S 102 AS 18536/14

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
102
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 18536/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
- Im Erstattungsstreit zwischen zwei Leistungsträgern ist die Klage als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig, da zwischen den Parteien des Erstattungsverlangens kein Subordinationsverhältnis besteht, die Leistungsträger sich vielmehr im Gleichordnungsverhältnis gegenübertreten.
- Der Erstattungsanspruch der Krankenkasse bei nachträglichem Entfallen des Krankengeldanspruchs gem. § 50 Abs. 1 S. 1 SGB V richtet sich nach § 103 SGB X und gehört zur zweiten Rangklasse gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB X. Er geht damit dem Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende gem. § 40a S. 2 1. Alt. SGB II vor, der wegen der Bezugnahme auf § 104 SGB X zur dritten Rangklasse gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 4 SGB X gehört.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 164,56 EUR zu zahlen. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 164,56 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte der Klägerin Leistungen zu erstatten hat.

Der Beklagte gewährte Frau H. V. (im Folgenden "Rentenberechtigte") für die Zeit vom 1.11.2009 bis 30.11.2009 Arbeitslosengeld II in Höhe von 245,97 EUR.

Die DAK (Krankenversicherung) gewährte der Rentenberechtigten für die Zeit vom 1.11.2009 bis 28.11.2009 Krankengeld i.H.v. 23,85 EUR täglich.

Die Klägerin gewährte der Rentenberechtigten mit Bescheid vom 18.1.2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.11.2009 in Höhe von monatlich 622,65 EUR.

Mit Schreiben vom 29.1.2010 machten die DAK und mit Schreiben vom 10.2.2010 der Beklagte wegen der Rentengewährung Erstattungsansprüche gegenüber die Klägerin geltend.

Da die Rentennachzahlung nicht ausreichte, um beide Erstattungsansprüche zu befriedigen, teilte die Klägerin die Rentennachzahlung anteilmäßig auf. Für den Zeitraum vom 1.11.2009 bis 28.11.2009 erstattete die Klägerin der DAK 416,58 EUR, dem Beklagten 164,56 EUR.

Dagegen wandte sich die DAK mit Schreiben vom 6.11.2013 und machte aufgrund der Urteile des Bundessozialgerichts vom 31. Oktober 2012 zu den Az. B 13 R 11/11 R und B 13 R 9/12 R einen weitergehenden Erstattungsanspruch in Höhe von 164,56 EUR geltend. Zur Begründung führte die DAK an, dass dem Träger der Leistungen nach dem SGB II bei einem rückwirkenden Zusammentreffen mit einer Rente aus medizinischen Gründen kein Erstattungsanspruch nach § 103 SGB X, sondern allenfalls nach § 104 SGB X zustehe. Die Krankenkassen hätten daher einen vorrangigen Erstattungsanspruch.

Mit mehreren Schreiben forderte die Klägerin den Beklagten gem. § 112 SGB X zur Rückerstattung von 164,56 EUR auf, worauf der Beklagte jedoch nicht reagierte.

Am 1.8.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung bezieht sie sich auf die Argumentation der DAK.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 164,56 EUR zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung führt der Beklagte im Wesentlichen an, dass die Erstattung an ihn nicht zu Unrecht erfolgte. Zum einen normiere § 40a SGB II rückwirkend zum 1.1.2009 einen eigenen Erstattungsanspruch des Trägers der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Zum anderen habe die Leistungsgewährung der DAK bereits am 28.11.2009 geendet, während sich der dem Beklagten erstattete Betrag auf den gesamten Monat November 2009 bezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg. Die Klage ist als reine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG zulässig (Roller, in: v. Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl., 2014, § 114 Rn. 6), da zwischen den Parteien des Erstattungsverlangens kein Subordinationsverhältnis besteht, die Leistungsträger sich vielmehr im Gleichordnungsverhältnis gegenübertreten (Kallert, in: Gagel, SGB II/SGB III, § 40a SGB II, 65. EL, März 2017, Rn. 88 mit Verweis auf BSG).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung von 164,56 EUR durch den Beklagten. Anspruchsgrundlage ist § 112 SGB X. Danach sind die gezahlten Beträge zurückzuerstatten, soweit eine Erstattung zu Unrecht erfolgt ist. Diese Voraussetzungen liegen hier bzgl. des von der Klägerin an den Beklagten infolge der Rentengewährung gezahlten Erstattungsbetrages in Höhe von 164,56 EUR vor. Die Erstattung erfolgte zu Unrecht. Der grundsätzlich bestehende Erstattungsanspruch des Beklagten gegenüber der Klägerin aufgrund der Rentengewährung war durch den Erstattungsanspruch der DAK verdrängt, da dieser gemäß § 106 SGB X vorrangig war. Ist ein Leistungsträger mehreren Leistungsträgern zur Erstattung verpflichtet, sind die Ansprüche gemäß § 106 Abs. 1 SGB X in folgender Rangfolge zu befriedigen: [ ] 3. der Anspruch des Leistungsträgers, dessen Leistungsverpflichtung nachträglich entfallen ist, nach § 103 SGB X, 4. der Anspruch des nachrangig verpflichteten Leistungsträgers nach § 104 SGB X [ ]. Die Klägerin war aufgrund der Rentengewährung sowohl dem Beklagten als auch der DAK zur Erstattung verpflichtet. Der Erstattungsanspruch der DAK ergibt sich aus § 103 SGB X, da der Anspruch auf Krankengeld aufgrund der Rentengewährung nachträglich gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V entfallen ist (vgl. BSG v. 1.4.1993, 1 RK 10/92). Demgegenüber ergibt sich der Erstattungsanspruch des Beklagten aus § 40a S. 2 1. Alt. SGB II. § 40a SGB II, der mit Rückwirkung zum 1.1.2009 eingeführt wurde (vgl. Kallert, aaO, Rn. 7), lautet wie folgt:

"Wird einer leistungsberechtigten Person für denselben Zeitraum, für den ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende Leistungen nach diesem Buch erbracht hat, eine andere Sozialleistung bewilligt, so steht dem Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende unter den Voraussetzungen des § 104 des Zehnten Buches ein Erstattungsanspruch gegen den anderen Sozialleistungsträger zu. Der Erstattungsanspruch besteht auch, soweit die Erbringung des Arbeitslosengeldes II allein auf Grund einer nachträglich festgestellten vollen Erwerbsminderung rechtswidrig war oder rückwirkend eine Rente wegen Alters oder eine Knappschaftsausgleichsleistung zuerkannt wird. Die §§ 106 bis 114 des Zehnten Buches gelten entsprechend. § 44a Absatz 3 bleibt unberührt."

Wegen der Bezugnahme auf § 104 SGB X gehört der Anspruch des Beklagten aus § 40a S. 2 1. Alt. SGB II zur dritten Rangklasse gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 4 SGB X (Kallert, aaO, Rn. 74) und geht damit dem der DAK gem. § 103 SGB X, der zur zweiten Rangklasse gemäß § 106 Abs. 1 Nr. 3 SGB X gehört, nach. Somit war zunächst die DAK durch die Klägerin zu befriedigen. Da das von der DAK im Zeitraum 1.11.2009 bis 28.11.2009 gezahlte Krankengeld in Höhe von 667,80 EUR (23,85 EUR täglich) höher war als die bewilligte Rente von monatlich 622,65 EUR, war die für diesen Zeitraum bewilligte Rente vollständig an die DAK zu erstatten. Für den Beklagten verblieb kein Erstattungsrest. Soweit die Klägerin an den Beklagten dennoch 164,56 EUR erstattet hat, erfolgte diese Zahlung zu Unrecht. Nach § 112 SGB X ist der Betrag zurückzuerstatten.

Eine Beiladung der Rentenberechtigten gemäß § 75 Abs. 2 SGG war nicht notwendig, weil sie die Leistung bereits erhalten hat, sie diese nicht nochmals beanspruchen kann und die Entscheidung über die Erstattungsforderung keine Auswirkungen auf ihre Rechtsposition hat (Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG, 12. Aufl. 2017, § 75 Rn. 10a).

Auch eine Beiladung der DAK gem. § 75 Abs. 2 SGG war nicht notwendig, da die Klägerin den Erstattungsanspruch der DAK bereits in voller Höhe befriedigt und der Ausgang des Rechtsstreits keine Auswirkungen auf die Rechtsposition der DAK hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a S. 1 SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über den Streitwert stützt sich auf § 197a Abs. 1 S. 1 Halbsatz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 3 Satz 1, § 63 Abs. 2 S. 1 GKG.

Die Berufung war nicht kraft Gesetzes zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstands 10.000 EUR nicht übersteigt, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG. Gründe für die Zulassung der Berufung gem. § 144 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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