Land
Hessen
Sozialgericht
SG Gießen (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 70/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.478,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Kosten in Höhe von weiteren 1.478,46 EUR wegen des stationären Krankenhausaufenthaltes des bei der Beklagten versicherten D.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Der Versicherte (geb. 1939) wurde dort vom 01. bis 09.09.2015 stationär behandelt. Bei Einweisung litt er unter Belastungsluftnot. Im Bereich der Knöchel bestanden Wasseransammlungen. Neu festgestellt wurde eine Herzrhythmusstörung (absolute Arrythmie bei Vorhofflimmern). Aufgrund einer CT-Thorax-Untersuchung konnte eine Lungenembolie ausgeschlossen werden. Es fanden sich jedoch ein rechtsbetonter Pleuraerguss und eine Verkalkung der Herzkranzgefäße. Bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge am 02.09.2015 wurden eine Herzvergrößerung und eine kardiale Dekompensation festgestellt. Abschließend erfolgte eine Koronarangiographie mit Stentimplantation im Bereich eines Herzkranzgefäßes.
Am 11.09.2015 stellte die Klägerin der Beklagten mit der Hauptdiagnose I50.13 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei leichterer Belastung, inkl. NYHA Stadium III) auf Grundlage der DRG F52B insgesamt 4.709,33 EUR in Rechnung. Den Betrag zahlte die Beklagte unter Vorbehalt und führte ein Prüfverfahren durch. Der SMD kam zu dem Ergebnis, dass Hauptdiagnose I25.11 (chronische ischiämische Herzkrankheit: Ein-Gefäß-Erkrankung) sei. Abzurechnen sei DRG F58B. Zudem sei ein Abschlag für die Belegung am 08.09.2015 vorzunehmen mangels stationärer Behandlungsnotwendigkeit. Am 29.12.2015 verrechnete die Beklagte daher einen Betrag in Höhe von 1.478,46 EUR.
Am 22.02.2016 hat die Klägerin Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Die Kodierung der Hauptdiagnose I50.13 sei korrekt. Die koronare Ein-Gefäß-Erkrankung sei nicht als Ursache der Herzinsuffizienz anzusehen. Der Versicherte sei wegen zunehmender Dyspnoe bei beginnender Dekompensation aufgenommen worden, also wegen einer Herzinsuffizienz. Eine Entwässerung ergänzt durch eine medikamentöse Behandlung sei die typische Therapie bei diesem Krankheitsbild.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.478,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV. Demnach habe das Krankenhaus die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen binnen vier Wochen zu übermitteln. Erfolge dies wie im vorliegenden Falle nicht, bestehe nur ein Anspruch nach Maßgabe der zur Verfügung gestellten Unterlagen.
Gemäß Stellungnahme des SMD vom 17.05.2016 bestand keine Herzinsuffizienz. Die Echokardiographie am 03.09.2015 habe eine fast normale Pumpfunktion der linken Herzkammer ergeben. Der Schluss von der Luftnot auf eine Herzinsuffizienz sei nicht nachvollziehbar. Andere Ursachen der Luftnot (z.B. Lungenerkrankung, Übergewicht) seien nicht abgeklärt worden. Zwar sei radiologisch im Bereich der Lunge eine Stauung nachgewiesen worden. Diese sei aber auf die neu aufgetretene Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern) zurückzuführen und nicht auf eine Herzinsuffizienz. Das Vorhofflimmern verhindere eine wirksame Vorhofkontraktion. Die hierdurch deutlich reduzierte Pumpfunktion habe zur Absenkung des Herzzeitvolumens und damit zur Stauung der Lunge geführt. Ursache der Herzrhythmusstörung sei neben der idiopathischen Genese die hier festgestellte koronare Herzgefäßerkrankung. Korrekte Hauptdiagnose sei daher I48.1 (Vorhofflimmern). Eine Herzinsuffizienz sei durch Echokardiographie ausgeschlossen. Am 09.08.2015 seien keine Untersuchungen mit therapeutischer Relevanz mehr erfolgt. Die Entlassung habe damit innerhalb der Grenzverweildauer der DRG 58B erfolgen können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das Dr. med. E., Facharzt für Innere Medizin, am 20.12.2016 erstellte. Demnach war der Krankenhausaufenthalt durch eine dekompensierte Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit, koronarer Herzkrankheit und Vorhofflimmern veranlasst. Hauptdiagnose sei die Herzinsuffizienz. Die abzurechnende DRG ergebe sich aus der Koronarangiographie mit Koronarstenosendilatation und Einsatz eines Stents. Dies führe zur DRG F52B mit einer unteren Grenzverweildauer von zwei Tagen und einer oberen Grenzverweildauer von elf Tagen. Eine Verkürzung des Aufenthaltes hätte damit nichts an der Rechnungshöhe geändert. Außerdem sei ein Krankenhausaufenthalt von neun Tagen bei dekompensierter Herzinsuffizienz angemessen.
Die Einweisung sei wegen arterieller Verschlusskrankheit, Hypertonie und koronarer Herzkrankheit erfolgt. Bei der Aufnahme sei eine Herzinsuffizienz und bis dato nicht bekanntes Vorhofflimmern festgestellt worden. Eindeutig feststellbar gewesen sei eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Klinische Zeichen hierfür seien Luftnot und verminderte körperliche Belastbarkeit. Ursache könne die Hypertonie und insbesondere das offenbar neu aufgetretene Vorhofflimmern sein. Gemäß der Echokardiographie am 03.09.2015 habe eine leicht eingeschränkte Ejektionsfraktion von 50 - 55 % (Normal über 60 %) bestanden. Der SMD habe damit zu Unrecht eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen. Die Diagnose Herzinsuffizienz sei eine klinische und beruhe in erster Linie auf Beschwerden wie Luftnot und Ödemen. Daneben hätten auch Stauungszeichen sowie Ergussbildungen im Röntgenbild bestanden sowie ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern mit absoluter Tachykardie (Rhythmusstörung, die eine Herzinsuffizienz bewirken kann). Die Kritik, das Vorhofflimmern sei als Ursache nicht berücksichtigt worden, gehe ins Leere. Die Luftnot durch Vorhofflimmern sei vielmehr eine Herzinsuffizienz. Ursache des Vorhofflimmerns könne die hypertensive Herzkrankheit mit erweiterten Vorhöfen sein. Auch dies könne eine Herzinsuffizienz sein. In der Gesamtbeurteilung des Zustands bei Aufnahme und des Verlaufs mit Beschwerdereduktion und Ausschwemmung der Ödeme unter Therapie ist nach dem Sachverständigen eine Herzinsuffizienz gesichert als den Krankenhausaufenthalt wesentlich veranlassende Diagnose anzusehen. Die Ursache der Herzinsuffizienz sei aufwendig diagnostiziert und Differentialdiagnosen (z.B. Lungenembolie mittels CT) bedacht und ausgeschlossen worden. Auch die invasive Koronardiagnostik mit Herzkatheter könne der Ursachenforschung der Herzinsuffizienz dienlich sein. Diese gegen Ende des stationären Aufenthaltes durchgeführte Maßnahme habe eine relevante Einengung eines großen Herzkranzgefäßes (RIVA) mit der lndikation zur Erweiterung der Stenose und Einsatz einer Gefäßstütze (STENT) ergeben. Die Therapie der Herzinsuffizienz habe in der medikamentösen Behandlung und Entwässerung bestanden.
Der SMD widersprach mit Stellungnahme vom 26.01.2017. Abzurechnen sei DRG F58B; sowohl l48.1 als auch l25.11 als Hauptdiagnose führten hierzu. Dyspnoe sei ein unspezifisches Symptom, das bei unterschiedlichen Erkrankungen (Herz, Lunge, Übergewicht, etc.) auftrete. Hieraus eine Herzinsuffizienz bzw. sogar ein NYHA-KIassifikations-Stadium abzuleiten, sei medizinisch nicht möglich. Die zur Beurteilung der NYHA-Stadien herangezogenen Symptome beinhalteten Atemluftnot (Dyspnoe), häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie), Zyanose, allgemeine Schwäche und Müdigkeit, Angina pectoris oder kalte Extremitäten und Ödeme. Nur aus dem Gesamtbild sei der Grad der Beeinträchtigung herzuleiten. Hier hätten verschiedene Erkrankungen vorgelegen, die sämtlich das zur Aufnahme führende Symptom der Dyspnoe hätten verursachen können und auch behandelt worden seien. Ob eine eigenständige Herzinsuffizienz durch den Hypertonus verursacht worden sei oder durch das Vorhofflimmern oder unabhängig von diesen, sei nicht eruierbar, da eine Therapie der Herzinsuffizienz und des Vorhofflimmerns erfolgt sei. Auch bei der Minderdurchblutung des Herzen durch die vorhandene und behandelte Herzgefäßerkrankung sei eines der Hauptsymptome Belastungsluftnot. Bei Aufnahme seien damit vorhanden gewesen: Herzrhythmusstörungen, eine Herzinsuffizienz, Bluthochdruck sowie eine Herzgefäßerkrankung. Alle Erkrankungen seien behandelt worden. Die zur Aufnahme führende Symptomatik sei keiner dieser Erkrankungen spezifisch zuordenbar. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien sei bei konkurrierenden Hauptdiagnosen diejenige zu wählen, die die meisten Ressourcen verbraucht hat. Das Vorhofflimmern überwiege mit rezidivierender EKG-Diagnostik und oraler Therapie den Ressourcenverbrauch für die Herzinsuffizienz (lediglich orale Therapie). Die Echokardiographie sei nicht spezifisch zuordenbar. Die Herzkranzgefäßerkrankung sei aufgrund der invasiven Diagnostik und Therapie mit einem höheren Ressourcenverbrauch belegt, jedoch sei hier regelmäßig nur ein kurzer stationärer Aufenthalt notwendig.
Mit Gutachtennachtrag vom 07.04.2017 blieb der Sachverständige bei seiner Auffassung. Die diagnostischen Kriterien der Herzinsuffizienz seien eindeutig erfüllt: Verminderte Belastbarkeit bei Luftnot, Nachweis von pathologischen Wasseransammlungen (Pleuraerguss) sowie Stauungszeichen im Röntgenbild. Das neu aufgetretene Vorhofflimmern könne nicht isoliert von der koronaren Herzkrankheit und der Herzinsuffizienz betrachtet werden. Die Diagnostik der Herzinsuffizienz habe auch die größten Ressourcen verbraucht (Röntgen der Brustorgane, CT zum Ausschluss anderer Ursachen der Beschwerden, invasive Diagnostik mit Herzkatheter und Stentimplantation sowie Dopplerechokardiographie). Rein auf das Vorhofflimmern bezogen habe der Ressourcenverbrauch lediglich in einer medikamentösen Herzfrequenzkontrolle und Bestimmung der Schilddrüsenhormone bestanden. Eine elektrische Kardioversion sei nicht angestrebt worden; hierzu wäre bei nicht genau bekannter Dauer des Vorhofflimmerns auch eine suffiziente Antikoagulation über 3 - 4 Wochen angezeigt gewesen.
Mit weiterer Stellungnahme vom 15.05.2017 blieb der SMD bei seiner Auffassung. Die klinischen Zeichen bei Aufnahme seien nicht eindeutig. Es seien nur minimale Knöchelödeme beschrieben und ein unauffälliger Lungenbefund. Die Zuordnung des Ressourcenverbrauchs sei nicht nachvollziehbar. Koronarangiographie und CT seien der koronaren Herzkrankheit zuzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Patientenakte des Versicherten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) erhoben worden. Eine Regelung durch Verwaltungsakt kommt nicht in Betracht. Denn Krankenhausträger und Krankenkasse stehen sich bei der Frage, wie die stationäre Behandlung eines gesetzlich Krankenversicherten zu vergüten ist, im Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Eines Vorverfahrens im Sinne von § 78 SGG bedurfte es daher nicht. Auch war keine Klagefrist zu beachten.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.478,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2015 aus Anlass der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten D. vom 01. bis 09.09.2015.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB V, dem Fallpauschalen-Katalog für das Jahr 2015 und dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und der Beklagten.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V) steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 90, 1). Voraussetzung für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses ist, dass die Versorgung im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war und im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses erfolgte.
Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalen-Katalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung zu einer DRG wird die Behandlung im ersten Schritt mit einem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V (OPS-301) verschlüsselt ("kodiert"); hierzu haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Im zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalen-Katalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (Groupierung).
Dem Sachverständigen Dr. med. E. folgend ist die von der Klägerin abgerechnete DRG F52B zugrunde zu legen. Bei einer unteren Grenzverweildauer von zwei Tagen und einer oberen Grenzverweildauer von elf Tagen hätte die von der Beklagten für möglich erachtete Verkürzung des Aufenthaltes von neun auf acht Tage nichts an der Rechnungshöhe geändert.
Die hierfür anfallende Zahlungsverpflichtung in Höhe von insgesamt 4.709,33 EUR hat die Beklagte in Höhe der am 29.12.2015 verrechneten, hier streitigen 1.478,46 EUR bisher nicht erfüllt. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung besteht daher in diesem Umfang.
Aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. E. ergibt sich für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar, dass die Herzinsuffizienz gesichert als den Krankenhausaufenthalt wesentlich veranlassende Erkrankung anzusehen ist.
Die Einweisung erfolgte zunächst wegen arterieller Verschlusskrankheit, Hypertonie und koronarer Herzkrankheit. Bei der Aufnahme wurden eine Herzinsuffizienz und ein bisher nicht bekanntes Vorhofflimmern festgestellt. Seine anfängliche Behauptung, das Vorliegen einer Herzinsuffizienz sei gänzlich ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des SMD vom 17.05.2016, Seite 3, drittletzter Absatz, Bl. 21 der Gerichtsakte), hat der SMD revidiert. Grundsätzliche Übereinstimmung bestand zuletzt zwischen dem Sachverständigen und dem SMD darin, dass bei dem Versicherten verschiedene Erkrankungen vorhanden waren und behandelt wurden: eine Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern), eine Herzinsuffizienz und eine koronare Herzerkrankung (ausdrücklich auch: SMD, Stellungnahme vom 26.01.2017, Seite 2, Absatz 5, Bl. 40 der Gerichtsakte). Auch die Kammer zweifelt in keiner Weise daran, dass bei dem Versicherten eine Herzinsuffizienz vorlag. Dies belegen die in der Patientenakte dokumentierten Symptome einer Luftnot bzw. einer verminderten körperlichen Belastbarkeit, die eingeschränkte Ejektionsfraktion von 50 - 55 % (Normal über 60 %) gemäß Echokardiographie am 03.09.2015, die bei Aufnahme bestehenden Ödeme an den Knöcheln sowie der festgestellte Pleuraerguss. Eben diese Symptome werden auch in den von der Beklagten vorgelegten ESC Pocket Guidelines – Herzinsuffizienz – Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz (Bl. 53 ff. der Gerichtsakte) als kennzeichnend für eine Herzinsuffizienz beschrieben. Weshalb die Beklagte dennoch anfänglich eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen hatte, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.
Dass die vorliegende Herzinsuffizienz den stationären Aufenthalt auch wesentlich veranlasst hat, konnte der Sachverständige zur Überzeugung der Kammer schlüssig herleiten. Bei seiner Beurteilung wird – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch das erstmals diagnostizierte Vorhofflimmern gewürdigt als Rhythmusstörung, die eine Herzinsuffizienz bewirken kann und hier jedenfalls nicht isoliert betrachtet werden darf. Für die Herzinsuffizienz als wesentliche Diagnose spricht auch die Gesamtbeurteilung des Zustands bei Aufnahme und des Verlaufs mit Beschwerdereduktion, indem nach medikamentöser Behandlung und Entwässerung eine Besserung eintrat. Eine Herzkranzgefäßerkrankung dagegen hätte – wie der SMD selbst unter dem 17.05.2016 ausführt – regelmäßig nur einen (hier nicht gegebenen) kurzen stationären Aufenthalt erfordert.
Die Beklagte hat dagegen unter anfänglicher Negierung einer Herzinsuffizienz im Verfahrensverlauf wechselnde Auffassungen zur Hauptdiagnose vorgetragen, zunächst: I25.11 (chronische ischiämische Herzkrankheit: Ein-Gefäß-Erkrankung), später: I48.1 (Vorhofflimmern). Allein die Inkonsequenz dieses Vortrags mit dem zentralen Bemühen, eine (zuletzt doch als zumindest mitvorliegend bestätigte Herzinsuffizienz) als Hauptdiagnose auszuschließen, führen insgesamt zu erheblichen Zweifeln der Kammer an der Lesart des SMD. Zuletzt ist der SMD unter Annahme einer Herzrhythmusstörung, einer Herzinsuffizienz und einer Herzgefäßerkrankung als vorliegende und behandelte Erkrankungen von konkurrierenden Hauptdiagnosen ausgegangen.
Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer von konkurrierenden Diagnosen ausginge, kämen hier als solche allenfalls die Herzinsuffizienz und das Vorhofflimmern in Betracht; nach dem zur regelmäßigen Aufenthaltsdauer Gesagten scheidet die Herzgefäßerkrankung als den stationären Aufenthalt wesentlich veranlassend aus. Die (Ausschluss-)Diagnostik der Herzinsuffizienz (Röntgen der Brustorgane, CT, invasive Diagnostik mit Herzkatheter und Stentimplantation sowie Dopplerechokardiographie, medikamentöse Ausschwemmung) hat nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die meisten Ressourcen verbraucht. Eine Behandlung des Vorhofflimmerns erfolgte dagegen nur durch medikamentöse Herzfrequenzkontrolle und Bestimmung der Schilddrüsenhormone; eine elektrische Kardioversion wurde gar nicht erst angestrebt.
Dem mithin bestehenden Anspruch der Klägerin steht auch § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV nicht entgegen.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 PrüfvV kann bei Prüfung im schriftlichen Verfahren der Medizinische Dienst die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den Medizinischen Dienst zu übermitteln (Satz 2). Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (Satz 3). Nach Maßgabe von § 7 Abs. 5 PrüfvV sind einmalige Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens bzw. nach Erweiterung des Prüfanlasses möglich. Gemäß § 8 Satz 1 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen.
Unter Auslegung dieser Regelungen ist vor dem Hintergrund der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG sowie des Zwecks des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur vor Ablauf der gesetzlichen vierjährigen Verjährungsfrist bzw. des in der BSG-Rechtsprechung definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt.
Gemäß § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft "das Nähere zum Prüfverfahren" nach § 275 Absatz 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich.
Die Annahme eines materiell-rechtlichen Ausschlusses überschreitet bereits den Gesetzeswortlauts ("das Nähere zum Prüfverfahren"), vgl. auch Sozialgericht Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016, S 12 KR 594/15, juris, Rn. 40 ff. Auch das Gesetz kennt keinen vergleichbar weitreichenden Ausschluss des Vergütungsanspruchs; § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bestimmt als einzig erhebliche Frist die für die Krankenkassen geltende Einleitungsfrist von sechs Wochen. Systematisch betrachtet verzichtet § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV außerdem im Gegensatz zu den ausdrücklich als Ausschlussfristen benannten Fristen der §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV auf die Bezeichnung als Ausschlussfrist. Dies legt den Schluss nahe, dass die Parteien sich auf diese weitreichende Folge in diesem Kontext gerade nicht geeinigt haben. Nach Auffassung der Kammer wäre hier zumindest eine ausdrückliche Bezeichnung als Ausschlussfrist erforderlich gewesen. Schließlich dient das Prüfverfahren der zeitnahen einvernehmlichen Regelung. Auch dies spricht gegen einen materiell-rechtlichen Ausschluss im streitigen Verfahren.
Nach alledem war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Höhe der zugesprochenen Zahlung folgt aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen, ohne dass für die Kammer Berechnungsfehler erkennbar gewesen oder sonst geltend gemacht worden wären.
Vergütungsansprüche von Leistungserbringern gegen die Krankenkassen aus zivilrechtlichen Verträgen unterliegen dem Anspruch auf Verzugs- und Prozesszinsen. Der Zinsanspruch beruht auf § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 des Hessischen Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die demnach vorgesehene Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB wird antragsgemäß ab dem 30.12.2015 zugesprochen, da die Beklagte aufgrund der am Vortrag erfolgten Aufrechnung in Höhe der Klageforderung in Verzug geraten war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt das vollständige Obsiegen der Klägerin.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über Kosten in Höhe von weiteren 1.478,46 EUR wegen des stationären Krankenhausaufenthaltes des bei der Beklagten versicherten D.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Der Versicherte (geb. 1939) wurde dort vom 01. bis 09.09.2015 stationär behandelt. Bei Einweisung litt er unter Belastungsluftnot. Im Bereich der Knöchel bestanden Wasseransammlungen. Neu festgestellt wurde eine Herzrhythmusstörung (absolute Arrythmie bei Vorhofflimmern). Aufgrund einer CT-Thorax-Untersuchung konnte eine Lungenembolie ausgeschlossen werden. Es fanden sich jedoch ein rechtsbetonter Pleuraerguss und eine Verkalkung der Herzkranzgefäße. Bei einer Röntgenuntersuchung der Lunge am 02.09.2015 wurden eine Herzvergrößerung und eine kardiale Dekompensation festgestellt. Abschließend erfolgte eine Koronarangiographie mit Stentimplantation im Bereich eines Herzkranzgefäßes.
Am 11.09.2015 stellte die Klägerin der Beklagten mit der Hauptdiagnose I50.13 (Linksherzinsuffizienz: Mit Beschwerden bei leichterer Belastung, inkl. NYHA Stadium III) auf Grundlage der DRG F52B insgesamt 4.709,33 EUR in Rechnung. Den Betrag zahlte die Beklagte unter Vorbehalt und führte ein Prüfverfahren durch. Der SMD kam zu dem Ergebnis, dass Hauptdiagnose I25.11 (chronische ischiämische Herzkrankheit: Ein-Gefäß-Erkrankung) sei. Abzurechnen sei DRG F58B. Zudem sei ein Abschlag für die Belegung am 08.09.2015 vorzunehmen mangels stationärer Behandlungsnotwendigkeit. Am 29.12.2015 verrechnete die Beklagte daher einen Betrag in Höhe von 1.478,46 EUR.
Am 22.02.2016 hat die Klägerin Klage zu dem Sozialgericht Gießen erhoben. Die Kodierung der Hauptdiagnose I50.13 sei korrekt. Die koronare Ein-Gefäß-Erkrankung sei nicht als Ursache der Herzinsuffizienz anzusehen. Der Versicherte sei wegen zunehmender Dyspnoe bei beginnender Dekompensation aufgenommen worden, also wegen einer Herzinsuffizienz. Eine Entwässerung ergänzt durch eine medikamentöse Behandlung sei die typische Therapie bei diesem Krankheitsbild.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.478,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auf § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV. Demnach habe das Krankenhaus die zur Prüfung erforderlichen Unterlagen binnen vier Wochen zu übermitteln. Erfolge dies wie im vorliegenden Falle nicht, bestehe nur ein Anspruch nach Maßgabe der zur Verfügung gestellten Unterlagen.
Gemäß Stellungnahme des SMD vom 17.05.2016 bestand keine Herzinsuffizienz. Die Echokardiographie am 03.09.2015 habe eine fast normale Pumpfunktion der linken Herzkammer ergeben. Der Schluss von der Luftnot auf eine Herzinsuffizienz sei nicht nachvollziehbar. Andere Ursachen der Luftnot (z.B. Lungenerkrankung, Übergewicht) seien nicht abgeklärt worden. Zwar sei radiologisch im Bereich der Lunge eine Stauung nachgewiesen worden. Diese sei aber auf die neu aufgetretene Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern) zurückzuführen und nicht auf eine Herzinsuffizienz. Das Vorhofflimmern verhindere eine wirksame Vorhofkontraktion. Die hierdurch deutlich reduzierte Pumpfunktion habe zur Absenkung des Herzzeitvolumens und damit zur Stauung der Lunge geführt. Ursache der Herzrhythmusstörung sei neben der idiopathischen Genese die hier festgestellte koronare Herzgefäßerkrankung. Korrekte Hauptdiagnose sei daher I48.1 (Vorhofflimmern). Eine Herzinsuffizienz sei durch Echokardiographie ausgeschlossen. Am 09.08.2015 seien keine Untersuchungen mit therapeutischer Relevanz mehr erfolgt. Die Entlassung habe damit innerhalb der Grenzverweildauer der DRG 58B erfolgen können.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens, das Dr. med. E., Facharzt für Innere Medizin, am 20.12.2016 erstellte. Demnach war der Krankenhausaufenthalt durch eine dekompensierte Herzinsuffizienz bei hypertensiver Herzkrankheit, koronarer Herzkrankheit und Vorhofflimmern veranlasst. Hauptdiagnose sei die Herzinsuffizienz. Die abzurechnende DRG ergebe sich aus der Koronarangiographie mit Koronarstenosendilatation und Einsatz eines Stents. Dies führe zur DRG F52B mit einer unteren Grenzverweildauer von zwei Tagen und einer oberen Grenzverweildauer von elf Tagen. Eine Verkürzung des Aufenthaltes hätte damit nichts an der Rechnungshöhe geändert. Außerdem sei ein Krankenhausaufenthalt von neun Tagen bei dekompensierter Herzinsuffizienz angemessen.
Die Einweisung sei wegen arterieller Verschlusskrankheit, Hypertonie und koronarer Herzkrankheit erfolgt. Bei der Aufnahme sei eine Herzinsuffizienz und bis dato nicht bekanntes Vorhofflimmern festgestellt worden. Eindeutig feststellbar gewesen sei eine Herzschwäche (Herzinsuffizienz). Klinische Zeichen hierfür seien Luftnot und verminderte körperliche Belastbarkeit. Ursache könne die Hypertonie und insbesondere das offenbar neu aufgetretene Vorhofflimmern sein. Gemäß der Echokardiographie am 03.09.2015 habe eine leicht eingeschränkte Ejektionsfraktion von 50 - 55 % (Normal über 60 %) bestanden. Der SMD habe damit zu Unrecht eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen. Die Diagnose Herzinsuffizienz sei eine klinische und beruhe in erster Linie auf Beschwerden wie Luftnot und Ödemen. Daneben hätten auch Stauungszeichen sowie Ergussbildungen im Röntgenbild bestanden sowie ein neu aufgetretenes Vorhofflimmern mit absoluter Tachykardie (Rhythmusstörung, die eine Herzinsuffizienz bewirken kann). Die Kritik, das Vorhofflimmern sei als Ursache nicht berücksichtigt worden, gehe ins Leere. Die Luftnot durch Vorhofflimmern sei vielmehr eine Herzinsuffizienz. Ursache des Vorhofflimmerns könne die hypertensive Herzkrankheit mit erweiterten Vorhöfen sein. Auch dies könne eine Herzinsuffizienz sein. In der Gesamtbeurteilung des Zustands bei Aufnahme und des Verlaufs mit Beschwerdereduktion und Ausschwemmung der Ödeme unter Therapie ist nach dem Sachverständigen eine Herzinsuffizienz gesichert als den Krankenhausaufenthalt wesentlich veranlassende Diagnose anzusehen. Die Ursache der Herzinsuffizienz sei aufwendig diagnostiziert und Differentialdiagnosen (z.B. Lungenembolie mittels CT) bedacht und ausgeschlossen worden. Auch die invasive Koronardiagnostik mit Herzkatheter könne der Ursachenforschung der Herzinsuffizienz dienlich sein. Diese gegen Ende des stationären Aufenthaltes durchgeführte Maßnahme habe eine relevante Einengung eines großen Herzkranzgefäßes (RIVA) mit der lndikation zur Erweiterung der Stenose und Einsatz einer Gefäßstütze (STENT) ergeben. Die Therapie der Herzinsuffizienz habe in der medikamentösen Behandlung und Entwässerung bestanden.
Der SMD widersprach mit Stellungnahme vom 26.01.2017. Abzurechnen sei DRG F58B; sowohl l48.1 als auch l25.11 als Hauptdiagnose führten hierzu. Dyspnoe sei ein unspezifisches Symptom, das bei unterschiedlichen Erkrankungen (Herz, Lunge, Übergewicht, etc.) auftrete. Hieraus eine Herzinsuffizienz bzw. sogar ein NYHA-KIassifikations-Stadium abzuleiten, sei medizinisch nicht möglich. Die zur Beurteilung der NYHA-Stadien herangezogenen Symptome beinhalteten Atemluftnot (Dyspnoe), häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie), Zyanose, allgemeine Schwäche und Müdigkeit, Angina pectoris oder kalte Extremitäten und Ödeme. Nur aus dem Gesamtbild sei der Grad der Beeinträchtigung herzuleiten. Hier hätten verschiedene Erkrankungen vorgelegen, die sämtlich das zur Aufnahme führende Symptom der Dyspnoe hätten verursachen können und auch behandelt worden seien. Ob eine eigenständige Herzinsuffizienz durch den Hypertonus verursacht worden sei oder durch das Vorhofflimmern oder unabhängig von diesen, sei nicht eruierbar, da eine Therapie der Herzinsuffizienz und des Vorhofflimmerns erfolgt sei. Auch bei der Minderdurchblutung des Herzen durch die vorhandene und behandelte Herzgefäßerkrankung sei eines der Hauptsymptome Belastungsluftnot. Bei Aufnahme seien damit vorhanden gewesen: Herzrhythmusstörungen, eine Herzinsuffizienz, Bluthochdruck sowie eine Herzgefäßerkrankung. Alle Erkrankungen seien behandelt worden. Die zur Aufnahme führende Symptomatik sei keiner dieser Erkrankungen spezifisch zuordenbar. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien sei bei konkurrierenden Hauptdiagnosen diejenige zu wählen, die die meisten Ressourcen verbraucht hat. Das Vorhofflimmern überwiege mit rezidivierender EKG-Diagnostik und oraler Therapie den Ressourcenverbrauch für die Herzinsuffizienz (lediglich orale Therapie). Die Echokardiographie sei nicht spezifisch zuordenbar. Die Herzkranzgefäßerkrankung sei aufgrund der invasiven Diagnostik und Therapie mit einem höheren Ressourcenverbrauch belegt, jedoch sei hier regelmäßig nur ein kurzer stationärer Aufenthalt notwendig.
Mit Gutachtennachtrag vom 07.04.2017 blieb der Sachverständige bei seiner Auffassung. Die diagnostischen Kriterien der Herzinsuffizienz seien eindeutig erfüllt: Verminderte Belastbarkeit bei Luftnot, Nachweis von pathologischen Wasseransammlungen (Pleuraerguss) sowie Stauungszeichen im Röntgenbild. Das neu aufgetretene Vorhofflimmern könne nicht isoliert von der koronaren Herzkrankheit und der Herzinsuffizienz betrachtet werden. Die Diagnostik der Herzinsuffizienz habe auch die größten Ressourcen verbraucht (Röntgen der Brustorgane, CT zum Ausschluss anderer Ursachen der Beschwerden, invasive Diagnostik mit Herzkatheter und Stentimplantation sowie Dopplerechokardiographie). Rein auf das Vorhofflimmern bezogen habe der Ressourcenverbrauch lediglich in einer medikamentösen Herzfrequenzkontrolle und Bestimmung der Schilddrüsenhormone bestanden. Eine elektrische Kardioversion sei nicht angestrebt worden; hierzu wäre bei nicht genau bekannter Dauer des Vorhofflimmerns auch eine suffiziente Antikoagulation über 3 - 4 Wochen angezeigt gewesen.
Mit weiterer Stellungnahme vom 15.05.2017 blieb der SMD bei seiner Auffassung. Die klinischen Zeichen bei Aufnahme seien nicht eindeutig. Es seien nur minimale Knöchelödeme beschrieben und ein unauffälliger Lungenbefund. Die Zuordnung des Ressourcenverbrauchs sei nicht nachvollziehbar. Koronarangiographie und CT seien der koronaren Herzkrankheit zuzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte der Beklagten und der Patientenakte des Versicherten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie ist zutreffend als allgemeine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) erhoben worden. Eine Regelung durch Verwaltungsakt kommt nicht in Betracht. Denn Krankenhausträger und Krankenkasse stehen sich bei der Frage, wie die stationäre Behandlung eines gesetzlich Krankenversicherten zu vergüten ist, im Gleichordnungsverhältnis gegenüber. Eines Vorverfahrens im Sinne von § 78 SGG bedurfte es daher nicht. Auch war keine Klagefrist zu beachten.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.478,46 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 30.12.2015 aus Anlass der vollstationären Krankenhausbehandlung des Versicherten D. vom 01. bis 09.09.2015.
Rechtsgrundlage für den Vergütungsanspruch ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie § 17b Abs. 1 Satz 3 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i.V.m. § 39 Abs. 1 SGB V, dem Fallpauschalen-Katalog für das Jahr 2015 und dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft und der Beklagten.
Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (BSGE 86, 166, 168). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser (§ 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V) steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 KHG nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der Pflegesatzvereinbarung zwischen den Krankenkassen und den Krankenhausträgern festgelegt wird (BSGE 90, 1). Voraussetzung für den Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses ist, dass die Versorgung im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich war und im Rahmen des Versorgungsauftrags des Krankenhauses erfolgte.
Gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen nach Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Der Fallpauschalen-Katalog ist nach Fallgruppen (DRG = Diagnosis Related Groups) geordnet. Für die Zuordnung zu einer DRG wird die Behandlung im ersten Schritt mit einem Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V (OPS-301) verschlüsselt ("kodiert"); hierzu haben die Vertragspartner auf Bundesebene "Kodierrichtlinien" beschlossen. Im zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalen-Katalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird (Groupierung).
Dem Sachverständigen Dr. med. E. folgend ist die von der Klägerin abgerechnete DRG F52B zugrunde zu legen. Bei einer unteren Grenzverweildauer von zwei Tagen und einer oberen Grenzverweildauer von elf Tagen hätte die von der Beklagten für möglich erachtete Verkürzung des Aufenthaltes von neun auf acht Tage nichts an der Rechnungshöhe geändert.
Die hierfür anfallende Zahlungsverpflichtung in Höhe von insgesamt 4.709,33 EUR hat die Beklagte in Höhe der am 29.12.2015 verrechneten, hier streitigen 1.478,46 EUR bisher nicht erfüllt. Ein Anspruch der Klägerin auf Vergütung besteht daher in diesem Umfang.
Aus den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. E. ergibt sich für die Kammer schlüssig und nachvollziehbar, dass die Herzinsuffizienz gesichert als den Krankenhausaufenthalt wesentlich veranlassende Erkrankung anzusehen ist.
Die Einweisung erfolgte zunächst wegen arterieller Verschlusskrankheit, Hypertonie und koronarer Herzkrankheit. Bei der Aufnahme wurden eine Herzinsuffizienz und ein bisher nicht bekanntes Vorhofflimmern festgestellt. Seine anfängliche Behauptung, das Vorliegen einer Herzinsuffizienz sei gänzlich ausgeschlossen (vgl. Stellungnahme des SMD vom 17.05.2016, Seite 3, drittletzter Absatz, Bl. 21 der Gerichtsakte), hat der SMD revidiert. Grundsätzliche Übereinstimmung bestand zuletzt zwischen dem Sachverständigen und dem SMD darin, dass bei dem Versicherten verschiedene Erkrankungen vorhanden waren und behandelt wurden: eine Herzrhythmusstörung (Vorhofflimmern), eine Herzinsuffizienz und eine koronare Herzerkrankung (ausdrücklich auch: SMD, Stellungnahme vom 26.01.2017, Seite 2, Absatz 5, Bl. 40 der Gerichtsakte). Auch die Kammer zweifelt in keiner Weise daran, dass bei dem Versicherten eine Herzinsuffizienz vorlag. Dies belegen die in der Patientenakte dokumentierten Symptome einer Luftnot bzw. einer verminderten körperlichen Belastbarkeit, die eingeschränkte Ejektionsfraktion von 50 - 55 % (Normal über 60 %) gemäß Echokardiographie am 03.09.2015, die bei Aufnahme bestehenden Ödeme an den Knöcheln sowie der festgestellte Pleuraerguss. Eben diese Symptome werden auch in den von der Beklagten vorgelegten ESC Pocket Guidelines – Herzinsuffizienz – Leitlinien für die Diagnose und Behandlung der akuten und chronischen Herzinsuffizienz (Bl. 53 ff. der Gerichtsakte) als kennzeichnend für eine Herzinsuffizienz beschrieben. Weshalb die Beklagte dennoch anfänglich eine Herzinsuffizienz ausgeschlossen hatte, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.
Dass die vorliegende Herzinsuffizienz den stationären Aufenthalt auch wesentlich veranlasst hat, konnte der Sachverständige zur Überzeugung der Kammer schlüssig herleiten. Bei seiner Beurteilung wird – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch das erstmals diagnostizierte Vorhofflimmern gewürdigt als Rhythmusstörung, die eine Herzinsuffizienz bewirken kann und hier jedenfalls nicht isoliert betrachtet werden darf. Für die Herzinsuffizienz als wesentliche Diagnose spricht auch die Gesamtbeurteilung des Zustands bei Aufnahme und des Verlaufs mit Beschwerdereduktion, indem nach medikamentöser Behandlung und Entwässerung eine Besserung eintrat. Eine Herzkranzgefäßerkrankung dagegen hätte – wie der SMD selbst unter dem 17.05.2016 ausführt – regelmäßig nur einen (hier nicht gegebenen) kurzen stationären Aufenthalt erfordert.
Die Beklagte hat dagegen unter anfänglicher Negierung einer Herzinsuffizienz im Verfahrensverlauf wechselnde Auffassungen zur Hauptdiagnose vorgetragen, zunächst: I25.11 (chronische ischiämische Herzkrankheit: Ein-Gefäß-Erkrankung), später: I48.1 (Vorhofflimmern). Allein die Inkonsequenz dieses Vortrags mit dem zentralen Bemühen, eine (zuletzt doch als zumindest mitvorliegend bestätigte Herzinsuffizienz) als Hauptdiagnose auszuschließen, führen insgesamt zu erheblichen Zweifeln der Kammer an der Lesart des SMD. Zuletzt ist der SMD unter Annahme einer Herzrhythmusstörung, einer Herzinsuffizienz und einer Herzgefäßerkrankung als vorliegende und behandelte Erkrankungen von konkurrierenden Hauptdiagnosen ausgegangen.
Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer von konkurrierenden Diagnosen ausginge, kämen hier als solche allenfalls die Herzinsuffizienz und das Vorhofflimmern in Betracht; nach dem zur regelmäßigen Aufenthaltsdauer Gesagten scheidet die Herzgefäßerkrankung als den stationären Aufenthalt wesentlich veranlassend aus. Die (Ausschluss-)Diagnostik der Herzinsuffizienz (Röntgen der Brustorgane, CT, invasive Diagnostik mit Herzkatheter und Stentimplantation sowie Dopplerechokardiographie, medikamentöse Ausschwemmung) hat nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen die meisten Ressourcen verbraucht. Eine Behandlung des Vorhofflimmerns erfolgte dagegen nur durch medikamentöse Herzfrequenzkontrolle und Bestimmung der Schilddrüsenhormone; eine elektrische Kardioversion wurde gar nicht erst angestrebt.
Dem mithin bestehenden Anspruch der Klägerin steht auch § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV nicht entgegen.
Nach § 7 Abs. 2 Satz 1 PrüfvV kann bei Prüfung im schriftlichen Verfahren der Medizinische Dienst die Übersendung einer Kopie der Unterlagen verlangen, die er zur Beurteilung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung sowie zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung benötigt. Das Krankenhaus hat die Unterlagen innerhalb von vier Wochen nach Zugang der Unterlagenanforderung an den Medizinischen Dienst zu übermitteln (Satz 2). Erfolgt dies nicht, hat das Krankenhaus einen Anspruch nur auf den unstrittigen Rechnungsbetrag (Satz 3). Nach Maßgabe von § 7 Abs. 5 PrüfvV sind einmalige Korrekturen oder Ergänzungen von Datensätzen nur innerhalb von fünf Monaten nach Einleitung des Prüfverfahrens bzw. nach Erweiterung des Prüfanlasses möglich. Gemäß § 8 Satz 1 PrüfvV hat die Krankenkasse dem Krankenhaus ihre abschließende Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Leistung oder zur Korrektur der Abrechnung und den daraus folgenden Erstattungsanspruch mitzuteilen.
Unter Auslegung dieser Regelungen ist vor dem Hintergrund der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 KHG sowie des Zwecks des Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1c SGB V die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur vor Ablauf der gesetzlichen vierjährigen Verjährungsfrist bzw. des in der BSG-Rechtsprechung definierten Zeitraums des Einwendungsausschlusses der Verwirkung nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt.
Gemäß § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG regeln der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft "das Nähere zum Prüfverfahren" nach § 275 Absatz 1c SGB V; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V möglich.
Die Annahme eines materiell-rechtlichen Ausschlusses überschreitet bereits den Gesetzeswortlauts ("das Nähere zum Prüfverfahren"), vgl. auch Sozialgericht Kassel, Gerichtsbescheid vom 25.11.2016, S 12 KR 594/15, juris, Rn. 40 ff. Auch das Gesetz kennt keinen vergleichbar weitreichenden Ausschluss des Vergütungsanspruchs; § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V bestimmt als einzig erhebliche Frist die für die Krankenkassen geltende Einleitungsfrist von sechs Wochen. Systematisch betrachtet verzichtet § 7 Abs. 2 Satz 3 PrüfvV außerdem im Gegensatz zu den ausdrücklich als Ausschlussfristen benannten Fristen der §§ 6 Abs. 2, 8 PrüfvV auf die Bezeichnung als Ausschlussfrist. Dies legt den Schluss nahe, dass die Parteien sich auf diese weitreichende Folge in diesem Kontext gerade nicht geeinigt haben. Nach Auffassung der Kammer wäre hier zumindest eine ausdrückliche Bezeichnung als Ausschlussfrist erforderlich gewesen. Schließlich dient das Prüfverfahren der zeitnahen einvernehmlichen Regelung. Auch dies spricht gegen einen materiell-rechtlichen Ausschluss im streitigen Verfahren.
Nach alledem war dem Klageantrag zu entsprechen. Die Höhe der zugesprochenen Zahlung folgt aus den von der Klägerin vorgelegten Rechnungen, ohne dass für die Kammer Berechnungsfehler erkennbar gewesen oder sonst geltend gemacht worden wären.
Vergütungsansprüche von Leistungserbringern gegen die Krankenkassen aus zivilrechtlichen Verträgen unterliegen dem Anspruch auf Verzugs- und Prozesszinsen. Der Zinsanspruch beruht auf § 10 Abs. 5 i.V.m. Abs. 4 des Hessischen Vertrages über die Allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gemäß § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V i.V.m. § 288 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die demnach vorgesehene Verzinsung von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB wird antragsgemäß ab dem 30.12.2015 zugesprochen, da die Beklagte aufgrund der am Vortrag erfolgten Aufrechnung in Höhe der Klageforderung in Verzug geraten war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und berücksichtigt das vollständige Obsiegen der Klägerin.
Rechtskraft
Aus
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