Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 894/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Löst ein Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe berufen, wenn er im Anschluss an die Altersteilzeit nahtlos in den Ruhestand wechseln will und dies prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Unerheblich ist, ob der Arbeitnehmer später entsprechend seiner ursprünglichen Absicht tatsächlich Altersrente beantragt oder ob er seine Pläne für den Ruhestand ändert, z.B. wegen einer neuen Rechtslage (entgegen LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16).
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Sperrzeitbescheids vom 27.2.2017 sowie Änderung des Bewilligungsbescheids vom 27.2.2017, jeweils in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 9.3.2017, verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.2. – 25.4.2017 zu zahlen. 2. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der Kläger wurde am xx.1.1954 geboren. Seit dem xx.xx.1986 war er bei der S. AG beschäftigt. Im Februar 2011 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag. Darin vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im Blockmodell mit einer "Arbeitsphase" vom 1.6.2011 – 31.3.2014 und einer "Freistellungsphase" ab dem 1.4.2014. Am 31.1.2017 sollte das Arbeitsverhältnis enden. Laut § 1 Abs. 2 des Vertrags gingen die Vertragsparteien davon aus, dass der Kläger ab dem Folgetag eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird.
Am 1.12.2016 meldete sich der Kläger indes arbeitslos. Auf die Frage der Beklagten, warum er den Altersteilzeitvertrag geschlossen habe, gab er an, wegen eines Bandscheibenvorfalls habe ihm die S. AG Altersteilzeit angeboten. Dieses Angebot habe er aus gesundheitlichen Gründen angenommen.
Mit Bescheid vom 27.2.2017 stellte die Beklagte fest, in der Zeit vom 1.2. – 25.4.2017 sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos wird.
Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 35,03 EUR pro Tag für die Zeit vom 26.4.2017 – 25.10.2018, also erst im Anschluss an die festgestellte Sperrzeit.
Hiergegen legte der Kläger am 4.3.2017 Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe am 11.6.2010 einen Bandscheibenvorfall erlitten. Seither habe er bei der körperlich schweren Arbeit am Fließband im Montagewerk T. permanent Schmerzen gehabt und deshalb Schmerzmittel einnehmen müssen. Gerne hätte er seine Berufstätigkeit weiterhin verrichtet; dies sei aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Schweren Herzens habe er daher das Angebot der Arbeitgeberin auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages angenommen. Zum damaligen Zeitpunkt habe er nicht ahnen können, dass er nach Ende der Altersteilzeit arbeitslos wird. Im Übrigen sei es aufgrund einer Gesetzesänderung im Juli 2014 nun möglich, mit "63 Jahren" abschlagsfrei in Rente zu gehen, wenn man über 45 Beitragsjahre verfügt. Letzteres treffe auf ihn zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.3.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 habe für den Kläger keine konkrete Aussicht auf eine Beschäftigung unmittelbar im Anschluss an die Altersteilzeit bestanden. Er habe also die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses habe der Kläger nicht nachgewiesen. Sie sei nicht davon überzeugt, dass er gesundheitlich außerstande gewesen wäre, seine Tätigkeit bei der S. AG weiterhin auszuüben – trotz des Bandscheibenvorfalls im Sommer 2010. Immerhin habe er noch bis zum 31.12.2013 ohne nennenswerte Arbeitsunfähigkeitszeiten weiter gearbeitet. Im Übrigen habe der Gesetzgeber mit der Altersteilzeit einen nahtlosen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen wollen – ohne einen Zwischenschritt über die Arbeitslosigkeit. Angesichts dessen fehle es an einem wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe, wenn sich der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos meldet, anstatt planmäßig Altersrente, ggf. mit Abschlägen, zu beantragen. Zu Recht habe sie daher den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Es liege auch keine besondere Härte vor, die eine Verkürzung der Sperrzeit rechtfertigen könnte. Denn es gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko, dass sich durch eine nachträgliche Rechtsänderung (hier: im Rentenversicherungsrecht) eine günstigere Gestaltungsmöglichkeit ergibt.
Hiergegen hat der Kläger am 17.3.2017 Klage erhoben.
Nach Klageerhebung, mit Bescheid vom 8.5.2017, hat die DRV Baden-Württemberg dem Kläger Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.6.2017 bewilligt.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger ergänzend vor, entgegen der Behauptung der Beklagten habe er die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Vielmehr habe er bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags noch geplant, nahtlos in Altersrente zu gehen, und zwar mit einem Abschlag auf die Rente in Höhe von 9,3 %. Durch die Gesetzesänderung im Jahr 2014 habe sich dann für ihn eine völlig neue Situation ergeben, nämlich die Möglichkeit eine abschlagsfreie Rente zu beziehen – allerdings erst ab dem 1.6.2017. An der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31.1.2017 habe er nichts mehr ändern können. Er habe sich daher arbeitslos gemeldet, um die Lücke vom 1.2. – 31.5.2017 zu überbrücken.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheids vom 27.2.2017 sowie Änderung des Bewilligungsbescheids vom 27.2.2017, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.3.2017, zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.2. – 25.4.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat eine Auskunft der DRV (vom 18.5.2017) eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1) Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.2. – 25.4.2017. Zu Unrecht hat die Beklagte für diesen Zeitraum den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (§ 159 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB III).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt: Zwar hat der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst (dazu a); fraglich erscheint aber, ob dies vorsätzlich oder grob fahrlässig geschah (dazu b). Jedenfalls hatte der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund (dazu c).
a) Für eine Sperrzeit relevant ist nur ein Verhalten, bei dem der Arbeitnehmer an der Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses aktiv durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung mitgewirkt hat. Verhält er sich hingegen rein passiv, tritt keine Sperrzeit ein (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16, Rdnr. 43 – nach Juris; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Aufl., § 159 Rdnr. 37; Scholz in: NK-SGB III, 6. Aufl., § 159 Rdnr. 19).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 sein vormals unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit der S. AG zum 31.1.2017 gelöst. Diese Vereinbarung war auch ursächlich für die Arbeitslosigkeit ab dem 1.2.2017.
Kein Anknüpfungspunkt für eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist hingegen der Umstand, dass der Kläger es unterlassen hat, sich nach Änderung des Rentenrechts zum 1.7.2014 während der "Freistellungsphase" seiner Altersteilzeit um eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses zu bemühen. Denn zum einen blieb der Kläger insoweit rein passiv. Zum anderen war das Beschäftigungsverhältnis bereits durch Abschluss des Altersteilzeitvertrags gelöst; ein nochmaliges "Lösen" eines bereits gelösten Beschäftigungsverhältnisses ist nicht möglich.
Ebenso wenig hat der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit der S. AG dadurch gelöst, dass er Rente erst zum 1.6.2017 beantragt hat (und nicht schon zum 1.2.2017). Auch dieser Vorgang war nicht geeignet, das bereits aufgelöste Beschäftigungsverhältnis ein weiteres Mal zu beenden. Ohnehin betraf der Rentenantrag nicht das Verhältnis zur Arbeitgeberin, sondern nur zum Rentenversicherungsträger. Vor diesem Hintergrund vermag die Ansicht des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg nicht zu überzeugen, der in einer ähnlichen Konstellation das Unterlassen eines frühzeitigen Rentenantrags als versicherungswidriges Verhalten gewertet hat (a.a.O., Rdnr. 31 und 36 – nach Juris).
b) Fraglich erscheint, ob der Kläger bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Ein Arbeitnehmer handelt nicht schuldhaft, wenn er bei Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses eine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte. Dem steht es möglicherweise gleich, wenn der Arbeitnehmer von einem nahtlosen Übergang in den Ruhestand ausgehen durfte (so Karmanski, a.a.O., Rdnr. 27). Ob in einer solchen Konstellation das Verschulden entfällt, braucht die Kammer indes nicht zu entscheiden; denn jedenfalls liegt dann ein wichtiger Grund vor, der einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe entgegensteht (dazu im Folgenden).
c) Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Es kommt darauf an, ob dem Arbeitnehmer bei Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden konnte. Löst der Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund berufen – allerdings nur, wenn er nach der Altersteilzeit nahtlos, ohne "Umweg" über den Bezug von Arbeitslosengeld, in den Ruhestand wechseln will und dies auch prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Mit der Einführung der Altersteilzeit wollte der Gesetzgeber einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Macht ein Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags Gebrauch, ist ihm sein Verhalten nicht vorzuwerfen (BSGE 104, 90 Rdnr. 12 – 14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.2.2014, L 13 AL 283/12, Rdnr. 28 – nach Juris).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Anschluss an die Altersteilzeit seine ursprüngliche Absicht auch umsetzt und tatsächlich nahtlos Altersrente beantragt. Denn für die Prüfung des wichtigen Grundes sind ausschließlich die Verhältnisse bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich, also bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags (BSG, a.a.O., Rdnr. 12). Weder kann ein zu diesem Zeitpunkt bestehender wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe nachträglich entfallen noch lässt sich umgekehrt die Arbeitsaufgabe durch einen erst später eintretenden Umstand rückwirkend rechtfertigen (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, § 159 Rdnr. 178 und 183). Das Verhalten des Arbeitnehmers nach Abschluss des Altersteilzeitvertrags ist allenfalls insoweit von Interesse, als es einen Rückschluss auf seine Motivation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt – mithin für die Beweiswürdigung. Nicht zu folgen vermag die Kammer daher der Ansicht des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg, ein bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags vorliegender wichtiger Grund müsse bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses bestehen bleiben (Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16, Rdnr. 38 – nach Juris). Bezugspunkt des wichtigen Grundes ist allein das versicherungswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers (vgl. § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III: "sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben"). Als versicherungswidriges Verhalten des Klägers kommt hier ausschließlich eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Abschluss des Altersteilzeitvertrages in Betracht (siehe a). Dabei handelt es sich um kein dauerhaftes Verhalten, sondern um einen punktuellen Vorgang. Spiegelbildlich braucht daher auch der wichtige Grund nur zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen zu haben.
Der Kläger hat sinngemäß vorgetragen, er habe den Altersteilzeitvertrag geschlossen, weil er davon ausgegangen sei, wegen seiner Rückenschmerzen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten zu können. Bei Abschluss des Vertrags im Februar 2011 habe er noch beabsichtigt, nahtlos nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31.1.2017 im Alter von dann 63 Jahren in Rente zu gehen. Dies erscheint der Kammer glaubhaft: In § 1 Abs. 2 des Altersteilzeitvertrags hatten die Vertragsparteien ausdrücklich festgehalten, sie gingen davon aus, dass der Kläger ab dem Folgetag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.1.2017 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird. Hierbei handelte es sich offensichtlich nicht nur um eine Behauptung "auf dem Papier". Denn die Vertragsparteien hatten die Laufzeit des Vertrags tatsächlich so gestaltet, dass die Altersteilzeit mit Ablauf desjenigen Monats endet, in dem der Kläger 63 Jahre alt wird (am xx.1.2017).
Aufgrund der Rechtslage bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 durfte der Kläger auch davon auszugehen, dass er ab dem 1.2.2017 nahtlos Altersrente beziehen kann; seine damalige Absicht stand also im Einklang mit dem objektiven Rentenrecht: Gemäß § 36 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes vom 20.4.2007, BGBl. I Seite 554) konnten Versicherte seinerzeit eine Altersrente für langjährig Versicherte vor Vollendung des 67. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn sie (1.) das 63. Lebensjahr vollendet und (2.) die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Diese Voraussetzungen hätten beim Kläger zum 1.2.2017 vorgelegen (so die Auskunft der DRV Baden-Württemberg). Allerdings hätte der Kläger für die vorzeitige Inanspruchnahme einen Abschlag in Höhe von 9,6 % in Kauf nehmen müssen (vgl. § 235 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) SGB VI).
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass der Kläger dann erst am 14.3.2017 Altersrente zum 1.6.2017 beantragt hat. Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, der Kläger habe schon bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags beabsichtigt, erst zum 1.6.2017 in Rente zu gehen, also erst vier Monate nach dem Ende seiner Beschäftigung bei der S. AG. Der Kläger hat vorgetragen, er habe seine ursprüngliche Absicht nachträglich geändert – und zwar im Hinblick auf die neue rentenrechtliche Lage, die so bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags noch nicht bestanden habe. Dieser Vortrag erscheint der Kammer plausibel: Zwar hätte der Kläger nach geltendem Recht weiterhin zum 1.2.2017 vorzeitig Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen können (§ 236 Abs. 1 SGB VI), nach wie vor mit einem Abschlag von 9,6 % (§ 236 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) SGB VI). Seit dem 1.7.2014 besteht aber für Versicherte des Jahrgangs 1954 – also auch für den Kläger – darüber hinaus die Möglichkeit, ab einem Alter von 63 Jahren und 4 Monaten Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu beziehen – und zwar ohne Abschlag (§ 236b Abs. 1 und 2 S. 2 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 23.6.2014, BGBl. I Seite 787). Angesichts dieser wirtschaftlich klar vorteilhaften Möglichkeit vermag die Kammer nachzuvollziehen, dass der Kläger seinen ursprünglichen Plan geändert hat und nun erst vier Monate später Altersrente beantragen wollte. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 gab es die Altersrente für besonders langjährig Versicherte (ohne Abschlag) noch nicht. Vor diesem Hintergrund spricht das Verhalten des Klägers für einen nachträglichen Sinneswandel. Wie ausgeführt, hat indes eine nachträgliche Änderung der Sachlage keinen Einfluss mehr auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe.
Der Kläger wurde am xx.1.1954 geboren. Seit dem xx.xx.1986 war er bei der S. AG beschäftigt. Im Februar 2011 schloss der Kläger mit seiner Arbeitgeberin einen Altersteilzeitvertrag. Darin vereinbarten die Parteien Altersteilzeit im Blockmodell mit einer "Arbeitsphase" vom 1.6.2011 – 31.3.2014 und einer "Freistellungsphase" ab dem 1.4.2014. Am 31.1.2017 sollte das Arbeitsverhältnis enden. Laut § 1 Abs. 2 des Vertrags gingen die Vertragsparteien davon aus, dass der Kläger ab dem Folgetag eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird.
Am 1.12.2016 meldete sich der Kläger indes arbeitslos. Auf die Frage der Beklagten, warum er den Altersteilzeitvertrag geschlossen habe, gab er an, wegen eines Bandscheibenvorfalls habe ihm die S. AG Altersteilzeit angeboten. Dieses Angebot habe er aus gesundheitlichen Gründen angenommen.
Mit Bescheid vom 27.2.2017 stellte die Beklagte fest, in der Zeit vom 1.2. – 25.4.2017 sei eine zwölfwöchige Sperrzeit eingetreten; während dieser Zeit ruhe der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld. Zur Begründung gab sie an, der Kläger habe sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Aufhebungsvertrags gelöst. Er habe voraussehen müssen, dass er dadurch arbeitslos wird.
Mit einem weiteren Bescheid vom selben Tag bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld in Höhe von 35,03 EUR pro Tag für die Zeit vom 26.4.2017 – 25.10.2018, also erst im Anschluss an die festgestellte Sperrzeit.
Hiergegen legte der Kläger am 4.3.2017 Widerspruch ein. Er machte geltend, er habe am 11.6.2010 einen Bandscheibenvorfall erlitten. Seither habe er bei der körperlich schweren Arbeit am Fließband im Montagewerk T. permanent Schmerzen gehabt und deshalb Schmerzmittel einnehmen müssen. Gerne hätte er seine Berufstätigkeit weiterhin verrichtet; dies sei aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen. Schweren Herzens habe er daher das Angebot der Arbeitgeberin auf Abschluss eines Altersteilzeitvertrages angenommen. Zum damaligen Zeitpunkt habe er nicht ahnen können, dass er nach Ende der Altersteilzeit arbeitslos wird. Im Übrigen sei es aufgrund einer Gesetzesänderung im Juli 2014 nun möglich, mit "63 Jahren" abschlagsfrei in Rente zu gehen, wenn man über 45 Beitragsjahre verfügt. Letzteres treffe auf ihn zu.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.3.2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 habe für den Kläger keine konkrete Aussicht auf eine Beschäftigung unmittelbar im Anschluss an die Altersteilzeit bestanden. Er habe also die Arbeitslosigkeit zumindest grob fahrlässig herbeigeführt. Einen wichtigen Grund für die Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses habe der Kläger nicht nachgewiesen. Sie sei nicht davon überzeugt, dass er gesundheitlich außerstande gewesen wäre, seine Tätigkeit bei der S. AG weiterhin auszuüben – trotz des Bandscheibenvorfalls im Sommer 2010. Immerhin habe er noch bis zum 31.12.2013 ohne nennenswerte Arbeitsunfähigkeitszeiten weiter gearbeitet. Im Übrigen habe der Gesetzgeber mit der Altersteilzeit einen nahtlosen Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen wollen – ohne einen Zwischenschritt über die Arbeitslosigkeit. Angesichts dessen fehle es an einem wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe, wenn sich der Arbeitnehmer nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses arbeitslos meldet, anstatt planmäßig Altersrente, ggf. mit Abschlägen, zu beantragen. Zu Recht habe sie daher den Eintritt einer zwölfwöchigen Sperrzeit festgestellt. Es liege auch keine besondere Härte vor, die eine Verkürzung der Sperrzeit rechtfertigen könnte. Denn es gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko, dass sich durch eine nachträgliche Rechtsänderung (hier: im Rentenversicherungsrecht) eine günstigere Gestaltungsmöglichkeit ergibt.
Hiergegen hat der Kläger am 17.3.2017 Klage erhoben.
Nach Klageerhebung, mit Bescheid vom 8.5.2017, hat die DRV Baden-Württemberg dem Kläger Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab dem 1.6.2017 bewilligt.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger ergänzend vor, entgegen der Behauptung der Beklagten habe er die Arbeitslosigkeit nicht grob fahrlässig herbeigeführt. Vielmehr habe er bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags noch geplant, nahtlos in Altersrente zu gehen, und zwar mit einem Abschlag auf die Rente in Höhe von 9,3 %. Durch die Gesetzesänderung im Jahr 2014 habe sich dann für ihn eine völlig neue Situation ergeben, nämlich die Möglichkeit eine abschlagsfreie Rente zu beziehen – allerdings erst ab dem 1.6.2017. An der Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 31.1.2017 habe er nichts mehr ändern können. Er habe sich daher arbeitslos gemeldet, um die Lücke vom 1.2. – 31.5.2017 zu überbrücken.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Sperrzeitbescheids vom 27.2.2017 sowie Änderung des Bewilligungsbescheids vom 27.2.2017, jeweils in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9.3.2017, zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.2. – 25.4.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist zur Begründung auf ihren Widerspruchsbescheid.
Das Gericht hat eine Auskunft der DRV (vom 18.5.2017) eingeholt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
1) Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Arbeitslosengeld auch für die Zeit vom 1.2. – 25.4.2017. Zu Unrecht hat die Beklagte für diesen Zeitraum den Eintritt einer Sperrzeit festgestellt.
Hat der Arbeitnehmer sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben, ruht der Anspruch für die Dauer einer Sperrzeit. Versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat (§ 159 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1 SGB III).
Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt: Zwar hat der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis gelöst (dazu a); fraglich erscheint aber, ob dies vorsätzlich oder grob fahrlässig geschah (dazu b). Jedenfalls hatte der Kläger für sein Verhalten einen wichtigen Grund (dazu c).
a) Für eine Sperrzeit relevant ist nur ein Verhalten, bei dem der Arbeitnehmer an der Auflösung seines Beschäftigungsverhältnisses aktiv durch eine rechtsgeschäftliche Erklärung mitgewirkt hat. Verhält er sich hingegen rein passiv, tritt keine Sperrzeit ein (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16, Rdnr. 43 – nach Juris; Karmanski in: Brand, SGB III, 7. Aufl., § 159 Rdnr. 37; Scholz in: NK-SGB III, 6. Aufl., § 159 Rdnr. 19).
Im vorliegenden Fall hat der Kläger durch den Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 sein vormals unbefristetes Beschäftigungsverhältnis mit der S. AG zum 31.1.2017 gelöst. Diese Vereinbarung war auch ursächlich für die Arbeitslosigkeit ab dem 1.2.2017.
Kein Anknüpfungspunkt für eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe ist hingegen der Umstand, dass der Kläger es unterlassen hat, sich nach Änderung des Rentenrechts zum 1.7.2014 während der "Freistellungsphase" seiner Altersteilzeit um eine Verlängerung seines Arbeitsverhältnisses zu bemühen. Denn zum einen blieb der Kläger insoweit rein passiv. Zum anderen war das Beschäftigungsverhältnis bereits durch Abschluss des Altersteilzeitvertrags gelöst; ein nochmaliges "Lösen" eines bereits gelösten Beschäftigungsverhältnisses ist nicht möglich.
Ebenso wenig hat der Kläger sein Beschäftigungsverhältnis mit der S. AG dadurch gelöst, dass er Rente erst zum 1.6.2017 beantragt hat (und nicht schon zum 1.2.2017). Auch dieser Vorgang war nicht geeignet, das bereits aufgelöste Beschäftigungsverhältnis ein weiteres Mal zu beenden. Ohnehin betraf der Rentenantrag nicht das Verhältnis zur Arbeitgeberin, sondern nur zum Rentenversicherungsträger. Vor diesem Hintergrund vermag die Ansicht des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg nicht zu überzeugen, der in einer ähnlichen Konstellation das Unterlassen eines frühzeitigen Rentenantrags als versicherungswidriges Verhalten gewertet hat (a.a.O., Rdnr. 31 und 36 – nach Juris).
b) Fraglich erscheint, ob der Kläger bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt hat. Ein Arbeitnehmer handelt nicht schuldhaft, wenn er bei Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses eine konkrete Aussicht auf einen Anschlussarbeitsplatz hatte. Dem steht es möglicherweise gleich, wenn der Arbeitnehmer von einem nahtlosen Übergang in den Ruhestand ausgehen durfte (so Karmanski, a.a.O., Rdnr. 27). Ob in einer solchen Konstellation das Verschulden entfällt, braucht die Kammer indes nicht zu entscheiden; denn jedenfalls liegt dann ein wichtiger Grund vor, der einer Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe entgegensteht (dazu im Folgenden).
c) Ob ein wichtiger Grund vorliegt, ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Es kommt darauf an, ob dem Arbeitnehmer bei Abwägung seiner Interessen mit den Interessen der Versichertengemeinschaft ein anderes Verhalten zugemutet werden konnte. Löst der Arbeitnehmer sein Beschäftigungsverhältnis durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags, so kann er sich auf einen wichtigen Grund berufen – allerdings nur, wenn er nach der Altersteilzeit nahtlos, ohne "Umweg" über den Bezug von Arbeitslosengeld, in den Ruhestand wechseln will und dies auch prognostisch möglich erscheint, insbesondere nach der rentenrechtlichen Lage. Mit der Einführung der Altersteilzeit wollte der Gesetzgeber einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand ermöglichen. Macht ein Arbeitnehmer von dieser Möglichkeit durch Abschluss eines Altersteilzeitvertrags Gebrauch, ist ihm sein Verhalten nicht vorzuwerfen (BSGE 104, 90 Rdnr. 12 – 14; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.2.2014, L 13 AL 283/12, Rdnr. 28 – nach Juris).
Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Anschluss an die Altersteilzeit seine ursprüngliche Absicht auch umsetzt und tatsächlich nahtlos Altersrente beantragt. Denn für die Prüfung des wichtigen Grundes sind ausschließlich die Verhältnisse bei Lösung des Beschäftigungsverhältnisses maßgeblich, also bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags (BSG, a.a.O., Rdnr. 12). Weder kann ein zu diesem Zeitpunkt bestehender wichtiger Grund für die Arbeitsaufgabe nachträglich entfallen noch lässt sich umgekehrt die Arbeitsaufgabe durch einen erst später eintretenden Umstand rückwirkend rechtfertigen (Valgolio in: Hauck/Noftz, SGB III, § 159 Rdnr. 178 und 183). Das Verhalten des Arbeitnehmers nach Abschluss des Altersteilzeitvertrags ist allenfalls insoweit von Interesse, als es einen Rückschluss auf seine Motivation zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zulässt – mithin für die Beweiswürdigung. Nicht zu folgen vermag die Kammer daher der Ansicht des 8. Senats des LSG Baden-Württemberg, ein bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags vorliegender wichtiger Grund müsse bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses bestehen bleiben (Urteil vom 24.2.2017, L 8 AL 3805/16, Rdnr. 38 – nach Juris). Bezugspunkt des wichtigen Grundes ist allein das versicherungswidrigen Verhalten des Arbeitnehmers (vgl. § 159 Abs. 1 S. 1 SGB III: "sich versicherungswidrig verhalten, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben"). Als versicherungswidriges Verhalten des Klägers kommt hier ausschließlich eine Lösung des Beschäftigungsverhältnisses durch Abschluss des Altersteilzeitvertrages in Betracht (siehe a). Dabei handelt es sich um kein dauerhaftes Verhalten, sondern um einen punktuellen Vorgang. Spiegelbildlich braucht daher auch der wichtige Grund nur zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen zu haben.
Der Kläger hat sinngemäß vorgetragen, er habe den Altersteilzeitvertrag geschlossen, weil er davon ausgegangen sei, wegen seiner Rückenschmerzen nicht bis zur Regelaltersgrenze arbeiten zu können. Bei Abschluss des Vertrags im Februar 2011 habe er noch beabsichtigt, nahtlos nach dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses am 31.1.2017 im Alter von dann 63 Jahren in Rente zu gehen. Dies erscheint der Kammer glaubhaft: In § 1 Abs. 2 des Altersteilzeitvertrags hatten die Vertragsparteien ausdrücklich festgehalten, sie gingen davon aus, dass der Kläger ab dem Folgetag nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses am 31.1.2017 eine Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen wird. Hierbei handelte es sich offensichtlich nicht nur um eine Behauptung "auf dem Papier". Denn die Vertragsparteien hatten die Laufzeit des Vertrags tatsächlich so gestaltet, dass die Altersteilzeit mit Ablauf desjenigen Monats endet, in dem der Kläger 63 Jahre alt wird (am xx.1.2017).
Aufgrund der Rechtslage bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 durfte der Kläger auch davon auszugehen, dass er ab dem 1.2.2017 nahtlos Altersrente beziehen kann; seine damalige Absicht stand also im Einklang mit dem objektiven Rentenrecht: Gemäß § 36 SGB VI (in der Fassung des Gesetzes vom 20.4.2007, BGBl. I Seite 554) konnten Versicherte seinerzeit eine Altersrente für langjährig Versicherte vor Vollendung des 67. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn sie (1.) das 63. Lebensjahr vollendet und (2.) die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt haben. Diese Voraussetzungen hätten beim Kläger zum 1.2.2017 vorgelegen (so die Auskunft der DRV Baden-Württemberg). Allerdings hätte der Kläger für die vorzeitige Inanspruchnahme einen Abschlag in Höhe von 9,6 % in Kauf nehmen müssen (vgl. § 235 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) SGB VI).
Zu keinem anderen Ergebnis führt der Umstand, dass der Kläger dann erst am 14.3.2017 Altersrente zum 1.6.2017 beantragt hat. Daraus lässt sich nicht schlussfolgern, der Kläger habe schon bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags beabsichtigt, erst zum 1.6.2017 in Rente zu gehen, also erst vier Monate nach dem Ende seiner Beschäftigung bei der S. AG. Der Kläger hat vorgetragen, er habe seine ursprüngliche Absicht nachträglich geändert – und zwar im Hinblick auf die neue rentenrechtliche Lage, die so bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags noch nicht bestanden habe. Dieser Vortrag erscheint der Kammer plausibel: Zwar hätte der Kläger nach geltendem Recht weiterhin zum 1.2.2017 vorzeitig Altersrente für langjährig Versicherte in Anspruch nehmen können (§ 236 Abs. 1 SGB VI), nach wie vor mit einem Abschlag von 9,6 % (§ 236 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 77 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 a) SGB VI). Seit dem 1.7.2014 besteht aber für Versicherte des Jahrgangs 1954 – also auch für den Kläger – darüber hinaus die Möglichkeit, ab einem Alter von 63 Jahren und 4 Monaten Altersrente für besonders langjährig Versicherte zu beziehen – und zwar ohne Abschlag (§ 236b Abs. 1 und 2 S. 2 SGB VI in der Fassung des Gesetzes vom 23.6.2014, BGBl. I Seite 787). Angesichts dieser wirtschaftlich klar vorteilhaften Möglichkeit vermag die Kammer nachzuvollziehen, dass der Kläger seinen ursprünglichen Plan geändert hat und nun erst vier Monate später Altersrente beantragen wollte. Bei Abschluss des Altersteilzeitvertrags im Februar 2011 gab es die Altersrente für besonders langjährig Versicherte (ohne Abschlag) noch nicht. Vor diesem Hintergrund spricht das Verhalten des Klägers für einen nachträglichen Sinneswandel. Wie ausgeführt, hat indes eine nachträgliche Änderung der Sachlage keinen Einfluss mehr auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes.
2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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