L 32 AS 1879/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 185 AS 3636/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 1879/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine nebenberufliche Honorartätigkeit, die nach § 3 Nr. 26 EStG privilegiert ist, ist auch nach § 116 Abs. 2 Satz 3 SGB II privilegiert.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 2014 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe von Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von Dezember 2011 bis Februar 2012 im Hinblick auf den Umfang des Grundfreibetrages nach § 11 Abs 2 SGB II im Zusammenhang mit der Erzielung von steuerfreien Einkommen.

Der Kläger bezog ergänzend zu seinem Einkommen Arbeitslosengeld II von der Beklagten. Im hier streitigen Zeitraum von Dezember 2011 bis Februar 2012 erzielte er ein Einkommen von 210 EUR monatlich aus einer Honorartätigkeit im Rahmen einer schulischen Arbeitsgemeinschaft – Hör-Werkstatt an einer Schule für ca 10 Kinder – vom Land Berlin sowie eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 EUR für eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Schule als Betreuer der Schulbibliothek. Die Aufwandsentschädigung wurde vom Förderverein der Schule finanziert.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 9. November 2011 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2011 bis 31. Januar 2012 Arbeitslosengeld II unter Anrechnung eines Erwerbseinkommens von 210,00 EUR unter Berücksichtigung eines Freibetrages von 122 EUR, so dass sich eine monatliche Leistungshöhe von 540,36 EUR (Lebensunterhalt 284,00 EUR, Kosten für Unterkunft und Heizung 256,36 EUR) ergab. Mit Bescheid ebenfalls vom 9. November 2011 gewährte die Beklagte dem Kläger in selber Höhe für den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Juli 2012 Arbeitslosengeld II. Mit den Änderungsbescheiden vom 1. und 8. Dezember 2011 berücksichtigte die Beklagte weiteres Einkommen, insgesamt 260 EUR netto monatlich unter Zugrundelegung eines Freibetrages von 132 EUR monatlich. Zugleich berücksichtigte sie die Erhöhung des Regelsatzes ab 1. Januar 2012, so dass sich Leistungshöhen 510,36 EUR für Februar 2012 ergaben.

Die Widersprüche des Klägers gegen die vollständige Anrechnung der Aufwandsentschädigung ohne Berücksichtigung des Freibetrages von 175 EUR wies die Beklagte mit den Widerspruchsbescheiden vom 19. Januar 2012 zurück.

Dagegen wandte sich der Kläger mit seinen am 8. Februar 2012 erhobenen Klagen, die durch Beschluss vom 16. Juli 2012 verbunden wurden. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, gemäß § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II sei ihm ein monatlicher Freibetrag von 175 EUR zu gewähren, so dass sich das anzurechnende Einkommen auf 85 EUR monatlich reduziere. Daraus ergebe sich eine Differenz von 43 EUR, die dem Kläger monatlich auszuzahlen sei.

Das Sozialgericht Berlin gab den Klagen durch Urteil vom 7. Mai 2014 statt und verurteilte die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. November 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. Dezember sowie 8. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2012 bzw. des Bescheides vom 9. November 2011 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 1. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 2012 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. Februar 2012, dem Kläger für die Monate Dezember 2011 bis Februar 2012 jeweils weitere 43 EUR zu zahlen. Dabei stützte sich das Sozialgericht auf den Wortlaut von § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011. Vom wirtschaftlichen Ergebnis her gewähre die Vorschrift einen Freibetrags-Bonus von 75 EUR. Die Absicht des Gesetzgebers, einen höheren Freibetrag selbst bei einem geringeren privilegierten Einkommen zu gewähren, sei sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift als auch aus dem systematischen Zusammenhang erkennbar. Daher sei auch nicht den vermittelnden Lösungen des SG Chemnitz und des SG Dresden zu folgen, wonach eine Erhöhung des Freibetrages nur im Umfang der privilegierten Einnahme infrage komme. Dass die Verwaltungspraxis der Beklagten dem Gesetz nicht entspreche, ändere nichts an dem Vorrang der gesetzlichen Regelung. Die abweichende Verwaltungspraxis sei auch nicht im Rahmen der Änderung der Vorschrift, durch die der Freibetrag von 175 EUR auf 200 EUR erhöht worden sei, quasi stillschweigend gebilligt worden, weil der Gesetzgeber die Verwaltungspraxis gekannt habe. Es sei nicht Aufgabe des Gesetzgebers, eine Verwaltung bei jeder Gesetzesänderung zu ermahnen, das Gesetz auch tatsächlich einzuhalten. Vielmehr sei es Aufgabe der Gerichte, eine Verwaltungspraxis daraufhin zu überprüfen, ob sie mit der vom Gesetz beschlossen Regelung im Einklang stehe. Vielmehr bestätige auch die hier zu beurteilende Regelung das Konzept des Gesetzgebers, im Rahmen des SGB II pauschalisierend vorzugehen. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Umgehungsgeschäft seien im vorliegenden Fall von der Beklagten nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich.

Gegen das der Beklagten am 18. Juni 2014 zugestellte Urteil hat diese am 18. Juli 2014 die durch das Sozialgericht zugelassene Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, dass die Regelung des § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II einschränkend mit der Maßgabe auszulegen sei, dass der erhöhte Grundfreibetrag erst dann berücksichtigt werden könne, wenn der Grundfreibetrag von 100 EUR von der Aufwandsentschädigung der Höhe nach überschritten werde. Ohne einschränkende Auslegung des Wortlauts würde jedoch dann, wenn neben die Einnahmen aus ehrenamtlicher Tätigkeit weitere Einnahmen aus Erwerbstätigkeit träten und die Einnahmen aus der ehrenamtlichen Tätigkeit geringer seien als der Grundfreibetrag, eine Privilegierung des Erwerbseinkommens erfolgen. Der Erhöhungsbetrag würde dann zu einer weiteren Absetzung vom Erwerbseinkommen führen. Eine Privilegierung, die nicht allein das steuerfreie Einkommen erfasse, sondern darüber hinaus auch das Einkommen, welches aus einer nicht steuerbegünstigten Erwerbstätigkeit erzielt werde, würde mit einer Ungleichbehandlung zulasten derjenigen einhergehen, die keine Aufwandsentschädigung aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit erhalten würden. Diese Ungleichbehandlung lasse sich auch nicht mit dem Verweis auf die Pauschalierung im SGB II vertun. Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass auch das SG Berlin und der Kläger selbst in ihren Berechnungen eine einschränkende Auslegung vornehmen würden. Diese würden den Freibetrag nach § 11b Abs 3 SGB II mit dem Teil des Einkommens berechnen, der den Freibetrag von 175 EUR übersteigerte. Dies gebe jedoch der auch dort eindeutige Wortlaut nicht her, da dieser auf den Teil des Einkommens verweise, der 100 EUR übersteige. Die Beklagte habe das Urteil des BSG vom 28. Oktober 2014, B 14 AS 61/13 R, zur Kenntnis genommen, sei jedoch an die fachlichen Weisungen gebunden.

Im Hinblick auf die Einlassung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 27. Mai 2013, dass er eine Arbeitsgemeinschaft machen könne und dafür 210 EUR Honorar bekomme, vertritt die Beklagte die Auffassung, dass es sich nicht um Einnahmen aus nebenberuflicher Tätigkeit als Übungsleiter, Ausbilder etc. oder vergleichbarer nebenberuflicher Tätigkeit, sondern vielmehr um eine Honorartätigkeit handele. Bei einer solchen stehe nicht die Aufwandsentschädigung, sondern die Entlohnung der Projektarbeit im Mittelpunkt. Ein Vertrag über eine Aufwandsentschädigung sei nicht ersichtlich. Dabei handele es sich um Einkommen aus geringfügigen selbständigen Tätigkeiten.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 7. Mai 2014 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Sozialgericht habe eine günstigere Berechnung angesichts der Bindung an den Antrag des Klägers nicht vornehmen können. Insofern bestehe kein Widerspruch innerhalb der sozialgerichtlichen Entscheidung. Bei dem Vorgehen der Beklagten entfiele die vom Gesetzgeber gerade gewollte Privilegierung des steuerfreien Einkommens. Der Kläger hat die Verträge "über Aufwandsentschädigung" vom 22. Juni 2011 und vom 24. Oktober 2011 (jeweils 50,00 EUR) und die für jeden Monat separat abgeschlossenen "Honorarverträge" vom 8. Juni 2011, vom 4. und 16. Januar 2012 (210 EUR) eingereicht, wegen deren Inhalte auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird. Seinerzeit sei die Steuerfreiheit nicht vom Finanzamt festgestellt worden, inzwischen für 2015 ausdrücklich anerkannt, wozu der Kläger den Steuerbescheid für 2015 (teilgeschwärzt) eingereicht hat.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung allein durch den Berichterstatter nach §§ 153 Abs 1, 124 Abs 2, 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Niederschrift sowie der auszugsweise beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten (beginnend ab 01.12.2011) gemäß §§ 153 Abs 1, 136 Abs 2 SGG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann mit Einverständnis der Beteiligten gemäß §§ 155 Abs 3, 4, 153 Abs 1, 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung allein durch seinen Berichterstatter entscheiden, weil sich die Beteiligten im schriftlichen Verfahren umfassend geäußert haben und die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Die rechtlichen Fragen sind für die geltend gemachte Einkommensanrechnung durch die Rechtsprechung des BSG geklärt und werfen hinsichtlich der steuerrechtlichen Fragen keine Schwierigkeiten auf. Bei seiner Ermessensausübung hat der Senat zudem den Aspekt der Verfahrensbeschleunigung berücksichtigt.

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Berlin hat der Klage im Ergebnis zu Recht statt gegeben. Dem Kläger stand mindestens der von ihm geltend gemachte Betrag von weiteren 43 EUR monatlich zu.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch sind §§ 19 ff i V m § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II in der im streitbefangenen Zeitraum geltenden Fassung seit dem 1. April 2011 (Bekanntmachung der Neufassung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vom 13.5.2011, BGBl I 850, die den zuletzt durch das Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011, BGBl I 453 (RBEG/SGB II/SGB XII-ÄndG)). Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (BSG; Urteil vom 28.10.2014, B 14 AS 61/13 R, RdNr 9). Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen nach § 7 Abs 1 Satz 1 SGB II für einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, weil er im Jahr 1964 geboren ist, ausweislich der im Streitzeitraum ausgeübten Tätigkeiten, aber auch im Hinblick auf die später in einem Umfang von 19,5 Wochenstunden aufgenommene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung erwerbsfähig war und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Berlin, also in der Bundesrepublik Deutschland hatte. Mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens war er auch hilfebedürftig nach § 9 Abs 1 SGB II (dazu sogleich). Ein Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 oder 5 SGB II lag nicht vor.

Der Kläger war hilfebedürftig und zwar mindestens in einem um 43 EUR höheren Umfange. Auszugehen ist von einem Gesamtbedarf in Höhe von 628,36 Euro für Dezember 2011 und 638,96 EUR für Januar und Februar 2012. Dieser ergibt sich aus dem Regelbedarf des Klägers in Höhe von 364 Euro bzw ab Januar 2012 von 374 EUR (§ 20 Abs 2 Satz 1 SGB II) zuzüglich eines Warmwasser-Mehrbedarfs gemäß § 21 Abs 7 Nr 1 SGB II in Höhe von 8,00 EUR bzw 8,60 EUR ab 2012 wegen der Bereitstellung von Warmwasser durch den Vermieter sowie der anerkannten monatlichen Kosten für Unterkunft und Heizung von 256,36 EUR, die aufgrund der Mietregelung vom Kläger an seinen Vermieter zu zahlen waren – die insofern vom Kläger gemachten Angaben erscheinen uneingeschränkt glaubhaft.

Auf diesen Gesamtbedarf des Klägers ist bereinigtes Einkommen des Klägers in deutlich geringerer Höhe, höchstens 68 EUR statt 128 EUR – wie von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden berechnet – anzurechnen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen (§ 11 Abs 1 Satz 1 SGB II). Erzielen erwerbsfähige Leistungsberechtigte Einnahmen aus Erwerbstätigkeit, ist anstelle der Beträge nach § 11b Abs 1 Satz 1 Nr 3 bis 5 SGB II - Versicherungsbeiträge, geförderte Altersvorsorgebeiträge und mit der Erzielung des Einkommens verbundene notwendige Ausgaben - nach § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II ein Grundfreibetrag von insgesamt 100 Euro monatlich abzusetzen. Liegen die Ausgaben für diese Beträge über 100 Euro monatlich, sind sie im tatsächlichen Umfang abzusetzen, wenn das monatliche Einkommen mehr als 400 Euro beträgt und die Ausgaben nachgewiesen werden (§ 11b Abs 2 Satz 2 SGB II). Abweichend davon sieht § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II (in der hier maßgeblichen bereits genannten Fassung ab 01.04.2011) einen auf 175 Euro (gemäß § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II idF des Ehrenamtsstärkungsgesetzes vom 21.03.2013 - BGBl I 556 - seit 01.01.2013: 200 Euro) erhöhten monatlichen Freibetrag und eine auf diesen Betrag abgesenkte Einkommensgrenze für den Nachweis tatsächlich höherer Ausgaben für solche leistungsberechtigten Personen vor, die aus mindestens einer Tätigkeit Bezüge oder Einnahmen erhalten, die nach § 3 Nr 12, 26, 26a oder 26b EStG steuerfrei sind. Das Einkommen des Klägers in Höhe von 210,00 EUR war um den Grundfreibetrag nach § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II von 175,00 Euro sowie weitere 7,00 EUR nach § 11b Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB II und die Aufwandsentschädigung von weiteren 50,00 EUR für die ehrenamtliche Tätigkeit um einen weiteren Grundfreibetrag nach § 11b Abs 3 Satz 2 Nr 1 SGB II von 10 Euro zu bereinigen.

Absetzbeträge nach § 11b Abs 2 SGB II sind nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28.10.2014, B 14 AS 61/13 R, RdNr 14) bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus nicht privilegierter Erwerbstätigkeit i S von § 11b Abs 2 Satz 1 SGB II und aus steuerprivilegierter (ehrenamtlicher) Tätigkeit i S von § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II für jede Tätigkeit gesondert anzusetzen und können auch nebeneinander eingreifen. Bei der Ermittlung des Zusatzfreibetrages nach § 11b Abs 3 SGB II ist nicht das Gesamteinkommen einzubeziehen, das 100 Euro übersteigt, sondern lediglich das nach der Bereinigung nach § 11b Abs 2 SGB II (noch) zu berücksichtigende Einkommen (BSG ebd RdNr 25), so dass auch Erwerbseinkommen aus dem Grunde nach privilegiertem Einkommen, soweit es den Absetzbetrag nach § 11b Abs 2 SGB II übersteigt, nach Abs 3 um die weiteren Freibeträge zu bereinigen ist. Anders als die Beklagte meint, ist der erhöhte Freibetrag nicht erst zu berücksichtigen, wenn die Entschädigung für die steuerprivilegierte Tätigkeit über 100 Euro beträgt (BSG ebd RdNr 15 ff). Allerdings lag im Falle des Klägers privilegiertes Einkommen nach § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II in einem 175,00 EUR übersteigendem Umfang vor.

Das Honorar für die Tätigkeit im Rahmen einer schulischen Arbeitsgemeinschaft – Hör-Werkstatt an einer Schule für ca 10 Kinder – ist nach § 3 Nr 26 EStG steuerprivilegiert und demnach mit dem höheren Freibetrag des § 11b Abs 2 Satz 3 SGB II auch grundsicherungsrechtlich privilegiert. Nach § 3 Nr 26 EStG (in der für 2011 und 2012 geltenden Fassung) sind steuerfreie Einnahmen aus nebenberuflichen Tätigkeiten als Übungsleiter, Ausbilder, Erzieher, Betreuer oder vergleichbaren nebenberuflichen Tätigkeiten, aus nebenberuflichen künstlerischen Tätigkeiten oder der nebenberuflichen Pflege alter, kranker oder behinderter Menschen im Dienst oder im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, oder einer unter § 5 Absatz 1 Nummer 9 des Körperschaftsteuergesetzes fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger und kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung) bis zur Höhe von insgesamt 2.100 Euro im Jahr (Satz 1). Überschreiten die Einnahmen für die in Satz 1 bezeichneten Tätigkeiten den steuerfreien Betrag, dürfen die mit den nebenberuflichen Tätigkeiten in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Ausgaben abweichend von § 3c nur insoweit als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden, als sie den Betrag der steuerfreien Einnahmen übersteigen (Satz 2).

Dabei handelt es sich typischerweise bei den vorgenommenen Zahlungen nicht lediglich um Aufwandsentschädigungen, sondern um der Gewinnerzielung bei Betriebsausgaben- und Werbungskostenabzug dienende Entgelte, wie sich aus Satz 2 der Regelung ausdrücklich ergibt und wie es auch aus der eigenständigen Regelung nach Nr 26b folgt. Die in § 3 Nr 26 EStG genannten Tätigkeiten sind typischerweise selbständige, die gegen ein Honorar ausgeübt werden. Die Vorschrift stellt für den von ihr in den Blick genommenen Regelfall, anders, als dies die Beklagte meint, nicht (nur) auf ehrenamtliche, sondern vielmehr ausdrücklich gerade auf nebenberufliche, also von vornherein auch auf Entgelterwerb gerichtete Tätigkeiten ab. "Vergleichbare" Tätigkeiten müssen die charakteristischen Merkmale derjenigen eines Übungsleiters, Ausbilders, Erziehers und Betreuers haben, also die Vermittlung von Wissen, Kenntnissen, Fähigkeiten oder Fertigkeiten irgendwelcher Art (Erhard in Blümich BOK EStG § 3, RdNr 15 mwN), also ihrer Art nach pädagogisch sein.

Um solche vergleichbare pädagogische, nebenberufliche Tätigkeiten handelte es sich bei der Tätigkeit der Hör-Werkstatt. Dies folgt aus der Aufgabenstruktur im Rahmen einer schulischen Arbeitsgemeinschaft, wie es sich auch aus den Honorarverträgen ergibt. Dort ist die Tätigkeit als "Erzähltraining mit einer Kindergruppe" bezeichnet, was auf die pädagogische Vermittlung von Wissen, Kenntnissen und Fähigkeiten schließen lässt. Auch die Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht bestätigen diese Beurteilung. Danach handelte es sich um eine schulische Arbeitsgemeinschaft, bei der Hörspiele angehört, anschaulich gemacht und eigene Hörspiele produziert wurden. Diese Tätigkeit ist auch im Auftrag einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat belegen ist, nämlich für eine staatliche Schule des Landes Berlin erfolgt, zumal die Honorarverträge unmittelbar mit dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung als Auftraggeber geschlossen wurden. Die Tätigkeit war ausweislich der Höhe des Entgelts und ihres Umfanges von lediglich sieben Doppelstunden im Monat (so die Honorarverträge) eine nebenberufliche Tätigkeit. Es sind keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die geringfügige selbständige Tätigkeit für den Kläger auf Dauer den Schwerpunkt seiner beruflichen Tätigkeit und Grundlage seiner Unterhaltssicherung hätte sein sollen oder können. Dies wird durch die im Oktober 2012 bei der D aufgenommene sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bestätigt.

Dahinstehen kann, ob die Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 EUR für eine ehrenamtliche Tätigkeit in einer Schule als Betreuer der Schulbibliothek im Projekt "Leseförderung an der N" über §§ 11b Abs 2 Satz 3 SGB II, § 3 Nr 26 bzw 26b EStG ebenfalls privilegiert ist, denn bereits aus den für die Tätigkeit im Rahmen der Hörwerkstatt anzusetzenden Freibeträgen ergibt sich ein niedrigeres anzurechnendes Einkommen als das, über welches das Sozialgericht zu entscheiden hatte. Der "Vertrag über die Aufwandsentschädigung – ("Übungsleitervertrag" gem. § 3 Nr 26 EStG)" mit dem Förderverein der Grundschule vom 24. Oktober 2011 ist als entsprechend privilegierte Tätigkeit ausgestaltet und wird als solche von den Beteiligten angesehen. Aufgrund des Schreibens des Fördervereins vom 6. Februar 2012 sollte die Tätigkeit vergütungslos, ehrenamtlich erfolgen, wobei nach Vortrag des Klägers die Vergütung für Februar 2012 noch erfolgte. Auch deren Nichtzahlung würde die Berufung der Beklagten nicht stützen. Handelte es sich nicht um privilegiertes Einkommen, wäre nach der genannten Rechtsprechung der allgemeine Absetzbetrag anzuwenden gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und berücksichtigt die Erfolglosigkeit der Rechtsverfolgung. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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