigkeit für den Leistungsfall oder der weiteren Hilfebedürftigkeit der Klägerin über das Jahresende 2004 hinaus hatte die Beigeladene nach den vorliegenden Unterlagen keine Kenntnis.
Der dem Grunde nach bestehende Erstattungsanspruch nach § 105 Abs. 1 SGB X ist jedoch durch die Sonderregelung in § 105 Abs. 3 SGB X ausgeschlossen. § 105 Abs. 3 SGB X begrenzt (wie auch § 103 Abs. 3 SGB X) den Erstattungsanspruch gegenüber den Trägern der Sozialhilfe, der Kriegsopferfürsorge und der Kinder- und Jugendhilfe zeitlich auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Trägers von seiner Leistungspflicht. Ein Sozialhilfeträger ist folglich erst ab dem Zeitpunkt, da ihm seine Leistungspflicht bekannt ist, zur Kostenerstattung verpflichtet. Maßgeblich ist die tatsächliche Kenntnisnahme des zuständigen Sachbearbeiters der Behörde; das bloße Kennenmüssen reicht nicht aus. Insoweit hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG, Urteil des 5. Senats vom 2. Juni 2005, Az.: 5 C 30/04, juris) ausgeführt, im Erstattungsrechtsverhältnis komme es für den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Voraussetzungen der Leistungspflicht im Sinne von § 105 Abs. 3 SGB X maßgeblich auf die (tatsächliche) Kenntnis des Trägers der Sozialhilfe an, gegen den der Erstattungsanspruch geltend gemacht werde. Das für den Leistungsfall nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (bzw. 16 Abs. 2 SGB I) für das Einsetzen von Sozialhilfe ausreichende Bekanntwerden bei einem nichtzuständigen Sozialhilfeträger ersetze im Erstattungsverhältnis nicht die nach § 105 Abs. 3 SGB X erforderliche eigene Kenntnis des auf Erstattung in Anspruch genommenen Sozialhilfeträgers. Nach dem Wortlaut des § 105 Abs. 3 SGB X sei die Anwendung der Abs. 1 und 2 im Verhältnis zu bestimmten Leistungsträgern begrenzt und stelle darauf ab, ob diesen bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen. Stelle man hingegen letztlich auf die Kenntnis des erstattungsbegehrenden Leistungsträgers ab, liefe die gesetzliche Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X mangels sinnvollen Anwendungsbereichs ins Leere. Denn Sinn und Zweck dieser gesetzlichen Regelung sei eine Begrenzung von Erstattungsansprüchen gegen die genannten Sozialleistungsträger. In Ansehung der Regelung des § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (jetzt wortgleich: § 18 Abs. 2 SGB XII), der eingeführt worden sei, um § 16 Abs. 2 SGB I im Sozialhilferecht Geltung zu verschaffen, ergebe sich kein Grund für eine teleologisch reduzierende Auslegung (a.a.O., RN 11). Der Gesetzgeber habe die Einführung von § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG im Jahr 1996 nicht zum Anlass genommen, § 105 Abs. 3 SGB X neu zu regeln oder einzuschränken. Mithin sei für das Erstattungsrecht der allgemeine Schutzzweck des § 105 Abs. 3 SGB X, nicht wegen Aufwendungen für Leistungen in Anspruch genommen zu werden, von denen den benannten Trägern nicht bekannt war, dass die Voraussetzungen für ihre Leistungspflicht vorlagen, auch weiterhin gültig.
§ 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG (jetzt: § 18 Abs. 2 SGB XII) betreffe allein das Leistungsverhältnis zum Hilfesuchenden; Schutzzweck der Regelung sei, dass Hilfesuchende angesichts des gegliederten Sozialleistungssystems und der mitunter schwierigen Zuständigkeitsabgrenzung nicht darunter "leiden" sollten, dass einem anderen als dem zuständigen Träger die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung bekannt geworden sei (a.a.O., RN 12). § 5 Abs. 2 Satz 2 BSHG habe schon nicht angeordnet, dass die Kenntnis des unzuständigen Sozialhilfeträgers umfassend dem zuständigen Sozialhilfeträger zugerechnet werde, sondern beschränke die Kenntniszurechnung auf das Einsetzen der Sozialhilfe (Zeitpunkt des Leistungsbeginns). Für eine weitergehende Wirkung der Zurechnung, insbesondere in dem systematisch vom Leistungsrecht zur unterscheidenden Erstattungsrecht, fehle dem Wortlaut der Regelung der Anhalt. Eine Ausdehnung des auf das Leistungsverhältnis bezogenen Anwendungsbereichs von § 5 Abs. 2 BSHG bzw. § 18 Abs. 2 SGB XII auf das Erstattungs-rechtsverhältnis zwischen Sozialhilfeträgern sei nicht geboten; der Zurechnungszusammen-hang müsse nicht identisch sein.
Dieser Rechtsprechung des BVerwG aus dem Jahr 2005 zum Erstattungsrecht ist das BSG nicht entgegengetreten. Seine Entscheidungen zu § 16 Abs. 2 SGB I (BSG, Urteil vom 26. August 2008, Az.: B 8/9b SO 18/07 R, juris, Urteil vom 2. Dezember 2014, Az.: B 14 AS 66/13 R, juris) betreffen allein Leistungsverhältnisse. Wegen des Meistbegünstigungsgrundsatzes und der Regelung von § 16 Abs. 2 Satz 2 SGB I sei im Verhältnis von SGB II- und SGB XII-Leistungen im Zweifel davon auszugehen, dass ein Antrag auf SGB II-Leistungen auch als Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII zu verstehen sei. Die Urteile enthalten keine Aussagen zu Erstattungsverfahren. Rechtsprechung des BSG zur Reichweite oder Auslegung von § 105 Abs. 3 SGB X gibt es nicht.
Soweit mehrere Sozialgerichte (SG Augsburg, Urteil vom 17. November 2015, Az.: S 8 AS 983/15, juris; SG Altenburg, Urteil vom 20. Oktober 2016, Az.: S 30 AS 471/14, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 9. Februar 2012, Az.: L 9 AS 36/09, juris RN 95-97; erwägend im Rahmen der PKH-Beschwerde: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Februar 2016, Az.: L 9 AS 2914/15 B, juris) die Rechtsprechung des BSG zu § 16 Abs. 2 SGB I auf das Erstattungsrecht der §§ 102 ff. SGB X übertragen und dies mit der "notwenigen Konnexität" von materiellem Leistungsrecht und Erstattungsrecht begründen (SG Altenburg, a.a.O., RN 48; SG Augsburg a.a.O., RN 35), vermag der Senat dem nicht zu folgen. Einen Gleichklang von Leistungsrecht und Erstattungsrecht gibt es wegen der gesetzlich normierten Durchbrechungen u.a. durch § 105 Abs. 3 SGB X nicht. Denn nicht jede unzuständige Leistungserbringung ist im Erstattungswege rückabzuwickeln. Nur mit den gesetzlich geregelten Tatbeständen wird bezweckt, mehrere Transaktionen im Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsempfänger, Leistungspflichtigem und leistungsgewährendem Träger zu vermeiden und sicher zu stellen, dass derjenige Träger die Kosten der Leistung endgültig trägt, dessen Leistungspflicht der Sache nach "eigentlich" besteht. Liegt keiner der in § 102ff. geregelten Erstattungstatbestände vor, gibt es keinen Ausgleich zwischen verschiedenen Leistungsträgern. Insoweit hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 105 Abs. 3 SGB X u.a. den Sozialhilfeträgern einen besonderen Schutz vor Kostenerstattungen zugebilligt, auch wenn dieser mit dem materiellen Leistungsrecht nicht im Einklang steht (vgl. VG Aachen, Urteil vom 3. Februar 2004, Az.: 2 K 71/02, juris, RN 41; BVerwG, a.a.O., RN 12). Insoweit bezweifelt auch das LSG Baden-Württemberg (a.a.O., RN 11), dass wegen des klaren Wortlauts von § 105 Abs. 3 SGB X eine entsprechende Kenntniszurechnung in Erstattungsfällen geboten sei.
Nach Auffassung des Senats ist die für den Leistungsfall nachvollziehbare und zutreffende Bewertung des BSG nicht auf den Erstattungsfall zu übertragen, weil zugrunde liegende Fallgestaltungen und die beteiligten Interessen nicht vergleichbar sind. Die im Leistungsfall fingierte Kenntnis des zuständigen Sozialhilfeträgers soll den "rechtzeitigen" Zugang zu Sozialleistungen und damit die Verwirklichung sozialer Rechte sicherstellen. Leistungsbe-rechtigte sollen nicht unter Zuständigkeitsstreiten zwischen Sozialleistungsträgern leiden müssen. Diese Problemlage stellt sich im Erstattungsfall nicht. Eine besondere Schutzbe-dürftigkeit des Leistungsberechtigten – hier der Klägerin – ist nicht ersichtlich. Sie hat aufgrund eines vorwerfbaren Verhaltens im Sinne von § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X die rechtwidrige Leistungserbringung und nachfolgend den die Rückforderung auslösenden Ausschluss vom Vertrauensschutz selbst verursacht. Schließlich führte eine Übertragung der BSG-Rechtsprechung für Leistungsfälle auf Erstattungsfälle dazu, dass die Vorschrift des § 105 Abs. 3 SGB X für Sozialhilfeträger im Leistungsrecht nach dem SGB II und SGB XII praktisch keinen Anwendungsfall hätte, was weder systematisch noch leistungsrechtlich geboten ist.
Nach alledem ist sowohl die Rücknahmeentscheidung als auch die Erstattungsforderung des Beklagten gegen die Klägerin nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat die Gesamtleistungen in Höhe von 42.155,88 EUR an den Beklagten zu erstatten. Die Erstattungsforderung ist auch der Höhe nach berechtigt. Rechenfehler sind für den Senat nicht ersichtlich und im Übrigen auch nicht von der Klägerin nicht geltend gemacht worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war zuzulassen, weil die Auslegung von § 105 Abs. 3 SGB X grundsätzliche Bedeutung hat. Zudem gibt es von der Rechtsauffassung des Senat abweichende Entschei-dungen von Sozialgerichten.
Rechtskraft
Aus
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