L 6 AS 380/17 B ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 47 AS 5327/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 380/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 07.02.2017 geändert. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, auch der Antragstellerin zu 2) für die Zeit vom 02.12.2016 bis zum 31.03.2017, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II durch Gewährung des Regelbedarfes unter Anrechnung des Einkommens des Antragstellers zu 1) aus geringfügiger Beschäftigung sowie des Kindergeldes in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Der Antragsgegner trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2) in beiden Rechtszügen zu 2/3. Im Übrigen verbleibt es bei der Kostenregelung im Beschluss des SG. Der Antragstellerin zu 2) wird ab 26.06.2017 ratenfreie Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt I, F, bewilligt. Für die Antragsteller zu 1), 3) und 4) wird der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren abgelehnt.

Gründe:

I.

Die am 00.00.1983 geborene Antragstellerin zu 2) begehrt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens noch Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe des Regelbedarfs im Wege vorläufigen Rechtsschutzes. Sie ist bulgarische Staatsangehörige ebenso wie ihr nicht mit ihr verheirateter Lebensgefährte, der 1984 geborene Antragsteller zu 1), und ihre gemeinsamen Kinder, die 2004 und 2006 geborenen Antragsteller zu 3) und 4).

Laut Meldebescheinigung der Stadt L hält sich die Antragstellerin zu 2) seit Januar 2015 in Deutschland auf. Die Antragsteller zu 3) und 4) besuchen eine allgemeinbildende Schule. Bis zum 30.09.2016 bezogen die Antragsteller Leistungen nach dem SGB II. Der Antragsteller zu 1) übte nacheinander mehrere geringfügige Beschäftigungen aus. Vom 26.08.2016 bis zum 31.12.2016 arbeitet er aufgrund befristeter Arbeitsverträge als Zeitungsausträger. Seit dem 01.02.2017 arbeitet er als Bauhelfer 14 Stunden wöchentlich zu einem Bruttolohn von 500 Euro monatlich.

Im August 2016 beantragten die Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen für die Zeit ab 01.10.2016. Mit Bescheid vom 24.10.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 25.11.2016 lehnte der Antragsgegner den Antrag ab. Die Antragsteller zu 1) und 2) und damit auch die Antragsteller zu 3) und 4) seien von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, weil sich ihr Aufenthaltsrecht lediglich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe.

Am 02.12.2016 haben die Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt. Die Voraussetzungen für die vorläufige Leistungserbringung lägen vor. Der Antragsteller zu 1) sei freizügigkeitsberechtigt. Art und Umfang der ausgeübten Beschäftigung stünden insoweit der Annahme eines tatsächlichen Beschäftigungsverhältnisses i. S. d. Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Auch nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses am 31.12.2016 wirke der Arbeitnehmerstatus nach. Das Aufenthaltsrecht der Antragsteller zu 3) und 4) ergebe sich auch aus Art. 10 der Verordnung 492/11 des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU (ABI. L141 v. 27.05.2011, S. 1, nachfolgend: "VO 492/11")).

Die Antragsteller haben beim SG beantragt,

den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, ihnen vorläufig für die Zeit vom 02.12.2016 bis 31.03.2017 Leistungen nach dem SGB II, einschließlich Unterkunftskosten, zu zahlen.

Der Antragsgegner hat beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Die Tätigkeit des Antragstellers zu 1) als Zeitungsausträger sei nicht als Arbeitnehmertätigkeit anzusehen. Sein Aufenthaltsrecht ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Er sei deshalb nach § 7 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Damit seien auch die Antragsteller zu 3) und 4) als Familienangehörige ausgeschlossen. Ein eigenes Aufenthaltsrecht aufgrund von Art. 10 VO 492/11 bestehe für sie nicht. Deshalb könne auch für die Antragstellerin zu 2) hieraus kein Aufenthaltsrecht abgeleitet werden. Dies sei mittlerweile ausdrücklich in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelt.

Das SG hat durch Beschluss vom 07.02.2017 den Antragsgegner verpflichtet, den Antragstellern zu 1) und zu 3) und 4) für den Zeitraum vom 02.12.2016 bis zum 31.03.2017, vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II durch Gewährung des Regelbedarfes in gesetzlicher Höhe zu gewähren. Die Antragsteller zu 1) und zu 3) und 4) hätten einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der Antragsteller zu 1) sei nicht gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II von Leistungen ausgeschlossen. Er sei im Oktober und November 2016 als Arbeitnehmer tätig gewesen und habe deshalb ein Aufenthaltsrecht, das sechs Monate also bis zum 31.03.2017 fortwirke.

Im Hinblick auf die Antragstellerin zu 2) hat das SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Sie habe einen Anordnungsanspruch auf SGB II- Leistungen nicht glaubhaft gemacht. Sie sei gem. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von den SGB II-Leistungen ausgeschlossen, da sie sich derzeit allein zum Zweck der Arbeitssuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Da sie nicht mit dem Antragsteller zu 1) verheiratet ist, sei sie auch nicht als Familienangehörige nach § 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt. Zu den Familienangehörigen zählten neben den Ehegatten eines Unionsbürgers (Art. 2 Nr. 2 lit. a) Freizügigkeits-Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 29.04.2004 (ABI. v. 30.04.2004, L 158/77, nachfolgend: "RL 2004/28 EG")) auch der - gleichgeschlechtliche - Lebenspartner (Art. 2 Nr. 2 lit. b) RL 2004/38/EG). Eine nichteheliche Lebensgemeinschaft von Mann und Frau falle nicht darunter. Auch sei sie einer Ehe rechtlich nicht gleichgestellt (Frenz/Kühl in ZESAR 2007, 315-325). Nichteheliche Lebenspartner seien daher keine Familienangehörigen i.S.v. § 3 FreizügG/EU (Brinkmann, Huber, AufenthaltsG, 2. Aufl. 2016, § 3 FreizügG/EU Rn. 9).

Ob der Antragstellerin zu 2) ein Aufenthaltsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU zustehe, sei offen. Das käme zwar in Betracht für den sorgeberechtigten Elternteil von Kindern, die sich in der Schulausbildung bzw. Ausbildung befinden. Das eigenständige Aufenthaltsrecht beziehe sich auf Art. 10 der Verordnung 492/11 des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU (ABI. L141 v. 27.05.2011, S. 1, nachfolgend: "VO 492/11")). Das ausbildungsbezogene Aufenthaltsrecht der Kinder bestehe auch unabhängig von den Voraussetzungen der RL 2004/38/EG. Insbesondere müssten diese Kinder und der sorgeberechtigte Elternteil nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (vgl. EuGH Urteil vom 23.02.2010 (Texeira) C-480/08, zur inhaltsgleichen Regelung des Art. 12 Verordnung Nr. 1612/68 vom 15.10.1968). Zusammen mit dem in der Ausbildung befindlichen Kind habe der sorgeberechtigte Elternteil ein von diesem abgeleitetes Aufenthaltsrecht, auch wenn das auf den Freizügigkeitsregelungen beruhende eigene Aufenthaltsrecht des Elternteils bereits nicht mehr bestehe (vgl. BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - juris).

Selbst wenn ihr ein solches Freizügigkeitsrecht nach § 3 Abs. 4 FreizügG/EU zustehen solle, wovon bei summarischer Prüfung auszugehen sei, könne sich die Antragstellerin zu 2) nicht darauf berufen. Denn hier greife der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 c) SGB II in der seit dem 29.12.2016 geltenden Fassung ein, wonach Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der VO 492/2011, durch Verordnung (EU) 2016/589 (ABI. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert, ableiten, von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen seien. Anhaltspunkte für ein anderes Aufenthaltsrecht im Sinne des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) seien ebenfalls nicht ersichtlich oder vorgebracht. Der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II nF sei auch nicht europarechtswidrig. Dies folge zum Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bereits aus den Vorgaben in den Entscheidungen des EUGH vom 11.11.2014 (C-333/13 Dano) und vom 15.09.2015 (C-67/14 Alimanovic).

Im Übrigen hat das SG den Antrag abgelehnt. Hinsichtlich der geltend gemachten Unterkunftskosten bestehe kein Anordnungsgrund. Die Antragsteller hätten eine unmittelbar drohende Wohnungs- bzw Obdachlosigkeit weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Am 21.02.2017 haben die Antragsteller Beschwerde dagegen eingelegt und zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des SG sei auch die Antragstellerin zu 2) anspruchsberechtigt. Die Bedürftigkeit liege vor. Sie sei zwar keine Arbeitnehmerin, könne jedoch SGB II-Leistungen als Elternteil ihrer schulpflichtigen Kinder erhalten. Der neu eingeführte Leistungsausschluss für arbeitsuchende Unionsbürger mit minderjährigen schulpflichtigen Kindern, die ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 ableiteten, verstoße gegen Europarecht. Aus dem Aufenthaltsrecht der Kinder leite sich nach EU-Recht ein Aufenthaltsrecht der sorgeberechtigten Antragstellerin zu 2) ab, auch wenn sie nicht erwerbstätig sei. Der Antragsgegner sei verpflichtet, auch ihr SGB II-Leistungen vorläufig zu erbringen. Zudem seien für die Antragsteller zu 1), 3) und 4) auch vorläufig die Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen. Die Wohnung sei am 16.02.2017 gekündigt worden. Der Vermieter sei aber bereit das Mietverhältnis fortzusetzten, wenn die rückständige Miete gezahlt werde. Nach Erlass der Bescheide vom 07.03.2017 (vorläufige Bewilligung von Regelbedarf für die Antragsteller zu 1), 3) und 4) für die Zeit vom 01.02.2017 bis zum 31.07.2017 und Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Februar und März 2017) und vom 13.04.2017 (Bewilligung von Kosten der Unterkunft und Heizung auch für die Zeit vom April bis Juli 2017) haben die Antragsteller die Beschwerde hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung zurückgenommen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß noch,

den Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 07.02.2017 zu ändern und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin zu 2) ab Eingang des Antrages beim SG bis 31.03.2017 Regelleistungen nach dem SGB II vorläufig zu erbringen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der angefochtene Beschluss des SG vom 07.02.2017 sei in Bezug auf die Antragstellerin nicht abzuändern. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung für die Antragsteller zu 1), 3) und 4) seien die Bescheide vom 07.03.2017 und vom 13.04.2017 ergangen. Die Beschwerdeführer hätten insofern das vorliegende Verfahren als Ersatz für das Verwaltungsverfahren genutzt. Es sei zunächst unklar gewesen, ob das Mietverhältnis fortgesetzt würde. Die hierfür notwendigen Unterlagen hätten im Verwaltungsverfahren vorgelegt werden können. Ein Anordnungsgrund sei aufgrund der Fortführung des Mietverhältnisses hinsichtlich der Kosten der Unterkunft nicht ersichtlich.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts-und der Verwaltungsakte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Die allein noch zu entscheidende Beschwerde der Antragstellerin zu 2) ist begründet. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist auch bezogen auf die Antragstellerin zu 2) zulässig und begründet. Der Antragsgegner ist verpflichtet, vorläufige Leistungen nach dem SGB II (Regelbedarf) auch an diese zu zahlen.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Die Glaubhaftmachung bezieht sich auf die reduzierte Prüfungsdichte und die nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit erfordernde Überzeugungsgewissheit für die tatsächlichen Voraussetzungen des Anordnungsanspruchs und des Anordnungsgrundes im summarischen Verfahren (BVerfG Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03 - NVwZ 2004, 95, 96). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden. Die grundrechtlichen Belange der Antragsteller sind dabei umfassend in die Abwägung einzustellen (BVerfG Beschluss vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - NVwZ 2005, 927ff).

Hier hat die Antragstellerin zu 2) den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund ab Stellung des Eilantrages beim SG am 02.12.2017 bis zum 31.03.2017 glaubhaft gemacht.

Die Voraussetzungen des Leistungsanspruchs zu Alter, Erwerbsfähigkeit, gewöhnlichem Aufenthalt und Hilfebedürftigkeit (§§ 7 Abs. 1 S. 1, 9 SGB II) sind gegeben.

Entgegen der Meinung des SG ist die Antragstellerin zu 2) nicht von SGB II-Leistungen ausgeschlossen.

Der hier in Betracht kommende, ab 29.12.2016 geltende und durch Gesetz vom 22.12.2016, BGBl I 2016, 3155, neugefasste Leistungsausschluss gem. § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II (nF) greift nicht ein (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW -, Beschluss vom 12.07.2017 - L 12 AS 596/17 B ER - juris Rn. 24). Nach dieser Norm sind Ausländerinnen und Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und solche Ausländer, die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b) aus Art. 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist (VO 492/2011), ableiten, sowie deren Familienangehörigen aus dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II ausgeschlossen.

Das Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 2) ergibt sich hier nicht aus dem Zweck der Arbeitsuche. Ihr steht aus Art. 10 VO 492/2011 ein anderes, abgeleitetes Aufenthaltsrecht zur Seite. Das eigenständige Aufenthaltsrecht bezieht sich wiederum auf Art. 10 der Verordnung 492/11 des Europäischen Parlamentes und des Europäischen Rates vom 05.04.2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der EU (ABI. L141 v. 27.05.2011, S. 1, VO 492/11). Das ausbildungsbezogene Aufenthaltsrecht der Kinder besteht unabhängig von den Voraussetzungen der RL 2004/38/EG. Insbesondere müssen die Kinder und der sorgeberechtigte Elternteil nicht über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen (vgl. EuGH, Urteil vom 23.02.2010 (Texeira) C-480/08, zur Vorgängerregelung Art. 12 VO. 1612/68 vom 15.10.1968). Zusammen mit dem in der Ausbildung befindlichen Kind hat der sorgeberechtigte Elternteil ein von diesem abgeleitetes Aufenthaltsrecht, auch wenn ein auf den Freizügigkeitsregelungen beruhendes eigenes Aufenthaltsrecht des Elternteils nicht (mehr) besteht (vgl. BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R -).

Das historisch an die Arbeitnehmerfreizügigkeit und die Schaffung bestmöglicher Bedingungen für die Integration der Familie des Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat anknüpfende Ausbildungsrecht gem. Art. 10 VO 492/2011 verlangt, dass dieses Kind "in Ausbildung" mit seinen Eltern oder einem Elternteil in einem Mitgliedstaat in der Zeit lebte, in der dort zumindest ein Elternteil als Arbeitnehmer wohnte. Der Erwerb des Ausbildungsrechts ist an den Status als Kind eines Arbeitnehmers gebunden (vgl. BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - Rn. 29, 30 mwN). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH impliziert das Ausbildungsrecht aus Art. 10 VO Nr. 492/2011 gleichzeitig ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der sich weiterhin in Ausbildung befindlichen Kinder, das grundsätzlich bis zum Abschluss der Ausbildung und insbesondere besteht, solange sie tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert sind. Soweit und solange die regelmäßig minderjährigen Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art. 10 VO (EU) Nr. 492/2011 dabei weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge des Elternteils bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können, besteht darüber hinaus in gleicher Weise für den Elternteil, der die elterliche Sorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ein abgeleitetes Recht auf Aufenthalt aus Art. 10 VO Nr. 492/2011 (siehe Sächsisches LSG Beschluss vom 21.10. 2016 - L 7 AS 973/16 B ER - juris Rn. 33, vgl. auch bereits BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - juris Rn. 31, 32).

Die Familie der Antragsteller ist seit dem 15.10.2015 in E gemeldet. In der Zeit vom 01.02.2016 bis zum 30.04.2016 und jedenfalls im Oktober und November 2016 war der Kläger als Arbeitnehmer beschäftigt. Dabei handelte es sich um Beschäftigungen im Sinne von Art. 10 VO Nr. 492/2011. Der Schulbesuch der Kinder, welcher mangels anderweitiger Anhaltspunkte mit den Schulbescheinigungen glaubhaft gemacht wurde und auch regelmäßig gewesen sein dürfte, bedingt das damit verbundene Ausbildungsrecht der Antragsteller zu 3) und 4) und deren eigenes (autonomes) Aufenthaltsrecht nach Art. 10 VO Nr. 492/2011. Die Ausbildung der Kinder und die Arbeitnehmereigenschaft des Antragstellers zu 1) als Elternteil hat damit als notwendige, aber auch ausreichende Bedingung zumindest zum Teil im Sinne einer auch zeitlichen Überschneidung gleichzeitig vorgelegen (ebenso SG Kiel Beschluss vom 13.01.2017 - S 31 AS 321/16 ER - juris; bestätigt von Schleswig-Holsteinisches LSG Beschluss vom 17.02.2017 - L 6 AS 11/17 B ER - juris).

Mit der o.g. Rechtsprechung des EuGH besteht das eigenständige Aufenthaltsrecht - unabhängig vom Status der Eltern - nämlich bis zum Abschluss der Ausbildung und insbesondere solange fort, wie die Kinder tatsächlich im Aufnahmemitgliedstaat in das Schulsystem eingegliedert sind. Auch der Antragstellerin zu 2), die nicht erwerbstätig ist steht damit jedenfalls das abgeleitete Aufenthaltsrecht als Elternteil zu. Dies gilt, solange die Antragsteller zu 3) und 4) als minderjährige Kinder eines Arbeitnehmers oder ehemaligen Arbeitnehmers für die Wahrnehmung ihrer Ausbildungsrechte aus Art. 10 VO Nr. 492/2011 weiterhin der Anwesenheit und der Fürsorge der Eltern bedürfen, um ihre Ausbildung fortsetzen und abschließen zu können. Da die Antragstellerin zu 2) die elterliche Sorge für die Kinder mangels anderslautender Anhaltspunkte auch tatsächlich wahrnimmt, hat sie das abgeleitete Recht auf Aufenthalt aus Art. 10 VO Nr. 492/2011. Denn anderenfalls könnte mit der Rechtsprechung des BSG und EuGH die Versagung der Möglichkeit für die Eltern, während der Ausbildung ihrer Kinder im Aufnahmemitgliedstaat zu bleiben, geeignet sein, den Kindern ein ihnen vom Unionsgesetzgeber zuerkanntes Recht zu nehmen (BSG Urteil vom 03.12.2015 - B 4 AS 43/15 R - juris Rn. 31 f. mwN; vgl. ebenso LSG NRW Beschluss vom 12. 07.2017 - L 12 AS 596/17 B ER - juris Rn. 33; vgl. auch EuGH Urteil vom 23.02.2010 (Texeira) C-480/08).

Nach alledem kann sich hier sowohl der Antragsteller zu 1) als Vater der in Schulausbildung befindlichen o.g. Kinder als auch die Antragstellerin zu 2) als Kindesmutter jedenfalls auf das aus Art. 10 der VO (EG) Nr. 492/2011 abgeleitete Aufenthaltsrecht wegen der Anwesenheit und der Fürsorge als sorgeberechtigte und sorgeausübende Eltern der Antragstellerinnen zu 3) und 4) berufen. Das aus Art. 10 VO 492/11/EU abgeleitete Aufenthaltsrecht eines sorgeberechtigten Elternteils endet im Übrigen u.a. erst dann, wenn der Verlust seines Aufenthaltsrechts nach den Vorschriften des FreizügG/EU festgestellt wird, wobei für Letzteres ausschließlich die Ausländerbehörden zuständig sind (LSG NRW Beschluss vom 27.01.2016 - L 19 AS 29/16 B ER - juris Rn. 33). Dies gilt auch für die Zeit vom 02.12.2016 bis zum Inkrafttreten des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II n.F. am 29.12.2016.

Sind die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II nF erfüllt, entfaltet der Leistungsausschluss wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Sozialrechts keine Wirkung (vgl. auch LSG NRW Urteil vom 28.11.2013 - L 6 AS 130/13). Hier folgt dies aus dem Verstoß der Vorschrift gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 VO (EG) 883/2004). Der Antragsgegner ist zur Leistungsgewährung verpflichtet.

Der Leistungsausschluss verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 4 der Verordnung (EG) 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) 883/2004) und ist nicht durch die Möglichkeiten, den Zugang zu nationalen System der Sozialhilfe auch für Unionsbürger zu beschränken, abgedeckt (vgl. Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (sog. Unionsbürgerrichtlinie (URL)).

Die Verordnung (EG) 883/2004, die die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14.06.1971 über die Anwendung der sozialen System der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, ersetzt, ist am 01.05.2010 in Kraft getreten (s. Art. 91 VO (EG) 883/2004 in Verbindung mit der DurchführungsVO (EG) 987/2009). Sie ist gemäß Art. 288 AEUV allgemein verbindlich und gilt in jedem Mitgliedstaat unmittelbar, ohne dass es eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedarf; nach dessen Abs. 2 können die Regelungen in diesen Wirkungen auch nicht durch nationale Gesetze oder Maßnahmen eingeschränkt werden (s. BVerfG Beschluss vom 06.04.2010 - 2 BvR 2261/06, RdNr. 53; s auch schon EuGH Urteil vom 15.07.1964 - RS 6/64 Costa./. E.N.E.L.)

Die Antragstellerin zu 2) unterfällt nach Art. 2 Abs. 1 der VO (EG) 883/2004 dem persönlichen Geltungsbereich der Verordnung. Dieser ist gegenüber dem der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 insofern erweitert, als er nicht mehr auf Arbeitnehmer, Selbständige, Studierende und deren Angehörige beschränkt ist (vgl. Art. 1 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) (vgl. Frings, ZAR 2012, 317 auch zu der ggfs. missverständlich formulierten Begrenzung auf versicherte Personen; s. etwa Fuchs, SGb 2008, 201; Schreiber, NZS 2012, 647). Vom persönlichen Geltungsbereich erfasst wird die Antragstellerin zu 2) bereits als Staatsangehörige eines Mitgliedstaates (Rumänien), die ihren Wohnort in einem (anderen) Mitgliedstaat (Deutschland) haben, für die die Rechtsvorschriften dieses aufnehmenden Staates gelten und die - wie hier über die Kindergeldberechtigung - in ein Sozialversicherungs- oder Familienleistungssystem iSd Art. 3 Abs. 1 Verordnung (EG) 883/2004 eingebunden sind. Das Arbeitslosengeld II als die hier streitige Leistung nach dem SGB II unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich der VO (EG) 883/2004. Die Vorschriften des SGB II gehören zumindest insoweit zu den Rechtsvorschriften im Sinne des Art. 3 VO (EG) 883/2004.

Die Voraussetzungen des Art. 4 VO (EG) 883/2004 sind erfüllt. Diese Bestimmung regelt, dass Personen, für die die VO gilt und sofern in dieser VO nichts anderes bestimmt ist, die gleichen Rechte und Pflichten aufgrund der Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaates haben wie die Staatsangehörigen dieses Staates. Der Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 führt wegen des Anwendungsvorrangs zur Nichtanwendbarkeit des diskriminierenden Merkmals des nationalen Rechts bei Anwendung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsanspruchs (st. Rspr. des EuGH seit Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).

Bei dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II handelt es sich um eine offene, unmittelbare Diskriminierung, denn das entscheidende Unterscheidungskriterium ist die Staatsangehörigkeit. In der VO (EG) 883/2004 selbst findet sich keine (ausdrückliche) Regelung, die eine solche unterschiedliche Behandlung zulässt (s auch Dern in Schreiber/Wunder/Dern VO (EG) Nr. 883/2004 Art. 4 VO RdNr. 5).

Eine den Leistungsausschluss möglicherweise rechtfertigende Einschränkung des Diskriminierungsverbots ergibt sich nicht aus Art. 24 Abs. 2 2. Alt in Verbindung mit Art. 14 Abs. 4 b) der RL 2004/38/EG (Unionsbürgerrichtlinie). Die Schrankenregelung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG bezieht sich nach Wortlaut und Sachzusammenhang auf den zuvor in Abs. 1 umrissenen Gleichbehandlungsgrundsatz. Danach gilt die Schrankenregelung nur für Unionsbürger, denen Aufenthaltsrechte "aufgrund dieser Richtlinie" zustehen, "vorbehaltlich spezifischer und ausdrücklich im Vertrag und im abgeleiteten Recht vorgesehener Bestimmungen ". Die Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 24 Abs. 1 RL 2004/38/EG und der Schrankenregelung des Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG setzt ein Aufenthaltsrecht allein aus dieser Richtlinie voraus (LSG NRW Beschluss vom 12.07.2017 - L 12 AS 596/17 B ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 17.02.2017 - L 6 AS 11/17 B ER, juris; EuGH Urteil vom 25.02.2016 - C-299/14 - Garcia-Nieto - juris Rn. 40 mit Verweis auf das Urteil vom 15.09.2015 - C 67/14 - Alimanovic - juris Rn. 51 die Vorlagefragen hier bezogen sich allein auf das Aufenthaltsrecht zur Arbeitsuche im Sinne der RL 2004/38/EG).

Art. 10 VO (EU) 492/2011 begründet aber ein von den in Kapitel III der Richtlinie 2004/38/EG normierten Aufenthaltsrechten unabhängiges und originäres eigenständiges Aufenthaltsrecht zu Ausbildungszwecken. Auch diese Bestimmung gilt ohne nationalen Umsetzungsakt unmittelbar im jeweiligen Mitgliedstaat (s LSG aaO mit eingehender Begründung unter Bezugnahme auf EuGH Urteil vom 23.02.2010 - C-480/08 - Texeira; EuGH, Urteil vom 23.02.2010 - C-310/08 - Ibrahim zur Vorgängerregelung Art. 12 VO (EWG) 1612/68). Das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO (EU) 492/2011 ist nicht davon abhängig, dass ausreichend Existenzmittel und ein umfassender Krankenversicherungsschutz zur Verfügung stehen. Der Zugang zur Ausbildung ist sogar so umfassend auszulegen, dass auch die finanziellen Ressourcen umfasst sind, die benötigt werden, um die Ausbildung abzuschließen, ansonsten das gewährleistete Aufenthaltsrecht im Aufnahmestaat aus wirtschaftlichen Gründen ins Leere laufen würde (LSG Schleswig-Holstein Beschluss vom 17.02.2017, aaO; vgl. EuGH Urteil vom 23.02.2010 - C-480/08 - Texeira; Urteil vom 23.02.2010 - C-310/08 - Ibrahim).

Verstößt danach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 c) SGB II bei Erfüllung der Voraussetzungen gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 4 der VO (EG) 883/2004 ist die Vorschrift in ihren diskriminierenden Auswirkungen (Leistungsausschluss) nicht anwendbar; es verbleibt bei dem Leistungsanspruch, dessen Voraussetzungen glaubhaft gemacht sind (vgl. EuGH Rs 63/76, Slg 1976, 2057 - Inzirillo).

Doch auch ohne auf das Aufenthaltsrecht aus Art. 10 VO 492/2011 abzustellen, dürfte der Antragstellerin zu 2) hier der Aufenthalt unabhängig von ihrem Freizügigkeitsrecht zur Arbeitsuche erlaubt sein, sodass keiner der in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II genannten Leistungsausschlüsse erfüllt ist. Denn gemäß § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG), der nach § 11 Abs. 1 S. 11 Freizügigkeitsgesetz/ EU Anwendung findet, ist einem ausländischen Elternteil eines minderjährigen ledigen Deutschen zur Ausübung der Personensorge ein Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn der Deutsche seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat. Mit Blick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 18 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union spricht viel dafür, den Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf minderjährige Unionsbürger, die sich als Kinder eines Arbeitnehmers gewöhnlich im Bundesgebiet aufhalten, auszudehnen (näher dazu LSG NRW Beschluss vom 30.11.2015 L 19 AS 1713/15 B ER, a.A. LSG NRW Beschluss vom 27.07.2017 - L 21 AS 782/17 B ER).

Für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht der Antragstellerin zu 2) spricht in diesem Zusammenhang maßgeblich auch das garantierte Familiengrundrecht in Form des geschützten Zusammenlebens der Kinder mit ihren - wenn auch unverheirateten - Eltern, einem Kernbereich des Art. 6 Grundgesetz (GG). Auch die leibliche unverheiratete Mutter von Kindern, deren Vater ein Freizügigkeitsrecht aus einer beruflichen Tätigkeit herleitet, bildet mit diesen eine Familie im Sinne des Art. 6 GG. Die Kinder sind auch auf die Ausübung der tatsächlichen elterlichen Sorge durch die Mutter angewiesen.

Für die Verpflichtung des Antragsgegners zur Erbringung der Leistungen besteht auch ein Anordnungsgrund. Der Antragstellerin zu 2) drohen ohne einstweilige Anordnung schwerwiegende Nachteile, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr abgewendet werden können. Hinsichtlich des allein noch begehrten Regelbedarfs folgt dies für die in der Vergangenheit hingenommenen und für die in Zukunft abzuwendenden Beeinträchtigungen schon aus dem unmittelbaren Grundrechtseingriff (Art. 1 Abs. 1 GG), der durch die Verweigerung der zur Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderlichen Mittel entsteht.

Der Antragstellerin zu 2) war gemäß § 73 a Abs. 1 S. 1 SGG iVm §§ 114 S. 1, 119 ZPO bei hinreichender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ratenfreie Prozesskostenhilfe im Beschwerdeverfahren ab 26.06.2017 (Eingang des Antrags bei Gericht) unter Beiordnung ihres Bevollmächtigten zu bewilligen. Den Antragstellern zu 1), 3) und 4) war keine Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen, da der Antrag auf Prozesskostenhilfe erst nach Erlass der Bescheide vom 07.03.2017 und 13.04.2017 einging.

Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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