Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 65 AS 520/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 25 AS 1631/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch nicht für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ersetzenden Verwaltungsaktes (EGVA).
Die 1979 geborene Klägerin ist promovierte Diplom-Physikerin, seit Oktober 2012 arbeitslos und bezieht seitdem Arbeitslosengeld II (Alg II) von dem Beklagten. Der Beklagte förderte einen Programmierkurs vom 25. Februar bis 19. April 2013 sowie eine Weiterbildung zur Softwareentwicklerin vom 12. Mai 2014 bis 16. Januar 2015. Einen ersten EGVA vom 13. Februar 2015 hob der Beklagte auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 23. April 2015 wieder auf, da dieser eine Laufzeit von unter sechs Monaten hatte und dies – so der Beklagte – nicht begründet worden sei.
Am 2. April 2015 sprach die Klägerin persönlich bei dem Beklagten vor. Gegenstand des Gesprächs war eine neue EGV. Nachdem die Klägerin in einer erneuten persönlichen Vorsprache am 16. April 2015 erklärt hatte, die EGV nicht unterzeichnen zu wollen, erließ der Beklagte unter dem 16. April 2015 einen EGVA. Auch diesen hob er auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 15. Juni 2015 wieder auf. Er begründete dies damit, die Rechtsfolgenbelehrung knüpfe an vereinbarte Eingliederungsbemühungen an, hier seien letztere indes festgelegt worden.
Mit Anschreiben an die Klägerin vom 28. Juli 2015 übermittelte der Beklagte der Klägerin den Entwurf einer EGV gleichen Datums mit der Bitte, diesen unterschrieben zu einem Meldetermin am 11. August 2015 mitzubringen. Der Entwurf der EGV hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:
Vorgesehen waren als Ziele: " • Integration in den 1. Arbeitsmarkt als Softwareentwicklerin, Anwendungsprogrammiererin bzw. artverwandte Positionen oder als Physikerin bzw. artverwandte Positionen; • Im Fall nicht ausreichender passgenauer Stellenangebote in den oben benannten Zielberufen: Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verringerung bzw. Beendigung der Hilfebedürftigkeit;".
Vorgesehen war als Unterstützung durch den Beklagten: " • Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. • Das Jobcenter veröffentlicht Ihr anonymisiertes Bewerberprofil in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit unter www.jobboerse.arbeitsagentur.de. Das Jobcenter gibt Ihnen zur Ergänzung und Aktualisierung Ihres Bewerberprofils einen schreibenden Zugriff auf Ihren Bewerberdatensatz.
• Das Jobcenter unterstützt Sie bei der Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mithilfe des Vermittlungsbudgets gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III. Dabei hat die Antragstellung stets vor dem leistungsbegründenden Ereignis zu erfolgen, d.h. verspätete Antragstellung führt zur Ablehnung. Mit Blick auf Ihre individuelle Situation wird Ihnen die Förderung folgender Kosten im Besonderen angeboten: - Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von Kosten für schriftlichen Bewerbungen – Onlinebewerbungen bzw. Bewerbungen per E-Mail sind hiervon ausgenommen. Es wird vereinbart, dass diese pauschal mit einem Betrag von je 5,- Euro gefördert werden. Die Bewerbungen sind nur dann förderfähig, wenn aus Ihrem Anschreiben der Bezug zur Stellenausschreibung und zum Arbeitgeber sowie zu Ihrer Motivation und Ihrer Eignung hervorgeht. Bewerbungsanschreiben müssen der Form nach und inhaltlich korrekt sein (d.h. sie müssen darauf ausgerichtet sein, die jeweilige Stelle zu erlangen). Dies ist durch Einreichung der Anschreiben zu belegen. Kosten für Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen (z.B. AGH) können nicht erstattet werden. - Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern dies vor Fahrtantritt durch Sie beantragt wurde. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges sind die tatsächlich angefallenen und nachgewiesenen Aufwendungen erstattungsfähig. Zum Nachweis der angefallenen Kosten ist bei der Einreichung des Antragsformulars die entsprechende Tankrechnung im Original vorzulegen. Unvermeidbare Übernachtungskosten für Unterkunft inkl. Frühstück können nur auf Nachweis bis zu einem Höchstbetrag von 50,- Euro pro Nacht übernommen werden.
• Steht eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei einem Arbeitgeber in Aussicht, wird das Jobcenter eine Maßnahme bei diesem Arbeitgeber zur Eignungsfeststellung ("Praktikum" oder "Probearbeit") gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III (MAG) für die Dauer von maximal sechs Wochen fördern, sofern dies vor Beginn der Maßnahme persönlich beim Arbeitsvermittler beantragt wurde.
• Das Jobcenter weist Sie darauf hin, dass Ihre Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses (EGZ) gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V.m. §§ 88ff., § 131 SGB III an den Arbeitgeber gefördert werden kann. Hierfür müssen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein und ein Antrag durch den Arbeitgeber beim gemeinsamen Arbeitgeberservice vor Ort gestellt werden. Nähere Informationen erhalten Sie in der Broschüre "Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten bei Neueinstellungen: Eingliederungszuschuss". Entfällt Ihrer Hilfebedürftigkeit aufgrund dieser geförderten Arbeitsaufnahme, behält die Eingliederungsvereinbarung, abweichend von der unten aufgeführten Regelung, für den vereinbarten Zeitraum weiter ihre Gültigkeit."
Vorgesehen waren als Bemühungen der Klägerin zur Eingliederung in Arbeit: " • Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von 30 Kalendertagen – beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung – jeweils mindestens 10 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige, ausgeschriebene Beschäftigungsverhältnisse und weisen diese dem Jobcenter nach. - Der Nachweis Ihrer Bewerbungsbemühungen erfolgt schriftlich in Listenform. Diese umfasst eine Auflistung Ihrer Bewerbungen (schriftlich, telefonisch, persönlich, per E-Mail oder online) unter Angabe des Datums, des Arbeitgebers inklusive Kontaktdaten, der ausgeschriebenen Stelle bzw. Position, der Art und ggf. des Ergebnisses Ihrer Bewerbung. - Sie reichen die Nachweisliste zu jedem Meldetermin bei der Arbeitsvermittlung ein. Sollten Sie einen Termin nicht wahrnehmen können, so senden Sie ohne gesonderte Aufforderung die Nachweisliste postalisch an das Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg, [es folgen Post- und e-Mail-Adresse]. - Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen.
• Sie bewerben sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit und dem Träger der Grundsicherung erhalten. Sie geben der Arbeitsvermittlung eine Rückmeldung über die Ergebnisse Ihrer Bewerbung – hierzu besteht die Möglichkeit über Ihren persönlichen Zugang zur Jobboerse. Alternativ können Sie die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit ausfüllen und einreichen."
Am 11. August 2015 sprach die Klägerin persönlich bei dem Beklagten vor. Gegenstand des rund 90-minütigen Gesprächs war der vorstehende Entwurf einer EGV. Die Klägerin erklärte, eine EGV aus grundsätzlichen Erwägungen - insbesondere im Hinblick auf die in der Rechtsfolgenbelehrung benannten Sanktionen - nicht unterzeichnen zu wollen. Ein Mitarbeiter des Beklagten verfasste am 12. August 2015 einen Vermerk über das Gespräch des Vortages. Im Wesentlichen wurde darin niedergelegt, die Klägerin habe sich weiterhin im IT-Bereich ohne Erfolg beworben. Sie wolle durch private Forenarbeit Zugang zu Portalen finden, die ihr gegebenenfalls Aufträge und Stellen anbieten könnten. Eine Prognose zu den Erfolgsaussichten dieses Planes wolle sie nicht abgeben. Zur EGV heißt es in dem Vermerk, die Klägerin sei mit einer Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einverstanden. Hierzu sei ihr die Zumutbarkeit nach § 10 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erläutert worden. Die Klägerin sehe keinen Zweck in der Vereinbarung zur Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch den Beklagten, da dies ohnehin ein gesetzlicher Auftrag des Beklagten sei. Der Klägerin sei unter anderem hierzu erklärt worden, der Punkt verdeutliche, dass eine Integration als Ziel ohne vorherige Teilziele erreichbar sei. Hinsichtlich der Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils habe die Klägerin datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Sie wünsche eine interne anonymisierte Veröffentlichung. Hier sei ihr Entgegenkommen signalisiert worden. Hinsichtlich der konkreten Förderungsleistungen habe die Klägerin deren Zweck nicht gesehen, da diese im Gesetz grundsätzlich vorgesehen seien. Der Klägerin sei erläutert worden, dass es sich hierbei um die Präzisierung einer "Kann-Leistung" handele, welche sichere, dass die Notwendigkeit der schriftlichen Bewerbung und deren Förderung im individuellen Fall angenommen würden. Damit sei die Klägerin einverstanden. Einen Ausschluss der Förderung hinsichtlich Minijobs lehne die Klägerin ab. Hier sei ihr gesagt worden, dies habe informativen Charakter; eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget scheide grundsätzlich aus, sofern keine versicherungspflichtige Beschäftigung in Rede stehe. Die Klägerin sehe keinen Sinn in der Förderung von Maßnahmen zur Eignungsfeststellung und der Förderung durch Eingliederungszuschuss. Der Klägerin sei erläutert worden, dass sich die angebotene Förderung nicht als Zwang zur Annahme verstehen lasse. Die Förderung sei mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die individuelle Situation der Klägerin – geringe Berufserfahrung im Zielberuf, kein Berufsabschluss im Bereich IT – erforderlich.
Das rund 90-minütige Gespräch habe aus organisatorischen Gründen abgebrochen werden müssen. Ein Folgetermin sei angeboten worden. Die Klägerin habe angegeben, weitere Anmerkungen schriftlich vorbringen zu wollen.
Verabredungsgemäß übermittelte die Klägerin dem Beklagten unter dem 17. August 2015 ein Anschreiben, mit dem sie zu dem Entwurf der EGV vom 28. Juli 2015 eingehend Stellung nahm. Neben grundsätzlichen Bedenken gegen eine EGV, die Rechtsfolgenbelehrung und Sanktionen rügte sie im Wesentlichen
- die vermeintliche Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Geltungsdauer, - das Fehlen konkreter Angaben zur Häufigkeit von durch den Beklagten zu übermittelnden Vermittlungsvorschlägen, - die Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils, - die fehlende Verbindlichkeit von Förderungen aus dem Vermittlungsbudget und den Umstand, dass diese vor dem leistungsbegründenden Ereignis zu beantragen sind, - die aus ihrer Sicht zu weit gehenden Anforderungen an eine förderungsfähige Bewerbung, zumal sie sich ohnehin zumeist per e-mail bewerbe und daher keine Kostenübernahme für schriftliche Bewerbungen benötige, - die Übernahme von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, da der Begriff der Angemessenheit zu unbestimmt sei; außerdem habe sie keinen Führerschein, - dass die Förderung mittels Eingliederungszuschuss eine solche an den Arbeitgeber sei, - die Anzahl der von ihr verlangten Bewerbungsbemühungen, vier bis fünf monatlich seien zielführender, - die Frist für Bewerbungen auf durch den Beklagten zugesandte Vermittlungsvorschläge, die abhängig von deren Anzahl zu kurz sein könne.
Dieses Schreiben nahm der Beklagte zu Kenntnis und setzte sich mit ihm in einem internen Vermerk vom 27. August 2015 intensiv auseinander.
Der hier streitige EGVA datiert auf den 27. August 2015 und wurde der Klägerin zusammen mit einem Anschreiben des zuständigen Sachbearbeiters vom selben Tag am 29. August 2015 zugestellt. Er galt für den Zeitraum vom 27. August 2015 bis 26. Februar 2016, soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt werde und zeitlich begrenzt durch die Dauer der Hilfebedürftigkeit der Klägerin. Soweit eine Anpassung (des EGVA) erforderlich sei, ende dessen Gültigkeit mit dem Abschluss der neuen EGV. Der EGVA entsprach – bei sprachlicher Anpassung von einer "Vereinbarung" auf einen "Verwaltungsakt" – im Wesentlichen dem oben wiedergegebenen Entwurf einer EGV. Er wich wie folgt ab:
- Der zweite Punkt unter den Unterstützungsleistungen des Beklagten wurde wie folgt gefasst: "Das Jobcenter veröffentlicht intern Ihr anonymisiertes Bewerberprofil.". - Der Passus zu den Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen wurde hinsichtlich der Kosten für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges und ihres Nachweises gestrichen. - Der Passus zur Förderung durch Eingliederungszuschuss wurde komplett gestrichen. - Die von der Klägerin geforderten Bewerbungsbemühungen wurden von zehn auf acht im Monat reduziert. Innerhalb dieses Absatzes wurde das Wort "ausgeschriebene" vor dem Wort "Beschäftigungsverhältnisse" gestrichen. Außerdem begann die Berechnung des Turnus von 30 Kalendertagen, innerhalb der die Klägerin acht Bewerbungsbemühungen unternehmen musste, erst mit der Zustellung des EGVA.
Der EGVA enthielt wie schon der Entwurf der EGV unter "Wichtige Hinweise" Hinweise "bei Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches (Ortsabwesenheit)".
Den Widerspruch der Klägerin, den diese vor allem mit grundsätzlichen Bedenken gegen eine EGV und den ihn ersetzenden EGVA, gegen das vermeintliche Ungleichgewicht von Förderung und Forderung und das Sanktionssystem des SGB II begründete, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 12. Januar 2016 Klage erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft hat.
Ein Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den EGVA vom 27. August 2015 ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Sozialgerichts vom 19. Januar 2016 – S 65 AS 519/16 ER; Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. März 2016 – L 29 AS 320/16 B ER).
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte der Klägerin unter dem 18. Februar 2016 den Entwurf einer EGV übermittelt, der im Wesentlichen dem hier streitigen EGVA entsprochen hat, der aber zusätzlich Angebot der und Teilnahme an einer vierwöchigen Maßnahme zur beruflichen Eingliederung für die Dauer von vier Wochen vorgesehen hat. Da die Klägerin den Entwurf der EGV nicht unterzeichnet hat, ist ein ihn ersetzender EGVA unter dem 23. März 2016 ergangen.
Mit Urteil vom 30. Mai 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, da der EGVA vorliegend als Grundlage für Sanktionen in Betracht komme und mit Blick auf mögliche weitere EGVA auch eine Wiederholungsgefahr bestehe. Die Klage sei aber unbegründet, weil der auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützte EGVA rechtmäßig sei. Eine EGV sei nicht zustande gekommen, weil sich die Klägerin geweigert habe, sie zu unterschreiben. Diesbezügliche Verhandlungen seien insoweit gescheitert. Auch inhaltlich begegne der EGVA keinen Bedenken.
Gegen das ihr am 2. Juni 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 4. Juli 2016, Berufung eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, auch der EGVA sei als Vertrag anzusehen. Vertragsverhandlungen habe es nicht gegeben, weil der Inhalt im Wesentlichen nicht änderbar gewesen sei. Unterstützung des Beklagten und Bemühungen der Klägerin stünden in einem Ungleichgewicht. Die Leistungen des Beklagten seien nicht hinreichend konkretisiert und damit nicht einforderbar. Die Übernahme von Bewerbungskosten sei nach dem EGVA unmöglich. Initiativbewerbungen und Bewerbungen auf nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse seien nicht erstattungsfähig. Zudem wären die jährlich regelmäßig maximal erstattbaren 260,- Euro für Bewerbungen mit den geforderten acht Bewerbungsbemühungen im Monat bereits erreicht. Die sechsmonatige Geltungsdauer des EGVA sei mit der "Ewigkeitsklausel", wonach der EGVA grundsätzlich solange gelte, wie die Klägerin hilfebedürftig sei, nicht vereinbar. In diesem Zusammenhang werde zu Unrecht der Begriff der EGV anstelle EGVA verwendet. Die Klägerin hält weiterhin das Sanktionssystem des SGB II für verfassungswidrig.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 hat der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2016 eine Minderung des Alg II der Klägerin in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt, weil die Klägerin ihre Pflichten – hier in Gestalt des Nachweises von mindestens acht Bewerbungsbemühungen pro 30 Kalendertage - aus dem EGVA vom 27. August 2015 nicht erfüllt habe. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 168 AS 15134/16 ruht durch Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2017.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte der Klägerin unter dem 20. Oktober 2016 den Entwurf einer EGV übermittelt. Da die Klägerin den Entwurf der EGV nicht unterzeichnet hat, ist ein ihn ersetzender EGVA unter dem 23. November 2016 ergangen. Der ab Bescheiddatum bis "auf weiteres" geltende EGVA sieht im Wesentlichen als Bemühungen der Klägerin mindestens acht Bewerbungen je Kalendermonat auf sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vorrangig als Anwendungsprogrammiererin oder Physikerin, aber auch auf jede andere Tätigkeit, die der persönlichen und beruflichen Eignung der Klägerin entspricht, vor. Neben Bewerbungen auf vom Beklagten übermittelte Stellenangebote wird von der Klägerin außerdem die Vorlage einer vollständigen Bewerbungsmappe bis zum 30. Dezember 2016 verlangt. Als Unterstützungsleistungen des Beklagten sieht der EGVA insbesondere 5,- Euro je Bewerbung – ausgenommen Bewerbungen online oder per e-mail – vor, dies begrenzt auf regelhaft 260,- Euro je Kalenderjahr. Außerdem sieht der EGVA die Übernahme von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Tagespendelbereichs vor.
Eine mit der Berufungsschrift erstmalig erhobene Klage, den Beklagten zu verpflichten, "gleichlautende Verwaltungsakte zu unterlassen", hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. Juni 2017 zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 aufzuheben, hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den EGVA auch im Lichte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juni 2016 (B 14 AS 42/15 R; B 14 AS 30/15 R) für rechtmäßig.
Der Beklagte hat neben der Verwaltungsakte einen Halbhefter mit Verbis-Vermerken, einen Vermittlungsvorgang, eine Maßnahmeübersicht sowie einen Lebenslauf der Klägerin zu den Gerichtsakten gereicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vorstehend genannten und von dem Beklagten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Denn EGVA sind nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet (vgl. Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 13. Juli 2016 - S 32 AS 317/16 ER – juris m. w. N.).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Großen und Ganzen zutreffend.
Die Klage ist zulässig. Statthaft ist indes entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts hier nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern die Anfechtungsklage. Denn der streitige EGVA entfaltet insoweit noch eine Regelungswirkung, als er Grundlage für den Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 ist, mit dem der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2016 eine Minderung des Alg II der Klägerin in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs wegen Verstoßes gegen den EGVA festgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R –; anders möglicherweise aber BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 45/15 R – beide bei juris). Gegen den Übergang von der zuletzt erstinstanzlich erhobenen Fortsetzungsfeststellungs- auf die Anfechtungsklage bestehen keine Bedenken, weil insoweit keine Klageänderung vorliegt (vgl. § 99 Abs. 3 SGG, BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 45/15 R -; Urteil vom 22. September 1981 - 11 RK 10/79 – und das vorinstanzliche Urteil zu letztgenanntem Urteil, Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. April 1979 – L 1 Kr 26/78 – alle bei juris). Außerdem hat die rechtlich nicht vertretene Klägerin ein in ihren Anträgen stets mit enthaltenes Anfechtungsbegehren auch in Ansehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu grundlegend BSG, Urteil vom 10. März 1994 – 7 RAr 38/93 – juris) zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Die Klage ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil gegen den auf einen Verstoß gegen den EGVA gestützten Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 eine Klage anhängig ist und die Klägerin auf eine Inzidentprüfung des EGVA in dem dortigen Klageverfahren S 168 AS 15134/16 zu verweisen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris, wonach die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen ist). Denn zum einen ist nicht ausgemacht, dass es zu einer Inzidentprüfung des EGVA wirklich kommt, was etwa der Fall wäre, wenn sich der Bescheid über die Feststellung einer Minderung von Alg II schon aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist. Zum anderen hat sich der hier streitige EGVA aus den dargelegten Gründen nicht erledigt. Wollte man der Klägerin Rechtsschutz gegen ihn versagen, hätte dies möglicherweise das unbillige Ergebnis zur Folge, dass der Klägerin in dem Klageverfahren S 168 AS 15134/16 die Bestandskraft des EGVA vorgehalten wird und es daher auch dort zu keiner Prüfung seiner Rechtmäßigkeit kommt (vgl. zum Ganzen auch Bienert, info also 2016, 243, 247 f.).
Die demnach zulässige Klage ist aber nicht begründet. Rechtsgrundlage des EGVA ist § 15 Abs. 1 Satz 6 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II (hier i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl I Seite 850). Hiernach soll die Agentur für Arbeit (AA) im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Diese soll insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen die oder der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen haben (Satz 1 und 2). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen (Satz 6).
Hiernach war, nachdem die Klägerin den ihr unterbreiteten Entwurf einer EGV nicht unterzeichnet hatte, jedenfalls deshalb Raum für den Erlass eines ersetzenden EGVA (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R – juris). Dafür war der Beklagte in Wahrnehmung der Aufgaben der AA auch sachlich zuständig (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Der EGVA begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet die Geltungsdauer des EGVA. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II soll die EGV für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs. 1 SGB II zu Satz 6 dieser Vorschrift gilt dies auch für den EGVA. Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer ist das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R – juris). Vorliegend beträgt die Geltungsdauer sechs Monate (27. August 2015 bis 26. Februar 2016). Dass die Berechnung des Turnus von 30 Kalendertagen, innerhalb der die Klägerin acht Bewerbungsbemühungen unternehmen musste, mit der Zustellung des EGVA begann – hier am 29. August 2015 – ist hier ermessensfehlerfrei, weil es die Berechnung des geregelten Turnus auf eine verlässliche Grundlage stellt und weil es der Tatsache Rechnung trägt, dass die Klägerin erst mit der Bekanntgabe des EGVA Kenntnis von ihrer Obliegenheit erlangen konnte. Dass im Übrigen der EGVA bereits vor seiner Bekanntgabe wirksam sein sollte (innere Wirksamkeit vor Eintritt der äußeren Wirksamkeit, vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 1961 - VIII C 398.59 – juris), steht seiner Rechtmäßigkeit hier nicht entgegen, weil die im Vordergrund stehende Regelung zu den acht Bewerbungsbemühungen je 30 Kalendertage erst zum 29. August 2015 wirksam geworden ist (innere und äußere Wirksamkeit sind insoweit zusammengefallen) und weil Obliegenheiten der Klägerin für die Zeit vor Bekanntgabe des EGVA nicht begründet worden sind (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. April 2013 – L 5 AS 89/12 – juris). Dies gilt auch hinsichtlich der Obliegenheit, sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die die Klägerin von dem Beklagten erhalten hat, zu bewerben, weil nicht ersichtlich ist, dass der Klägerin vor Bekanntgabe des EGVA Vermittlungsvorschläge übermittelt worden sind. Hinreichend bestimmt geregelt ist die Wirksamkeit auch. Denn der EGVA gilt grundsätzlich sechs Monate, es sei denn, es wird anderes geregelt oder die Hilfebedürftigkeit der Klägerin entfällt.
Auch im Übrigen ist der EGVA rechtmäßig. Ersetzt das Jobcenter eine EGV durch Verwaltungsakt, sind die ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßem Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale EGV gelten (vgl. zu Folgendem BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 42/15 R – juris).
Ob und mit welchen Inhalten eine EGV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EGV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EGV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines EGVA müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EGV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt der Abschluss einer EGV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und gegebenenfalls die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine im Sinne der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, gegenübersteht.
Nichts anderes folgt aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II selbst. Der Gesetzgeber misst der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EGV eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit bei (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 43). Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 44). Demgemäß soll die EGV in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und AA sicherstellen, dass einerseits die AA Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 46). Diesem Zweck würde es nicht genügen, würde das Jobcenter nicht auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vornehmen.
EGVA nach dem SGB II dürfen sich nach Einschätzung des BSG auch in Bezug auf das Sanktionsregime der §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht auf die Bestimmung der von den Leistungsberechtigten erwarteten Eigenbemühungen beschränken, sondern sie haben zur Meidung eines Formenmissbrauchs jeweils ebenso situationsangepasste Eingliederungszusagen vorzusehen. Gestützt wird das schließlich auch durch die Weiterentwicklung, die § 15 SGB II nach dem Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl. I Seite 1824) erfahren hat. Denn auch daraus ergibt sich, dass die EGV nach der Konzeption des SGB II als das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten anzusehen und dabei an den jeweiligen individuellen Umständen auszurichten ist (vgl. BT-Drucks. 18/8041, Seite 37), was auch bei Ersetzungsentscheidungen durch Verwaltungsakt entsprechend zu berücksichtigen ist.
Hieran gemessen ist der streitige EGVA rechtmäßig. Dabei ist allgemein anzumerken, dass der Entwurf der EGV vom 28. Juli 2015, der dem hier streitigen EGVA zugrunde liegt, eingehend mit der Klägerin besprochen worden ist. Die Klägerin hat nach dem Gespräch die Möglichkeit erhalten, schriftliche Einwände zu erheben und diese Möglichkeit wahrgenommen. Der Beklagte hat diese Einwände abgewogen und sie teilweise auch im EGVA umgesetzt. Diese Vorgehensweise stellt vorliegend ein Fallmanagement dar, nach dem unter aktiver Mitarbeit der Klägerin aufbauend auf einer Erhebung ihrer konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" geplant worden ist. Dass nicht alle Einwände der Klägerin berücksichtigt worden sind und – da diese vor allem grundsätzlicher Natur sind und sich gegen die Möglichkeit von EGVA (und darauf gestützter Sanktionen) überhaupt richten – berücksichtigt werden konnten, steht dem nicht entgegen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Keinen Bedenken begegnet das an die Klägerin gerichtete Verlangen, mindestens acht Bewerbungen im Turnus von 30 Kalendertagen – beginnend ab Zustellung des EGVA – auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen, hierüber Nachweis zu führen und die Nachweisliste zu jedem Meldetermin vorzulegen oder, soweit ein Meldetermin nicht wahrgenommen werden kann, die Nachweisliste postalisch oder per E-Mail einzureichen. Aufforderungen dieser Art sind an dem Zumutbarkeitsmaßstab von § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II und § 10 SGB II zu messen. Hiernach müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II), soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 1 SGB II vorliegt. Jedoch entzieht sich auch das einer schematischen, die Umstände des Einzelfalls außer Betracht lassenden Bewertung. So darf in einem EGVA nicht an Zielen starr festgehalten werden, die sich als erfolglos erwiesen haben, und ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass die Chancen, eine Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erlangen, bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die die Voraussetzungen des § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, deutlich herabgesetzt sind. Auch ist die Arbeitsmarktlage in der konkreten Bewerbersituation zu berücksichtigen. Insgesamt ist nach der aufgezeigten Regelungsintention des Gesetzgebers jeweils im Einzelfall zu beurteilen, welche Eigenbemühungen von dem Arbeitsuchenden mit Blick auf die individuellen Fähigkeiten und gesundheitliche Situation einerseits und die Arbeitsmarktlage andererseits zumutbar verlangt werden können. Dem werden die von der Klägerin abverlangten Bewerbungsbemühungen hier gerecht. Die Klägerin ist durchaus hoch qualifiziert. Gleichwohl ist es zu einer Arbeitsaufnahme mindestens seit Beginn des Alg II-Bezuges im Oktober 2012 nicht gekommen, obwohl es hierfür auch angesichts des Lebensalters der Klägerin – sie war zum Zeitpunkt des Erlasses des EGVA immerhin 36 Jahre alt – an der Zeit war (und ist). Auch die beiden vom Beklagten finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen im IT-Bereich haben zu keiner Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geführt. Gleiches gilt für die von der Klägerin anlässlich ihrer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten am 12. August 2015 vorgetragenen Bewerbungsbemühungen (Bewerbungen "nicht viele", "private Forenarbeit"), die ungeachtet ihrer generellen Eignung jedenfalls im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg gehabt haben. Da sich die Klägerin danach wohl nur im IT-Bereich beworben hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte von der Klägerin nunmehr Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – unter Einschluss von befristeten Beschäftigungsverhältnissen und solchen bei Zeitarbeitsfirmen – verlangt hat, zumal gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin nicht ersichtlich sind. Die im Rahmen des Verhandlungsprozesses zwischen Klägerin und Beklagtem reduzierte Anzahl abverlangter Bewerbungen – acht statt zehn pro 30 Kalendertage – begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Dass rund zwei Bewerbungen pro Woche nicht zu viel verlangt sind, bedarf keiner näheren Erörterung (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – B 7a AL 18/05 R – juris: "Die Aufforderung der Bekl. an die Kl., sich pro Woche zwei Mal schriftlich zu bewerben, ist jedoch unter keinem denkbaren Aspekt unzumutbar.").
Unzumutbar sind die acht Bewerbungsbemühungen je 30 Kalendertage auch nicht in Verbindung mit der ebenfalls im EGVA geregelten und ihrerseits für sich genommen auch keinen Bedenken begegnenden Obliegenheit, sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die die Klägerin von der Agentur für Arbeit und dem Träger der Grundsicherung erhält, zu bewerben, und Rückmeldung über das Ergebnis der Bewerbung zu geben. Auch ausweislich eines Aktenvermerks vom 27. August 2015 werden bei den acht abverlangten Bewerbungen auch solche berücksichtigt, die auf der Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen durch die Agentur für Arbeit oder den Beklagten beruhen. Eine Überforderung der Klägerin durch eine zu hohe Anzahl verlangter Bewerbungen ist deshalb praktisch ausgeschlossen.
Der EGVA sieht auch eine ausreichende Regelung zu individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die in ihr bestimmten individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen der Klägerin vor und zwar insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 30/15 R – juris). Für eine EGV hat das BSG entschieden, die Vereinbarung von Eigenbemühungen, insbesondere von individuell bestimmten und sanktionsbewehrten Bewerbungsbemühungen, sei nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters, insbesondere durch die Übernahme von Bewerbungskosten, in der EGV konkret und verbindlich bestimmt sei. Eine solche verbindliche Regelung enthält der hier streitige EGVA. Denn außer der allgemein gehaltenen Formulierung, wonach der Beklagte die Klägerin bei der Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mithilfe des Vermittlungsbudgets gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III unterstütze, enthält der EGVA auch konkrete Zusagen zur Übernahme von Bewerbungskosten, denn es ist konkret geregelt die Übernahme von Kosten für schriftliche Bewerbungen – mit Ausnahme von Onlinebewerbungen und Bewerbungen per E-Mail und Kosten für Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen – in Höhe von pauschal 5,- Euro je Bewerbung. Dass die Kostenübernahme vorliegend an gewisse inhaltliche und formelle Voraussetzungen geknüpft ist, begegnet keinen Bedenken. Angaben zu Motivation und Eignung sind in einem Bewerbungsschreiben ebenso selbstverständlich wie deren Korrektheit in Form und Inhalt. Dass – da aus dem Anschreiben der Bezug zur Stellenausschreibung hervorgehen muss – nur Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen gefördert werden, ist ermessensfehlerfrei, weil dem die Annahme zugrunde liegt, dass Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen eher erfolgreich sein können als auf nicht ausgeschriebene Stellen. Gleiches gilt für den pauschalen Betrag von 5,- Euro je Bewerbung und den Ausschluss der Erstattung in den näher geregelten Fällen. Denn es spricht nichts dafür, dass 5,- Euro je Bewerbung die tatsächlich angefallenen Kosten nicht regelmäßig decken. Entsprechend durfte der Beklagte annehmen, dass für Bewerbungen über Internet und E-Mail deutlich geringere bis keine Kosten anfallen (vgl. auch Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 21. Juli 2016 – L 4 AS 490/15 – juris). Auch der Ausschluss von Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen ist ermessensfehlerfrei, weil dies dem in dem EGVA geregelten vorrangigen Integrationsziel – Integration in den 1. Arbeitsmarkt – am ehesten entspricht.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es, dass sich der Beklagte verpflichtet hat, intern ein anonymisiertes Bewerberprofil der Klägerin zu veröffentlichen. Insoweit ist der Beklagte nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 35 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sogar verpflichtet, die Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen nach § 40 Abs. 2 SGB III im Internet durchzuführen. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB III sind bei der Beratung, Vermittlung und Berufsorientierung Selbstinformationseinrichtungen einzusetzen. Datenschutzrechtliche Bedenken hat der Senat nicht. Soweit es für diesen Zweck erforderlich ist, darf nämlich der Beklagte nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 2 SGB III die Daten aus den Selbstinformationseinrichtungen nutzen und übermitteln. Im Übrigen regelt § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB III, dass die AA in die Selbstinformationseinrichtungen Daten über Ausbildungsuchende, Arbeitsuchende und Arbeitgeber nur aufnehmen darf, soweit sie für die Vermittlung erforderlich sind und von Dritten keiner bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Dem wird die interne Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils gerecht, weil auch ausweislich des Anschreibens des Beklagten an die Klägerin vom 27. August 2015 ein Zugriff auf die Daten der Klägerin im Internet nicht möglich ist und Daten der Klägerin an Dritte nicht weitergegeben werden.
Ermessensfehlerfrei ist auch die Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen sowie von unvermeidbaren Übernachtungskosten für Unterkunft inkl. Frühstück bis zu einem Höchstbetrag von 50,- Euro pro Nacht. Entsprechendes gilt für die Förderung von Praktikum oder Probearbeit für die Dauer von maximal sechs Wochen.
Mit Blick gerade auch auf die beiden letztgenannten Unterstützungsleistungen enthielt der EGVA auch über die Rechtsansprüche zur Erstattung von Bewerbungskosten und die Zusage, bei geeigneten Stellenangeboten Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, hinaus konkrete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen". Soll auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, verzichtet werden, setzt das gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 42/15 R – juris). Unzulässig ist es danach, wenn sich die Regelung von der Bezeichnung ohnehin bestehender gesetzlicher Ansprüche abgesehen in der Konkretisierung von Eigenbemühungen des Klägers erschöpfen und damit im Ergebnis auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert worden sind. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil – wie dargelegt – im hier streitigen EGVA außer der Erstattung von Vermittlungsvorschlägen und der Erstattung von Bewerbungskosten auch Regelungen zur Erstattung von Kosten zu Vorstellungsgesprächen – Fahrt- und gegebenenfalls Übernachtungskosten – sowie die Förderung von Praktika und Probearbeitsverhältnissen vorgesehen sind. Dies ist hier ermessensfehlerfrei, zumal der Beklagte die individuellen Verhältnisse der Klägerin berücksichtigt hat (daher auch Wegfall von Regelung zur Erstattung von Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug im EGVA auf den Hinweis der Klägerin, sie habe keinen Führerschein).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Denn welche Klageart statthaft ist – Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage –, ist für die vorliegende Fallkonstellation ebenso wenig geklärt wie die Frage, in welchem Verhältnis Rechtsbehelfsverfahren gegen einen EGVA einerseits und einen darauf gestützten Bescheid über die Feststellung eines Verstoßes gegen den EGVA und eine Minderung des Alg II-Anspruchs andererseits zueinander stehen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) ersetzenden Verwaltungsaktes (EGVA).
Die 1979 geborene Klägerin ist promovierte Diplom-Physikerin, seit Oktober 2012 arbeitslos und bezieht seitdem Arbeitslosengeld II (Alg II) von dem Beklagten. Der Beklagte förderte einen Programmierkurs vom 25. Februar bis 19. April 2013 sowie eine Weiterbildung zur Softwareentwicklerin vom 12. Mai 2014 bis 16. Januar 2015. Einen ersten EGVA vom 13. Februar 2015 hob der Beklagte auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 23. April 2015 wieder auf, da dieser eine Laufzeit von unter sechs Monaten hatte und dies – so der Beklagte – nicht begründet worden sei.
Am 2. April 2015 sprach die Klägerin persönlich bei dem Beklagten vor. Gegenstand des Gesprächs war eine neue EGV. Nachdem die Klägerin in einer erneuten persönlichen Vorsprache am 16. April 2015 erklärt hatte, die EGV nicht unterzeichnen zu wollen, erließ der Beklagte unter dem 16. April 2015 einen EGVA. Auch diesen hob er auf Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 15. Juni 2015 wieder auf. Er begründete dies damit, die Rechtsfolgenbelehrung knüpfe an vereinbarte Eingliederungsbemühungen an, hier seien letztere indes festgelegt worden.
Mit Anschreiben an die Klägerin vom 28. Juli 2015 übermittelte der Beklagte der Klägerin den Entwurf einer EGV gleichen Datums mit der Bitte, diesen unterschrieben zu einem Meldetermin am 11. August 2015 mitzubringen. Der Entwurf der EGV hatte im Wesentlichen folgenden Inhalt:
Vorgesehen waren als Ziele: " • Integration in den 1. Arbeitsmarkt als Softwareentwicklerin, Anwendungsprogrammiererin bzw. artverwandte Positionen oder als Physikerin bzw. artverwandte Positionen; • Im Fall nicht ausreichender passgenauer Stellenangebote in den oben benannten Zielberufen: Integration auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verringerung bzw. Beendigung der Hilfebedürftigkeit;".
Vorgesehen war als Unterstützung durch den Beklagten: " • Das Jobcenter unterbreitet Ihnen Vermittlungsvorschläge, soweit geeignete Stellenangebote vorliegen. • Das Jobcenter veröffentlicht Ihr anonymisiertes Bewerberprofil in der JOBBÖRSE der Bundesagentur für Arbeit unter www.jobboerse.arbeitsagentur.de. Das Jobcenter gibt Ihnen zur Ergänzung und Aktualisierung Ihres Bewerberprofils einen schreibenden Zugriff auf Ihren Bewerberdatensatz.
• Das Jobcenter unterstützt Sie bei der Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mithilfe des Vermittlungsbudgets gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III. Dabei hat die Antragstellung stets vor dem leistungsbegründenden Ereignis zu erfolgen, d.h. verspätete Antragstellung führt zur Ablehnung. Mit Blick auf Ihre individuelle Situation wird Ihnen die Förderung folgender Kosten im Besonderen angeboten: - Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch Übernahme von Kosten für schriftlichen Bewerbungen – Onlinebewerbungen bzw. Bewerbungen per E-Mail sind hiervon ausgenommen. Es wird vereinbart, dass diese pauschal mit einem Betrag von je 5,- Euro gefördert werden. Die Bewerbungen sind nur dann förderfähig, wenn aus Ihrem Anschreiben der Bezug zur Stellenausschreibung und zum Arbeitgeber sowie zu Ihrer Motivation und Ihrer Eignung hervorgeht. Bewerbungsanschreiben müssen der Form nach und inhaltlich korrekt sein (d.h. sie müssen darauf ausgerichtet sein, die jeweilige Stelle zu erlangen). Dies ist durch Einreichung der Anschreiben zu belegen. Kosten für Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen (z.B. AGH) können nicht erstattet werden. - Das Jobcenter unterstützt Ihre Bewerbungsaktivitäten durch die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, sofern dies vor Fahrtantritt durch Sie beantragt wurde. Bei der Benutzung eines Kraftfahrzeuges sind die tatsächlich angefallenen und nachgewiesenen Aufwendungen erstattungsfähig. Zum Nachweis der angefallenen Kosten ist bei der Einreichung des Antragsformulars die entsprechende Tankrechnung im Original vorzulegen. Unvermeidbare Übernachtungskosten für Unterkunft inkl. Frühstück können nur auf Nachweis bis zu einem Höchstbetrag von 50,- Euro pro Nacht übernommen werden.
• Steht eine versicherungspflichtige Beschäftigung bei einem Arbeitgeber in Aussicht, wird das Jobcenter eine Maßnahme bei diesem Arbeitgeber zur Eignungsfeststellung ("Praktikum" oder "Probearbeit") gem. § 16 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 45 SGB III (MAG) für die Dauer von maximal sechs Wochen fördern, sofern dies vor Beginn der Maßnahme persönlich beim Arbeitsvermittler beantragt wurde.
• Das Jobcenter weist Sie darauf hin, dass Ihre Arbeitsaufnahme durch die Gewährung eines Eingliederungszuschusses (EGZ) gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V.m. §§ 88ff., § 131 SGB III an den Arbeitgeber gefördert werden kann. Hierfür müssen die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sein und ein Antrag durch den Arbeitgeber beim gemeinsamen Arbeitgeberservice vor Ort gestellt werden. Nähere Informationen erhalten Sie in der Broschüre "Finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten bei Neueinstellungen: Eingliederungszuschuss". Entfällt Ihrer Hilfebedürftigkeit aufgrund dieser geförderten Arbeitsaufnahme, behält die Eingliederungsvereinbarung, abweichend von der unten aufgeführten Regelung, für den vereinbarten Zeitraum weiter ihre Gültigkeit."
Vorgesehen waren als Bemühungen der Klägerin zur Eingliederung in Arbeit: " • Sie unternehmen während der Gültigkeitsdauer der Eingliederungsvereinbarung im Turnus von 30 Kalendertagen – beginnend mit dem Datum der Unterzeichnung – jeweils mindestens 10 Bewerbungsbemühungen um sozialversicherungspflichtige, ausgeschriebene Beschäftigungsverhältnisse und weisen diese dem Jobcenter nach. - Der Nachweis Ihrer Bewerbungsbemühungen erfolgt schriftlich in Listenform. Diese umfasst eine Auflistung Ihrer Bewerbungen (schriftlich, telefonisch, persönlich, per E-Mail oder online) unter Angabe des Datums, des Arbeitgebers inklusive Kontaktdaten, der ausgeschriebenen Stelle bzw. Position, der Art und ggf. des Ergebnisses Ihrer Bewerbung. - Sie reichen die Nachweisliste zu jedem Meldetermin bei der Arbeitsvermittlung ein. Sollten Sie einen Termin nicht wahrnehmen können, so senden Sie ohne gesonderte Aufforderung die Nachweisliste postalisch an das Jobcenter Berlin Tempelhof-Schöneberg, [es folgen Post- und e-Mail-Adresse]. - Bei der Stellensuche sind auch befristete Stellenangebote und Stellenangebote von Zeitarbeitsfirmen einzubeziehen.
• Sie bewerben sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die Sie von der Agentur für Arbeit und dem Träger der Grundsicherung erhalten. Sie geben der Arbeitsvermittlung eine Rückmeldung über die Ergebnisse Ihrer Bewerbung – hierzu besteht die Möglichkeit über Ihren persönlichen Zugang zur Jobboerse. Alternativ können Sie die dem Vermittlungsvorschlag beigefügte Antwortmöglichkeit ausfüllen und einreichen."
Am 11. August 2015 sprach die Klägerin persönlich bei dem Beklagten vor. Gegenstand des rund 90-minütigen Gesprächs war der vorstehende Entwurf einer EGV. Die Klägerin erklärte, eine EGV aus grundsätzlichen Erwägungen - insbesondere im Hinblick auf die in der Rechtsfolgenbelehrung benannten Sanktionen - nicht unterzeichnen zu wollen. Ein Mitarbeiter des Beklagten verfasste am 12. August 2015 einen Vermerk über das Gespräch des Vortages. Im Wesentlichen wurde darin niedergelegt, die Klägerin habe sich weiterhin im IT-Bereich ohne Erfolg beworben. Sie wolle durch private Forenarbeit Zugang zu Portalen finden, die ihr gegebenenfalls Aufträge und Stellen anbieten könnten. Eine Prognose zu den Erfolgsaussichten dieses Planes wolle sie nicht abgeben. Zur EGV heißt es in dem Vermerk, die Klägerin sei mit einer Vermittlung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht einverstanden. Hierzu sei ihr die Zumutbarkeit nach § 10 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) erläutert worden. Die Klägerin sehe keinen Zweck in der Vereinbarung zur Unterbreitung von Vermittlungsvorschlägen durch den Beklagten, da dies ohnehin ein gesetzlicher Auftrag des Beklagten sei. Der Klägerin sei unter anderem hierzu erklärt worden, der Punkt verdeutliche, dass eine Integration als Ziel ohne vorherige Teilziele erreichbar sei. Hinsichtlich der Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils habe die Klägerin datenschutzrechtliche Bedenken geäußert. Sie wünsche eine interne anonymisierte Veröffentlichung. Hier sei ihr Entgegenkommen signalisiert worden. Hinsichtlich der konkreten Förderungsleistungen habe die Klägerin deren Zweck nicht gesehen, da diese im Gesetz grundsätzlich vorgesehen seien. Der Klägerin sei erläutert worden, dass es sich hierbei um die Präzisierung einer "Kann-Leistung" handele, welche sichere, dass die Notwendigkeit der schriftlichen Bewerbung und deren Förderung im individuellen Fall angenommen würden. Damit sei die Klägerin einverstanden. Einen Ausschluss der Förderung hinsichtlich Minijobs lehne die Klägerin ab. Hier sei ihr gesagt worden, dies habe informativen Charakter; eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget scheide grundsätzlich aus, sofern keine versicherungspflichtige Beschäftigung in Rede stehe. Die Klägerin sehe keinen Sinn in der Förderung von Maßnahmen zur Eignungsfeststellung und der Förderung durch Eingliederungszuschuss. Der Klägerin sei erläutert worden, dass sich die angebotene Förderung nicht als Zwang zur Annahme verstehen lasse. Die Förderung sei mit Blick auf den Arbeitsmarkt und die individuelle Situation der Klägerin – geringe Berufserfahrung im Zielberuf, kein Berufsabschluss im Bereich IT – erforderlich.
Das rund 90-minütige Gespräch habe aus organisatorischen Gründen abgebrochen werden müssen. Ein Folgetermin sei angeboten worden. Die Klägerin habe angegeben, weitere Anmerkungen schriftlich vorbringen zu wollen.
Verabredungsgemäß übermittelte die Klägerin dem Beklagten unter dem 17. August 2015 ein Anschreiben, mit dem sie zu dem Entwurf der EGV vom 28. Juli 2015 eingehend Stellung nahm. Neben grundsätzlichen Bedenken gegen eine EGV, die Rechtsfolgenbelehrung und Sanktionen rügte sie im Wesentlichen
- die vermeintliche Widersprüchlichkeit hinsichtlich der Geltungsdauer, - das Fehlen konkreter Angaben zur Häufigkeit von durch den Beklagten zu übermittelnden Vermittlungsvorschlägen, - die Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils, - die fehlende Verbindlichkeit von Förderungen aus dem Vermittlungsbudget und den Umstand, dass diese vor dem leistungsbegründenden Ereignis zu beantragen sind, - die aus ihrer Sicht zu weit gehenden Anforderungen an eine förderungsfähige Bewerbung, zumal sie sich ohnehin zumeist per e-mail bewerbe und daher keine Kostenübernahme für schriftliche Bewerbungen benötige, - die Übernahme von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen, da der Begriff der Angemessenheit zu unbestimmt sei; außerdem habe sie keinen Führerschein, - dass die Förderung mittels Eingliederungszuschuss eine solche an den Arbeitgeber sei, - die Anzahl der von ihr verlangten Bewerbungsbemühungen, vier bis fünf monatlich seien zielführender, - die Frist für Bewerbungen auf durch den Beklagten zugesandte Vermittlungsvorschläge, die abhängig von deren Anzahl zu kurz sein könne.
Dieses Schreiben nahm der Beklagte zu Kenntnis und setzte sich mit ihm in einem internen Vermerk vom 27. August 2015 intensiv auseinander.
Der hier streitige EGVA datiert auf den 27. August 2015 und wurde der Klägerin zusammen mit einem Anschreiben des zuständigen Sachbearbeiters vom selben Tag am 29. August 2015 zugestellt. Er galt für den Zeitraum vom 27. August 2015 bis 26. Februar 2016, soweit zwischenzeitlich nichts anderes geregelt werde und zeitlich begrenzt durch die Dauer der Hilfebedürftigkeit der Klägerin. Soweit eine Anpassung (des EGVA) erforderlich sei, ende dessen Gültigkeit mit dem Abschluss der neuen EGV. Der EGVA entsprach – bei sprachlicher Anpassung von einer "Vereinbarung" auf einen "Verwaltungsakt" – im Wesentlichen dem oben wiedergegebenen Entwurf einer EGV. Er wich wie folgt ab:
- Der zweite Punkt unter den Unterstützungsleistungen des Beklagten wurde wie folgt gefasst: "Das Jobcenter veröffentlicht intern Ihr anonymisiertes Bewerberprofil.". - Der Passus zu den Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen wurde hinsichtlich der Kosten für die Benutzung eines Kraftfahrzeuges und ihres Nachweises gestrichen. - Der Passus zur Förderung durch Eingliederungszuschuss wurde komplett gestrichen. - Die von der Klägerin geforderten Bewerbungsbemühungen wurden von zehn auf acht im Monat reduziert. Innerhalb dieses Absatzes wurde das Wort "ausgeschriebene" vor dem Wort "Beschäftigungsverhältnisse" gestrichen. Außerdem begann die Berechnung des Turnus von 30 Kalendertagen, innerhalb der die Klägerin acht Bewerbungsbemühungen unternehmen musste, erst mit der Zustellung des EGVA.
Der EGVA enthielt wie schon der Entwurf der EGV unter "Wichtige Hinweise" Hinweise "bei Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereiches (Ortsabwesenheit)".
Den Widerspruch der Klägerin, den diese vor allem mit grundsätzlichen Bedenken gegen eine EGV und den ihn ersetzenden EGVA, gegen das vermeintliche Ungleichgewicht von Förderung und Forderung und das Sanktionssystem des SGB II begründete, wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 2015 zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 12. Januar 2016 Klage erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft hat.
Ein Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den EGVA vom 27. August 2015 ist ohne Erfolg geblieben (Beschluss des Sozialgerichts vom 19. Januar 2016 – S 65 AS 519/16 ER; Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. März 2016 – L 29 AS 320/16 B ER).
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte der Klägerin unter dem 18. Februar 2016 den Entwurf einer EGV übermittelt, der im Wesentlichen dem hier streitigen EGVA entsprochen hat, der aber zusätzlich Angebot der und Teilnahme an einer vierwöchigen Maßnahme zur beruflichen Eingliederung für die Dauer von vier Wochen vorgesehen hat. Da die Klägerin den Entwurf der EGV nicht unterzeichnet hat, ist ein ihn ersetzender EGVA unter dem 23. März 2016 ergangen.
Mit Urteil vom 30. Mai 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klage sei als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässig. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe, da der EGVA vorliegend als Grundlage für Sanktionen in Betracht komme und mit Blick auf mögliche weitere EGVA auch eine Wiederholungsgefahr bestehe. Die Klage sei aber unbegründet, weil der auf § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II gestützte EGVA rechtmäßig sei. Eine EGV sei nicht zustande gekommen, weil sich die Klägerin geweigert habe, sie zu unterschreiben. Diesbezügliche Verhandlungen seien insoweit gescheitert. Auch inhaltlich begegne der EGVA keinen Bedenken.
Gegen das ihr am 2. Juni 2016 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, dem 4. Juli 2016, Berufung eingelegt. Im Wesentlichen hat sie vorgetragen, auch der EGVA sei als Vertrag anzusehen. Vertragsverhandlungen habe es nicht gegeben, weil der Inhalt im Wesentlichen nicht änderbar gewesen sei. Unterstützung des Beklagten und Bemühungen der Klägerin stünden in einem Ungleichgewicht. Die Leistungen des Beklagten seien nicht hinreichend konkretisiert und damit nicht einforderbar. Die Übernahme von Bewerbungskosten sei nach dem EGVA unmöglich. Initiativbewerbungen und Bewerbungen auf nicht sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse seien nicht erstattungsfähig. Zudem wären die jährlich regelmäßig maximal erstattbaren 260,- Euro für Bewerbungen mit den geforderten acht Bewerbungsbemühungen im Monat bereits erreicht. Die sechsmonatige Geltungsdauer des EGVA sei mit der "Ewigkeitsklausel", wonach der EGVA grundsätzlich solange gelte, wie die Klägerin hilfebedürftig sei, nicht vereinbar. In diesem Zusammenhang werde zu Unrecht der Begriff der EGV anstelle EGVA verwendet. Die Klägerin hält weiterhin das Sanktionssystem des SGB II für verfassungswidrig.
Mit Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 hat der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2016 eine Minderung des Alg II der Klägerin in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs festgestellt, weil die Klägerin ihre Pflichten – hier in Gestalt des Nachweises von mindestens acht Bewerbungsbemühungen pro 30 Kalendertage - aus dem EGVA vom 27. August 2015 nicht erfüllt habe. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren S 168 AS 15134/16 ruht durch Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 30. März 2017.
Während des Klageverfahrens hat der Beklagte der Klägerin unter dem 20. Oktober 2016 den Entwurf einer EGV übermittelt. Da die Klägerin den Entwurf der EGV nicht unterzeichnet hat, ist ein ihn ersetzender EGVA unter dem 23. November 2016 ergangen. Der ab Bescheiddatum bis "auf weiteres" geltende EGVA sieht im Wesentlichen als Bemühungen der Klägerin mindestens acht Bewerbungen je Kalendermonat auf sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse vorrangig als Anwendungsprogrammiererin oder Physikerin, aber auch auf jede andere Tätigkeit, die der persönlichen und beruflichen Eignung der Klägerin entspricht, vor. Neben Bewerbungen auf vom Beklagten übermittelte Stellenangebote wird von der Klägerin außerdem die Vorlage einer vollständigen Bewerbungsmappe bis zum 30. Dezember 2016 verlangt. Als Unterstützungsleistungen des Beklagten sieht der EGVA insbesondere 5,- Euro je Bewerbung – ausgenommen Bewerbungen online oder per e-mail – vor, dies begrenzt auf regelhaft 260,- Euro je Kalenderjahr. Außerdem sieht der EGVA die Übernahme von Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse außerhalb des Tagespendelbereichs vor.
Eine mit der Berufungsschrift erstmalig erhobene Klage, den Beklagten zu verpflichten, "gleichlautende Verwaltungsakte zu unterlassen", hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 15. Juni 2017 zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 aufzuheben, hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 27. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 2015 rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den EGVA auch im Lichte der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 23. Juni 2016 (B 14 AS 42/15 R; B 14 AS 30/15 R) für rechtmäßig.
Der Beklagte hat neben der Verwaltungsakte einen Halbhefter mit Verbis-Vermerken, einen Vermittlungsvorgang, eine Maßnahmeübersicht sowie einen Lebenslauf der Klägerin zu den Gerichtsakten gereicht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vorstehend genannten und von dem Beklagten eingereichten Unterlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Insbesondere steht der Zulässigkeit nicht entgegen, dass gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts bedarf, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro nicht übersteigt. Denn EGVA sind nicht auf eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung gerichtet (vgl. Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 13. Juli 2016 - S 32 AS 317/16 ER – juris m. w. N.).
Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist im Großen und Ganzen zutreffend.
Die Klage ist zulässig. Statthaft ist indes entgegen der Einschätzung des Sozialgerichts hier nicht die Fortsetzungsfeststellungsklage, sondern die Anfechtungsklage. Denn der streitige EGVA entfaltet insoweit noch eine Regelungswirkung, als er Grundlage für den Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 ist, mit dem der Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 2016 eine Minderung des Alg II der Klägerin in Höhe von 30 Prozent des maßgebenden Regelbedarfs wegen Verstoßes gegen den EGVA festgestellt hat (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R –; anders möglicherweise aber BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 – B 4 AS 45/15 R – beide bei juris). Gegen den Übergang von der zuletzt erstinstanzlich erhobenen Fortsetzungsfeststellungs- auf die Anfechtungsklage bestehen keine Bedenken, weil insoweit keine Klageänderung vorliegt (vgl. § 99 Abs. 3 SGG, BSG, Urteil vom 15. Juni 2016 - B 4 AS 45/15 R -; Urteil vom 22. September 1981 - 11 RK 10/79 – und das vorinstanzliche Urteil zu letztgenanntem Urteil, Landessozialgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 20. April 1979 – L 1 Kr 26/78 – alle bei juris). Außerdem hat die rechtlich nicht vertretene Klägerin ein in ihren Anträgen stets mit enthaltenes Anfechtungsbegehren auch in Ansehung des Meistbegünstigungsgrundsatzes (vgl. dazu grundlegend BSG, Urteil vom 10. März 1994 – 7 RAr 38/93 – juris) zu keinem Zeitpunkt aufgegeben. Die Klage ist auch nicht etwa deshalb unzulässig, weil gegen den auf einen Verstoß gegen den EGVA gestützten Bescheid vom 31. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2016 eine Klage anhängig ist und die Klägerin auf eine Inzidentprüfung des EGVA in dem dortigen Klageverfahren S 168 AS 15134/16 zu verweisen wäre (vgl. BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 19/14 R – juris, wonach die Rechtmäßigkeit einer Meldeaufforderung als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen ist). Denn zum einen ist nicht ausgemacht, dass es zu einer Inzidentprüfung des EGVA wirklich kommt, was etwa der Fall wäre, wenn sich der Bescheid über die Feststellung einer Minderung von Alg II schon aus anderen Gründen als rechtswidrig erweist. Zum anderen hat sich der hier streitige EGVA aus den dargelegten Gründen nicht erledigt. Wollte man der Klägerin Rechtsschutz gegen ihn versagen, hätte dies möglicherweise das unbillige Ergebnis zur Folge, dass der Klägerin in dem Klageverfahren S 168 AS 15134/16 die Bestandskraft des EGVA vorgehalten wird und es daher auch dort zu keiner Prüfung seiner Rechtmäßigkeit kommt (vgl. zum Ganzen auch Bienert, info also 2016, 243, 247 f.).
Die demnach zulässige Klage ist aber nicht begründet. Rechtsgrundlage des EGVA ist § 15 Abs. 1 Satz 6 i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II (hier i. d. F. der Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13. Mai 2011, BGBl I Seite 850). Hiernach soll die Agentur für Arbeit (AA) im Einvernehmen mit dem kommunalen Träger mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für ihre Eingliederung erforderlichen Leistungen vereinbaren (Eingliederungsvereinbarung). Diese soll insbesondere bestimmen, 1. welche Leistungen die oder der Erwerbsfähige zur Eingliederung in Arbeit erhält, 2. welche Bemühungen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in welcher Häufigkeit zur Eingliederung in Arbeit mindestens unternehmen müssen und in welcher Form diese Bemühungen nachzuweisen sind, 3. welche Leistungen Dritter, insbesondere Träger anderer Sozialleistungen, erwerbsfähige Leistungsberechtigte zu beantragen haben (Satz 1 und 2). Kommt eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande, sollen die Regelungen durch Verwaltungsakt erfolgen (Satz 6).
Hiernach war, nachdem die Klägerin den ihr unterbreiteten Entwurf einer EGV nicht unterzeichnet hatte, jedenfalls deshalb Raum für den Erlass eines ersetzenden EGVA (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R – juris). Dafür war der Beklagte in Wahrnehmung der Aufgaben der AA auch sachlich zuständig (§ 44b Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 SGB II). Der EGVA begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
Keinen durchgreifenden Bedenken begegnet die Geltungsdauer des EGVA. Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB II soll die EGV für sechs Monate geschlossen werden. Aufgrund des Verhältnisses der Regelungen in Satz 1 und 2 des § 15 Abs. 1 SGB II zu Satz 6 dieser Vorschrift gilt dies auch für den EGVA. Bei der Entscheidung über die Geltungsdauer ist das Ermessen des Grundsicherungsträgers danach gebunden (vgl. BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 – B 14 AS 195/11 R – juris). Vorliegend beträgt die Geltungsdauer sechs Monate (27. August 2015 bis 26. Februar 2016). Dass die Berechnung des Turnus von 30 Kalendertagen, innerhalb der die Klägerin acht Bewerbungsbemühungen unternehmen musste, mit der Zustellung des EGVA begann – hier am 29. August 2015 – ist hier ermessensfehlerfrei, weil es die Berechnung des geregelten Turnus auf eine verlässliche Grundlage stellt und weil es der Tatsache Rechnung trägt, dass die Klägerin erst mit der Bekanntgabe des EGVA Kenntnis von ihrer Obliegenheit erlangen konnte. Dass im Übrigen der EGVA bereits vor seiner Bekanntgabe wirksam sein sollte (innere Wirksamkeit vor Eintritt der äußeren Wirksamkeit, vgl. dazu Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 21. Juni 1961 - VIII C 398.59 – juris), steht seiner Rechtmäßigkeit hier nicht entgegen, weil die im Vordergrund stehende Regelung zu den acht Bewerbungsbemühungen je 30 Kalendertage erst zum 29. August 2015 wirksam geworden ist (innere und äußere Wirksamkeit sind insoweit zusammengefallen) und weil Obliegenheiten der Klägerin für die Zeit vor Bekanntgabe des EGVA nicht begründet worden sind (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 18. April 2013 – L 5 AS 89/12 – juris). Dies gilt auch hinsichtlich der Obliegenheit, sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die die Klägerin von dem Beklagten erhalten hat, zu bewerben, weil nicht ersichtlich ist, dass der Klägerin vor Bekanntgabe des EGVA Vermittlungsvorschläge übermittelt worden sind. Hinreichend bestimmt geregelt ist die Wirksamkeit auch. Denn der EGVA gilt grundsätzlich sechs Monate, es sei denn, es wird anderes geregelt oder die Hilfebedürftigkeit der Klägerin entfällt.
Auch im Übrigen ist der EGVA rechtmäßig. Ersetzt das Jobcenter eine EGV durch Verwaltungsakt, sind die ersetzenden Regelungen im Rahmen pflichtgemäßem Ermessens nach denselben Maßstäben zu einem angemessenen Ausgleich zu bringen, wie sie für die konsensuale EGV gelten (vgl. zu Folgendem BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 42/15 R – juris).
Ob und mit welchen Inhalten eine EGV durch Verwaltungsakt ersetzt wird, hat das Jobcenter gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Entsprechend § 39 Abs. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch ist daher die Ersetzungsentscheidung an den Zwecken auszurichten, die nach dem Regelungskonzept des SGB II mit der zu ersetzenden EGV verfolgt werden, und es sind die Grenzen einzuhalten, die auch bei einer vertraglichen Verständigung über die Inhalte der EGV zu wahren sind. Auch die Regelungen eines EGVA müssen danach zunächst den Anforderungen genügen, die je für sich aus den möglichen Inhalten nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II abzuleiten sind. Zu beachten sind zudem weiter die Maßgaben, die aus der Vertragsform der zu ersetzenden EGV resultieren. Als öffentlich-rechtlicher Vertrag unterliegt der Abschluss einer EGV den Anforderungen des § 55 Abs. 1 Satz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X). Muss danach die Gegenleistung, zu der sich der Vertragspartner der Behörde verpflichtet, "den gesamten Umständen nach angemessen sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen", so gilt nichts anderes, wenn das Jobcenter "die Regelungen" (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II) durch Verwaltungsakt zu ersetzen hat; auch in dieser Handlungsform wahrt die verbindliche und gegebenenfalls die Sanktionsfolgen nach §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II auslösende Konkretisierung der Eigenbemühungen der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten den durch § 55 Abs. 1 Satz 2 SGB X vorgegebenen Rahmen nur, wenn ihr eine im Sinne der Vorschrift den Umständen nach angemessene Bestimmung der "vertraglichen Leistung der Behörde", also: der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, gegenübersteht.
Nichts anderes folgt aus dem bei der Ersetzungsentscheidung nach pflichtgemäßem Ermessen zu beachtenden Sinn und Zweck von § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II selbst. Der Gesetzgeber misst der wechselbezüglichen Konkretisierung von Pflichten und Obliegenheiten im Rahmen von EGV eine herausgehobene Bedeutung für die Eingliederung in Arbeit bei (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 43). Getragen von der Erwartung, dass bei personalintensiverer Betreuung und individuellen Eingliederungskonzepten insbesondere Langzeitarbeitslosigkeit besser abgebaut werden könne, soll das einem Fallmanagement dienen, das unter aktiver Mitarbeit des Leistungsberechtigten aufbauend auf einer Erhebung seiner konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" planen und steuern soll (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 44). Demgemäß soll die EGV in Konkretisierung des Sozialrechtsverhältnisses zwischen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und AA sicherstellen, dass einerseits die AA Angebote unterbreitet, die den individuellen Bedürfnissen des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, den Anforderungen des Arbeitsmarktes und den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechen, und zugleich soll mit jedem Leistungsberechtigten vereinbart werden, welche Anstrengungen von ihm selbst im Rahmen des Eingliederungsprozesses erwartet werden (vgl. BT-Drucks. 15/1516, Seite 46). Diesem Zweck würde es nicht genügen, würde das Jobcenter nicht auch bei Ersetzungsentscheidungen nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II eine der individuellen Bedarfslage des erwerbsfähigen Leistungsbeziehers gerecht werdende Konkretisierung der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit vornehmen.
EGVA nach dem SGB II dürfen sich nach Einschätzung des BSG auch in Bezug auf das Sanktionsregime der §§ 31a, 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II nicht auf die Bestimmung der von den Leistungsberechtigten erwarteten Eigenbemühungen beschränken, sondern sie haben zur Meidung eines Formenmissbrauchs jeweils ebenso situationsangepasste Eingliederungszusagen vorzusehen. Gestützt wird das schließlich auch durch die Weiterentwicklung, die § 15 SGB II nach dem Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl. I Seite 1824) erfahren hat. Denn auch daraus ergibt sich, dass die EGV nach der Konzeption des SGB II als das maßgebliche Werkzeug zur Planung und Gestaltung des Eingliederungsprozesses und zur Festlegung gegenseitiger Rechte und Pflichten anzusehen und dabei an den jeweiligen individuellen Umständen auszurichten ist (vgl. BT-Drucks. 18/8041, Seite 37), was auch bei Ersetzungsentscheidungen durch Verwaltungsakt entsprechend zu berücksichtigen ist.
Hieran gemessen ist der streitige EGVA rechtmäßig. Dabei ist allgemein anzumerken, dass der Entwurf der EGV vom 28. Juli 2015, der dem hier streitigen EGVA zugrunde liegt, eingehend mit der Klägerin besprochen worden ist. Die Klägerin hat nach dem Gespräch die Möglichkeit erhalten, schriftliche Einwände zu erheben und diese Möglichkeit wahrgenommen. Der Beklagte hat diese Einwände abgewogen und sie teilweise auch im EGVA umgesetzt. Diese Vorgehensweise stellt vorliegend ein Fallmanagement dar, nach dem unter aktiver Mitarbeit der Klägerin aufbauend auf einer Erhebung ihrer konkreten Bedarfslage ein individuelles Angebot mit einer "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen" geplant worden ist. Dass nicht alle Einwände der Klägerin berücksichtigt worden sind und – da diese vor allem grundsätzlicher Natur sind und sich gegen die Möglichkeit von EGVA (und darauf gestützter Sanktionen) überhaupt richten – berücksichtigt werden konnten, steht dem nicht entgegen. Im Einzelnen gilt Folgendes:
Keinen Bedenken begegnet das an die Klägerin gerichtete Verlangen, mindestens acht Bewerbungen im Turnus von 30 Kalendertagen – beginnend ab Zustellung des EGVA – auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse zu unternehmen, hierüber Nachweis zu führen und die Nachweisliste zu jedem Meldetermin vorzulegen oder, soweit ein Meldetermin nicht wahrgenommen werden kann, die Nachweisliste postalisch oder per E-Mail einzureichen. Aufforderungen dieser Art sind an dem Zumutbarkeitsmaßstab von § 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II und § 10 SGB II zu messen. Hiernach müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihre Arbeitskraft zur Beschaffung des Lebensunterhalts für sich und die mit ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen einsetzen (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB II), soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände des § 10 Abs. 1 SGB II vorliegt. Jedoch entzieht sich auch das einer schematischen, die Umstände des Einzelfalls außer Betracht lassenden Bewertung. So darf in einem EGVA nicht an Zielen starr festgehalten werden, die sich als erfolglos erwiesen haben, und ist beispielsweise zu berücksichtigen, dass die Chancen, eine Arbeitsstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erlangen, bei erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, die die Voraussetzungen des § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, deutlich herabgesetzt sind. Auch ist die Arbeitsmarktlage in der konkreten Bewerbersituation zu berücksichtigen. Insgesamt ist nach der aufgezeigten Regelungsintention des Gesetzgebers jeweils im Einzelfall zu beurteilen, welche Eigenbemühungen von dem Arbeitsuchenden mit Blick auf die individuellen Fähigkeiten und gesundheitliche Situation einerseits und die Arbeitsmarktlage andererseits zumutbar verlangt werden können. Dem werden die von der Klägerin abverlangten Bewerbungsbemühungen hier gerecht. Die Klägerin ist durchaus hoch qualifiziert. Gleichwohl ist es zu einer Arbeitsaufnahme mindestens seit Beginn des Alg II-Bezuges im Oktober 2012 nicht gekommen, obwohl es hierfür auch angesichts des Lebensalters der Klägerin – sie war zum Zeitpunkt des Erlasses des EGVA immerhin 36 Jahre alt – an der Zeit war (und ist). Auch die beiden vom Beklagten finanzierten Weiterbildungsmaßnahmen im IT-Bereich haben zu keiner Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geführt. Gleiches gilt für die von der Klägerin anlässlich ihrer persönlichen Vorsprache bei dem Beklagten am 12. August 2015 vorgetragenen Bewerbungsbemühungen (Bewerbungen "nicht viele", "private Forenarbeit"), die ungeachtet ihrer generellen Eignung jedenfalls im Ergebnis ebenfalls keinen Erfolg gehabt haben. Da sich die Klägerin danach wohl nur im IT-Bereich beworben hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte von der Klägerin nunmehr Bewerbungen auf sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt – unter Einschluss von befristeten Beschäftigungsverhältnissen und solchen bei Zeitarbeitsfirmen – verlangt hat, zumal gesundheitliche Einschränkungen der Klägerin nicht ersichtlich sind. Die im Rahmen des Verhandlungsprozesses zwischen Klägerin und Beklagtem reduzierte Anzahl abverlangter Bewerbungen – acht statt zehn pro 30 Kalendertage – begegnet ebenfalls keinen Bedenken. Dass rund zwei Bewerbungen pro Woche nicht zu viel verlangt sind, bedarf keiner näheren Erörterung (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 – B 7a AL 18/05 R – juris: "Die Aufforderung der Bekl. an die Kl., sich pro Woche zwei Mal schriftlich zu bewerben, ist jedoch unter keinem denkbaren Aspekt unzumutbar.").
Unzumutbar sind die acht Bewerbungsbemühungen je 30 Kalendertage auch nicht in Verbindung mit der ebenfalls im EGVA geregelten und ihrerseits für sich genommen auch keinen Bedenken begegnenden Obliegenheit, sich umgehend, spätestens drei Tage nach Erhalt des Stellenangebotes, auf Vermittlungsvorschläge, die die Klägerin von der Agentur für Arbeit und dem Träger der Grundsicherung erhält, zu bewerben, und Rückmeldung über das Ergebnis der Bewerbung zu geben. Auch ausweislich eines Aktenvermerks vom 27. August 2015 werden bei den acht abverlangten Bewerbungen auch solche berücksichtigt, die auf der Übermittlung von Vermittlungsvorschlägen durch die Agentur für Arbeit oder den Beklagten beruhen. Eine Überforderung der Klägerin durch eine zu hohe Anzahl verlangter Bewerbungen ist deshalb praktisch ausgeschlossen.
Der EGVA sieht auch eine ausreichende Regelung zu individuellen, konkreten und verbindlichen Unterstützungsleistungen für die in ihr bestimmten individuellen, konkreten und verbindlichen Bewerbungsbemühungen der Klägerin vor und zwar insbesondere zur Übernahme von Bewerbungskosten (vgl. hierzu und zum Folgenden BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 30/15 R – juris). Für eine EGV hat das BSG entschieden, die Vereinbarung von Eigenbemühungen, insbesondere von individuell bestimmten und sanktionsbewehrten Bewerbungsbemühungen, sei nur angemessen, wenn deren Unterstützung durch Leistungen des Jobcenters, insbesondere durch die Übernahme von Bewerbungskosten, in der EGV konkret und verbindlich bestimmt sei. Eine solche verbindliche Regelung enthält der hier streitige EGVA. Denn außer der allgemein gehaltenen Formulierung, wonach der Beklagte die Klägerin bei der Anbahnung oder Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung mithilfe des Vermittlungsbudgets gem. § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 44 SGB III unterstütze, enthält der EGVA auch konkrete Zusagen zur Übernahme von Bewerbungskosten, denn es ist konkret geregelt die Übernahme von Kosten für schriftliche Bewerbungen – mit Ausnahme von Onlinebewerbungen und Bewerbungen per E-Mail und Kosten für Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen – in Höhe von pauschal 5,- Euro je Bewerbung. Dass die Kostenübernahme vorliegend an gewisse inhaltliche und formelle Voraussetzungen geknüpft ist, begegnet keinen Bedenken. Angaben zu Motivation und Eignung sind in einem Bewerbungsschreiben ebenso selbstverständlich wie deren Korrektheit in Form und Inhalt. Dass – da aus dem Anschreiben der Bezug zur Stellenausschreibung hervorgehen muss – nur Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen gefördert werden, ist ermessensfehlerfrei, weil dem die Annahme zugrunde liegt, dass Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen eher erfolgreich sein können als auf nicht ausgeschriebene Stellen. Gleiches gilt für den pauschalen Betrag von 5,- Euro je Bewerbung und den Ausschluss der Erstattung in den näher geregelten Fällen. Denn es spricht nichts dafür, dass 5,- Euro je Bewerbung die tatsächlich angefallenen Kosten nicht regelmäßig decken. Entsprechend durfte der Beklagte annehmen, dass für Bewerbungen über Internet und E-Mail deutlich geringere bis keine Kosten anfallen (vgl. auch Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 21. Juli 2016 – L 4 AS 490/15 – juris). Auch der Ausschluss von Bewerbungen auf Minijobs und öffentlich geförderte Beschäftigungen ist ermessensfehlerfrei, weil dies dem in dem EGVA geregelten vorrangigen Integrationsziel – Integration in den 1. Arbeitsmarkt – am ehesten entspricht.
Keinen rechtlichen Bedenken begegnet es, dass sich der Beklagte verpflichtet hat, intern ein anonymisiertes Bewerberprofil der Klägerin zu veröffentlichen. Insoweit ist der Beklagte nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 35 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) sogar verpflichtet, die Vermittlung auch über die Selbstinformationseinrichtungen nach § 40 Abs. 2 SGB III im Internet durchzuführen. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 SGB III sind bei der Beratung, Vermittlung und Berufsorientierung Selbstinformationseinrichtungen einzusetzen. Datenschutzrechtliche Bedenken hat der Senat nicht. Soweit es für diesen Zweck erforderlich ist, darf nämlich der Beklagte nach § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II i. V. m. § 35 Abs. 3 Satz 2 SGB III die Daten aus den Selbstinformationseinrichtungen nutzen und übermitteln. Im Übrigen regelt § 40 Abs. 3 Satz 1 SGB III, dass die AA in die Selbstinformationseinrichtungen Daten über Ausbildungsuchende, Arbeitsuchende und Arbeitgeber nur aufnehmen darf, soweit sie für die Vermittlung erforderlich sind und von Dritten keiner bestimmten oder bestimmbaren Person zugeordnet werden können. Dem wird die interne Veröffentlichung eines anonymisierten Bewerberprofils gerecht, weil auch ausweislich des Anschreibens des Beklagten an die Klägerin vom 27. August 2015 ein Zugriff auf die Daten der Klägerin im Internet nicht möglich ist und Daten der Klägerin an Dritte nicht weitergegeben werden.
Ermessensfehlerfrei ist auch die Unterstützung von Bewerbungsaktivitäten durch die Übernahme von angemessenen und nachgewiesenen Fahrtkosten zu Vorstellungsgesprächen sowie von unvermeidbaren Übernachtungskosten für Unterkunft inkl. Frühstück bis zu einem Höchstbetrag von 50,- Euro pro Nacht. Entsprechendes gilt für die Förderung von Praktikum oder Probearbeit für die Dauer von maximal sechs Wochen.
Mit Blick gerade auch auf die beiden letztgenannten Unterstützungsleistungen enthielt der EGVA auch über die Rechtsansprüche zur Erstattung von Bewerbungskosten und die Zusage, bei geeigneten Stellenangeboten Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten, hinaus konkrete Leistungen zur Eingliederung in Arbeit im Sinne der angestrebten "maßgeschneiderten Ausrichtung der Eingliederungsleistungen". Soll auf Eingliederungsangebote nach § 15 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II, die auf die individuelle Situation zugeschnitten sind, verzichtet werden, setzt das gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II die Ausübung pflichtgemäßem Ermessens voraus (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 42/15 R – juris). Unzulässig ist es danach, wenn sich die Regelung von der Bezeichnung ohnehin bestehender gesetzlicher Ansprüche abgesehen in der Konkretisierung von Eigenbemühungen des Klägers erschöpfen und damit im Ergebnis auf eine Anknüpfungsgrundlage für mögliche Sanktionsentscheidungen reduziert worden sind. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil – wie dargelegt – im hier streitigen EGVA außer der Erstattung von Vermittlungsvorschlägen und der Erstattung von Bewerbungskosten auch Regelungen zur Erstattung von Kosten zu Vorstellungsgesprächen – Fahrt- und gegebenenfalls Übernachtungskosten – sowie die Förderung von Praktika und Probearbeitsverhältnissen vorgesehen sind. Dies ist hier ermessensfehlerfrei, zumal der Beklagte die individuellen Verhältnisse der Klägerin berücksichtigt hat (daher auch Wegfall von Regelung zur Erstattung von Fahrtkosten mit dem eigenen Kraftfahrzeug im EGVA auf den Hinweis der Klägerin, sie habe keinen Führerschein).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Denn welche Klageart statthaft ist – Anfechtungs- oder Fortsetzungsfeststellungsklage –, ist für die vorliegende Fallkonstellation ebenso wenig geklärt wie die Frage, in welchem Verhältnis Rechtsbehelfsverfahren gegen einen EGVA einerseits und einen darauf gestützten Bescheid über die Feststellung eines Verstoßes gegen den EGVA und eine Minderung des Alg II-Anspruchs andererseits zueinander stehen.
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