L 20 AY 4/17 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 12 AY 21/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 AY 4/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 26.01.2017 geändert. Dem Antragsteller wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T, C beigeordnet. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für die Durchführung eines (zwischenzeitlich abgeschlossenen) Eilverfahrens vor dem Sozialgericht.

In der Sache ging es um die vorläufige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung von höheren Leistungen nach dem AsylbLG.

Der 1954 geborene Antragsteller besitzt die serbische Staatsangehörigkeit. Nach Einreise in das Bundesgebiet 2013 und erfolgloser Durchführung eines Asylverfahrens reiste er im Frühjahr 2014 aus. Einige Monate später reiste er wieder nach Deutschland ein und stellte erfolglos einen Asylfolgeantrag (Bescheid vom 05.04.2016). Die Antragsgegnerin gewährte ihm nach seiner Wiedereinreise zunächst Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und ab April 2016 Analogleistungen auf der Grundlage von § 2 AsylbLG.

Nach einer Mitteilung des Ausländeramtes des Kreises T, dass der Antragsteller aus einem sicheren Herkunftsland eingereist sei, gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab Juli 2016 wieder Leistungen nach § 3 AsylbLG durch schriftliche Monatsbescheide bzw. monatliche Auszahlung. Am 05.10.2016 legte der Antragsteller - anwaltlich vertreten - Widerspruch ein und beantragte die Überprüfung aller bestandskräftigen Bescheide mit dem Ziel, anstelle der gewährten Leistungen nach Ablauf von 15 Monaten nach der Wiedereinreise durchgehend Analogleistungen zu erhalten.

Mit Schreiben vom 10.10.2016 teilte die Antragsgegnerin mit, der Antragsteller erhalte Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG, da sein Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen und er aus einem sicheren Herkunftsland eingereist sei. Am Schluss dieses Schreibens führte die Antraggegnerin aus, sie gehe davon aus, dass sich der Widerspruch und Antrag nach § 44 SGB X mit den vorstehenden Ausführungen erledigt habe. Sofern dies nicht der Fall sein sollte, bitte sie um Mitteilung bis zum 31.10.2016, inwieweit der Widerspruch aufrechterhalten werde.

Am 20.10.2016 hat sich der Antragsteller - weiterhin anwaltlich vertreten - mit einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung an das Sozialgericht gewandt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten beantragt. Dem Antrag hat er eine vollständig ausgefüllte Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nebst Belegen beigefügt. Er erfülle die Voraussetzungen für den Bezug von Analogleistungen, da er sich seit über 15 Monaten in Deutschland aufhalte und die Dauer seines Aufenthaltes nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst habe. Eine Kürzungsmöglichkeit wegen Abschluss des Asylverfahrens und Einreise aus einem sicheren Herkunftsland kenne das AsylbLG nicht. Im Übrigen seien die geminderten Leistungssätze nach § 3 AsylbLG im Hinblick auf das durch die Regelsätze der Sozialhilfe zu sichernde menschenwürdige Existenzminimum allenfalls übergangsweise mit Art. 1 Abs. 1 GG vereinbar. Im Zweifel habe die Antraggegnerin zu beweisen, dass eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vorliege. Noch mit Schreiben vom 10.10.2016 habe sie daran festgehalten, dass dem Antragsteller keine Analogleistungen zustünden. Es liege auch ein Anordnungsgrund vor. Dem Antragsteller sei es - wie sich aus einer Vielzahl gerichtlicher Entscheidungen ergebe - nicht zuzumuten, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache mit geringeren, gekürzten oder andersartigen existenzsichernden Leistungen zufriedenzugeben. Die gelegentlich zu hörende Rechtsansicht, nicht jede Unterdeckung des Bedarfs führe zu einem Anordnungsgrund, sei jedenfalls nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 Rn. 19) abzulehnen. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a ... Folgerichtig habe das Bundesverfassungsgericht die Versagung von Prozesskostenhilfe in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit einer Unterdeckung des menschenwürdigen Existenzminimums von 15 EUR monatlich als Verstoß gegen das Grundrecht auf Rechtsschutzgleichheit vor Gericht aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG bezeichnet (Beschluss vom 09.10.2014 - 1 BvR 83/12). Aus der vorliegenden Bedarfsunterdeckung (Differenz zwischen den Leistungen nach § 2 AsylbLG und § 3 AsylbLG) von monatlich 46 EUR folge deshalb ein Anordnungsgrund.

Mit Bescheid vom 09.11.2016 hat die Antragsgegnerin dem Widerspruch des Antragstellers abgeholfen und hat ihm ab September 2016 (wieder) Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt. Dies hat sie dem Sozialgericht am selben Tage in ihrer Antragserwiderung mitgeteilt. Im Übrigen hat sie darin die Auffassung vertreten, es bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis für den Eilantrag. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 86b Abs. 2 SGG müsse sich ein Antragsteller grundsätzlich zunächst an die Verwaltung wenden, dort einen Antrag auf die Leistung stellen und eine gewisse Bearbeitungszeit abwarten. Die Antragsgegnerin habe auf den Widerspruch und andere Anträge des Antragstellers vom 05.10.2016 bereits am dritten Arbeitstag nach deren Eingang mit dem Schreiben vom 10.10.2016 reagiert; darin sei der Antragsteller um Mitteilung gebeten worden, ob bzw. inwieweit er seinen Widerspruch aufrecht erhalte, sofern ihn dieses Schreiben nicht zufriedenstelle. Hierauf habe sich der Antragsteller jedoch nicht mehr gemeldet, sondern die Antragsgegnerin noch im Rahmen der von ihr gesetzten Äußerungsfrist mit einem Eilverfahren überzogen. Die Antragsbegründung habe die Antragsgegnerin zum Anlass genommen, den Widerspruch zu prüfen, was dann zu der Abhilfeentscheidung vom 09.11.2016 geführt habe. Wenn der Antragsteller seine Bedenken bereits im Verwaltungsverfahren mitgeteilt hätte, wäre der Abhilfebescheid zum selben Zeitpunkt erlassen worden. Der Antragsteller hätte nach den tatsächlichen Abläufen im vorliegenden Fall damit rechnen können, dass nach Beibringung weiterer Informationen bzw. Begründung des Widerspruchs unter Wahrung einer angemessenen Arbeitsfrist eine unverzügliche Bescheidung seines Widerspruchs erfolgen werde.

Am 14.11.2016 hat der Antragsteller den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und Kostenantrag gestellt. Nach der völlig abseitigen Mitteilung vom 10.10.2016, er erhalte keine Leistungen, weil die Einreise aus einem sicheren Herkunftsland erfolgt sei, habe er nicht ernstlich davon ausgehen können, dass irgendein rechtliches Argument etwas nützen werde.

Mit Beschluss vom 26.01.2017 hat das Sozialgericht entschieden, dass außergerichtliche Kosten des Antragstellers nicht erstattungsfähig seien. Den Prozesskostenhilfeantrag hat es wegen Fehlens hinreichender Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung abgelehnt. Es habe kein Anordnungsgrund vorgelegen. Die dem Antragsteller in Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt sei eindeutig existenzsichernd. Mit Blick auf die marginal höheren Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehe kein Anlass für eine einstweilige Anordnung. Die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG seien zwar geringer als die in entsprechender Anwendung des SGB XII erbrachten Leistungen nach § 2 AsylbLG; neben den Leistungen in Geld würden nach § 3 aber noch weitere Leitungen (z.B. für Hausrat) gesondert erbracht (§ 3 Abs. 2 S. 4 AsylbLG).

Dagegen richtet sich die am 13.02.2017 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Das Gericht habe mit seiner nassforschen Auffassung, die Höhe der Leistungen sei eindeutig existenzsichernd, gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstoßen. Ferner verletze diese Auffassung die Gewaltenteilung. Im Eilantrag sei umfangreich dazu vorgetragen worden, dass auch geringfügige Unterdeckungen des vom Gesetzgeber festgelegten menschenwürdigen Existenzminimums stets zu einem Anordnungsgrund führten. Die Festlegung des Existenzminimums sei nicht den Gerichten, sondern dem Gesetzgeber vorbehalten. Das Sozialgericht habe contra legem ein Ermessen mit einem Rechtsanspruch gleichgestellt, um eine Ablehnung der Anträge zu rechtfertigen. Er habe zudem umfangreich dazu vorgetragen, dass verschiedene Gerichte auch Unterschreitungen des menschenwürdigen Existenzminimums im zweistelligen Euro-Bereich bereits für einen Anordnungsgrund ausreichen ließen. Prozesskostenhilfe sei daher zwingend zu bewilligen; angesichts einer derart großen Zahl von Gerichtsentscheidungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht zur Frage des Anordnungsgrundes bei Unterdeckung des vom Gesetzgeber festgelegten Existenzminimums habe die Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussichten.

Die Antragsgegnerin hält die Beschwerde für nicht statthaft; der maßgebende Beschwerdewert nach § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG (i.H.v. 750,01 EUR) sei nicht erreicht. Gegenstand des Eilantrages seien Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum gewesen, in dem sie dem Antragsteller noch nicht unanfechtbar lediglich Leistungen nach § 1a AsylbLG in Höhe der Leistungen nach § 3 AsylbLG gewährt habe. Damit sei allein der Zeitraum vom 01.09.2016 bis einschließlich 30.11.2016 mit einer monatlichen Differenz von je 46 EUR zwischen den bereits bewilligten und den begehrten weiteren Leistungen betroffen gewesen. Der Wert der Beschwer belaufe sich daher lediglich auf 138 EUR.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin, der Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen ist.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

a) Die Zulässigkeit der innerhalb der Monatsfrist eingelegten Beschwerde ergibt sich aus §§ 172, 173 SGG.

Dem steht § 172 Abs. 3 Nr. 2b SGG i.V.m. § 144 Abs. 1 SGG nicht entgegen. Wenn und soweit sich - wie hier - das Eilverfahren inhaltlich erledigt, weil die Gegenseite den materiell-rechtlichen Anspruch (teilweise) anerkennt, ist für die Bemessung des Beschwerdegegenstandes nicht auf den Zeitraum abzustellen, den die Abhilfeentscheidung (hier vom 09.11.2016) rückwirkend erfasst, sondern darauf, was der Antragsteller bis zum Zeitpunkt der (Teil-) Abhilfe auch für die Zukunft begehrte. Denn für die Frage, ob in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte, kommt es regelmäßig allein auf das Begehren des Rechtsmittelführers und nicht darauf an, worüber der Rechtsmittelgegner (nachträglich) inhaltlich entschieden hat (vgl. dazu Leitherer in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 14).

Nach dem Eilantrag vom 20.10.2016 war das Begehren des Antragstellers zeitlich unbeschränkt auf Leistungen nach § 2 AsylbLG anstelle gewährter Leistungen in Höhe von § 3 AsylbLG gerichtet. Davon ausgehend ergibt sich die Statthaftigkeit einer etwaigen Berufung in der Hauptsache damit jedenfalls aus § 144 Abs. 1 S. 2 SGG.

b) Die Beschwerde ist auch begründet.

Nach § 73a SGG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO ist einem Beteiligten, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ein Rechtsanwalt als Prozessbevollmächtigter beizuordnen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

aa) Da der Antragsteller nach den Angaben in der Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen weder über anspruchsschädliches Einkommen noch über Vermögen verfügt, kann er die für die Rechtsverfolgung in dem Eilverfahren erforderlichen Kosten nicht - auch nicht in Raten - aufbringen.

bb) Zu Unrecht hat das Sozialgericht eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung verneint.

Eine beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Prozesskostenhilfe Begehrenden auf Grund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Schmidt in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 12. Auflage 2017, § 73a Rn. 7a).

Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG ist begründet (und hat damit zugleich hinreichende Erfolgsaussicht i.S.v. § 73a SGG i.V.m. § 114 ZPO), wenn diese zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer solchen Regelungsanordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl das Bestehen eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf die begehrte Leistung (Anordnungsanspruch) als auch die Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) glaubhaft (i.S.v. überwiegend wahrscheinlich; vgl. u.a. BVerfG vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03) macht (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund allerdings nicht isoliert nebeneinander. Es besteht vielmehr zwischen beiden eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.

Davon ausgehend können der Rechtsverfolgung des Antragstellers bis zum Eingang des Schreibens der Antragsgegnerin vom 09.11.2016 beim Sozialgericht (s.o. a), der auch für die Prüfung der Begründetheit maßgebend ist, hinreichende Erfolgsaussichten nicht abgesprochen werden

(1) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin war der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nicht von Beginn an unzulässig, weil ihm das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hätte. Keineswegs hätte sich der Antragsteller angesichts der Ausführungen der Antragsgegnerin am Schluss ihres Schreibens vom 10.10.2016 noch einmal an sie wenden müssen. Denn bei einem Antrag nach § 86b Abs. 2 SGG genügt für das Rechtsschutzbedürfnis in der Regel, wenn sich der Betroffene zuvor mit seinem Begehren an die Behörde wendet und ihr die Möglichkeit gibt, eine Entscheidung zu treffen bzw. eine bereits getroffene Entscheidung zu überdenken und ggf. zu revidieren (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 86b Rn. 26b m.w.N.).

Der Antragsteller hatte jedoch sein Begehren auf Wiedergewährung von Analogleistungen bereits mit Schreiben vom 05.10.2016 an die Antragsgegnerin herangetragen. Diese hat sodann im Schreiben vom 10.10.2016 ausgeführt, aus welchen Gründen sie davon ausgehe, dass dem Antragsteller lediglich geringere Leistungen zustünden. Damit aber hatte sie die Möglichkeit, ihre Entscheidung zu überdenken, und sie hat dies auch getan. Mehr ist für das Rechtsschutzbedürfnis bei einem Antrag auf einstweilige Anordnung jedenfalls dann nicht zu verlangen, wenn es - wie hier - um Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums geht. Der Antragsteller war nach den Umständen des vorliegenden Falles insbesondere nicht gehalten, der Antragsgegnerin noch einmal seine Rechtsauffassung nahe zu bringen. Dies gilt auch angesichts der Ausführungen der Antragsgegnerin am Schluss des Schreibens vom 10.10.2016, zumal dort nicht (deutlich) zum Ausdruck kam, dass diese bereit wäre, sich noch einmal mit inhaltlichem Vorbringen des Antragstellers zu befassen.

(2) Zur Begründetheit des Eilantrages ist zunächst zu beachten, dass dem Antragsteller nach inzwischen übereinstimmender Ansicht der Beteiligten jedenfalls seit September 2016 wieder Analogleistungen zustanden; schon seit Anbringen des Eilantrages beim Sozialgericht bestand deshalb ohne weiteres ein Anordnungsanspruch.

Zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes kann - entgegen der Rechtsauffassung des Sozialgerichts - zum einen nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Ermittlung der Bedarfssätze nach § 3 Abs. 1 S. 8 AsylbLG (in der seit dem 17.03.2016 geltenden Höhe) den prozeduralen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Urteil vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10 und 2/11 Rn. 62 ff.) zur Bestimmung eines menschenwürdigen Existenzminimums noch genügen (vgl. dazu näher Frerichs in jurisPK-AsylbLG, Stand: 24.05.2017, § 3 Rn. 60.1 ff.; Oppermann, jurisPR-SozR 16/2016 Anm. 1.; Siefert, jM 2016, Seite 329 ff. (331)).

Vor allem aber ist die Differenz zwischen den (zunächst erbrachten) Leistungen nach § 3 AsylbLG und den (vom Antragsteller begehrten) Analogleistungen nach § 2 AsylbLG - anders etwa als im unmittelbaren Anschluss an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (a.a.O.) entsprechend der seinerzeit geltenden Übergangsregelung des Gerichts - keineswegs nur marginal. In der (für den Antragsteller maßgebenden) Regelbedarfsstufe 2 beträgt sie vielmehr monatlich 46 EUR. Dementsprechend erhielt der Kläger um fast 13% geringere Geldleistungen, als ihm als Analogleistungen (und damit als Leistungen in Höhe des gesetzlich bestimmten Existenzminimums nach dem SGB XII) zugestanden hätten; auch wenn einige Bedarfspositionen bei Leistungen nach (oder in Höhe von) § 3 AsylbLG als Sachleistung erbracht werden, schränkt dies jedenfalls die wirtschaftliche Bewegungsfreiheit des Leistungsempfängers im Vergleich zu Leistungen nach § 2 AsylbLG erheblich ein.

Der Senat lässt offen, ob bei einer solchen Unterdeckung ein Anordnungsgrund stets und in jedem Fall anzunehmen ist, oder ob es Lebenssachverhalte gibt, in denen angesichts der Umstände des Einzelfalles (etwa wegen eines bei Antragstellung prognostisch nur sehr kurzen betroffenen Zeitraums) noch von einem "Bagatellbetrag" ausgegangen werden kann, bei dem ein Anordnungsgrund fehlt. Zumindest dann, wenn - wie im Falle des Antragstellers - der Anordnungsanspruch offen zu Tage liegt, erscheint ein Abwarten der (ggf. erst nach längerer Zeit zu erwartenden) Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zumutbar und können deshalb der Rechtsverfolgung schon angesichts der Wechselwirkung zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund (s.o.) hinreichende Erfolgsaussichten auch mit Blick auf den Anordnungsgrund nicht abgesprochen werden.

cc) Dementsprechend erschien die Rechtsverfolgung des Antragstellers auch nicht mutwillig. Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Rechtsanwaltes (§ 121 Abs. 2 ZPO i.V.m. § 73a Abs. 1 S. 1 SGG) sind ebenfalls erfüllt (vgl. hierzu auch Schmidt, a.a.O. Rn. 9 ff.).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 73a SGG i.Vm. § 127 Abs. 4 ZPO.

4. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved