L 28 AS 30/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 140 AS 33009/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 28 AS 30/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Streitig ist die Höhe des gewährten Arbeitslosengeldes II bzw. Sozialgeldes für die Monate Juli bis Oktober 2011.

Die Klägerin zu 1. und ihre minderjährige Tochter, die Klägerin zu 2., für die die Klägerin zu 1. allein sorgeberechtigt ist, lebten im streitigen Zeitraum in Bedarfsgemeinschaft zu einem Mietzins von 427,97 Euro zur Untermiete in der Wohnung der Mutter der Klägerin zu 1. Die Gesamtmiete betrug 727,97 Euro (482,82 Euro Grundmiete + 110,94 Euro Heizung/Warmwasser + 134,21 Euro kalte Betriebskosten), die Warmwasseraufbereitung erfolgte mittels Fernwärme. Die Klägerin zu 1. bezog bis zum 22. Juni 2011 Arbeitslosengeld, das ihr in Höhe von 1.056,60 Euro im Mai 2011 und in Höhe von 774,84 Euro im Juni 2011 zufloss. Außerdem wurde ihrem Konto am 09. Juni 2011 eine Steuerrückerstattung in Höhe von 3.405,15 Euro gutgeschrieben. Die Klägerin zu 2. bezog monatlich Kindergeld in Höhe von 184,- Euro sowie einen Unterhaltsvorschuss in Höhe von 133,- Euro.

Am 20. Mai 2011 ging bei dem Beklagten der am 18. Mai 2011 unterschriebene Antrag der Klägerin zu 1. auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) ein. Dem Formblatt "Antragsbegründung", unterschrieben am 29. Mai 2011, ist u.a. Folgendes zu entnehmen: " Antragsmonat: 18. 05.2011 1. Meinen Antrag auf Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld begründe ich wie folgt: Ende des ALG I am 22. Juni 2011. 2. Meinen Lebensunterhalt (und den meiner im Haushalt lebenden Angehörigen) habe ich während der vergangenen Monate wie folgt sichergestellt: Durch ALG I (Arbeitslosigkeit)."

Mit bindend gewordenem Bescheid vom 10. August 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung von Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 01. Mai bis zum 30. Juni 2011 ab, da die Klägerinnen aufgrund der Höhe des anzurechnenden Einkommens nicht hilfebedürftig seien. Als Einkommen berücksichtigte der Beklagte u.a. das in dem jeweiligen Monat zugeflossene Arbeitslosengeld sowie für Juni 2011 die in diesem Monat zugeflossene Steuerrückerstattung, verteilt auf sechs Monate. Mit weiterem Bescheid vom 10. August 2011 wurden den Klägerinnen vorläufig Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld für die Zeit vom 01. Juli bis zum 31. Oktober 2011 in Höhe von monatlich 30,80 Euro als Leistung zur Deckung des Regelbedarfs zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Klägerin zu 1. sowie zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung von monatlich 213,98 Euro für die Klägerin zu 1. und 38,66 Euro für die Klägerin zu 2. bewilligt. Den dagegen eingelegten Widerspruch begründeten die anwaltlich vertretenen Klägerinnen damit, dass Anspruch auf Leistungen für die Zeit von Juli bis Oktober 2011 ohne Anrechnung von Einkommen aus der Steuererstattung bestehe. Ihr Antrag vom 18. Mai 2011 sei erst zum 01. Juli 2011 zu verstehen gewesen. Sie habe für Mai und Juni 2011 ausreichend Mittel von der Bundesagentur für Arbeit erhalten, ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II habe nicht bestanden. Demzufolge sei die Steuererstattung vom 09. Juni 2011 vor Antragstellung zugeflossen und mithin als Vermögen und nicht als Einkommen zu betrachten. Eine Anrechnung habe nicht zu erfolgen. Mit Widerspruchsbescheid vom 21. November 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Bedarfszeit beginne mit der Wirksamkeit der Antragstellung. Der Antrag wirke auf den Ersten des Antragsmonats zurück (§ 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II). Wegen der geregelten Antragsrückwirkung auf den Monatsersten seien auch Einnahmen, die im Zuflussmonat vor dem Tag der Antragstellung im Antragsmonat zufließen würden, als Einkommen zu berücksichtigen. Der von der Klägerin zu 1. am 18. Mai 2011 unterschriebene Antrag sei am 20. Mai 2011 bei ihm, dem Beklagten, eingegangen. Die Bedarfszeit beginne im Fall der Klägerinnen also am 01. Mai 2011. Die am 09. Juni 2011 zugeflossene Steuererstattung sei daher zu Recht als Einkommen berücksichtigt worden. Die Klägerin zu 1. habe weder im Antragsvordruck vermerkt, dass sie Leistungen erst zu einem späteren Zeitpunkt begehre, noch habe sie bei ihren persönlichen Vorsprachen vorgetragen, dass der Antrag auf Leistungen als solcher zum 01. Juli 2011 zu verstehen sei.

Dagegen haben die anfangs unvertretenen Klägerinnen am 14. Dezember 2011 Klage bei dem Sozialgericht Berlin erhoben, zu deren Begründung sie geltend gemacht haben, auf Anraten des Herrn S vom Beklagten rechtzeitig sechs Wochen vor Ablauf des Arbeitslosengeldes den Leistungsantrag gestellt zu haben. Zur Kontrolle habe sie, die Klägerin zu 1., noch ein Telefonat geführt und sich den Rat zur rechtzeitigen Antragstellung bestätigen lassen. Am 22. Juni 2011 sollte das ihr gezahlte Arbeitslosengeld auslaufen und sie habe eine lückenlose Fortzahlung des Lebensunterhalts sicherstellen wollen. In ihrem Anschreiben an den Beklagten habe sie auch ihr Begehren auf Zahlung ab dem 22. Juni 2011 bzw. ab dem 01. Juli 2011 formuliert. Im Zeitpunkt der Gutschrift der Steuererstattung am 09. Juni 2011 sei sie noch keine Bezieherin von Arbeitslosengeld II gewesen. Hätte sie gewusst, dass das Gesetz bezüglich der Berechnung seit Januar 2011 geändert worden sei, nämlich dahingehend, dass der Antrag als rückwirkend gestellt gewertet werde, hätte sie den Antrag erst am 01. Juli 2011 gestellt.

Mit Urteil vom 24. November 2014 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die hilfebedürftigen Klägerinnen könnten für den Streitzeitraum Juli bis Oktober 2011 keine höheren Leistungen als die von dem Beklagten bewilligten 283,44 Euro monatlich beanspruchen. Denn die anteilige Steuerrückerstattung von 567,53 Euro sei zu Recht als monatliches Einkommen bei der Bedarfsberechnung berücksichtigt worden. Bei der Steuerrückerstattung handele es sich um Einkommen und nicht um Vermögen, denn das Geld sei nach der konstitutiv wirkenden Antragstellung zugeflossen. Da der Antrag auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II auf den Ersten des Monats zurückwirke, gelte der Antrag der Klägerinnen vom 20. Mai 2011 als am 01. Mai 2011 gestellt. Beginne der Leistungsanspruch ausnahmsweise nicht schon ab Antragstellung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt, so sei für die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern auf den der Entstehung des Leistungsanspruchs abzustellen. Beginne also der Leistungsanspruch erst im Laufe des Monats, so blieben vor der Anspruchsentstehung zugeflossene Einnahmen Vermögen. Vorliegend hätten die Klägerinnen bereits ab dem 01. Juni 2011 einen Leistungsanspruch gehabt. So habe im Juni 2011 ohne Berücksichtigung der Steuerrückerstattung ein ungedeckter Bedarf in Höhe von 283,53 Euro bestanden. Dieser Leistungsanspruch sei jedoch entfallen, weil die am 09. Juni 2011 zugeflossene Steuerrückerstattung folglich als Einkommen zu berücksichtigen gewesen sei. Der Beklagte habe die einmalige Einnahme auch zutreffend gemäß § 11 Abs. 3 SGB II auf sechs Monate verteilt.

Gegen das am 03. Dezember 2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 06. Januar 2015 eingelegte Berufung. Die Klägerinnen halten an ihrer Auffassung, die Steuerrückerstattung sei als Vermögen zu bewerten, fest. Der Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II sei erst nach dem Zufluss der Steuererstattung am 09. Juni 2011 entstanden. Sie machen weiter geltend, ihr Leistungsantrag sei aufgrund ihrer eindeutigen Angaben dahingehend auszulegen, dass Leistungen nach dem SGB II erst ab dem 01. Juli 2011 beantragt werden. Soweit ein Leistungsempfänger im Zeitpunkt der Einnahme des vermeintlich anzurechnenden Betrags keine Leistungen beziehe, könne auch nicht aufgrund einer vorangegangenen Antragstellung eine Einordnung des Betrags als Einkommen erfolgen. Zudem sei ein Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), hier bis zum 22. Juni 2011, neben dem Leistungsbezug nach dem SGB II nicht zulässig. Soweit im Fall eines verspäteten Antrags im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs aufgrund fehlerhafter Beratung auch eine weitreichendere Rückwirkung als lediglich zum Monatsersten gewährt werden könne, könne hier im Umkehrschluss nichts anderes gelten. Lediglich aufgrund des Beratungsgesprächs mit dem zuständigen Sachbearbeiter und der in B vorherrschenden langen Bearbeitungsdauer eines Antrags, was sich unschwer an der Bewilligung erst im Monat August 2011 erkennen lasse, sei ein Antrag bereits im Mai 2011 gestellt worden.

Am 19. Januar 2015 haben die Klägerinnen Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist beantragt. Sie führen aus, die Berufungsschrift sei am 30. Dezember 2011 gegen 17.00 bei der PIN AG in der Rstraße, B von ihrer Prozessbevollmächtigten persönlich in den Briefkasten geworfen worden. Anhand der normalen Postlaufzeiten sei somit mit Zugang lange vor Fristablauf zu rechnen gewesen.

Die Klägerinnen beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. November 2014 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 10. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. November 2011 zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2011 weitere Leistungen zum Lebensunterhalt in Höhe von insgesamt 567,53 Euro monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie zurückzuweisen.

Er hält die Berufung für unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben worden sei. Sollte die Berufung zulässig sein, sei sie jedenfalls aber unbegründet, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden habe.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 15. März 2017 und 10. April 2017 sind die Beteiligten zu der beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) angehört worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

II.

Der Senat konnte nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG entscheiden, denn er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich.

Die Berufung ist zulässig. Zwar ist sie nicht fristgerecht eingelegt worden, denn die einmonatige Berufungsfrist (§ 151 SGG), über die die Klägerinnen in dem angefochtenen Urteil ordnungsgemäß belehrt worden sind, begann am 04. Dezember 2014 nach Zustellung des Urteils am 03. Dezember 2014 und endete am Montag, dem 05. Dezember 2014 (§ 64 SGG) und damit einen Tag vor Zugang der Berufungsschrift vom 30. Dezember 2014 am 06. Januar 2015. Allerdings ist den Klägerinnen gemäß § 67 Abs. 1 SGG antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn sie haben glaubhaft gemacht, wegen überlanger Postlaufzeiten ohne Verschulden verhindert gewesen zu sein, die Berufungsfrist einzuhalten.

Absender dürfen darauf vertrauen, dass die Post die normalen Postlaufzeiten einhält. Seit dem Inkrafttreten von § 2 Nr. 3 Satz 1 Postuniversaldienstleistungsverordnung müssen die Postunternehmen, zu denen die PIN AG gehört, sicherstellen, dass sie an Werktagen aufgegebene Inlandssendungen im ganzen Bundesgebiet im Jahresdurchschnitt mindestens zu 80 v. H. am ersten Tag nach der Einlieferung ausliefern. Ohne konkrete Anhaltspunkte muss der Bürger nicht mit einer längeren Laufzeit rechnen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. A. 2014, § 67 RdNr. 6a m. w. N.). Danach mussten die Klägerinnen nicht damit rechnen, dass der am Dienstag, dem 30. Dezember 2014 in den Briefkasten eingeworfene Brief mit der Berufungsschrift erst am Dienstag, dem 06. Januar 2015 bei Gericht eingegangen ist.

Die insoweit zulässige Berufung ist aber unbegründet. Die Klägerinnen haben keinen Anspruch auf weiteres Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld in Höhe von insgesamt 567,53 Euro monatlich für die Zeit vom 01. Juli 2011 bis zum 31. Oktober 2011.

Die Voraussetzungen der Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllt die Klägerin zu 1. Der Anspruch der Klägerin zu 2. auf Sozialgeld leitet sich von dem Anspruch der Klägerin zu 1., mit der sie in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ab (§ 7 Abs. 2 und 3 Nr. 4 SGB II). Wie das Sozialgericht zutreffend dargestellt hat, haben die beiden Klägerinnen nach Abzug des Kindergeldes und des Unterhaltsvorschusses an die Klägerin zu 2. einen Gesamtbedarf in Höhe von 820,97 Euro. Von diesem Bedarf ist ein Sechstel der Steuerrückerstattung (§ 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung) von 3.405,15 Euro als einmaliges Einkommen und nach Abzug eines Freibetrags von 30,- Euro gemäß § 6 Abs. 2 der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in Höhe von 537,53 Euro monatlich auf den Bedarf der Klägerinnen anzurechnen. Der Gesamtanspruch beträgt somit 283,44 Euro monatlich wie von dem Beklagten auch bewilligt.

Entgegen der Auffassung der Klägerinnen ist die Steuerrückerstattung auch als Einkommen anzurechnen und stellt kein Vermögen dar. Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der ab dem 01. April 2011 geltenden Fassung sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Wie die für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG zur Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bereits entschieden haben, ist Einkommen dabei grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte. Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt (BSG, Urteil vom 25. Januar 2012 – B 14 AS 101/11 R -, m. w. N., zitiert nach juris). Bei dem Zufluss von Einmaleinkommen kam es nach dem vor dem 01. Januar 2011 geltenden Recht teilweise zu zufälligen Ergebnissen, die mit der seit dem 01. Januar 2011 in § 37 SGB II angeordneten Rückwirkung des Leistungsantrags auf den Monatsersten und einer auf sechs Monate begrenzten Anrechnung von Einmaleinkommen nunmehr beseitigt worden sind (Geiger in LPK-SGB II, 5. A. 2013, § 11 RdNr. 13). Damit kommt der Antragstellung maßgebende Bedeutung für die Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen zu. Aufgrund der Rückwirkung des Leistungsantrags gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II in der ab dem 01. Januar 2011 geltenden Fassung auf den Monatsersten werden auch Einnahmen, die im Rückwirkungszeitraum zugeflossen sind, als Einkommen berücksichtigt. Auch wenn der Leistungsanspruch erst nach dem Zufluss im Laufe eines Monats beginnt oder der Antragsteller erst für einen späteren Zeitraum im Antragsmonat Leistungen begehrt, sind vor der Anspruchsentstehung zugeflossene Einnahmen Einkommen und kein Vermögen (so BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 36/13 R -, m. w. N., zitiert nach juris). Der Hilfesuchende ist nicht einmal befugt, die Anrechnung mit einer Rücknahme des Arbeitslosengeld II-Antrags zu umgehen (BSG, Urteil vom 24. April 2015 – B 4 AS 22/14 R -, zitiert nach juris), was vorliegend durch die Klägerinnen auch nicht erfolgt ist. Allerdings konnten die Klägerinnen die leistungsrechtliche Wirkung ihres Antrags auf Arbeitslosengeld II, der am 20. Mai 2011 gestellt worden ist, auf einen bestimmten – späteren - Zeitpunkt beschränken. Denn ein Antragsteller auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II kann im Rahmen seiner Dispositionsfreiheit durch seinen Antrag bestimmen, ab welchem Zeitpunkt er einen Leistungsanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 – B 14 AS 36/13 R -).

Eine solche Bestimmung eines Leistungsbeginns erst ab dem 01. Juli 2011 ist jedoch weder dem Antrag der Klägerinnen noch weiteren Umständen zu entnehmen. Der Antrag ist am 18. Mai 2011 unterschrieben worden und am 20. Mai 2011 bei dem Beklagten eingegangen, ohne dass dem Formular ein ausdrücklicher schriftlicher Hinweis auf einen späteren Leistungsbeginn als Mai 2011 zu entnehmen wäre. Eine mündliche Erklärung wird von den Klägerinnen nicht vorgetragen und ist der Verwaltungsakte als Vermerk auch nicht zu entnehmen. Eine telefonische Sachstandsanfrage der Klägerin zu 1. am 01. August 2011 ist vielmehr als Frage "nach dem Bearbeitungsstand ihres Antrags auf Arbeitslosengeld II ab 06/11" vermerkt worden. Es wird auch nicht geltend gemacht, dass bei dem Gespräch mit Herrn S von dem Beklagten die Frage des Leistungsbeginns angesprochen worden ist. Im Hinblick darauf, dass die Klägerinnen weder das Wann noch die Höhe der Steuerrückerstattung kennen konnten, ist davon auch nicht auszugehen. Lediglich dem dem Antrag beigefügten Formblatt "Antragsbegründung" lässt sich entnehmen, dass die Klägerinnen die nahtlose Bewilligung von Leistungen erst nach Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld zum 22. Juni 2011 und nicht bereits ab Antragstellung im Mai 2011 begehrten. Denn ihre Begründung, das Arbeitslosengeld ende am 22. Juni 2011 und der Lebensunterhalt sei in den vergangenen Monaten durch diese Leistung sichergestellt gewesen, lässt den Schluss zu, dass die Klägerinnen ihren Lebensunterhalt jedenfalls ab dem 23. Juni 2011 durch Leistungen nach dem SGB II sicherstellen wollten. Dies legen auch die Ausführungen der Klägerin zu 1. in der Klagebegründung nahe. Offensichtlich hatte sie bei Antragstellung die ab dem 01. Januar 2011 geltende Rückwirkungsregelung des Antrags in § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB II nicht gekannt, denn sie hat erklärt, hätte sie von der geänderten Rechtslage ab dem 01. Januar 2011 gewusst, hätte sie den Antrag erst am 01. Juli 2011 gestellt. All dies berücksichtigend hat der Senat keine Zweifel, dass der Leistungsantrag mit Wirkung zum 23. Juni 2011 gestellt worden ist mit der Folge, dass die am 09. Juni 2011 zugeflossene Steuerrückerstattung als Einkommen auf den Bedarf im Juni 2011 anzurechnen ist. Dies hat der Beklagte zutreffend getan und Leistungen – auch – für Juni 2011 zu Recht abgelehnt. Hier war zu Lasten der Klägerinnen zu berücksichtigen, dass neben dem sechsten Teil der Steuerrückerstattung auch noch das zugeflossene Arbeitslosengeld als Einkommen anzurechnen war, so dass das Einkommen den Bedarf in diesem Monat bei Weitem überstieg. Dieser Bescheid ist bindend (§ 77 SGG) geworden.

Soweit die Klägerinnen ihren Anspruch auf höhere Leistungen mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs begründen, vermag sich der Senat nicht vom Vorliegen der Voraussetzungen zu überzeugen. Denn eine Falschberatung hätte vorausgesetzt, dass die Klägerinnen den Beklagten über das Ziel der Umgehung der Anrechnung der Steuererstattung vorab hätten informieren müssen. Dass dies geschehen ist, ist weder dargetan noch ersichtlich.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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