Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
205
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 205 AS 1240/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers.
2. Erwerbsfähige Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.
3. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von Sozialhilfe ist mit Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar.
2. Erwerbsfähige Unionsbürger ohne materielles Aufenthaltsrecht haben keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Sozialhilfeträger.
3. Der Ausschluss erwerbsfähiger Unionsbürger von Sozialhilfe ist mit Verfassungsrecht und Unionsrecht vereinbar.
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 verurteilt, dem Kläger für Oktober 2015 Arbeitslosengeld II in Höhe von 75,90 EUR zu gewähren. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Berufung wird für den Beklagten nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten für September bis Oktober 2015 in Höhe von monatlich 545,50 EUR, hilfsweise Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beigeladenen für den gleichen Zeitraum in gleicher Höhe.
Der 1991 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Lettland.
Der Kläger ist im Juli 2014 nach Deutschland eingereist. Er war in der Zeit vom 1. bis 6. Mai 2015 als Küchenhilfe beschäftigt und hat hierfür ein Entgelt von 38,25 EUR erhalten. Ferner hat der Kläger vom 16. September 2015 bis 23. September 2015 als Küchenhilfe gearbeitet und hierfür ein Entgelt von 127,50 EUR erhalten.
Der Kläger hat eine monatliche Miete von 360,00 EUR zu entrichten.
Der Kläger stellte am 6. März 2015 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), den der Beklagte ablehnte (Ablehnungsbescheid vom 27. März 2015, Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. Mai 2015). Hiergegen erhob der Kläger am 4. Juni 2015 Klage zum Sozialgericht Berlin, welche nunmehr unter dem Aktenzeichen S 190 AS 8757/15 geführt wird. Dort beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.
Der Kläger stellte bei dem Beklagten am 30. September 2015 einen weiteren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diesen lehnte der Beklagte ebenfalls ab (Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015). Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, seien von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen. Der Kläger sei weder Arbeitnehmer noch Selbständiger.
Hiergegen erhob der Kläger am 3. November 2015 Widerspruch. Der Kläger sei weiterhin Arbeitnehmer, denn die Beschäftigungsverhältnisse seien nicht beendet. Die jeweiligen Kündigungserklärungen seien unwirksam.
Nachdem der Kläger zum 29. Oktober 2015 eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 50 Stunden zu einer Vergütung von 9,00 EUR brutto pro Stunde eingegangen ist, bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II ab 1. November 2015 (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2015). Die Vergütung wird erst im Folgemonat ausgezahlt. Über anderweitiges Einkommen verfügt der Kläger nicht.
Den Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015 hob der Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 auf (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Den Widerspruch wies er im Übrigen "nach Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 15.12.2015" als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Der Kläger habe erst seit 1. November 2015 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung inne. Dem sei durch die Teilabhilfe ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen worden.
Mit der am 26. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger meint, wegen der unwirksamen Kündigungserklärungen seiner ehemaligen Arbeitgeber habe er weiterhin den Status als Arbeitnehmer. Sofern dies nicht der Fall sei, habe er einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen, da er sich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalte.
Mit Beschluss vom 5. April 2016 hat das Gericht das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln, beigeladen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen, hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Antrags zu 1.) , 2. den Beigeladenen zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) statthafte Klage ist im Hinblick auf den Zeitraum 1. bis 30. September unzulässig. Ihr steht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit (§ 202 SGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)) entgegen. Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2015 in dem bereits vorher anhängigen Verfahren S 190 AS 8757/15.
Im Übrigen, dh für den Zeitraum 1. bis 31. Oktober 2015, ist die Klage zulässig.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten ist teilweise rechtswidrig und beschwert insoweit den Kläger (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Kläger hat für den Zeitraum 29. bis 31. Oktober 2015 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (1.). Für die übrige Zeit steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen den Beklagten noch ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen zu (2.)
1. Im Zeitraum 29. bis 31. Oktober 2015 ist der hilfebedürftige, erwerbsfähige Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit hatte, erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Er hat daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs 1 S 1 SGB II).
In der in Rede stehenden Zeit war der Kläger nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind hiernach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe der Aufenthaltsberechtigung erforderlich (BSG 30.1.2013 – B 4 AS 54/12 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 34, Rn 23). Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (BSG aaO Rn 23).
Zwar verfügte der Kläger nicht über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Nach dieser Vorschrift haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht) (§ 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU).
Der Kläger befindet sich nach eigenen Angaben erst seit 2014 in Deutschland.
Der Kläger hatte jedoch bereits in der Zeit ab 29. Oktober 2014 ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt 1 FreizügG/EU. Bereits ab diesem Zeitpunkt hat er seine Tätigkeit bei F. GmbH tatsächlich ausgeübt.
Diese Tätigkeit ist nicht als völlig untergeordnet oder unwesentlich einzustufen.
Die Kriterien für eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) im Rahmen des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland sind nicht für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft im Freizügigkeitsrecht heranzuziehen, da es im Rahmen des § 2 FreizügG/EU nicht um den sozialversicherungsrechtlichen Status der betroffenen Person geht, sondern um sein Aufenthaltsrecht als Unionsbürger (LSG Berlin-Brandenburg 30.6.2015 – L 20 AS 1297/15 B ER). Hier kann im Hinblick auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff und die Mindestanforderungen "nicht völlig unwesentlich und untergeordnet" nicht eine Grenze aus dem Sozialversicherungsrecht herangezogen werden (LSG Berlin-Brandenburg, aaO). Soweit bei der Beurteilung der "Wesentlichkeit" einer Tätigkeit im Rahmen des § 2 FreizügG/EU eine Orientierung an dem Grad der Deckung des Bedarfs nach dem SGB II vorgenommen wird, kann dies im Rahmen des § 2 FreizügG/EU bei der Beurteilung einer Arbeitnehmereigenschaft nicht von Bedeutung sein, denn die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU ist gerade nicht an die Bedingung geknüpft, durch eine Erwerbstätigkeit (als Arbeitnehmer oder Selbständiger) den notwendigen Lebensunterhalt vollständig oder zu einem Teil decken zu können (LSG Berlin-Brandenburg, aaO).
Zur Prüfung der Voraussetzungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit müssen sich die Gerichte auf objektive Kriterien stützen und in einer Gesamtbetrachtung alle Umstände der Rechtssache würdigen, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen (EuGH NZA 2004, 87 – Ninni-Orasche). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH NVwZ 2010, 367 – Genc).
Im Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur geringe Anforderungen zu stellen: Das Bundessozialgericht hält eine wöchentliche Arbeitszeit von 7,5 Stunden ohne Berücksichtigung weiterer Aspekte als zureichend, um von der Arbeitnehmereigenschaft auszugehen (vgl. BSG, 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R – Rn 18; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 11.03.2013 - L 31 AS 318/13 B ER – juris Rn 27; LSG Baden-Württemberg, 27.08.2012 - L 13 AS 2352/12 ER-B, - juris Rn 5; Hessisches LSG, 14.07.2011 - L 7 AS 107/11 B ER – juris Rn 14). Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof als auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg haben eine Wochenarbeitszeit von nur 5,5 Stunden ausreichen lassen (BVerwG, 19.04.2012 – 1 C 10/11 – Rn 20; EuGH, 04.02.2010 – C-14/09 – "Genc" – NVwZ 2010, 367; OVG Berlin-Brandenburg, 30.3.2011 - OVG 12 B 15.10 – juris).
Nach dem Arbeitsvertrag beträgt die Arbeitszeit maximal 50 Stunden im Monat (§ 3 des Arbeitsvertrages), dh 12,5 Stunden in der Woche. Die vereinbarte Arbeitszeit liegt damit deutlich über der bisher in der Rechtsprechung anerkannten Mindestgrenze. Die Vergütung beträgt 9,00 EUR pro Stunde (§ 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages) und lässt dementsprechend keinen Rückschluss dahingehend zu, dass es sich um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis handelt. Der Kläger hat Anspruch auf Mindesturlaub von 20 Tagen bei einer Beschäftigung an 5 Tagen pro Woche (§ 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Der Kläger hat einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages).
Mithin sprechen alle vom EuGH aufgestellten Kriterien für eine echte und nicht nur unwesentliche oder untergeordnete Tätigkeit.
Dem Kläger steht damit für den Zeitraum 29. Oktober bis 31. Oktober 2015 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu. Dies setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf von 399,00 EUR und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung von 360,00 EUR, mithin 759,00 EUR.
Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet (§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht (§ 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Der für 3 Tage bestehende Anspruch im Oktober 2015 beläuft sich hiernach auf (759,00 EUR./. 30 Tage x 3 Tage =) 75,90 EUR.
2. Im Übrigen, dh für den Zeitraum 1. bis 28. Oktober 2015, ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat für diese Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen den Beklagten oder auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen.
Dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II steht § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen. Der Kläger verfügte in dieser Zeit über kein Freizügigkeitsrecht oder allenfalls eines zum Zwecke der Arbeitsuche. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist analog auf Ausländer anzuwenden, die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, da diese nach dem Willen des Gesetzgebers erst Recht keine Leistungen für Arbeitsuchende erhalten sollen (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 19ff; vgl. ausführlich SG Berlin, 02.03.2016 – S 205 AS 1365/16 ER – juris Rn 18-21).
Entgegen seiner Auffassung stand dem Kläger kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU und ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU zu.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zur Feststellung des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft insbesondere die Dauer der vom Ausländer verrichteten Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 2 FreizügG/EU Rn 41, mwN). Dem hat sich die Rspr des BSG angeschlossen und eine Tätigkeit von nur einem Monat auch bei einer Vergütung von ca. 1.200,00 EUR pro Monat als untergeordnete Tätigkeit angesehen (BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 48 Rn 23f.).
Dementsprechend sind die Beschäftigungen des Klägers von ein paar Tagen im Mai 2015 und im September 2015 als unwesentlich und untergeordnet einzustufen und nicht geeignet, den Status eines Arbeitnehmers im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr 1 FreizügG/EU zu begründen.
Unerheblich ist, ob die Arbeitsverhältnisse über die wenigen Tage hinaus dauerten, weil möglicherweise die Kündigungserklärungen der Arbeitgeber unwirksam waren. Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist nur eine Person, die während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 43 Rn 26, mwN). Die Arbeitnehmereigenschaft wird danach bei der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als gegeben angesehen (BSG, aaO).
Der Kläger hat für seine früheren Arbeitgeber keine Leistungen mehr erbracht und daher keine tatsächliche Tätigkeit ausgeübt. Es kommt – wie dargetan – nur auf die tatsächliche Leistungserbringung an und nicht auf ein etwaiges Fortbestehen eines (formellen) Arbeitsverhältnisses.
Andere Aufenthaltsrechte nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU oder § 3 FreizügG/EU bzw Art 7 RL 2004/38/EG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen für den Zeitraum 1. bis 28. Oktober 2015.
Entgegen der Ansicht des 4. Senats und des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R; B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R; BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 15/15 R, B 14 AS 35/15 R) besteht für erwerbsfähige Ausländer, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII. Dieser Personenkreis ist bereits nach § 21 S 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen (a). Jedenfalls ergibt sich ein Leistungsausschluss aus der mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II gleichlautenden Ausschlussnorm des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII (b). Schließlich ist Hilfe zum Lebensunterhalt keine Ermessensleistung, die ihrer Art nach gemäß § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gewährt werden könnte (c).
a) Erwerbsfähige Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche oder ohne materielles Aufenthaltsrecht sind nach § 21 S 1 SGB XII von Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen.
Hiernach erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1 SGB XII).
Maßgeblich ist nach Wortlaut ("als Erwerbsfähige") (vgl LSG Berlin-Brandenburg, 21.06.2012 – L 20 AS 1322/12 B ER – juris Rn 43; LSG Berlin-Brandenburg, 22.1.2016 – L 29 AS 20/16 B ER; SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER; SG Halle (Saale), 22.1.2016 – S 5 AS 4299/15 ER; SG Dortmund, 20.09.2016 – S 62 SO 403/16 ER) und Systematik, wonach die Abgrenzung zwischen SGB II und SGB XII durch die Erwerbsfähigkeit erfolgt (vgl schon Spellbrink, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl., § 5 Rn 18; Faber, NZS 2005, 75, 76), allein die Erwerbsfähigkeit.
Bereits der Wortlaut ist insoweit eindeutig (Panidou, ZFSH/SGB 2017, 23, 26). Voraussetzung für den Leistungsausschluss ist nicht allein die Leistungsberechtigung "dem Grunde nach", sondern auch die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähige".
Diesen Befund bestätigt die historische Auslegung eindrucksvoll. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist "der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers", so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht (BVerfG, NVwZ 2012, 504, 505; BVerfG NJW 2012, 376, 377; vgl Würdinger, JuS 2016, 1, 4). Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus (BVerfG NJW 2011, 842, 845):
"Art. 20 II GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt.
Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Der Aufgabe und Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung” sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen."
Nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Satz 1 SGB XII knüpft die Vorschrift "an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen" an (BT-Drs. 15/1514, S 57). Dementsprechend sind Unionsbürger dem Grunde "als Erwerbsfähige" nach dem SGB II leistungsberechtigt, wenn sie insbesondere ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben und hilfebedürftig sowie medizinisch erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs 1 SGB II sind. Rechtlich erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs 2 SGB II sind Unionsbürger ohnehin (vgl nur Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 8 Rn 62-64).
Soweit dem entgegen gehalten wird, die Gesetzesbegründung, wonach es auf die Eigenschaft als Erwerbsfähige ankomme, habe im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden (so SG Berlin 4.1.2016 – S 128 AS 25271/15 ER), überzeugt dies nicht, da der Wortlaut des Gesetzes eindeutig auf die Eigenschaft der Erwerbsfähigkeit abstellt ("als Erwerbsfähige").
Etwaige Zweifel an dieser Auslegung anhand des Wortlauts der Norm und anhand der Gesetzesbegründung zu § 21 S 1 SGB XII räumt die Gesetzesgebegründung zu § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II aus, in der der Wille des Gesetzgebers klar zum Ausdruck gebracht wird (vgl SG Berlin, 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13; SG Berlin, 23.2.2016 – S 95 SO 146/16 ER; SG Berlin, 14.1.2016 – S 26 AS 12515/13; SG Berlin, 23.05.2016 – S 135 AS 3655/13). Danach kommen bei erwerbsfähigen Ausländern, die nach Satz 2 des § 7 Abs. 1 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sind, "Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind" (BT-Drs. 16/688, S 13).
Die gegenläufige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ignoriert in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise (vgl SG Berlin, 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13 – juris Rn 33, NZS 2016, 117) den Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers ohne jedwede Auseinandersetzung mit selbigen. Eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung darf der Richter nicht nach eigenen rechtspolitischen Vorstellungen durch eine abweichende judikative Lösung ersetzen (BGH, NJW 2014, 2579, 2582, Rn 24). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 S 1 SGB XII (vgl hierzu Kötter, info also 2016, 3, 7) ist gegen den Wortlaut und den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht möglich, da dies einen Verstoß gegen Art. 101 Abs 1 S 2 Grundgesetz (GG) bedingen würde (vgl BVerfG, NVwZ 2015, 511, 515). Es handelt sich bei der Bundessozialgericht vorgenommenen "Auslegung" des § 21 S 1 SGB XII um eine unzulässige Rechtsfortbildung (Lenze, NJW 2016, 557) gegen den klar artikulierten Willen des Gesetzgebers (vgl Bernsdorff, NVwZ 2016, 633, 634).
Soweit das Bundessozialgericht darauf verweist, dass bei einem Leistungsausschluss wegen des Bezuges einer ausländischen Rente oder der Unterbringung in einer stationären Einrichtung ein Anspruch nach dem SGB II dem Grunde nach nicht gegeben sei (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 42), übersieht es, dass in diesen Fällen die Nichterwerbsfähigkeit vermutet bzw fingiert wird, weil diese Personengruppen typischerweise nicht (mehr) ins Erwerbsleben eingegliedert werden (SG Dortmund, 20.09.2016 – S 62 SO 403/16; zum Ausschluss stationär untergebrachter Personen vgl BSG 6.9.2007 – B 14/7b AS 16/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn 13; Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn 119; Peters, in Estelmann, SGB II, § 7 Rn 63, Stand Oktober 2013; vgl zum Bezug einer ausländischen Rente Hänlein, in Gagel, SGB II/III, § 7 Rn 80, Stand: September 2015; Peters, in Estelmann, SGB II, § 7 Rn 82, Stand Oktober 2013). Die Annahme, dass Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche oder ohne materielles Freizügigkeitsrecht in Deutschland aufhalten, typischerweise nicht erwerbsfähig sind, erscheint der erkennenden Kammer fernliegend.
Soweit das BSG zuletzt postuliert, die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII sei "nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert", sondern sei "differenzierter" (BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R, Rn 35), kann dem nicht gefolgt werden, da das BSG keinerlei subsumtionsfähigen Definitionen für die vermeintlich weniger schlichten Differenzierungskriterien gibt (vgl SG Dortmund, 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER) und die darauf fußende Systemabgrenzung somit schlicht willkürlich erscheint.
Dass die vom BSG vertretene Rechtsansicht nicht zu überzeugen vermag, belegt nunmehr auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Hiernach erfasst das SGB XII Hilfebedürftige, die entweder vorübergehend oder dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (BVerfG, 27.07.2016 – 1 BvR 371/11, Rn 74). Mithin geht auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige grundsätzlich keine Ansprüche nach dem SGB XII haben können.
b) Einem Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt steht zudem die Ausschlussnorm des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII entgegen.
Hiernach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Hierunter fallen Ausländer, die Unionsbürger sind, sofern sie lediglich über ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU zur Arbeitsuche oder überhaupt kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 47ff).
Mit dem Leistungsausschluss ist auch ein Anspruch auf Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII ausgeschlossen (aA BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R; B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R; BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 15/15 R, B 14 AS 35/15 R) ). Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig, da mit dem Ausschluss von Ansprüchen auf Sozialhilfe auch gemeint sein könnte, dass lediglich Rechtsansprüche ausgeschlossen seien, nicht hingegen Ansprüche auf ermessensfehlerfreie Entscheidungen (vgl BVerwG 10.12.1987 – 5 C 32/85 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 8). Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSGH) kann jedoch auf den Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII nicht übertragen werden, da er in § 120 BSHG überhaupt nicht enthalten war. Vor allem war § 120 BSHG in der damaligen Fassung gänzlich anders systematisch aufgebaut, da sich die Ermessensvorschrift (§ 120 Abs 1 S 2 BSHG aF) an den Leistungsausschluss (§ 120 Abs 1 S 1 Hs 2 BSHG aF) anschloss und der Leistungsausschluss nicht in einem gesonderten Absatz geregelt war. Soweit also der 4. Senat des Bundessozialgerichts meint, dass Bundesverwaltungsgericht habe eine Entscheidung zu § 120 Abs 3 S 1 Alt 1 BSHG in diesem Sinne getroffen (BSG 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn 51), irrt er, denn § 120 Abs 3 BSHG in der damaligen Fassung enthielt eine Verordnungsermächtigung.
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob von dem Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs 3 S1 SGB XII auch Ansprüche auf pflichtgemäße Ermessungsausübung erfasst sind, denn auch insoweit spricht die historische Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit dafür, dass der Gesetzgeber jeglichen Anspruch auf Sozialhilfe, auch einen solchen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)), ausschließen wollte. Ausdrücklich sollen Ausländer, die nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, "keine Ansprüche aus dem SGB XII herleiten können" (BT-Drs 16/2711, S 10). Damit steht außer Zweifel, dass diesem Personenkreis keine Ansprüche, seien es auch nur solche auf Ermessensleistungen oder pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, zustehen sollen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 07.07.2016 – L 9 SO 12/16 B ER; Kanalan, ZESAR 2016, 365, 371).
Das Bundessozialgericht übersieht, dass durch die Einbettung des BSHG in die Sozialgesetzbücher nach § 39 Abs 1 S 3 SGB I anders als nach Allgemeinem Verwaltungsrecht stets ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht, wenn das Gesetz der Behörde einen Ermessensspielraum eröffnet (vgl Neumann, in Hauck/Noftz, SGB XII, IX/15, § 17 Rn 18). Auch insoweit kann also die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG ersichtlich nicht auf § 23 SGB XII übertragen werden.
Schließlich spricht für die hier vertretene Rechtsauffassung die Systematik des Leistungsausschluss. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs 3 S 2 SGB XII ausdrücklich festgelegt, welche Leistungen im Falle eines Leistungsausschlusses nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII ausnahmsweise gewährt werden sollen, nämlich Hilfe bei Krankheit. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn ohne Beachtung der besonderen Voraussetzungen des § 23 Abs 3 S 2 SGB XII Hilfe bei Krankheit als Ermessensleistung gewährt werden könnte oder gar müsste.
Es handelt sich bei der vom BSG vertretenen Rechtsauffassung auch im Hinblick auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII um eine unzulässige Rechtsfortbildung (vgl. Ertl, VSSR 2016, 197, 209).
c) Jedenfalls lässt sich entgegen der Ansicht des Bundessozialgerichts aus § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kein Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt herleiten.
Dies folgt aus dem Wortlaut und aus einer systematischen Auslegung des § 23 Abs 1 S 1 bis S 3 SGB XII.
Hiernach ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege zu leisten (§ 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Die Vorschriften des Vierten Kapitels, also die Vorschriften zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bleiben unberührt (§ 23 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (§ 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII).
Aus der in § 23 Abs 1 S 3 SGB XII enthaltenen Formulierung "im Übrigen" kann unter Berücksichtigung der zuvor in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII abschließend aufgezählten und als Pflichtleistungen ausgestalteten Leistungsarten der Sozialhilfe nur der Schluss gezogen werden, dass sich die Ermessensvorschrift des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII nicht auf die in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII bereits genannten Leistungsarten der Sozialhilfe bezieht (SG Berlin, 23.05.2016 – S 135 AS 3655/13). Die Ermessensvorschrift erlaubt es dem Sozialhilfeträger demzufolge "nur" eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob (Entschließungsermessen) und gegebenenfalls in welcher Art und Weise und in welchem Umfang (Auswahlermessen) die anderen, nicht in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII bereits aufgezählten Leistungen der Sozialhilfe im Einzelfall zu erbringen sind. Dazu gehören die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, die Hilfen in anderen Lebenslagen und aus dem Fünften Kapitel die vorbeugende Gesundheitshilfe, die Hilfe zur Familienplanung und die Hilfe bei Sterilisation (Coseriu in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl, § 23 Rn 24; Schlette in Hauck/Noftz, VII/12, § 23 Rn 35; Groth, in BeckOk-SozR, § 23 SGB XII Rn 5,6, Stand September 2015). Hilfe zum Lebensunterhalt wird also von § 23 Abs 1 S 3 SGB XII nicht erfasst, weil es sich (für nicht vom Leistungsbezug ausgeschlossene) Ausländer um eine Pflichtleistung der Grundversorgung handelt (vgl Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5 Aufl, § 23 Rn 31). Die in § 23 Abs 1 S 1 SGB XII erwähnten Leistungen darf der Sozialhilfeträger nicht als Ermessensleistung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII erbringen (Hessisches LSG, 29.09.2016 – L 9 AS 427/16 B ER; LSG Niedersachen-Bremen, 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER; SG Aachen, 30.08.2016 – S 14 AS 267/16; Birk, in LPK-SGB XII, 10. Aufl., § 23 Rn 18; Fasselt, in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 23 Rn 22; vgl Schlette, aaO, § 23 Rn 50; Kanalan, ZESAR 2016, 365, 370).
Ob das Entschließungsermessen und sogar das Auswahlermessens des Sozialhilfeträgers allein wegen einer über sechs Monate andauernden erfolglosen Arbeitsuche tatsächlich auf Null reduziert sein könnte (so BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 53ff; aA BVerwG 10.12.1987 – 5 C 32/85 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 8 – juris Rn 18; LSG Rheinland-Pfalz 11.2.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; LSG Hamburg 14.4.2016 – L 4 AS 76/16 ER; SG Halle (Saale), 08.08.2016 – S 16 AS 2316/16 ER, Panidou, ZFSH/SGB 2017, 23, 27), kann hiernach dahingestellt bleiben, da – wie ausführlich dargetan – Hilfe zum Lebensunterhalt keine Ermessensleistung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII ist.
Auf das Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens kann sich der Kläger nicht berufen. Die Republik Lettland ist nicht Unterzeichnerstaat (vgl. BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 21, Rn. 22).
Der Leistungsausschluss für Arbeit suchende Ausländer verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Weder wird der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs 1 GG) noch das Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürde (Art. 20 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG) verletzt.
Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich, sofern er sich überhaupt aus dem Grundgesetz ableiten lässt (vgl. Ertl, VSSR 2016, 197ff), nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (BVerfG, NVwZ 2012, 1024, 1026). Die Gewährleistung des Existenzminimums ist nicht durch die Bundesrepublik Deutschland erforderlich, wenn die Betroffenen – wie hier – ohne Weiteres existenzsichernde Leistungen in ihrem Heimatstaat in Anspruch nehmen können (LSG Berlin-Brandenburg, 11.3.2013 - L 31 AS 318/13 B ER). Für diese Ausländer liegt die Grundsicherungsverantwortung beim Herkunftsstaat (Hänlein, in: Gagel, § 7 SGB II Rn. 73, Stand September 2015). Insoweit unterscheidet sich dieser Personenkreis auch von den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Ausreise trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 17.3.2014 - L 20 AS 502/14 B ER). Die Staaten der Europäischen Union haben sich verpflichtet, ihren Bürgern existenzsichernde Leistungen zu gewähren, sodass diese ihren Existenzsicherungsanspruch in ihrem Herkunftsland geltend machen können (LSG Sachsen-Anhalt, 27.5.2015 – L 2 AS 256/15 B ER; LSG Baden-Württemberg, 29.6.2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B; Bayerisches LSG, 1.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER; Bayerisches LSG, 13.10.2015 – L 16 AS 612/15 ER; LSG Hamburg, 15.10.2015 – L 4 AS 403/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, 5.11.2015 – L 3 AS 479/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz 11.2.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, 09.06.2016 – L 31 AS 1158/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, 07.07.2016 – L 9 SO 12/16 B ER; SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER; SG Halle (Saale), 22.1.2016 – S 5 AS 4299/15 ER; vgl bereits zu § 120 BSHG BVerwG, 8.7.1988 – 5 B 136/87 ua, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 9 – juris Rn 3). Es überzeugt nicht, dass der mittelbare und mildere faktische Zwang zur Ausreise durch einen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen "fundamental" mit dem Menschenwürdeprinzip unvereinbar sein soll, während ein aufenthaltsrechtlich erzeugter und unmittelbar mit hoheitlicher Staatsgewalt durchgesetzter Ausschluss von der Existenzsicherung in Deutschland auf keine Bedenken stößt (SG Aachen, 25.10.2016 – S 11 AS 357/16). Zur Menschenwürde gehört immanent das Moment der Verantwortung gegenüber anderen Mitmenschen und dem Gemeinwesen (Ulmer, ZRP 2016, 224, 225). Zu dieser Eigenverantwortung gehört es auch, dass derjenige, der von seinem Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer Gebrauch macht, aber dabei keinen nachhaltigen Erfolg hat, wieder in sein Heimatland zurückkehrt (Ulmer, aaO). Die Inanspruchnahme der Freiheit ohne jede Rücksichtnahme auf die Gemeinschaft ist ein Missbrauch, der wegen der Sozialbindung der Grundrechte keinen Grundrechtsschutz genießt (BVerwG, Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr 1).
Das Bundesverfassungsgericht hat erst jüngst (erneut) klargestellt, dass die Möglichkeit einer Bedarfsdeckung im Ausland den Ausschluss von Sozialleistungen verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte (BVerfG, 04.10.2016 – 1 BvR 2778/13 – Rn 8).
Einer Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, ist in diesem Zusammenhang nicht anzustellen (SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER, mwN).
In Betracht kämen daher allenfalls die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts, also Überbrückungsleistungen (LSG Niedersachsen-Bremen, 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER, Rn. 66, juris), die hier jedoch nicht begehrt werden. Eine Verpflichtung des beigeladenen Sozialhilfeträgers ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt, da sich die Überbrückungsleistungen grundlegend von den hier begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unterscheiden und daher gesondert beim Träger der Sozialhilfe geltend zu machen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, aaO, Rn. 68, juris; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 17.03.2014 - L 20 AS 502/14 B ER).
Selbst wenn man der hier vertretenen Rechtsauffassung, wonach der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verfassungsgemäß ist, nicht folgen wollte, bestünde kein Anspruch auf eine Bewilligung von Dauerleistungen wie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Nach allgemeiner Auffassung in der Literatur kann ein etwa durch den Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII bedingter Verfassungsverstoß dadurch ausgeräumt werden, dass Leistungen analog § 1a Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren sind, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist (Birk, in LPK-SGB XII, 10. Aufl, § 23 Rn 22; Groth, in BeckOK-SozR, § 23 SGB XII Rn 18, Stand September 2015; Schlette in Hauck/Noftz, VII/12, § 23 Rn 50; Hohm in Schnellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl, § 23 Rn 29.6; Coseriu in jurisPK-SGB XII, 23 Rn 76). Ein Anspruch auf derartige Leistungen wird hier jedoch nicht erhoben, sodass das Gericht hierüber auch nicht entscheiden darf (vgl § 123 SGG).
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verstößt nicht gegen das Recht der Europäischen Union, insbesondere nicht gegen Art 24 RL 2004/38/EG (a) oder Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) (b).
a) § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG.
In diesem Zusammenhang kann die Kammer offen lassen, ob im vorliegenden Fall allein ein Freizügigkeitsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche tatsächlich besteht oder überhaupt kein materielles Freizügigkeitsrecht mehr gegeben ist.
Sofern kein materielles Freizügigkeitsrecht besteht, ist Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG bereits nicht anwendbar.
Hiernach genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats (Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG). Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen (Art 24 Abs 1 S 2 RL 2004/38/EG).
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebotes des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG ist hiernach, dass der Unionsbürger sich "aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats" aufhält. Unionsbürger ohne materielles Freizügigkeitsrecht nach Art 7 RL 2004/38/EG halten sich nicht "aufgrund dieser Richtlinie" in Deutschland auf, sodass der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG für diese Personengruppe keine Geltung beansprucht (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano").
Sofern ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche tatsächlich noch bestehen sollte, ist der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG durch Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG gerechtfertigt.
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG statuiert eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot des Absatzes 1 (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 64). Hiernach ist abweichend von Absatz 1 der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.
Unionsbürger mit einem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche unterfallen Art. 14 Abs. 4 lit. b RL 2004/38/EG. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich um Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und nicht um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 63; EuGH, 15.09.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 46; EuGH, 25.2.2016, Rs. C-299/14, "Garcia-Nieto", Rn. 37). Die RL 2004/38/EG überlasst es gerade dem Aufnahmemitgliedstaat, ob er Arbeitssuchenden Sozialhilfe gewährt (Erwägungsgrund 21). Der Aufnahmemitgliedstaat darf einem Unionsbürger, der lediglich ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchender hat, jegliche Sozialhilfeleistung verweigern (EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 58).
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist mit europäischem Primärrecht vereinbar (EuGH, 4.6.2009, Rs. C-22/08 und C-23/08 "Vatsouras und Koupatantze", info also 2009, 217; vgl. Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 53).
b) Ein anderes Ergebnis lässt sich nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 4 VO 883/2004 herleiten.
Nach Art. 4 VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist,
Zwar ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 VO 883/2004 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II anwendbar, da es sich um beitragsunabhängige Leistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3, 70 VO 883/2004 handelt (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 46ff.; EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 43). Es handelt sich auch um eine Ungleichbehandlung, da Bürger des Aufnahmemitgliedstaates Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Indes lässt sich eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 4 VO 883/2004 mit der RL 2004/38/EG rechtfertigen (EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 49ff.; ; EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 83; EuGH, 19.09.2013, Rs. C-140/12 "Brey", Rn. 44ff.; vgl. bereits LSG Berlin-Brandenburg, 29.02.2012 – L 20 AS 2347/11 B ER; Kötter, info also 2013, 243, 251; Thym, NZS 2014, 81, 84). Die mit der unterlassenen Gewährung von Sozialhilfe verbundene Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 4 VO 883/2004 ist sachlich gerechtfertigt, denn sie ist eine unvermeidliche Folge der Regelung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG (vgl. EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 77) und ist geeignet, eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu verhindern. Nach Erwägungsgrund 21 der RL 2004/38/EG soll es gerade dem Aufnahmemitgliedstaat überlassen bleiben zu bestimmen, ob er Arbeitsuchenden Sozialhilfe gewährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist das geringfügige Obsiegen des Klägers nicht zu berücksichtigen.
Für den Kläger ist die Berufung zulässig, da der Wert der Beschwer (545,50 EUR x 2 – 75,90=) 1.015,10 EUR beträgt.
Die Berufung bedarf für den Beklagten der Zulassung, da die Beschwer eine Geldleistung betrifft, die 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und die Klage keine laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Dieses Urteil weicht im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Tatbestand:
Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom Beklagten für September bis Oktober 2015 in Höhe von monatlich 545,50 EUR, hilfsweise Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt vom Beigeladenen für den gleichen Zeitraum in gleicher Höhe.
Der 1991 geborene Kläger ist Staatsangehöriger der Republik Lettland.
Der Kläger ist im Juli 2014 nach Deutschland eingereist. Er war in der Zeit vom 1. bis 6. Mai 2015 als Küchenhilfe beschäftigt und hat hierfür ein Entgelt von 38,25 EUR erhalten. Ferner hat der Kläger vom 16. September 2015 bis 23. September 2015 als Küchenhilfe gearbeitet und hierfür ein Entgelt von 127,50 EUR erhalten.
Der Kläger hat eine monatliche Miete von 360,00 EUR zu entrichten.
Der Kläger stellte am 6. März 2015 einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), den der Beklagte ablehnte (Ablehnungsbescheid vom 27. März 2015, Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 11. Mai 2015). Hiergegen erhob der Kläger am 4. Juni 2015 Klage zum Sozialgericht Berlin, welche nunmehr unter dem Aktenzeichen S 190 AS 8757/15 geführt wird. Dort beantragt der Kläger, den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger für die Zeit vom 1. März 2015 bis 30. September 2015 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen.
Der Kläger stellte bei dem Beklagten am 30. September 2015 einen weiteren Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Diesen lehnte der Beklagte ebenfalls ab (Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015). Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe, seien von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgenommen. Der Kläger sei weder Arbeitnehmer noch Selbständiger.
Hiergegen erhob der Kläger am 3. November 2015 Widerspruch. Der Kläger sei weiterhin Arbeitnehmer, denn die Beschäftigungsverhältnisse seien nicht beendet. Die jeweiligen Kündigungserklärungen seien unwirksam.
Nachdem der Kläger zum 29. Oktober 2015 eine Beschäftigung mit einer Arbeitszeit von 50 Stunden zu einer Vergütung von 9,00 EUR brutto pro Stunde eingegangen ist, bewilligte der Beklagte dem Kläger vorläufig Arbeitslosengeld II ab 1. November 2015 (vorläufiger Bewilligungsbescheid vom 15. Dezember 2015). Die Vergütung wird erst im Folgemonat ausgezahlt. Über anderweitiges Einkommen verfügt der Kläger nicht.
Den Ablehnungsbescheid vom 9. Oktober 2015 hob der Beklagte mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 auf (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Den Widerspruch wies er im Übrigen "nach Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 15.12.2015" als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 4. Januar 2016). Der Kläger habe erst seit 1. November 2015 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung inne. Dem sei durch die Teilabhilfe ab diesem Zeitpunkt Rechnung getragen worden.
Mit der am 26. Januar 2016 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Der Kläger meint, wegen der unwirksamen Kündigungserklärungen seiner ehemaligen Arbeitgeber habe er weiterhin den Status als Arbeitnehmer. Sofern dies nicht der Fall sei, habe er einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen, da er sich länger als sechs Monate in Deutschland aufhalte.
Mit Beschluss vom 5. April 2016 hat das Gericht das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Neukölln, beigeladen.
Der Kläger beantragt,
1. den Bescheid der Beklagten vom 9. Oktober 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2016 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen, hilfsweise für den Fall der Unbegründetheit des Antrags zu 1.) , 2. den Beigeladenen zu verpflichten, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB XII für die Monate September 2015 und Oktober 2015 jeweils monatlich 545,50 zu bewilligen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die der Kammer bei Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten hierfür ihr Einverständnis erteilt haben (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1, 4 SGG) statthafte Klage ist im Hinblick auf den Zeitraum 1. bis 30. September unzulässig. Ihr steht der Einwand der doppelten Rechtshängigkeit (§ 202 SGG in Verbindung mit § 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)) entgegen. Der Kläger begehrt Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für September 2015 in dem bereits vorher anhängigen Verfahren S 190 AS 8757/15.
Im Übrigen, dh für den Zeitraum 1. bis 31. Oktober 2015, ist die Klage zulässig.
Soweit die Klage zulässig ist, ist sie im tenorierten Umfang begründet und im Übrigen unbegründet. Der angefochtene Ablehnungsbescheid des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten ist teilweise rechtswidrig und beschwert insoweit den Kläger (vgl § 54 Abs 2 S 1 SGG). Der Kläger hat für den Zeitraum 29. bis 31. Oktober 2015 einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (1.). Für die übrige Zeit steht dem Kläger weder ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen den Beklagten noch ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen zu (2.)
1. Im Zeitraum 29. bis 31. Oktober 2015 ist der hilfebedürftige, erwerbsfähige Kläger, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit hatte, erwerbsfähiger Leistungsberechtigter (§ 7 Abs 1 Satz 1 SGB II). Er hat daher dem Grunde nach einen Anspruch auf Arbeitslosengeld II (§ 19 Abs 1 S 1 SGB II).
In der in Rede stehenden Zeit war der Kläger nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen.
Ausgenommen von Leistungen nach dem SGB II sind hiernach Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, und ihre Familienangehörigen.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist regelmäßig eine "fiktive Prüfung" des Grundes bzw der Gründe der Aufenthaltsberechtigung erforderlich (BSG 30.1.2013 – B 4 AS 54/12 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 34, Rn 23). Bereits das Vorhandensein der Voraussetzungen eines Aufenthaltsrechts aus einem anderen Grund als dem Zweck der Arbeitsuche hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts "allein aus dem Zweck der Arbeitsuche" im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (BSG aaO Rn 23).
Zwar verfügte der Kläger nicht über ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU). Nach dieser Vorschrift haben Unionsbürger, die sich seit fünf Jahren ständig rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 das Recht auf Einreise und Aufenthalt (Daueraufenthaltsrecht) (§ 4a Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU).
Der Kläger befindet sich nach eigenen Angaben erst seit 2014 in Deutschland.
Der Kläger hatte jedoch bereits in der Zeit ab 29. Oktober 2014 ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt 1 FreizügG/EU. Bereits ab diesem Zeitpunkt hat er seine Tätigkeit bei F. GmbH tatsächlich ausgeübt.
Diese Tätigkeit ist nicht als völlig untergeordnet oder unwesentlich einzustufen.
Die Kriterien für eine geringfügige Beschäftigung nach § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) im Rahmen des Sozialversicherungsrechts der Bundesrepublik Deutschland sind nicht für die Beurteilung der Arbeitnehmereigenschaft im Freizügigkeitsrecht heranzuziehen, da es im Rahmen des § 2 FreizügG/EU nicht um den sozialversicherungsrechtlichen Status der betroffenen Person geht, sondern um sein Aufenthaltsrecht als Unionsbürger (LSG Berlin-Brandenburg 30.6.2015 – L 20 AS 1297/15 B ER). Hier kann im Hinblick auf den unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriff und die Mindestanforderungen "nicht völlig unwesentlich und untergeordnet" nicht eine Grenze aus dem Sozialversicherungsrecht herangezogen werden (LSG Berlin-Brandenburg, aaO). Soweit bei der Beurteilung der "Wesentlichkeit" einer Tätigkeit im Rahmen des § 2 FreizügG/EU eine Orientierung an dem Grad der Deckung des Bedarfs nach dem SGB II vorgenommen wird, kann dies im Rahmen des § 2 FreizügG/EU bei der Beurteilung einer Arbeitnehmereigenschaft nicht von Bedeutung sein, denn die Freizügigkeitsberechtigung nach § 2 FreizügG/EU ist gerade nicht an die Bedingung geknüpft, durch eine Erwerbstätigkeit (als Arbeitnehmer oder Selbständiger) den notwendigen Lebensunterhalt vollständig oder zu einem Teil decken zu können (LSG Berlin-Brandenburg, aaO).
Zur Prüfung der Voraussetzungen einer tatsächlichen und echten Tätigkeit müssen sich die Gerichte auf objektive Kriterien stützen und in einer Gesamtbetrachtung alle Umstände der Rechtssache würdigen, die die Art der in Rede stehenden Tätigkeiten und des fraglichen Arbeitsverhältnisses betreffen (EuGH NZA 2004, 87 – Ninni-Orasche). Dabei sind nicht nur Gesichtspunkte wie die Arbeitszeit und die Höhe der Vergütung zu berücksichtigen, sondern auch solche wie der Anspruch auf bezahlten Urlaub, die Geltung von Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, die Anwendung des Tarifvertrags in der jeweils gültigen Fassung auf den Arbeitsvertrag sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses (EuGH NVwZ 2010, 367 – Genc).
Im Hinblick auf den Umfang der Tätigkeit sind nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur geringe Anforderungen zu stellen: Das Bundessozialgericht hält eine wöchentliche Arbeitszeit von 7,5 Stunden ohne Berücksichtigung weiterer Aspekte als zureichend, um von der Arbeitnehmereigenschaft auszugehen (vgl. BSG, 19.10.2010 - B 14 AS 23/10 R – Rn 18; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 11.03.2013 - L 31 AS 318/13 B ER – juris Rn 27; LSG Baden-Württemberg, 27.08.2012 - L 13 AS 2352/12 ER-B, - juris Rn 5; Hessisches LSG, 14.07.2011 - L 7 AS 107/11 B ER – juris Rn 14). Sowohl das Bundesverwaltungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof als auch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg haben eine Wochenarbeitszeit von nur 5,5 Stunden ausreichen lassen (BVerwG, 19.04.2012 – 1 C 10/11 – Rn 20; EuGH, 04.02.2010 – C-14/09 – "Genc" – NVwZ 2010, 367; OVG Berlin-Brandenburg, 30.3.2011 - OVG 12 B 15.10 – juris).
Nach dem Arbeitsvertrag beträgt die Arbeitszeit maximal 50 Stunden im Monat (§ 3 des Arbeitsvertrages), dh 12,5 Stunden in der Woche. Die vereinbarte Arbeitszeit liegt damit deutlich über der bisher in der Rechtsprechung anerkannten Mindestgrenze. Die Vergütung beträgt 9,00 EUR pro Stunde (§ 4 Abs. 1 des Arbeitsvertrages) und lässt dementsprechend keinen Rückschluss dahingehend zu, dass es sich um ein bloßes Gefälligkeitsverhältnis handelt. Der Kläger hat Anspruch auf Mindesturlaub von 20 Tagen bei einer Beschäftigung an 5 Tagen pro Woche (§ 7 Abs. 1 des Arbeitsvertrages). Der Kläger hat einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall (§ 8 Abs. 1 des Arbeitsvertrages).
Mithin sprechen alle vom EuGH aufgestellten Kriterien für eine echte und nicht nur unwesentliche oder untergeordnete Tätigkeit.
Dem Kläger steht damit für den Zeitraum 29. Oktober bis 31. Oktober 2015 ein Anspruch auf Arbeitslosengeld II zu. Dies setzt sich zusammen aus dem Regelbedarf von 399,00 EUR und den Bedarfen für Unterkunft und Heizung von 360,00 EUR, mithin 759,00 EUR.
Der Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts besteht für jeden Kalendertag (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Der Monat wird mit 30 Tagen berechnet (§ 41 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Stehen die Leistungen nicht für einen vollen Monat zu, wird die Leistung anteilig erbracht (§ 41 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Der für 3 Tage bestehende Anspruch im Oktober 2015 beläuft sich hiernach auf (759,00 EUR./. 30 Tage x 3 Tage =) 75,90 EUR.
2. Im Übrigen, dh für den Zeitraum 1. bis 28. Oktober 2015, ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat für diese Zeit keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II gegen den Beklagten oder auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen.
Dem Anspruch auf Arbeitslosengeld II steht § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr 2 SGB II entgegen. Der Kläger verfügte in dieser Zeit über kein Freizügigkeitsrecht oder allenfalls eines zum Zwecke der Arbeitsuche. § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II ist analog auf Ausländer anzuwenden, die über kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen, da diese nach dem Willen des Gesetzgebers erst Recht keine Leistungen für Arbeitsuchende erhalten sollen (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 19ff; vgl. ausführlich SG Berlin, 02.03.2016 – S 205 AS 1365/16 ER – juris Rn 18-21).
Entgegen seiner Auffassung stand dem Kläger kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 FreizügG/EU und ein fortwirkendes Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FreizügG/EU zu.
Nach der Rechtsprechung des EuGH ist zur Feststellung des Vorliegens der Arbeitnehmereigenschaft insbesondere die Dauer der vom Ausländer verrichteten Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl Dienelt in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 11. Aufl., § 2 FreizügG/EU Rn 41, mwN). Dem hat sich die Rspr des BSG angeschlossen und eine Tätigkeit von nur einem Monat auch bei einer Vergütung von ca. 1.200,00 EUR pro Monat als untergeordnete Tätigkeit angesehen (BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 48 Rn 23f.).
Dementsprechend sind die Beschäftigungen des Klägers von ein paar Tagen im Mai 2015 und im September 2015 als unwesentlich und untergeordnet einzustufen und nicht geeignet, den Status eines Arbeitnehmers im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr 1 FreizügG/EU zu begründen.
Unerheblich ist, ob die Arbeitsverhältnisse über die wenigen Tage hinaus dauerten, weil möglicherweise die Kündigungserklärungen der Arbeitgeber unwirksam waren. Arbeitnehmer im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU ist nur eine Person, die während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringen, für die sie als Gegenleistung eine Vergütung erhält (BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 43 Rn 26, mwN). Die Arbeitnehmereigenschaft wird danach bei der Ausübung einer tatsächlichen und echten Tätigkeit als gegeben angesehen (BSG, aaO).
Der Kläger hat für seine früheren Arbeitgeber keine Leistungen mehr erbracht und daher keine tatsächliche Tätigkeit ausgeübt. Es kommt – wie dargetan – nur auf die tatsächliche Leistungserbringung an und nicht auf ein etwaiges Fortbestehen eines (formellen) Arbeitsverhältnisses.
Andere Aufenthaltsrechte nach § 2 Abs 2 FreizügG/EU oder § 3 FreizügG/EU bzw Art 7 RL 2004/38/EG sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gegen den Beigeladenen für den Zeitraum 1. bis 28. Oktober 2015.
Entgegen der Ansicht des 4. Senats und des 14. Senats des Bundessozialgerichts (BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R; B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R; BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 15/15 R, B 14 AS 35/15 R) besteht für erwerbsfähige Ausländer, die nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, kein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII. Dieser Personenkreis ist bereits nach § 21 S 1 SGB XII von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII ausgeschlossen (a). Jedenfalls ergibt sich ein Leistungsausschluss aus der mit § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II gleichlautenden Ausschlussnorm des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII (b). Schließlich ist Hilfe zum Lebensunterhalt keine Ermessensleistung, die ihrer Art nach gemäß § 23 Abs 1 S 3 SGB XII gewährt werden könnte (c).
a) Erwerbsfähige Unionsbürger mit einem Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche oder ohne materielles Aufenthaltsrecht sind nach § 21 S 1 SGB XII von Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt ausgeschlossen.
Hiernach erhalten Personen, die nach dem Zweiten Buch als Erwerbsfähige oder als Angehörige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII (§ 21 Satz 1 SGB XII).
Maßgeblich ist nach Wortlaut ("als Erwerbsfähige") (vgl LSG Berlin-Brandenburg, 21.06.2012 – L 20 AS 1322/12 B ER – juris Rn 43; LSG Berlin-Brandenburg, 22.1.2016 – L 29 AS 20/16 B ER; SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER; SG Halle (Saale), 22.1.2016 – S 5 AS 4299/15 ER; SG Dortmund, 20.09.2016 – S 62 SO 403/16 ER) und Systematik, wonach die Abgrenzung zwischen SGB II und SGB XII durch die Erwerbsfähigkeit erfolgt (vgl schon Spellbrink, in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl., § 5 Rn 18; Faber, NZS 2005, 75, 76), allein die Erwerbsfähigkeit.
Bereits der Wortlaut ist insoweit eindeutig (Panidou, ZFSH/SGB 2017, 23, 26). Voraussetzung für den Leistungsausschluss ist nicht allein die Leistungsberechtigung "dem Grunde nach", sondern auch die Leistungsberechtigung "als Erwerbsfähige".
Diesen Befund bestätigt die historische Auslegung eindrucksvoll. Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesbestimmung ist "der in der Norm zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers", so wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in dem sie steht (BVerfG, NVwZ 2012, 504, 505; BVerfG NJW 2012, 376, 377; vgl Würdinger, JuS 2016, 1, 4). Das Bundesverfassungsgericht führt hierzu aus (BVerfG NJW 2011, 842, 845):
"Art. 20 II GG verleiht dem Grundsatz der Gewaltenteilung Ausdruck. Auch wenn dieses Prinzip im Grundgesetz nicht im Sinne einer strikten Trennung der Funktionen und einer Monopolisierung jeder einzelnen bei einem bestimmten Organ ausgestaltet worden ist schließt es doch aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die von der Verfassung dem Gesetzgeber übertragen worden sind, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen. Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass der Richter seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt.
Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter allerdings nicht, das Recht fortzuentwickeln. Angesichts des beschleunigten Wandels der gesellschaftlichen Verhältnisse und der begrenzten Reaktionsmöglichkeiten des Gesetzgebers sowie der offenen Formulierung zahlreicher Normen gehört die Anpassung des geltenden Rechts an veränderte Verhältnisse zu den Aufgaben der Dritten Gewalt. Der Aufgabe und Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung” sind mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung jedoch Grenzen gesetzt. Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen."
Nach der Gesetzesbegründung zu § 21 Satz 1 SGB XII knüpft die Vorschrift "an die Eigenschaft als Erwerbsfähige oder deren im Zweiten Buch näher bezeichneten Angehörigen" an (BT-Drs. 15/1514, S 57). Dementsprechend sind Unionsbürger dem Grunde "als Erwerbsfähige" nach dem SGB II leistungsberechtigt, wenn sie insbesondere ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben und hilfebedürftig sowie medizinisch erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs 1 SGB II sind. Rechtlich erwerbsfähig im Sinne von § 8 Abs 2 SGB II sind Unionsbürger ohnehin (vgl nur Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Aufl, § 8 Rn 62-64).
Soweit dem entgegen gehalten wird, die Gesetzesbegründung, wonach es auf die Eigenschaft als Erwerbsfähige ankomme, habe im Gesetzestext keinen Niederschlag gefunden (so SG Berlin 4.1.2016 – S 128 AS 25271/15 ER), überzeugt dies nicht, da der Wortlaut des Gesetzes eindeutig auf die Eigenschaft der Erwerbsfähigkeit abstellt ("als Erwerbsfähige").
Etwaige Zweifel an dieser Auslegung anhand des Wortlauts der Norm und anhand der Gesetzesbegründung zu § 21 S 1 SGB XII räumt die Gesetzesgebegründung zu § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II aus, in der der Wille des Gesetzgebers klar zum Ausdruck gebracht wird (vgl SG Berlin, 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13; SG Berlin, 23.2.2016 – S 95 SO 146/16 ER; SG Berlin, 14.1.2016 – S 26 AS 12515/13; SG Berlin, 23.05.2016 – S 135 AS 3655/13). Danach kommen bei erwerbsfähigen Ausländern, die nach Satz 2 des § 7 Abs. 1 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sind, "Leistungen des SGB XII wegen § 21 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht, da sie dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II sind" (BT-Drs. 16/688, S 13).
Die gegenläufige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ignoriert in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise (vgl SG Berlin, 11.12.2015 – S 149 AS 7191/13 – juris Rn 33, NZS 2016, 117) den Wortlaut des Gesetzes und den Willen des Gesetzgebers ohne jedwede Auseinandersetzung mit selbigen. Eine eindeutige gesetzgeberische Entscheidung darf der Richter nicht nach eigenen rechtspolitischen Vorstellungen durch eine abweichende judikative Lösung ersetzen (BGH, NJW 2014, 2579, 2582, Rn 24). Eine verfassungskonforme Auslegung des § 21 S 1 SGB XII (vgl hierzu Kötter, info also 2016, 3, 7) ist gegen den Wortlaut und den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht möglich, da dies einen Verstoß gegen Art. 101 Abs 1 S 2 Grundgesetz (GG) bedingen würde (vgl BVerfG, NVwZ 2015, 511, 515). Es handelt sich bei der Bundessozialgericht vorgenommenen "Auslegung" des § 21 S 1 SGB XII um eine unzulässige Rechtsfortbildung (Lenze, NJW 2016, 557) gegen den klar artikulierten Willen des Gesetzgebers (vgl Bernsdorff, NVwZ 2016, 633, 634).
Soweit das Bundessozialgericht darauf verweist, dass bei einem Leistungsausschluss wegen des Bezuges einer ausländischen Rente oder der Unterbringung in einer stationären Einrichtung ein Anspruch nach dem SGB II dem Grunde nach nicht gegeben sei (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 42), übersieht es, dass in diesen Fällen die Nichterwerbsfähigkeit vermutet bzw fingiert wird, weil diese Personengruppen typischerweise nicht (mehr) ins Erwerbsleben eingegliedert werden (SG Dortmund, 20.09.2016 – S 62 SO 403/16; zum Ausschluss stationär untergebrachter Personen vgl BSG 6.9.2007 – B 14/7b AS 16/07 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 7, Rn 13; Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn 119; Peters, in Estelmann, SGB II, § 7 Rn 63, Stand Oktober 2013; vgl zum Bezug einer ausländischen Rente Hänlein, in Gagel, SGB II/III, § 7 Rn 80, Stand: September 2015; Peters, in Estelmann, SGB II, § 7 Rn 82, Stand Oktober 2013). Die Annahme, dass Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche oder ohne materielles Freizügigkeitsrecht in Deutschland aufhalten, typischerweise nicht erwerbsfähig sind, erscheint der erkennenden Kammer fernliegend.
Soweit das BSG zuletzt postuliert, die "Systemabgrenzung" zwischen SGB II und SGB XII sei "nicht auf das schlichte Kriterium der Erwerbsfähigkeit reduziert", sondern sei "differenzierter" (BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 35/15 R, Rn 35), kann dem nicht gefolgt werden, da das BSG keinerlei subsumtionsfähigen Definitionen für die vermeintlich weniger schlichten Differenzierungskriterien gibt (vgl SG Dortmund, 18.04.2016 – S 32 AS 380/16 ER) und die darauf fußende Systemabgrenzung somit schlicht willkürlich erscheint.
Dass die vom BSG vertretene Rechtsansicht nicht zu überzeugen vermag, belegt nunmehr auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Hiernach erfasst das SGB XII Hilfebedürftige, die entweder vorübergehend oder dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (BVerfG, 27.07.2016 – 1 BvR 371/11, Rn 74). Mithin geht auch das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass erwerbsfähige Hilfebedürftige grundsätzlich keine Ansprüche nach dem SGB XII haben können.
b) Einem Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt steht zudem die Ausschlussnorm des § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII entgegen.
Hiernach haben Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, sowie ihre Familienangehörigen keinen Anspruch auf Sozialhilfe.
Hierunter fallen Ausländer, die Unionsbürger sind, sofern sie lediglich über ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs 2 Nr 1a FreizügG/EU zur Arbeitsuche oder überhaupt kein materielles Aufenthaltsrecht verfügen (BSG 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 47ff).
Mit dem Leistungsausschluss ist auch ein Anspruch auf Ermessensleistungen nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII ausgeschlossen (aA BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 59/13 R; B 4 AS 43/15 R, B 4 AS 44/15 R; BSG, 16.12.2015 – B 14 AS 15/14 R, B 14 AS 18/14 R, B 14 AS 33/14 R; BSG, 20.1.2016 – B 14 AS 15/15 R, B 14 AS 35/15 R) ). Zwar ist der Wortlaut der Vorschrift nicht eindeutig, da mit dem Ausschluss von Ansprüchen auf Sozialhilfe auch gemeint sein könnte, dass lediglich Rechtsansprüche ausgeschlossen seien, nicht hingegen Ansprüche auf ermessensfehlerfreie Entscheidungen (vgl BVerwG 10.12.1987 – 5 C 32/85 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 8). Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 Bundessozialhilfegesetz (BSGH) kann jedoch auf den Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII nicht übertragen werden, da er in § 120 BSHG überhaupt nicht enthalten war. Vor allem war § 120 BSHG in der damaligen Fassung gänzlich anders systematisch aufgebaut, da sich die Ermessensvorschrift (§ 120 Abs 1 S 2 BSHG aF) an den Leistungsausschluss (§ 120 Abs 1 S 1 Hs 2 BSHG aF) anschloss und der Leistungsausschluss nicht in einem gesonderten Absatz geregelt war. Soweit also der 4. Senat des Bundessozialgerichts meint, dass Bundesverwaltungsgericht habe eine Entscheidung zu § 120 Abs 3 S 1 Alt 1 BSHG in diesem Sinne getroffen (BSG 3.12.2015 - B 4 AS 44/15 R, Rn 51), irrt er, denn § 120 Abs 3 BSHG in der damaligen Fassung enthielt eine Verordnungsermächtigung.
Es kann letztlich dahingestellt bleiben, ob von dem Wortlaut der Vorschrift des § 23 Abs 3 S1 SGB XII auch Ansprüche auf pflichtgemäße Ermessungsausübung erfasst sind, denn auch insoweit spricht die historische Auslegung mit hinreichender Deutlichkeit dafür, dass der Gesetzgeber jeglichen Anspruch auf Sozialhilfe, auch einen solchen auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens (§ 39 Abs 1 S 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)), ausschließen wollte. Ausdrücklich sollen Ausländer, die nach § 7 Abs 1 S 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, "keine Ansprüche aus dem SGB XII herleiten können" (BT-Drs 16/2711, S 10). Damit steht außer Zweifel, dass diesem Personenkreis keine Ansprüche, seien es auch nur solche auf Ermessensleistungen oder pflichtgemäße Ausübung des Ermessens, zustehen sollen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, 07.07.2016 – L 9 SO 12/16 B ER; Kanalan, ZESAR 2016, 365, 371).
Das Bundessozialgericht übersieht, dass durch die Einbettung des BSHG in die Sozialgesetzbücher nach § 39 Abs 1 S 3 SGB I anders als nach Allgemeinem Verwaltungsrecht stets ein Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Ermessens besteht, wenn das Gesetz der Behörde einen Ermessensspielraum eröffnet (vgl Neumann, in Hauck/Noftz, SGB XII, IX/15, § 17 Rn 18). Auch insoweit kann also die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 120 BSHG ersichtlich nicht auf § 23 SGB XII übertragen werden.
Schließlich spricht für die hier vertretene Rechtsauffassung die Systematik des Leistungsausschluss. Der Gesetzgeber hat in § 23 Abs 3 S 2 SGB XII ausdrücklich festgelegt, welche Leistungen im Falle eines Leistungsausschlusses nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII ausnahmsweise gewährt werden sollen, nämlich Hilfe bei Krankheit. Die Vorschrift wäre überflüssig, wenn ohne Beachtung der besonderen Voraussetzungen des § 23 Abs 3 S 2 SGB XII Hilfe bei Krankheit als Ermessensleistung gewährt werden könnte oder gar müsste.
Es handelt sich bei der vom BSG vertretenen Rechtsauffassung auch im Hinblick auf § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB XII um eine unzulässige Rechtsfortbildung (vgl. Ertl, VSSR 2016, 197, 209).
c) Jedenfalls lässt sich entgegen der Ansicht des Bundessozialgerichts aus § 23 Abs 1 S 3 SGB XII kein Anspruch auf Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt herleiten.
Dies folgt aus dem Wortlaut und aus einer systematischen Auslegung des § 23 Abs 1 S 1 bis S 3 SGB XII.
Hiernach ist Ausländern, die sich im Inland tatsächlich aufhalten, Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft sowie Hilfe zur Pflege zu leisten (§ 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII). Die Vorschriften des Vierten Kapitels, also die Vorschriften zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, bleiben unberührt (§ 23 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Im Übrigen kann Sozialhilfe geleistet werden, soweit dies im Einzelfall gerechtfertigt ist (§ 23 Abs. 1 S. 3 SGB XII).
Aus der in § 23 Abs 1 S 3 SGB XII enthaltenen Formulierung "im Übrigen" kann unter Berücksichtigung der zuvor in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII abschließend aufgezählten und als Pflichtleistungen ausgestalteten Leistungsarten der Sozialhilfe nur der Schluss gezogen werden, dass sich die Ermessensvorschrift des § 23 Abs 1 S 3 SGB XII nicht auf die in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII bereits genannten Leistungsarten der Sozialhilfe bezieht (SG Berlin, 23.05.2016 – S 135 AS 3655/13). Die Ermessensvorschrift erlaubt es dem Sozialhilfeträger demzufolge "nur" eine Ermessensentscheidung darüber zu treffen, ob (Entschließungsermessen) und gegebenenfalls in welcher Art und Weise und in welchem Umfang (Auswahlermessen) die anderen, nicht in § 23 Abs 1 S 1 und S 2 SGB XII bereits aufgezählten Leistungen der Sozialhilfe im Einzelfall zu erbringen sind. Dazu gehören die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, die Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten, die Hilfen in anderen Lebenslagen und aus dem Fünften Kapitel die vorbeugende Gesundheitshilfe, die Hilfe zur Familienplanung und die Hilfe bei Sterilisation (Coseriu in jurisPK-SGB XII, 1. Aufl, § 23 Rn 24; Schlette in Hauck/Noftz, VII/12, § 23 Rn 35; Groth, in BeckOk-SozR, § 23 SGB XII Rn 5,6, Stand September 2015). Hilfe zum Lebensunterhalt wird also von § 23 Abs 1 S 3 SGB XII nicht erfasst, weil es sich (für nicht vom Leistungsbezug ausgeschlossene) Ausländer um eine Pflichtleistung der Grundversorgung handelt (vgl Wahrendorf, in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5 Aufl, § 23 Rn 31). Die in § 23 Abs 1 S 1 SGB XII erwähnten Leistungen darf der Sozialhilfeträger nicht als Ermessensleistung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII erbringen (Hessisches LSG, 29.09.2016 – L 9 AS 427/16 B ER; LSG Niedersachen-Bremen, 22.02.2016 – L 9 AS 1335/15 B ER; SG Aachen, 30.08.2016 – S 14 AS 267/16; Birk, in LPK-SGB XII, 10. Aufl., § 23 Rn 18; Fasselt, in Fichtner/Wenzel, SGB XII, 4. Aufl., § 23 Rn 22; vgl Schlette, aaO, § 23 Rn 50; Kanalan, ZESAR 2016, 365, 370).
Ob das Entschließungsermessen und sogar das Auswahlermessens des Sozialhilfeträgers allein wegen einer über sechs Monate andauernden erfolglosen Arbeitsuche tatsächlich auf Null reduziert sein könnte (so BSG, 3.12.2015 – B 4 AS 44/15 R, Rn 53ff; aA BVerwG 10.12.1987 – 5 C 32/85 – Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 8 – juris Rn 18; LSG Rheinland-Pfalz 11.2.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; LSG Hamburg 14.4.2016 – L 4 AS 76/16 ER; SG Halle (Saale), 08.08.2016 – S 16 AS 2316/16 ER, Panidou, ZFSH/SGB 2017, 23, 27), kann hiernach dahingestellt bleiben, da – wie ausführlich dargetan – Hilfe zum Lebensunterhalt keine Ermessensleistung nach § 23 Abs 1 S 3 SGB XII ist.
Auf das Gleichbehandlungsgebot des Europäischen Fürsorgeabkommens kann sich der Kläger nicht berufen. Die Republik Lettland ist nicht Unterzeichnerstaat (vgl. BSG, 19.10.2010 – B 14 AS 23/10 R – SozR 4-4200 § 7 Nr 21, Rn. 22).
Der Leistungsausschluss für Arbeit suchende Ausländer verstößt nicht gegen Verfassungsrecht. Weder wird der allgemeine Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs 1 GG) noch das Sozialstaatsprinzip in Verbindung mit der Menschenwürde (Art. 20 Abs 1 GG iVm Art 1 Abs 1 GG) verletzt.
Der unmittelbar verfassungsrechtliche Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums erstreckt sich, sofern er sich überhaupt aus dem Grundgesetz ableiten lässt (vgl. Ertl, VSSR 2016, 197ff), nur auf diejenigen Mittel, die zur Aufrechterhaltung eines menschenwürdigen Daseins unbedingt erforderlich sind (BVerfG, NVwZ 2012, 1024, 1026). Die Gewährleistung des Existenzminimums ist nicht durch die Bundesrepublik Deutschland erforderlich, wenn die Betroffenen – wie hier – ohne Weiteres existenzsichernde Leistungen in ihrem Heimatstaat in Anspruch nehmen können (LSG Berlin-Brandenburg, 11.3.2013 - L 31 AS 318/13 B ER). Für diese Ausländer liegt die Grundsicherungsverantwortung beim Herkunftsstaat (Hänlein, in: Gagel, § 7 SGB II Rn. 73, Stand September 2015). Insoweit unterscheidet sich dieser Personenkreis auch von den Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, deren Ausreise trotz vollziehbarer Ausreisepflicht nicht durchgesetzt werden kann (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 17.3.2014 - L 20 AS 502/14 B ER). Die Staaten der Europäischen Union haben sich verpflichtet, ihren Bürgern existenzsichernde Leistungen zu gewähren, sodass diese ihren Existenzsicherungsanspruch in ihrem Herkunftsland geltend machen können (LSG Sachsen-Anhalt, 27.5.2015 – L 2 AS 256/15 B ER; LSG Baden-Württemberg, 29.6.2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B; Bayerisches LSG, 1.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER; Bayerisches LSG, 13.10.2015 – L 16 AS 612/15 ER; LSG Hamburg, 15.10.2015 – L 4 AS 403/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, 5.11.2015 – L 3 AS 479/15 B ER; LSG Rheinland-Pfalz 11.2.2016 – L 3 AS 668/15 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, 09.06.2016 – L 31 AS 1158/16 B ER; LSG Mecklenburg-Vorpommern, 07.07.2016 – L 9 SO 12/16 B ER; SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER; SG Halle (Saale), 22.1.2016 – S 5 AS 4299/15 ER; vgl bereits zu § 120 BSHG BVerwG, 8.7.1988 – 5 B 136/87 ua, Buchholz 436.0 § 120 BSHG Nr 9 – juris Rn 3). Es überzeugt nicht, dass der mittelbare und mildere faktische Zwang zur Ausreise durch einen Ausschluss von existenzsichernden Leistungen "fundamental" mit dem Menschenwürdeprinzip unvereinbar sein soll, während ein aufenthaltsrechtlich erzeugter und unmittelbar mit hoheitlicher Staatsgewalt durchgesetzter Ausschluss von der Existenzsicherung in Deutschland auf keine Bedenken stößt (SG Aachen, 25.10.2016 – S 11 AS 357/16). Zur Menschenwürde gehört immanent das Moment der Verantwortung gegenüber anderen Mitmenschen und dem Gemeinwesen (Ulmer, ZRP 2016, 224, 225). Zu dieser Eigenverantwortung gehört es auch, dass derjenige, der von seinem Freizügigkeitsrecht als Arbeitnehmer Gebrauch macht, aber dabei keinen nachhaltigen Erfolg hat, wieder in sein Heimatland zurückkehrt (Ulmer, aaO). Die Inanspruchnahme der Freiheit ohne jede Rücksichtnahme auf die Gemeinschaft ist ein Missbrauch, der wegen der Sozialbindung der Grundrechte keinen Grundrechtsschutz genießt (BVerwG, Buchholz 436.0 § 19 BSHG Nr 1).
Das Bundesverfassungsgericht hat erst jüngst (erneut) klargestellt, dass die Möglichkeit einer Bedarfsdeckung im Ausland den Ausschluss von Sozialleistungen verfassungsrechtlich rechtfertigen könnte (BVerfG, 04.10.2016 – 1 BvR 2778/13 – Rn 8).
Einer Prüfung, inwiefern ein Hilfebedürftiger in seinem Herkunftsland das Existenzminimum nach deutschen Maßstäben sichern kann, ist in diesem Zusammenhang nicht anzustellen (SG Dortmund, 11.2.2016 – S 35 AS 5396/15 ER, mwN).
In Betracht kämen daher allenfalls die Übernahme der Kosten der Rückreise und des bis dahin erforderlichen Aufenthalts, also Überbrückungsleistungen (LSG Niedersachsen-Bremen, 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER, Rn. 66, juris), die hier jedoch nicht begehrt werden. Eine Verpflichtung des beigeladenen Sozialhilfeträgers ist vor diesem Hintergrund nicht angezeigt, da sich die Überbrückungsleistungen grundlegend von den hier begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unterscheiden und daher gesondert beim Träger der Sozialhilfe geltend zu machen sind (LSG Niedersachsen-Bremen, aaO, Rn. 68, juris; vgl. LSG Berlin-Brandenburg, 17.03.2014 - L 20 AS 502/14 B ER).
Selbst wenn man der hier vertretenen Rechtsauffassung, wonach der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verfassungsgemäß ist, nicht folgen wollte, bestünde kein Anspruch auf eine Bewilligung von Dauerleistungen wie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II oder Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Nach allgemeiner Auffassung in der Literatur kann ein etwa durch den Leistungsausschluss nach § 23 Abs 3 S 1 SGB XII bedingter Verfassungsverstoß dadurch ausgeräumt werden, dass Leistungen analog § 1a Abs 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) zu gewähren sind, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist (Birk, in LPK-SGB XII, 10. Aufl, § 23 Rn 22; Groth, in BeckOK-SozR, § 23 SGB XII Rn 18, Stand September 2015; Schlette in Hauck/Noftz, VII/12, § 23 Rn 50; Hohm in Schnellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII, 19. Aufl, § 23 Rn 29.6; Coseriu in jurisPK-SGB XII, 23 Rn 76). Ein Anspruch auf derartige Leistungen wird hier jedoch nicht erhoben, sodass das Gericht hierüber auch nicht entscheiden darf (vgl § 123 SGG).
§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verstößt nicht gegen das Recht der Europäischen Union, insbesondere nicht gegen Art 24 RL 2004/38/EG (a) oder Art 4 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO 883/2004) (b).
a) § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bzw § 23 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB XII verstößt nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG.
In diesem Zusammenhang kann die Kammer offen lassen, ob im vorliegenden Fall allein ein Freizügigkeitsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche tatsächlich besteht oder überhaupt kein materielles Freizügigkeitsrecht mehr gegeben ist.
Sofern kein materielles Freizügigkeitsrecht besteht, ist Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG bereits nicht anwendbar.
Hiernach genießt vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen jeder Unionsbürger, der sich aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufhält, im Anwendungsbereich des Vertrags die gleiche Behandlung wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats (Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG). Das Recht auf Gleichbehandlung erstreckt sich auch auf Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und das Recht auf Aufenthalt oder das Recht auf Daueraufenthalt genießen (Art 24 Abs 1 S 2 RL 2004/38/EG).
Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Gleichbehandlungsgebotes des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG ist hiernach, dass der Unionsbürger sich "aufgrund dieser Richtlinie im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats" aufhält. Unionsbürger ohne materielles Freizügigkeitsrecht nach Art 7 RL 2004/38/EG halten sich nicht "aufgrund dieser Richtlinie" in Deutschland auf, sodass der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG für diese Personengruppe keine Geltung beansprucht (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano").
Sofern ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche tatsächlich noch bestehen sollte, ist der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 1 S 1 RL 2004/38/EG durch Art 24 Abs 2 RL 2004/38/EG gerechtfertigt.
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG statuiert eine Ausnahme vom Diskriminierungsverbot des Absatzes 1 (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 64). Hiernach ist abweichend von Absatz 1 der Aufnahmemitgliedstaat nicht verpflichtet, anderen Personen als Arbeitnehmern oder Selbstständigen, Personen, denen dieser Status erhalten bleibt, und ihren Familienangehörigen während der ersten drei Monate des Aufenthalts oder gegebenenfalls während des längeren Zeitraums nach Artikel 14 Absatz 4 Buchstabe b) einen Anspruch auf Sozialhilfe oder vor Erwerb des Rechts auf Daueraufenthalt Studienbeihilfen, einschließlich Beihilfen zur Berufsausbildung, in Form eines Stipendiums oder Studiendarlehens, zu gewähren.
Unionsbürger mit einem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche unterfallen Art. 14 Abs. 4 lit. b RL 2004/38/EG. Bei den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II handelt es sich um Sozialhilfe im Sinne von Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG und nicht um Leistungen, die den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollen (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 63; EuGH, 15.09.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 46; EuGH, 25.2.2016, Rs. C-299/14, "Garcia-Nieto", Rn. 37). Die RL 2004/38/EG überlasst es gerade dem Aufnahmemitgliedstaat, ob er Arbeitssuchenden Sozialhilfe gewährt (Erwägungsgrund 21). Der Aufnahmemitgliedstaat darf einem Unionsbürger, der lediglich ein Aufenthaltsrecht als Arbeitsuchender hat, jegliche Sozialhilfeleistung verweigern (EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 58).
Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG ist mit europäischem Primärrecht vereinbar (EuGH, 4.6.2009, Rs. C-22/08 und C-23/08 "Vatsouras und Koupatantze", info also 2009, 217; vgl. Spellbrink/G. Becker, in: Eicher, SGB II, 3. Aufl., § 7 Rn. 53).
b) Ein anderes Ergebnis lässt sich nicht aus dem Gleichbehandlungsgebot des Artikels 4 VO 883/2004 herleiten.
Nach Art. 4 VO 883/2004 haben Personen, für die diese Verordnung gilt, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats wie die Staatsangehörigen dieses Staates, sofern in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist,
Zwar ist der Gleichbehandlungsgrundsatz nach Art. 4 VO 883/2004 auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II anwendbar, da es sich um beitragsunabhängige Leistungen im Sinne von Art. 3 Abs. 3, 70 VO 883/2004 handelt (EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 46ff.; EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 43). Es handelt sich auch um eine Ungleichbehandlung, da Bürger des Aufnahmemitgliedstaates Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Indes lässt sich eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 4 VO 883/2004 mit der RL 2004/38/EG rechtfertigen (EuGH, 15.9.2015 – Rs. C-67/14 "Alimanovic", Rn. 49ff.; ; EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 83; EuGH, 19.09.2013, Rs. C-140/12 "Brey", Rn. 44ff.; vgl. bereits LSG Berlin-Brandenburg, 29.02.2012 – L 20 AS 2347/11 B ER; Kötter, info also 2013, 243, 251; Thym, NZS 2014, 81, 84). Die mit der unterlassenen Gewährung von Sozialhilfe verbundene Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 4 VO 883/2004 ist sachlich gerechtfertigt, denn sie ist eine unvermeidliche Folge der Regelung in Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG (vgl. EuGH, 11.11.2014, Rs. C-333/13 "Dano", Rn. 77) und ist geeignet, eine unangemessene Inanspruchnahme von Sozialhilfe zu verhindern. Nach Erwägungsgrund 21 der RL 2004/38/EG soll es gerade dem Aufnahmemitgliedstaat überlassen bleiben zu bestimmen, ob er Arbeitsuchenden Sozialhilfe gewährt.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183 Satz 1, 193 Abs. 1 Satz 1 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Rechtsstreits. Nach dem Rechtsgedanken des § 92 Abs. 2 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist das geringfügige Obsiegen des Klägers nicht zu berücksichtigen.
Für den Kläger ist die Berufung zulässig, da der Wert der Beschwer (545,50 EUR x 2 – 75,90=) 1.015,10 EUR beträgt.
Die Berufung bedarf für den Beklagten der Zulassung, da die Beschwer eine Geldleistung betrifft, die 750,00 EUR nicht übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) und die Klage keine laufende Leistung für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Gründe, die Berufung zuzulassen, sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Dieses Urteil weicht im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten nicht von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts ab (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG).
Rechtskraft
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