Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AS 992/16
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 755/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zum Feststellungsinteresse nach Änderung der Rechtslage bei Nichtbeachtung der neuen Rechtslage durch die Behörde
2. Zum Feststellungsinteresse bei Eingliederungsverwaltungsakten
2. Zum Feststellungsinteresse bei Eingliederungsverwaltungsakten
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016.
Der Kläger bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beteiligten schlossen zuletzt eine Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeitsdauer bis zum 04.07.2015 ab.
Am 24.05.2016 versuchte der Beklagte erneut eine Einigung mit dem Kläger über eine Eingliederungsvereinbarung, die der Kläger letztlich nicht unterschrieb und an den Beklagte zurücksandte. Daraufhin erließ der Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 03.06.2016 für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016. Im Wesentlichen wurde darin geregelt, dass der Kläger monatlich mindestens vier Bewerbungen vorzuweisen, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten zu bewerben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen spätestens am dritten Tag vorzulegen habe. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten und dem Kläger pro Bewerbung pauschal drei Euro zu erstatten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2016 zurück. Der Kläger werde nicht in seinen Rechten, insbesondere - wie vom Kläger geltend gemacht - in seinen Grundrechten verletzt. Er sei als Leistungsempfänger verpflichtet, Arbeit anzunehmen. Die dem Kläger auferlegten Pflichten seien allesamt rechtmäßig.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.09.2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die Eingliederungsvereinbarung sei ihm vorgefertigt als "unverhandelbares Eingliederungsdiktat" vorgelegt worden.
Mit Urteil vom 10.10.2016 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid als unbegründet ab. Die Anfechtungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet, da der Eingliederungsverwaltungsakt rechtmäßig sei.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Durch den Eingliederungsverwaltungsakt werde er in seinen Grundrechten eingeschränkt. Auch sei eine pauschale Vergütung von drei Euro pro Bewerbung zu niedrig.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 01.03.2017 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt sich durch Zeitablauf erledigt hat und ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt werden müsse.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 03.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2016 rechtswidrig war.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht. Es seien keine Sanktionen aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes verhängt worden.
Mit Schreiben vom 24.03.2017 teilte der Bg mit, dass derzeit an einem Profiling des Klägers entsprechend der neuen Rechtslage gearbeitet werde. Bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 01.08.2016 sei der zuständigen Sachbearbeiterin die neue Rechtlage noch nicht bekannt gewesen. Inzwischen sei die neue Rechtslage durch neue, grundlegend überarbeitete fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt worden. Für die Zukunft werde dementsprechend die Beachtung der neuen Rechtslage zugesichert.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist insbesondere statthaft. Nach § 143 SGG findet gegen Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Die Klage, mit der ursprünglich die Aufhebung eines EGVA begehrt wurde, betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2015 - L 7 AS 1560/15 B ER), so dass der wirtschaftliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht maßgeblich ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.02.2016 - L 19 AS 1536/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2016 - L 2 AS 2110/15 B; LSG Hessen, Urteil vom 22.05.2015 - L 7 AS 396/13). Auch wenn einzige Rechtsfolge einer Nichtbeachtung der mit EGVA auferlegten Verpflichtungen der Eintritt von Sanktionen sein kann, so liegt sein Zweck dennoch primär in der Festschreibung beidseitiger Verpflichtungen. Im Interesse der Eingliederung in Arbeit zielt er auf deren Erfüllung und gerade nicht darauf ab, die Grundlage für mögliche Minderungen des Leistungsanspruchs bei Pflichtverletzungen zu bieten.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand war ursprünglich der Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016. Da dieser Zeitraum während des Berufungsverfahrens abgelaufen ist, besteht für eine Anfechtungsklage auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes kein Raum mehr.
Richtige Klageart ist aufgrund des Zeitablaufs die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs.1 S. 3 SGG. Der Kläger hat seinen ursprünglichen Klageantrag im Rahmen des Berufungsverfahrens entsprechend umgestellt.
Die Zulässigkeit des nun vom Kläger verfolgten Fortsetzungsfeststellungsantrags richtet sich nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Hiernach kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Insoweit ist festzustellen, dass sich der angefochtene Eingliederungsverwaltungsakt durch Zeitablauf i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat und keine Regelungswirkung mehr entfaltet (vgl. BSG, Urteile vom 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R -, BSGE 113, 70 und vom 15.06.2016 - B 4 AS 45/15 R -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 16).
Das nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG erforderliche Interesse ist ebenso wie das berechtigte Interesse bei § 55 Abs. 1 SGG eine Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses. Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse kommt in Betracht als Rehabilitationsinteresse (bei Entscheidungen mit diskriminierender, die Menschenwürde bzw. Persönlichkeitsrechte oder das Ansehen erheblich beeinträchtigender Wirkung, gegebenenfalls auch bei Verletzung von Grundrechten), bei Wiederholungsgefahr sowie bei Präjudiziabilität, d.h., wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, vor allem zur Durchsetzung von Folgeansprüchen wie Schadensersatzansprüchen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 131 Rn. 10a m.w.N.). Zur Darlegung des Feststellungsinteresses reicht es zwar aus, wenn der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass hohe Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R -, SozR 4-1500 § 131 Nr. 3; Keller, a.a.O., § 131 Rn. 10 m.w.N.). Jedoch sind vom Rechtsuchenden naturgemäß die Umstände darzulegen, die sein Feststellungsinteresse begründen, weil nur er selbst dazu in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1996 - 7 KlAr 1/95 -, BSGE 79, 71). Der Kläger hat nach diesem Maßstab kein berechtigtes Interesse dargelegt.
Zum einen besteht keine Wiederholungsgefahr mehr. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 4 AS 195/11 R -, BSGE 113, 70 m.w.N.). Ist dies der Fall, können durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit Verfahrensergebnisse gesichert und Folgeprozesse vermieden werden (BSG, Urteil vom 12.09.2012 - B 3 KR 17/11 R).
Der Kläger hat hier im Hinblick auf eine mögliche Wiederholungsgefahr kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes mehr, da ein solches mögliches Interesse hier nach Einlegung der Berufung entfallen ist (vgl. hierzu LSG NRW Urteil vom 12.12.2016, L 19 AS 1352/16). Noch vor der Berufungseinlegung am 25.10.2016 und vor der Entscheidung des Senats (vgl. zum Beurteilungszeitpunkt bei der Prüfung des Feststellungsinteresses LSG NRW Urteil vom 12.12.2016, L 19 AS 1352/16 Rz 26) hat sich die Rechtslage wesentlich geändert, so dass Wiederholungsgefahr schon deshalb nicht mehr besteht, weil kein inhaltgleicher Eingliederungsverwaltungsakt mehr erlassen werden kann.
Denn mit der Neufassung des § 15 SGB II durch das Gesetz vom 26.07.2016, in Kraft getreten zum 01.08.2016 (InsoAntrAussG/SGB2ÄndG 9 vom 26.07.2016, BGBl I 2016, 1824 (2718); Berlit, info also 2016, 195ff.; 197; Becker, SGb 11.16, 607ff., 610) sind die Voraussetzungen und der zeitliche Umfang einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsaktes geändert worden. Das Gesetz verpflichtet den Leistungsträger nun, vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung bzw. des Erlasses eines Eingliederungsverwaltungsaktes eine Potenzialanalyse durchzuführen (§ 15 Abs. 2 S. 1 SGB II, BT-Drs. 18/8041 S. 37; vgl. hierzu BSG Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 42/15 R), deren Ergebnisse erst die Grundlage der in einer Eingliederungsvereinbarung bzw. bei einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegten Obliegenheiten bzw. Pflichten bilden können (vgl. BT-Drs. 18/8041 S. 37; Ziffer 15.3 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 15 SGB II, Fassung 20.10.2016, wonach gemeinsam mit der erwerbsfähigen leistungsberichtigten Person nach der Potenzialanalyse die konkreten Schritte zur Integration in Arbeit (Integrationsstrategie) zu erörtern und diese Schritte in die Eingliederungsvereinbarung aufzunehmen sind).
Des Weiteren ist mit der Rechtsänderung die Begrenzung des Zeitraumes entfallen, für den eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen ist (§ 15 Abs. 3 SGB II a.F.; Becker, a.a.O., 607; Ziffer 15.31 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 15 SGB II). Das Gesetz schreibt nun die regelmäßige, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten durchzuführende Überprüfung und Fortschreibung einer Eingliederungsvereinbarung vor, (§ 15 Abs. 3 S.1 SGB II).
Der Beklagte hätte die ab 1.8.2016 geltende Rechtslage zwar im Rahmen seines Widerspruchsbescheides - ebenso wie das Sozialgericht bei seinen in allen Punkten unzureichenden Ausführungen, vor allem, was den pauschalen Verweis in den Urteilsgründen nach § 136 Abs. 3 SGG auf den nicht der geänderten Rechtslage entsprechenden Widerspruchsbescheid anbetrifft - schon berücksichtigen müssen, dies aber nicht getan. Dementsprechend hätte das Sozialgericht der Anfechtungsklage nach der damaligen prozessualen Lage stattgeben müssen. Nachdem der Beklagte jedoch inzwischen mit Schreiben vom 24.03.2017 nachvollziehbar dargelegt hat, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides lediglich aufgrund des Verwaltungsablaufs die neue Rechtslage noch nicht berücksichtigt worden ist, aber künftig auch im Verhältnis zum Kläger das neue Recht angewendet wird - was offensichtlich mit einem Profiling des Klägers inzwischen erfolgt - , ist keine Wiederholungsgefahr ersichtlich.
Präjudiziabilität im Verhältnis zu anderen zu klärenden Rechtsverhältnissen ist nicht gegeben. Sanktionen sind durch den Beklagten aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes nicht erfolgt.
Für ein das Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründendes Rehabilitationsinteresse bestehen keine Anhaltspunkte; hierzu wurde auch nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren in der ersten Instanz mit seiner Anfechtungsklage Erfolg hätte haben müssen und die insoweit auch in der Berufungsinstanz noch erfolgversprechende Berufung in Form der Anfechtungsklage sich erst im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erledigt hat und die nunmehr allein statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage wie dargelegt erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten zu 3/4 zu tragen.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsakts für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016.
Der Kläger bezieht vom Beklagten laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Beteiligten schlossen zuletzt eine Eingliederungsvereinbarung mit Gültigkeitsdauer bis zum 04.07.2015 ab.
Am 24.05.2016 versuchte der Beklagte erneut eine Einigung mit dem Kläger über eine Eingliederungsvereinbarung, die der Kläger letztlich nicht unterschrieb und an den Beklagte zurücksandte. Daraufhin erließ der Beklagte einen Eingliederungsverwaltungsakt mit Datum vom 03.06.2016 für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016. Im Wesentlichen wurde darin geregelt, dass der Kläger monatlich mindestens vier Bewerbungen vorzuweisen, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge des Beklagten zu bewerben und Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen spätestens am dritten Tag vorzulegen habe. Im Gegenzug verpflichtete sich der Beklagte, Vermittlungsvorschläge zu unterbreiten und dem Kläger pro Bewerbung pauschal drei Euro zu erstatten.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01.08.2016 zurück. Der Kläger werde nicht in seinen Rechten, insbesondere - wie vom Kläger geltend gemacht - in seinen Grundrechten verletzt. Er sei als Leistungsempfänger verpflichtet, Arbeit anzunehmen. Die dem Kläger auferlegten Pflichten seien allesamt rechtmäßig.
Hiergegen erhob der Kläger am 01.09.2016 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Die Eingliederungsvereinbarung sei ihm vorgefertigt als "unverhandelbares Eingliederungsdiktat" vorgelegt worden.
Mit Urteil vom 10.10.2016 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid als unbegründet ab. Die Anfechtungsklage sei zwar zulässig, aber unbegründet, da der Eingliederungsverwaltungsakt rechtmäßig sei.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt. Durch den Eingliederungsverwaltungsakt werde er in seinen Grundrechten eingeschränkt. Auch sei eine pauschale Vergütung von drei Euro pro Bewerbung zu niedrig.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 01.03.2017 wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt sich durch Zeitablauf erledigt hat und ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse dargelegt werden müsse.
Der Kläger und Berufungskläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 10.10.2016 aufzuheben und festzustellen, dass der Eingliederungsverwaltungsakt des Beklagten vom 03.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.08.2016 rechtswidrig war.
Der Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bestehe nicht. Es seien keine Sanktionen aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes verhängt worden.
Mit Schreiben vom 24.03.2017 teilte der Bg mit, dass derzeit an einem Profiling des Klägers entsprechend der neuen Rechtslage gearbeitet werde. Bei Erlass des Widerspruchsbescheids am 01.08.2016 sei der zuständigen Sachbearbeiterin die neue Rechtlage noch nicht bekannt gewesen. Inzwischen sei die neue Rechtslage durch neue, grundlegend überarbeitete fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit umgesetzt worden. Für die Zukunft werde dementsprechend die Beachtung der neuen Rechtslage zugesichert.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufung ist insbesondere statthaft. Nach § 143 SGG findet gegen Urteile der Sozialgerichte die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den folgenden Vorschriften nichts anderes ergibt. Gemäß § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 Euro nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs. 1 S. 2 SGG). Die Klage, mit der ursprünglich die Aufhebung eines EGVA begehrt wurde, betrifft keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.11.2015 - L 7 AS 1560/15 B ER), so dass der wirtschaftliche Wert des Beschwerdegegenstandes nicht maßgeblich ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.02.2016 - L 19 AS 1536/15; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 16.03.2016 - L 2 AS 2110/15 B; LSG Hessen, Urteil vom 22.05.2015 - L 7 AS 396/13). Auch wenn einzige Rechtsfolge einer Nichtbeachtung der mit EGVA auferlegten Verpflichtungen der Eintritt von Sanktionen sein kann, so liegt sein Zweck dennoch primär in der Festschreibung beidseitiger Verpflichtungen. Im Interesse der Eingliederung in Arbeit zielt er auf deren Erfüllung und gerade nicht darauf ab, die Grundlage für mögliche Minderungen des Leistungsanspruchs bei Pflichtverletzungen zu bieten.
Die Berufung ist jedoch unbegründet.
Streitgegenstand war ursprünglich der Eingliederungsverwaltungsakt vom 03.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.08.2016 für den Zeitraum vom 03.06.2016 bis 02.12.2016. Da dieser Zeitraum während des Berufungsverfahrens abgelaufen ist, besteht für eine Anfechtungsklage auf Aufhebung dieses Verwaltungsaktes kein Raum mehr.
Richtige Klageart ist aufgrund des Zeitablaufs die Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs.1 S. 3 SGG. Der Kläger hat seinen ursprünglichen Klageantrag im Rahmen des Berufungsverfahrens entsprechend umgestellt.
Die Zulässigkeit des nun vom Kläger verfolgten Fortsetzungsfeststellungsantrags richtet sich nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG. Hiernach kann die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines zurückgenommenen oder auf andere Weise erledigten Verwaltungsaktes begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Insoweit ist festzustellen, dass sich der angefochtene Eingliederungsverwaltungsakt durch Zeitablauf i.S.v. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt hat und keine Regelungswirkung mehr entfaltet (vgl. BSG, Urteile vom 14.02.2013 - B 14 AS 195/11 R -, BSGE 113, 70 und vom 15.06.2016 - B 4 AS 45/15 R -, SozR 4-1500 § 55 Nr. 16).
Das nach § 131 Abs. 1 S. 3 SGG erforderliche Interesse ist ebenso wie das berechtigte Interesse bei § 55 Abs. 1 SGG eine Sonderform des Rechtsschutzbedürfnisses. Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse kommt in Betracht als Rehabilitationsinteresse (bei Entscheidungen mit diskriminierender, die Menschenwürde bzw. Persönlichkeitsrechte oder das Ansehen erheblich beeinträchtigender Wirkung, gegebenenfalls auch bei Verletzung von Grundrechten), bei Wiederholungsgefahr sowie bei Präjudiziabilität, d.h., wenn die Entscheidung in einem anderen streitigen Rechtsverhältnis bedeutsam sein kann, vor allem zur Durchsetzung von Folgeansprüchen wie Schadensersatzansprüchen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 131 Rn. 10a m.w.N.). Zur Darlegung des Feststellungsinteresses reicht es zwar aus, wenn der Kläger entsprechende Tatsachen vorträgt, ohne dass hohe Anforderungen an die Substantiierungspflicht zu stellen sind (vgl. BSG, Urteil vom 28.08.2007 - B 7/7a AL 16/06 R -, SozR 4-1500 § 131 Nr. 3; Keller, a.a.O., § 131 Rn. 10 m.w.N.). Jedoch sind vom Rechtsuchenden naturgemäß die Umstände darzulegen, die sein Feststellungsinteresse begründen, weil nur er selbst dazu in der Lage ist (vgl. BSG, Urteil vom 24.07.1996 - 7 KlAr 1/95 -, BSGE 79, 71). Der Kläger hat nach diesem Maßstab kein berechtigtes Interesse dargelegt.
Zum einen besteht keine Wiederholungsgefahr mehr. Wiederholungsgefahr ist anzunehmen, wenn die hinreichend bestimmte (konkrete) Gefahr besteht, dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen eine gleichartige Entscheidung ergeht (BSG, Urteil vom 14.02.2013 - B 4 AS 195/11 R -, BSGE 113, 70 m.w.N.). Ist dies der Fall, können durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit Verfahrensergebnisse gesichert und Folgeprozesse vermieden werden (BSG, Urteil vom 12.09.2012 - B 3 KR 17/11 R).
Der Kläger hat hier im Hinblick auf eine mögliche Wiederholungsgefahr kein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes mehr, da ein solches mögliches Interesse hier nach Einlegung der Berufung entfallen ist (vgl. hierzu LSG NRW Urteil vom 12.12.2016, L 19 AS 1352/16). Noch vor der Berufungseinlegung am 25.10.2016 und vor der Entscheidung des Senats (vgl. zum Beurteilungszeitpunkt bei der Prüfung des Feststellungsinteresses LSG NRW Urteil vom 12.12.2016, L 19 AS 1352/16 Rz 26) hat sich die Rechtslage wesentlich geändert, so dass Wiederholungsgefahr schon deshalb nicht mehr besteht, weil kein inhaltgleicher Eingliederungsverwaltungsakt mehr erlassen werden kann.
Denn mit der Neufassung des § 15 SGB II durch das Gesetz vom 26.07.2016, in Kraft getreten zum 01.08.2016 (InsoAntrAussG/SGB2ÄndG 9 vom 26.07.2016, BGBl I 2016, 1824 (2718); Berlit, info also 2016, 195ff.; 197; Becker, SGb 11.16, 607ff., 610) sind die Voraussetzungen und der zeitliche Umfang einer Eingliederungsvereinbarung bzw. eines Eingliederungsverwaltungsaktes geändert worden. Das Gesetz verpflichtet den Leistungsträger nun, vor Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung bzw. des Erlasses eines Eingliederungsverwaltungsaktes eine Potenzialanalyse durchzuführen (§ 15 Abs. 2 S. 1 SGB II, BT-Drs. 18/8041 S. 37; vgl. hierzu BSG Urteil vom 23.06.2016 - B 14 AS 42/15 R), deren Ergebnisse erst die Grundlage der in einer Eingliederungsvereinbarung bzw. bei einem Eingliederungsverwaltungsakt festgelegten Obliegenheiten bzw. Pflichten bilden können (vgl. BT-Drs. 18/8041 S. 37; Ziffer 15.3 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 15 SGB II, Fassung 20.10.2016, wonach gemeinsam mit der erwerbsfähigen leistungsberichtigten Person nach der Potenzialanalyse die konkreten Schritte zur Integration in Arbeit (Integrationsstrategie) zu erörtern und diese Schritte in die Eingliederungsvereinbarung aufzunehmen sind).
Des Weiteren ist mit der Rechtsänderung die Begrenzung des Zeitraumes entfallen, für den eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen ist (§ 15 Abs. 3 SGB II a.F.; Becker, a.a.O., 607; Ziffer 15.31 der Fachlichen Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zu § 15 SGB II). Das Gesetz schreibt nun die regelmäßige, spätestens nach Ablauf von sechs Monaten durchzuführende Überprüfung und Fortschreibung einer Eingliederungsvereinbarung vor, (§ 15 Abs. 3 S.1 SGB II).
Der Beklagte hätte die ab 1.8.2016 geltende Rechtslage zwar im Rahmen seines Widerspruchsbescheides - ebenso wie das Sozialgericht bei seinen in allen Punkten unzureichenden Ausführungen, vor allem, was den pauschalen Verweis in den Urteilsgründen nach § 136 Abs. 3 SGG auf den nicht der geänderten Rechtslage entsprechenden Widerspruchsbescheid anbetrifft - schon berücksichtigen müssen, dies aber nicht getan. Dementsprechend hätte das Sozialgericht der Anfechtungsklage nach der damaligen prozessualen Lage stattgeben müssen. Nachdem der Beklagte jedoch inzwischen mit Schreiben vom 24.03.2017 nachvollziehbar dargelegt hat, dass zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides lediglich aufgrund des Verwaltungsablaufs die neue Rechtslage noch nicht berücksichtigt worden ist, aber künftig auch im Verhältnis zum Kläger das neue Recht angewendet wird - was offensichtlich mit einem Profiling des Klägers inzwischen erfolgt - , ist keine Wiederholungsgefahr ersichtlich.
Präjudiziabilität im Verhältnis zu anderen zu klärenden Rechtsverhältnissen ist nicht gegeben. Sanktionen sind durch den Beklagten aufgrund des Eingliederungsverwaltungsaktes nicht erfolgt.
Für ein das Fortsetzungsfeststellungsinteresse begründendes Rehabilitationsinteresse bestehen keine Anhaltspunkte; hierzu wurde auch nichts vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und der Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren in der ersten Instanz mit seiner Anfechtungsklage Erfolg hätte haben müssen und die insoweit auch in der Berufungsinstanz noch erfolgversprechende Berufung in Form der Anfechtungsklage sich erst im Laufe des Berufungsverfahrens durch Zeitablauf erledigt hat und die nunmehr allein statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage wie dargelegt erfolglos blieb.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
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