S 1 KR 364/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Reutlingen (BWB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 364/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Verlangt ein Krankenhausträger nach Prüfung durch den MDK auf der Grundlage dieser Prüfung eine höhere Vergütung von der Krankenkasse, steht diesem Begehren die in § 7 Abs. 5 PrüfvV enthaltene Fünf-Monats-Frist nicht entgegen.
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 3.852,86 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.10.2016 zu zahlen. 2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.

Die im. geborene, bei der BKK Gesundheit, der Rechtsvorgängerin der Beklagten, krankenversicherte ... (B) wurde vom 05.01. bis 05.02.2016 im Krankenhaus., dessen Trägerin die Klägerin ist, stationär behandelt.

Die Klägerin stellte der Beklagten für diese stationäre Krankenhausbehandlung mit Rechnung vom 24.02.2016 einen Gesamtbetrag von 7.857,49 EUR (ohne Selbstbeteiligung) in Rechnung, der von der Beklagten in vollem Umfang gezahlt wurde. Hierbei hatte die Klägerin die Diagnosis Related Group (DRG) I12B ("Knochen- und Gelenkinfektion / -entzündung mit verschiedenen Eingriffen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe mit schweren CC, mit Revision des Kniegelenkes oder Osteomyelitis, Alter ( 16 Jahre") in Ansatz gebracht.

Die Beklagte beauftragte daraufhin am 22.03.2016 den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) mit der Durchführung einer Vollprüfung der Abrechnung und bat um Mitteilung, ob die angegebenen Nebendiagnosen nach den Richtlinien der Deutschen Kodierrichtlinien korrekt kodiert seien. Hierbei wies die Beklagte darauf hin, dass die Streichung bzw. Änderung der relevanten Nebendiagnose N18.3 ("Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3") die DRG ändere. Dieser Prüfauftrag wurde der Klägerin am selben Tag angezeigt.

In seinem Gutachten vom 12.09.2016 gelangte Dr. L ... zu dem Ergebnis, die stationäre Krankenhausbehandlung hätte um zwei Tage (04. und 05.02.2016) verkürzt werden können. Richtigerweise hätte als Hauptdiagnose statt T84.6 ("Infektion und entzündliche Reaktion durch eine interne Osteosynthesevorrichtung [jede Lokalisation]") M.00.06 ("Arthritis und Polyarthritis durch Staphylokokken: Unterschenkel") in Ansatz gebracht werden können. Hieraus ergebe sich, dass statt der DRG I12B richtigerweise die DRG I12A ("Knochen- und Gelenkinfektion / -entzündung mit verschiedenen Eingriffen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe mit äußerst schweren CC") hätte abgerechnet werden können.

Gestützt hierauf stellte die Klägerin der Beklagten mit Rechnung vom 15.09.2016 unter Ansatz der DRG I12A nunmehr einen Gesamt-Betrag i.H.v. 11.710,35 EUR in Rechnung. Die Beklagte lehnte eine Bezahlung mit der Begründung ab, die Korrektur könne keine Berücksichtigung mehr finden, da die Frist hierzu bereits geendet habe. Trotz Einwand der Klägerin hielt sie an dieser Auffassung fest.

Die Klägerin hat daraufhin am 16.02.2017 Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG) mit dem Begehren erhoben, die Beklagte zur Zahlung von 3.852,86 EUR zu verurteilen. Dieser Betrag ergebe sich aus der Differenz zwischen den beiden Rechnungen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, weder § 7 Abs. 5 noch § 3 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) stehe einer Korrektur entgegen. Der PrüfvV sei keine Einschränkung zu entnehmen, warum sie das vom MDK gefundene Ergebnis nicht umsetzen dürfen solle. Sinn und Zweck der Prüfung durch den MDK sei es, die korrekte Abrechnung eines Behandlungsfalles zu ermitteln. Dies bedeute, dass das Ergebnis des Prüfverfahrens umzusetzen sei, sollten beide Seiten dieses wie hier für richtig erachten. Eine Regelung, die zu einem Vergütungsausschluss zu ihren Lasten führen würde, könne der PrüfvV nicht entnommen werden. Sie wäre zudem unzulässig, da von der Rechtsgrundlage für die PrüfvV, § 17c Abs. 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHG), nicht gedeckt. Zudem hätten die Parteien in § 7 Abs. 5 PrüfvV keine Regelung über den Vergütungsanspruch des Krankenhauses getroffen. Ein Vergütungsausschluss sei nicht Gegenstand dieser Vereinbarung. Ferner übersehe die Beklagte, dass die Voraussetzung des § 7 Abs. 5 PrüfvV hier erfüllt sei, denn sie habe lediglich eine Rechnungskorrektur vorgenommen. Soweit die Beklagte auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Ulm vom 10.02.2017 (S 10 KR 515/16) verweist, sei dieser nicht relevant, da diesem ein anderer Sachverhalt zu Grunde liege. Zudem würde sie die Rechtsauffassung des Sozialgerichts Ulm zur Reichweite der PrüfvV sowie der Korrekturmöglichkeiten für falsch halten. Im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit müsse es ihr möglich sein, das MDK-Ergebnis umzusetzen, unabhängig davon, ob sich dieses erlösmindernd oder -steigernd auswirke. Das Verhalten der Beklagten sei treuwidrig. In diesem Zusammenhang werde auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Duisburg vom 27.04.2017 (S 17 KR 187/17) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.852,86 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 16.10.2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie im Wesentlichen vorgetragen, die Korrektur des Abrechnungsdatensatzes sei nach Ablauf der 5-Monats-Frist des § 7 Abs. 5 PrüfvV erfolgt, sodass die Klägerin mit dieser Korrektur/Ergänzung ihres Datensatzes ausgeschlossen sei. Dass diese Korrektur/Änderung des Datensatzes auf die MDK-Begutachtung zurückgehe, ändere nichts an der Verfristung. Weiter verweise sie auf den Gerichtsbescheid des Sozialgerichtes Ulm vom 10.02.2017, in dem die Nachkodierung einer Nebendiagnose unter Hinweis auf § 7 Abs. 5 PrüfvV abgelehnt worden sei. Zudem werde dort klargestellt, dass § 7 Abs. 5 PrüfvV unabhängig von der jeweils bestehenden konkreten Auffälligkeit gesehen werden müsse und sich auf den jeweils korrigierten Datensatz beziehe. Warum diese Ausführungen vorliegend keine Anwendung finden sollten, erschließe sich ihr nicht. Aus den Regelungen der PrüfvV folge eindeutig, dass eine Datenkorrektur und damit eine Korrektur des Abrechnungsbetrages aufgrund (und damit nach) Erstellung des MDK-Gutachtens ausgeschlossen sei. Demzufolge könne sie auch nicht den vom Sozialgericht Duisburg dargestellten Umkehrschluss nachvollziehen. Aus der PrüfvV folge vielmehr, dass bei Abrechnungsfällen, die im Rahmen der Prüfung nach PrüfvV abgeschlossen worden seien, das Krankenhaus unabhängig vom Prüfgegenstand keine späteren Korrekturen/Ergänzungen mehr vornehmen könne.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes und des Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorgelegten Beklagten- und der Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die beim sachlich und örtlich zuständigen SG von der Klägerin zu Recht erhobene (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - , vgl. z.B. BSGE 90, 1; 100, 164; 102, 172; 104, 15) auf Zahlung der Vergütung für die Behandlung der B in ihrem Krankenhaus ist zulässig. Vorliegend handelt es sich um einen sogenannten Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und eine Klagefrist nicht zu beachten ist. Die Klageforderung ist auch begründet.

Aus der Rechnung vom 15.09.2016 hat die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung des sich unter Abzug der auf die Rechnung vom 24.02.2016 bereits geleisteten Zahlung von 7.857,49 EUR ergebenden streitgegenständlichen Betrages von 3.852,86 EUR.

Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der hier im Jahr 2016 erbrachten stationären Krankenhausbehandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) in der hier maßgebenden Fassung des Fallpauschalengesetzes vom 23.04.2002 (BGBl. I., S. 1412) i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG) in der hier maßgebenden Fassung des Krankenhausfinanzierungsreformgesetzes vom 17.03.2009 (BGBl. I, S. 534) und dem durch Entscheidung der Landesschiedsstelle vom 21.09.2005 festgesetzten Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V über "Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung" zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Verbänden der Krankenkassen (Landesvertrag) mit Ausnahme der vom BSG beanstandeten Regelung in § 19 Abs. 2 (vgl. BSG, Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 27/11 R - juris). Dieser Vertrag ist nach § 112 Abs. 2 Satz 2 SGB V für die Krankenkassen und die zugelassenen Krankenhäuser im Land, zu denen das Krankenhaus. als Plankrankenhaus nach § 108 Nr. 2 SGB V gehört, unmittelbar verbindlich.

Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht - unabhängig von einer Kostenzusage - unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung - wie hier - in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 13.11.2012 - B 1 KR 14/12 R - juris - m.w.N.). Vorliegend ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die stationäre Behandlung der B bei der Klägerin erforderlich war.

Die von der Klägerin geltend gemachte Vergütung für den hier streitigen Behandlungsfall bemisst sich nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage, wobei dieser Anspruch auf Bundesebene hier durch die auf der Grundlage des § 17b des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in der Fassung des Gesetzes zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung vom 10.12.2015 (BGBl. I, S. 2229) und des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG in der Fassung des Gesetzes vom 10.12.2015 (a.a.O.) am 24.09.2015 geschlossene Fallpauschalenvereinbarung 2016 einschließlich der Anlagen 1 bis 7, insbesondere der Anlage 1 (Fallpauschalen-Katalog) konkretisiert wurde.

Vorliegend hat die Klägerin ihre auf die DRG I12B gestützte Rechnung vom 24.02.2016 auf Grundlage des MDK-Gutachtens des Dr. L ... vom 12.09.2016 nachträglich korrigiert und nunmehr mit Rechnung vom 15.09.2016 unter Ansatz der DRG I12A die Vergütung der stationären Krankenhausbehandlung der B von der Beklagten begehrt.

Aufgrund des Gutachtens des Dr. L. steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die stationäre Krankenhausbehandlung der B richtigerweise mit der DRG I12A abzurechnen ist. Auch von Seiten der Beklagten werden hiergegen, also gegen die Richtigkeit der Abrechnung der Krankenhausbehandlung mit der DRG I12A, keine Einwände erhoben.

Die Beklagte bestreitet hier lediglich die Zulässigkeit der von der Klägerin vorgenommenen nachträglichen Korrektur ihrer ursprünglichen Rechnung. Diese nachträgliche Rechnungskorrektur ist jedoch entgegen der Ansicht der Beklagten hier zulässig. Weder die vom BSG hierzu entwickelten Grundsätze noch die Regelungen der PrüfvV stehen ihr entgegen.

Der Landesvertrag enthält weder eine Regelung, die die Nachberechnung ausschließt, noch eine solche, die eine zeitliche Grenze dafür setzt.

Mangels ausdrücklicher (vertraglicher oder gesetzlicher) Regelung richtet sich somit die Zulässigkeit von Nachforderungen eines Krankenhausträgers wegen Behandlung eines Versicherten gemäß dem über § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V auf die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkassen einwirkenden Rechtsgedanken des § 242 des Bürgerlichen Gesetzbuches nach Treu und Glauben in Gestalt der Verwirkung. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beteiligten aufgrund eines dauerhaften Vertragsrahmens ständig professionell zusammenarbeiten. Diese Vertragsbeziehungen sind von einem systembedingten Beschleunigungsgebot geprägt und verpflichten zu gegenseitiger Rücksichtnahme. Den Beteiligten sind die gegenseitigen Interessenstrukturen geläufig. Die sich hieraus ergebenden Grenzen einer nachträglichen Rechnungskorrektur wurden in der Rechtsprechung des BSG in mehreren Entscheidungen (Urteile vom 08.09.2009 – B 1 KR 11/09 R –, vom 17.12.2009 – B 3 KR 12/08 R –, vom 13.11.2012 – B 1 KR 6/12 R und vom 22.11.2012 – B 3 KR 1/12 R – alle juris –) unter unterschiedlichen Aspekten konkretisiert.

Auch vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist können sich danach aus dem Grundsatz von Treu und Glauben Einschränkungen der Korrekturmöglichkeit in zeitlicher Hinsicht ergeben. Während Korrekturen innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach der Schlussrechnung grundsätzlich ohne weitere Einschränkungen möglich sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 17.12.2009, a.a.O.) sind nach Ablauf dieser Frist Korrekturen nur noch unter weiteren Einschränkungen möglich (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22.11.2012, a.a.O.). Danach stellt generell das Ende des auf die unrichtige erste Abrechnung folgenden Kalenderjahres den äußersten Zeitpunkt für Korrekturmöglichkeiten dar. Wird diese Frist nicht eingehalten, ist der Anspruch auf die noch offene restliche Vergütung in der Regel nach Treu und Glauben verwirkt.

Während das BSG in seinem Urteil vom 22.11.2012 (a.a.O.) noch weitere Einschränkungen hinsichtlich einer zulässigen nachträglichen Rechnungskorrektur für geboten ansah (Nachforderung bis zur Höhe der Aufwandspauschale oder von weniger als 5 v.H. der Rechnungssumme, Überschreitung nicht näher bestimmter kalenderjahresbezogener Prozentsätze hinsichtlich der Gesamtzahl und des Gesamtrechnungsvolumens), hält zwischenzeitlich das BSG (Urteil vom 05.07.2016 – B 1 KR 40/15 R – juris –) an diesen weiteren Einschränkungen nicht mehr fest.

Nach der Rechtsprechung des BSG, der die erkennende Kammer folgt, ist die hier von der Klägerin - sogar noch im selben Kalenderjahr - vorgenommene nachträgliche Korrektur der ersten Rechnung nicht verwirkt und damit zulässig.

Allerdings ergingen die Entscheidungen des BSG ausschließlich zu stationären Krankenhausbehandlungen, die vor dem Jahr 2015 erfolgt sind. Die Regelungen in der hier maßgebenden, am 04.08.2014 zwischen dem GKV-Spitzenverband und der Deutschen Krankenhausgesellschaft e.V. (DKG) vereinbarten PrüfvV konnten – und mussten – vom BSG in seinen Entscheidungen nicht berücksichtigt werden, da die dortigen Regelungen über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V nach § 12 Abs. 1 Satz 2 PrüfvV (erst) für die Überprüfung bei Patienten gelten, die ab dem 01.01.2015 in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in der hier maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 23.04.2002 (a.a.O.) sind die Krankenkassen in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.

Nach dem mit Wirkung zum 01.04.2007 durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.03.2007 (BGBl. I, S. 378) eingefügten § 275 Abs. 1c SGB V ist bei Krankenhausbehandlung nach § 39 eine Prüfung nach Abs. 1 Nr. 1 zeitnah durchzuführen. Die Prüfung nach Satz 1 ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen.

Nach § 17c Abs. 2 KHG in der Fassung des Gesetzes zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung vom 15.07.2013 (BGBl. I, S. 2423) regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die DKG das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des MDK, über den Zeitpunkt der Beauftragung des MDK, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen. Diese mit dem Gesetz vom 15.07.2013 (a.a.O.) zum 01.08.2013 eingefügte Regelung sollte nach den Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 17/13947, Seite 38) es den Vertragsparteien auf Bundesebene ermöglichen, die Zusammenarbeit der Krankenhäuser und Krankenkassen effektiver und konsensorientierter zu gestalten. Unter anderem sollte durch eine Verständigung zur Dauer der Prüfung eine Beschleunigung des Prüfverfahrens erreicht werden.

Auf der Grundlage dieser Vorschrift vereinbarten der GKV-Spitzenverband und die DKG am 04.08.2014 das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V in der PrüfvV mit der Zielsetzung nach § 1 PrüfvV, ein effizientes, konsensorientiertes Verfahren der Prüfungen nach $ 275 Abs. 1c SGB V näher zu regeln.

Wie aus dem Wortlaut des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG als auch aus den Gesetzesmaterialien hierzu zu ersehen ist, enthält diese Regelung lediglich die Ermächtigungsgrundlage für den GKV-Spitzenverband und die DKG zur Regelung des Näheren zum Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1c SGB V. Weitergehende Befugnisse dieser Vertragsparteien, beispielsweise zur Regelung von Vergütungsfragen oder deren Ausschluss, lassen sich weder § 17c Abs. 2 KHG noch den hierzu ergangenen Gesetzesmaterialien entnehmen.

Entsprechend der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG wurden vom GKV-Spitzenverband und der DKG auch in § 1 PrüfvV als Zielsetzung dieser Vereinbarung die nähere Regelung eines effizienten, konsensorientierten Verfahrens der Prüfungen nach § 275 Abs. 1c SGB V genannt.

Der Ermächtigungsgrundlage folgend enthält § 7 PrüfvV, auf den die Beklagte ihre Auffassung stützt, nähere Regelungen zur "Durchführung der Prüfung".

So kann nach § 7 Abs. 2 PrüfvV bei Prüfung im schriftlichen Verfahren der MDK die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von 4 Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den MDK zu übermitteln. Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag.

Nach § 7 Abs. 5 PrüfvV sind Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich. Diese hat der MDK nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgen.

Durch die Regelungen des § 7 Abs. 5 Sätze 1 und 2 PrüfvV wird die Möglichkeit einer nachträglichen Rechnungskorrektur durch das Krankenhaus in zweifacher Hinsicht eingeschränkt. Zum einen ist danach nur eine einmalige Korrektur oder Ergänzung einer Krankenhausabrechnung möglich. Zum anderen muss der MDK eine Korrektur oder Ergänzung einer Krankenhausabrechnung nur dann in seine Prüfung einbeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens an die Krankenkasse erfolgt.

Vorliegend hat die Beklagte den MDK am 22.03.2016 mit der Durchführung einer Vollprüfung nach § 4 PrüfvV beauftragt und dies der Klägerin am selben Tag angezeigt. Nach Abschluss der Begutachtung durch Dr. L vom MDK (Gutachten vom 12.09.2016) und nach Ablauf des am 22.03.2016 beginnenden 5-Monats-Zeitraums hat die Klägerin dann, gestützt auf das Gutachten des Dr. L , ihre ursprüngliche Rechnung vom 24.02.2016 mit der hier im Streit befindlichen Rechnung vom 15.09.2016 korrigiert. Die Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV, wonach Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur einmalig möglich sind, wurde vorliegend von der Klägerin somit beachtet.

Entgegen der Auffassung der Beklagten steht vorliegend § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV dieser nachträglichen Rechnungskorrektur nicht entgegen. Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Regelung hat der MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung von Datensätzen nur dann in seine Prüfung einzubeziehen, wenn sie innerhalb von 5 Monaten nach Einleitung des MDK-Prüfverfahrens nach § 6 Abs. 2 an die Krankenkasse erfolgt. Hierdurch soll vermieden werden, dass sich der MDK nach Ablauf der 5-Monats-Frist erneut mit einer von ihm bereits geprüften Krankenhausabrechnung gutachterlich zu befassen hat. Diese Regelung dient entsprechend den dargestellten Gesetzesmaterialien der Beschleunigung des Prüfverfahrens in effektiver und konsensorientierter Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Krankenkasse.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Regelung in § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV jedoch nicht zu entnehmen, dass nach Abschluss der Prüfung durch den MDK eine einmalige Korrektur oder Ergänzung einer Rechnung ausgeschlossen ist. Dies lässt sich dem Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV nicht entnehmen, der – wie dargestellt – lediglich regelt, wann und in welchem Umfang der MDK Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen in seine Prüfung einzubeziehen hat. Diese Regelung wendet sich somit allein an den MDK. Eine Vergütungsregelung bzw. eine Regelung zum Ausschluss einer Vergütung lässt sich dieser Vorschrift angesichts des eindeutigen Wortlauts nicht entnehmen.

Vorliegend hat die Klägerin, gestützt auf das Gutachten des Dr. L., ihre ursprüngliche Rechnung vom 24.02.2016 durch ihre Rechnung vom 15.09.2016 ersetzt. Eine weitere Prüfung der inhaltlichen Richtigkeit der nunmehr am 15.09.2016 gestellten Rechnung durch den MDK scheidet bei dieser Ausgangslage aus, da die korrigierte Rechnung gerade auf dem von Dr. L für richtig erachteten Gutachtensergebnis beruht. Eine nochmalige Inanspruchnahme des MDK mit der Prüfung der nun vorliegenden Krankenhausabrechnung ist somit ausgeschlossen. Damit scheidet auch eine durch die PrüfvV zu vermeidende Verzögerung des Prüfverfahrens durch erneute Einschaltung des MDK aus.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich aus § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV V nicht, dass eine Rechnungskorrektur nach Abschluss der MDK-Prüfung ausgeschlossen ist. Für die Auffassung des GKV-Spitzenverbandes in seinen Hinweisen zur PrüfvV (vgl. www.gkv-spitzenverband.de, Stichwort "Prüfverfahrensvereinbarung") findet sich im Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV keine Grundlage (vgl. Urteil der erkennenden Kammer vom 08.03.2017 - S 1 KR 233/16).

Die nach Ablauf des 5-Monats-Zeitraums erfolgte nachträgliche Rechnungskorrektur durch die Klägerin verstößt nicht gegen den Rechtsgedanken von Treu und Glauben, der auch im Verhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse Anwendung findet. Ein treuwidriges Verhalten der Klägerin durch ihre nachträgliche Rechnungskorrektur würde nur dann vorliegen, wenn die Beklagte auf den Bestand der Rechnung vom 24.02.2016 vertraut hätte und ihr Vertrauen schutzwürdig wäre. Hierbei müssen die Interessen des Krankenhauses und die der Krankenkasse umfassend geprüft und gegeneinander abgewogen werden. Die Schutzwürdigkeit der Krankenkasse kann sich insbesondere daraus ergeben, dass sie auf eine abschließende Berechnung der Krankenhausvergütung vertraut hat und vertrauen durfte und sich darauf in einer Weise eingerichtet hat, dass ihr eine Nachforderung nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19.04.2016 - B 1 KR 33/15 R - juris – m.w.N.).

Ein solches schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten auf den Bestand der Rechnung vom 24.02.2016 scheidet hier jedoch aus, da sie selbst durch Einschaltung des MDK mit der Prüfung dieser Krankenhausabrechnung deutlich gemacht hat, dass bei ihr Zweifel an der Richtigkeit dieser Krankenhausabrechnung und damit an deren Bestand gegeben waren.

Soweit die Beklagte vorliegend die Auffassung vertritt, eine nachträgliche Rechnungskorrektur durch die Klägerin auf der Grundlage eines von ihr veranlassten MDK-Gutachtens sei unzulässig, verhält sie sich überdies treuwidrig. Wie der Kammer aus zahlreichen Abrechnungsstreitigkeiten zwischen Krankenhausträgern und der Beklagten bekannt ist, fordert die Beklagte die Krankenhausträger regelmäßig – auch nach Ablauf der 5-Monats-Frist – zur Korrektur oder Stornierung einer ursprünglichen Rechnung auf, falls sich aus dem von ihr initiierten MDK-Gutachten ein niedrigerer Vergütungsanspruch des Krankenhausträgers ihr gegenüber ergibt. Wäre die von der Beklagten hier vertretene Auffassung zutreffend, wäre auch in den Fällen, in denen die MDK-Begutachtung ein für die Beklagte günstigeres Abrechnungsergebnis ergibt, eine Korrektur bzw. Stornierung der ursprünglichen Rechnung nach dem in der Regel gegebenen Ablauf der 5-Monats-Frist unzulässig. Hiervon geht die Beklagte jedoch in den Fällen eines erlösmindernden Abrechnungsergebnisses nach Prüfung durch den MDK gerade nicht aus. Es erscheint für die Kammer daher treuwidrig, dass sich die Beklagte lediglich dann auf die 5-Monats-Frist beruft, wenn nach MDK-Prüfung sich ein für den Krankenhausträger günstigeres Abrechnungsergebnis ergibt. Insoweit folgt die Kammer den Ausführungen des Sozialgerichts Duisburg in seinem von der Klägerin vorgelegten Gerichtsbescheid vom 27.04.2017.

Entgegen der Auffassung der Beklagten vermag sich die Kammer hingegen der Auffassung des Sozialgerichtes Ulm in seinem Gerichtsbescheid vom 10.02.2017 nicht anzuschließen. Zum einen kam es nach den dortigen Ausführungen bei der Entscheidung auf die Reichweite der PrüfvV gerade nicht an. Soweit das Sozialgericht Ulm in diesem Gerichtsbescheid gleichwohl Ausführungen zu den Regelungen in der PrüfvV macht, überzeugen diese nicht. Die darin vertretene Auffassung, die Korrekturvorschrift des § 7 Abs. 5 Satz 1 PrüfvV sei unabhängig von der jeweils bestehenden konkreten Auffälligkeit zu sehen, widerspricht der von der Kammer vertretenen Auffassung (vgl. hierzu Urteil vom 08.03.2017, a.aO.). Auch die Auffassung, bis zum Abschluss des MDK-Prüfverfahrens müssten die Datensätze vollständig vorliegen, überzeugt nicht, da sich hierfür im Wortlaut des § 7 Abs. 5 Satz 2 PrüfvV keine Grundlage findet (vgl. Urteil vom 08.03.2017, a.a.O.). Zudem erfolgte im dortigen Verfahren eine Rechnungskorrektur erst nach Einholung eines Sachverständigengutachtens im Klageverfahren, so dass der Sachverhalt von den hier gegebenen Sachverhalt deutlich abweicht.

Die Klägerin hat somit ihre ursprüngliche Rechnung vom 24.02.2016 zu Recht durch die Rechnung vom 15.09.2016, gestützt auf das Gutachten des Dr. L ..., ersetzt. Die Klägerin hat somit einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung des Differenzbetrages zwischen beiden Rechnungen, also auf Zahlung des streitgegenständlichen Betrages von 3.852,86 EUR.

Aufgrund des damit gegebenen Vergütungsanspruchs besteht auch ab dem 16.10.2016, nach Ablauf von 30 Tagen nach Übermittlung der Rechnung vom 15.09.2016, der geltend gemachte Zinsanspruch in begehrter Höhe, der sich aus § 19 Abs. 3 des Vertrages nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ergibt (vgl. allgemein zum Anspruch auf Verzugszinsen BSG, Urteil vom 15.11.2007 - B 3 KR 1/07 R – juris -).

Die Kostentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung, da weder Klägerin noch Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehören.
Rechtskraft
Aus
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