Land
Hessen
Sozialgericht
SG Wiesbaden (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
8
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 8 AS 191/17 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 109/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Auch unter den seit dem 01.08.2016 geltenden Neuregelungen zur vorläufigen Leistungsbewilligung in § 41 a SGB II ist weiterhin eine teilweise vorläufige Leistungsbewilligung möglich und führt nicht zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt.
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage S 8 AS 651/17 gegen den Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 06.11.2017 und den Bescheid vom 09.11.2017 wird angeordnet.
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., B-Stadt, ab dem 11.12.2017 bewilligt.
Gründe:
I.
Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich eines Aufhebungsbescheides des Antragsgegners vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 und eines Bescheides vom 09.11.2017, mit denen der Antragsgegner die Leistungsbewilligung für die Antragstellerin nach dem SGB II ab dem 01.10.2017 aufgehoben hat.
Die 1971 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebt seit 2014 in Deutschland. In der Zeit vom 01.08.2016 bis zum 01.04.2017 war die Antragstellerin geringfügig beschäftigt beim C. Imbiss in B-Stadt. Laut Arbeitsvertrag (Blatt 31 f. der Gerichtsakte) wurde hierfür bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 4 Stunden ein Nettolohn in Höhe von monatlich 102,00 EUR vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete im April 2017 durch arbeitgeberseitige Kündigung. Während die Antragstellerin jedenfalls in den Monaten September bis Dezember 2016 auch tatsächlich aus diesem Arbeitsverhältnis einen Nettolohn in Höhe von 102,00 EUR erzielte, wurde erstmals dann im Januar 2017 (Blatt 24 der Verwaltungsakte) und in der Folge dann auch im Februar 2017 (Blatt 44 der Verwaltungsakte) hieraus ein Erwerbseinkommen in Höhe von 106,08 EUR erzielt. Seit dem 01.08.2017 ist die Antragstellerin beim D. Grill in B-Stadt beschäftigt und erhält hierfür laut Arbeitsvertrag vom 01.08.2017 (Blatt 28 ff. der Gerichtsakte) bei einer monatlichen Arbeitszeit von 16 Stunden einen Festlohn in Höhe von 141,44 EUR. Noch mit Änderungsbescheid vom 26.11.2016 hatte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Monate Januar und Februar 2017 in Höhe von monatlich 757,40 EUR unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens aus ihrer Tätigkeit beim C. Imbiss in Höhe von 1,60 EUR bewilligt.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 09.02.2017 (ab Blatt 31 ff. der Verwaltungsakte) auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.02.2017 (Bl. 38 ff. der Verwaltungsakte) für die Zeit vom 01.03.2017 bis 28.02.2018 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 757,40 EUR unter Berücksichtigung eines anrechenbaren Einkommens ihrer Tätigkeit beim C. Imbiss in Höhe von 1,60 EUR. Der Bescheid enthielt auf der Seite 1 unter "sonstige Gründe" den Hinweis, dass die Nebenkosten (Betriebs-, Wasser-, Abwasser-, Heiz- und Warmwasserkosten) als Vorauszahlung auf die jährliche Nebenkostenabrechnung (Betriebskosten- oder Verbrauchsabrechnung) erbracht würden. Insoweit ergehe eine vorläufige Entscheidung.
Nach Vorlage ihrer Lohnabrechnung für Februar 2017 (Blatt 44 der Verwaltungsakte) erließ der Antragsgegner am 21.03.2017 zwei Änderungsbescheide (ab Blatt 48 ff. der Verwaltungsakte). Mit dem einen Bescheid bewilligte er der Antragstellerin für den Monat Februar 2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 754,14 EUR, führte insofern jedoch aus, dass er auf die Rückforderung aufgrund einer Überzahlung in Höhe von 3,26 EUR aufgrund der geringen Höhe verzichte. Mit dem zweiten am 21.03.2017 ergangenen Bescheid bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit von April 2017 bis Februar 2018 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 751,00 EUR. Es wurde ausgeführt, dass der bisher in diesem Zusammenhang ergangene Bescheid vom 10.02.2017 insoweit aufgehoben werde. Zur Vermeidung weiterer Überzahlungen werde zunächst vorsorglich ein Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 110,00 EUR berücksichtigt. Die Bewilligungen der Leistungen sei insofern vorläufig nach § 41 a SGB II.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache der Antragstellerin bei dem Antragsgegner am 28.06.2017 (Blatt 71 der Verwaltungsakte), wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass aus Sicht des Antragsgegners ihr weiterer ALG II-Anspruch fraglich sei. Man vertrat die Auffassung, dass die Antragstellerin als EU-Bürgerin weniger als 12 Monate eine geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe, die vom Umfang eher als Nebenverdienst anzusehen sei. Aufgrund der fehlenden Ausbildung und geringen Deutschkenntnisse bestehe kaum Aussicht, dass der Lebensunterhalt selbst erwirtschaftet werden könne. Sollte die Antragstellerin in der Zwischenzeit keine Arbeit in ausreichendem Umfang gefunden haben, sei davon auszugehen, dass der Leistungsanspruch nach dem SGB II spätestens mit Ablauf des Monats September 2017 (d. h. 6 Monate nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit) beendet sei. Am selben Tag (28.06.2017, Blatt 78 f. der Verwaltungsakte) erließ der Beklagte einen Aufhebungsbescheid, mit dem er den Bescheid vom 10.02.2017 ab dem 01.10.2017 gemäß § 40 Abs. 1 und 2 SGB II und § 330 Abs. 3 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 7 Abs. 1 SGB II aufhob. Zur Begründung führte er aus, dass von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende Ausländerinnen und Ausländer ausgeschlossen seien, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Dieser Bescheid wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nochmals am 26.10.2017 (Blatt 147 der Verwaltungsakte) bekannt gegeben. Gleichzeitig erließ der Antragsgegner am 28.06.2017 einen Änderungsbescheid, der die Monate März bis September 2017 betraf.
Auf das Schreiben des Antragsgegners vom 07.08.2017 stellte die Antragstellerin am 18.09.2017 einen Weiterbewilligungsantrag, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.09.2017 (Blatt 116 der Verwaltungsakte) im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ablehnte. Zu diesem Zeitpunkt lag ihm bereits der Arbeitsvertrag für die neue Tätigkeit der Antragstellerin beim D. Grill ab dem 01.08.2017 vor (Eingang beim Antragsgegner am 23.08.2017, Blatt 87 ff. der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 09.10.2017 erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.09.2017 Widerspruch und führte aus, dass der Bescheid vom 10.02.2017 weiter Gültigkeit habe, da die Antragstellerin keinen Aufhebungsbescheid bekommen habe, woraufhin es am 26.10.2017 zur erneuten Bekanntgabe gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin kam. Gegen den Aufhebungsbescheid erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2017 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 28.06.2017 auf, soweit er die Zeit vor dem 01.11.2017 betraf, im Übrigen wies er den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.06.2017 jedoch als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.09.2017 wies er im Hinblick auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II als unbegründet zurück. Die mit Bescheid vom 28.06.2017 erfolgte "Aufhebung" der Bewilligung für die Zeit ab dem 01.10.2017 nach § 48 SGB X i. V. m. § 40 SGB II habe richtigerweise als Rücknahme nach § 41 a SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 SGB X ergehen müssen. Soweit die vorläufige Entscheidung nach Absatz 1 rechtswidrig sei, sei sie nach § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II für die Zukunft zurückzunehmen, § 45 Abs. 2 SGB X finde keine Anwendung (Satz 5). Demnach sei die Korrektur einer vorläufigen Entscheidung durch Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X nur für die Zukunft möglich. Für die Vergangenheit solle eine Korrektur zu Lasten der Leistungsberechtigten nur im Wege einer abschließenden Festsetzung der Leistungen möglich sein. Die Rücknahme für die Zukunft sei nach der Formulierung von § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II zwingendes Recht ("ist"), im Gegensatz zur Regelung des § 45 SGB X sei dem Leistungsträger also kein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung eingeräumt. Aspekte des Vertrauensschutzes im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X spielten nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers keine Rolle. Demnach sei vorliegend die Bewilligungsentscheidung vom 10.02.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.03.2017 zwingend für die Zukunft zurückzunehmen. Dies bedeute allerdings im Hinblick auf die Zustellung an die Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass mit Rücksicht auf die Problematik der Bekanntgabe (§ 39 Abs. 1 SGB X) durch Zugang (§ 37 SGB X) und die monatsweise Erbringung der Leistungen nach dem SGB II als "Zukunft" im Sinne von § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II erst der 01.11.2017 in Betracht komme. Für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 31.10.2017 sei die angefochtene Rücknahmeentscheidung vom 28.06.2017 – formal – rechtswidrig und daher aufzuheben, insofern werde eine abschließende Festsetzung der Leistungen noch zu prüfen sein. Im Übrigen sei die angefochtene Rücknahmeentscheidung vom 28.06.2017 nach Austausch der Begründung jedoch nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die Ablehnungsentscheidung vom 26.09.2017, die angesichts des bestehenden Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 FreizügG / EU zu Recht ergangen sei. Mit Bescheid vom 09.11.2017 (Bl. 167 der Verwaltungsakte) setzte der Antragsgegner die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2017 bis 31.10.2017 endgültig fest und stellte mit Bezug auf die Begründung im Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 fest, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 richtet sich die am 07.12.2017 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 8 AS 651/17 angelegt wurde.
Am 11.12.2017 wurde der hiesige Antrag im einstweiligen Rechtsschutz erhoben, der unter dem Aktenzeichen S 8 AS 191/17 ER angelegt wurde, und mit dem die Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.06.2017 und wohl auch gegen den Bescheid vom 09.11.2017 begehrt.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das von ihr ausgeübte Beschäftigungsverhältnis Arbeitnehmerstatus begründe. Wenn der Antragsgegner hier nur auf die geringe wöchentliche Arbeitszeit abstelle, verkenne er, dass dies nicht das einzige Kriterium sei, um die Echtheit eines Arbeitsverhältnisses im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie zu bestimmen. Es komme vielmehr auf die gesamten Umstände an. So müsse man hier feststellen, dass im Arbeitsvertrag unter anderem auch Urlaubsansprüche geregelt würden. Zudem erhalte der neue Arbeitsvertrag die Regelung, dass die regelmäßige Arbeitszeit "zur Zeit fix" 16 Stunden betrage, was einer zukünftigen Ausweitung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegenstehe. Die Tätigkeit sei eine normale Reinigungstätigkeit. Aus Sicht des Arbeitgebers sei die Beschäftigung einer Reinigungskraft regelmäßig auch nicht verzichtbar, so dass man hier nicht von einer völlig untergeordneten Arbeit sprechen könne. Auch müsse berücksichtigt werden, dass ein Imbiss seine Geschäftsräume sicherlich nicht 8 Stunden am Tag putzen lasse. Vorliegend zeige sich bereits anhand der Meldebescheinigungen der Minijobzentrale, dass die Tätigkeit mehr als ein Jahr ausgeübt worden sei und auch der Mindestlohn gezahlt worden sei. Auch seien in der Zeit vom 01.08.2016 bis 31.12.2016 Eigenanteile an die Rentenversicherung (= Pflichtbeträge) von der Antragstellerin entrichtet worden. Die Einzahlung in das Deutsche Rentensystem stelle ein starkes Indiz für die Annahme einer echten Tätigkeit dar. Wenn mit der eigenen Beschäftigung Rentenanwartschaften erworben würden, könne man nicht mehr von einer nur völlig belanglosen Tätigkeit sprechen. Zudem habe der Antragsgegner entgegen der im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung keine vorläufige Bewilligungsentscheidung nach § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II getroffen. In § 41 a stehe, dass die Gründe für die Vorläufigkeit anzugeben seien. Dies bedeute, dass der Bescheid nur für den Bereich vorläufig sei. Im Übrigen bestünden Zweifel, ob die Umstellung von einer endgültigen auf eine vorläufige Leistungsbewilligung aufgrund einer nennenswerten Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen habe stattfinden dürfen. Eine Anhebung der Einkommensanrechnung von 102 EUR auf 106,08 EUR sei sicherlich nicht nennenswert. Die Rücknahme des Bescheides habe daher nur nach Maßgabe des § 45 Absatz 2 SGB X erfolgen dürfen. Vertrauensgesichtspunkte seien insofern aber nicht geprüft worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage S 8 AS 641/17 gegen den Bescheid vom 28.06.2017 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der zeitliche Umfang der von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit vorliegend keine Arbeitnehmereigenschaft im europarechtlichen Sinne begründe. Vielmehr erscheine diese immer in so geringem Umfang tätig gewesen zu sein, dass der Verdacht nahe liege, die Erwerbstätigkeit werde ausschließlich ausgeübt, um Zugang zum Sozialsystem zu gelangen. Solche Tätigkeiten begründeten aber gerade keinen Arbeitnehmerstatus (vgl. insoweit LSG Berlin- Brandenburg vom 04.06.2015, L 29 AS 1128/15 B ER; Sächsisches OVG vom 02.02.2016, 3 B 267/15). Des Weiteren vertritt der Antragsgegner die Auffassung, dass eine Prüfung nach § 45 SGB X nicht zu erfolgen habe. Gemäß § 40 Abs. 4 SGB II habe die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 10.02.2017 wegen einer Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen auf eine vorläufige Leistungsbewilligung wie mit Änderungsbescheid vom 21.03.2017 geschehen "umgestellt" werden dürfen, nachdem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 10.02.2017 eine einzige Einkommensbescheinigung vorgelegen habe, die ein leicht höheres Einkommen ausgewiesen habe, dann jedoch eine weitere Einkommensbescheinigung vorgelegt worden sei, aus der sich erneut ein höheres Einkommen der Antragstellerin ergeben habe. Im Übrigen sei bereits der Bescheid vom 10.02.2017 in Bezug auf die KdU vorläufig erlassen worden. Insofern werde unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung in der Literatur durchaus vertreten, dass nach neuer Rechtslage eine nur teilweise vorläufige Leistungsbewilligung nicht mehr möglich sein solle, sondern vielmehr eine solche zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die das Gericht beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand seiner Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
Der zulässige Antrag hat in vollem Umfang Erfolg.
Bei dem am 11.12.2017 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Antrag im einstweiligen Rechtschutz handelt es sich um einen Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Soweit die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in den Ausführungen im Schriftsatz vom 11.12.2017 darüber hinaus beantragt, die Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26.09.2017 wiederherzustellen, läuft dieser Antrag ins Leere, da bezüglich des Bescheides vom 26.09.2017 nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Betracht käme, eine solche jedoch von ihr nicht beantragt wurde.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Da die gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobene Klage nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SBG II keine aufschiebende Wirkung hat, wertet das Gericht den Antrag vom 11.12.2017 als Antrag auf Anordnung, und nicht auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind – neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. bei Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes – vor allem die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage und summarischer Prüfung der Tatsachenlage bewerteten Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung. Erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so ist im Regelfall der Eilantrag abzulehnen.
Im Falle einer solchen Orientierung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Kammerbeschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, muss das Gericht im Rahmen einer umfassenden Folgenabwägung dafür Sorge tragen, dass eine Verletzung der Menschenwürde ausgeschlossen werden kann (BVerfG, a.a.O).
Die Abwägung sämtlicher für und gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu berücksichtigen Belange hat vorliegend ein Überwiegen des Suspensivinteresses der Antragstellerin zur Folge. Denn der Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 06.11.2017 und der Bescheid vom 09.11.2017 sind nach nicht nur summarischer Prüfung durch das Gericht zu dessen Überzeugung rechtswidrig.
Dabei konnte das Gericht die Frage offen lassen, ob die Antragstellerin prinzipiell einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 FreizügG / EU unterliegt.
Denn jedenfalls stellen sich der Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 und der Bescheid vom 09.11.2017 als formell rechtswidrig dar. Denn zu Unrecht ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die zuvor erfolgte Leistungsbewilligung ab dem 01.11.2017 nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen und für den Monat Oktober 2017 eine abschließende Leistungsfestsetzung gem. § 41 a Absatz 3 Satz 1 SGB II vorzunehmen war. Denn die Regelungen des § 41 a SGB II gelten nur, soweit zuvor Leistungen vorläufig bewilligt worden sind.
Gemäß § 41 a Abs. 1 Satz 1 SGB II ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn
1. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder
2. ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist.
Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.02.2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 757,40 EUR für die Zeit von März 2017 bis Februar 2018 bewilligt. Der Bescheid enthielt lediglich in Bezug auf die Nebenkosten einen Vorläufigkeitsvorbehalt, hinsichtlich des anrechenbaren Einkommens und auch der Frage der Leistungsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach jedoch nicht, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die Antragstellerin lediglich eine Tätigkeit im geringen Umfang ausübte, die nach Auffassung des Antragsgegners ihre Eigenschaft als Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Absatz 2 Nr.1 FreizügG/EU nicht zu begründen vermag. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugestehen, dass ein Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II abschließend entschieden wurde, mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 40 Abs. 4 SGB II ganz aufzuheben ist, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41 a SGB II nunmehr vorläufig zu entscheiden wäre. Das Gericht hat insofern jedoch erhebliche Bedenken, dass es sich bei einer Erhöhung des erzielten Einkommens von 102,00 EUR auf 106,08 EUR um eine wesentliche Änderung handelt, wie sie im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist (vgl. Greiser in Eicher/Luik, SGB II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kommentar, 4. Auflage, § 40 Rnr. 105).
Indes ist dieser Gesichtspunkt vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn nach Auffassung des Gerichts konnte der Bescheid vom 10.02.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.03.2017 nur nach Maßgabe des § 45 SGB X aufgehoben werden, da der Bescheid hinsichtlich der Leistungsberechtigung dem Grunde nach (inklusive eines möglichen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Absatz 3 FreizügG / EU) eine abschließende Regelung enthielt.
Soweit - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - in der Literatur unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung angenommen wird, dass nach neuer Rechtslage eine nur teilweise Leistungsbewilligung nicht mehr möglich sein soll, sondern vielmehr eine solche zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt führt (vgl. etwa Conradis in: Münder, Sozialgesetzbuch II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, 6. Auflage 2017, § 41 a Rnr. 9), konnte sich das Gericht dem nicht anschließen. So weist etwa Kemper in der Kommentierung zum SGB II in Eicher/Luik in Rnr. 20 zu § 41 a zutreffend darauf hin, dass diese Auffassung verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze negiert und in unzutreffender Weise nicht zwischen den Bewilligungsbescheid und seinen einzelnen Regelungsgegenständen, also Verwaltungsakten differenziert. So führt Fohrmann weiter in SGb 2016, S. 615 (616) aus, dass sich die Vorläufigkeit nicht auf alle Verwaltungsakte in einem Bewilligungsbescheid beziehen muss, vielmehr könne über die Vorläufigkeit für jeden trennbaren Streitgegenstand gesondert entschieden werden. Die Begründung des Gesetzesentwurfs gehe davon aus, dass die Leistungen immer als Ganzes vorläufig bewilligt würden. Dies entspreche auch der Praxis der gemeinsamen Einrichtungen und der Auffassung der Agentur für Arbeit. Auswirkungen auf den Gesetzeswortlaut habe diese Einschätzung insoweit gehabt, als die in § 328 Absatz 1 Satz 2 SGB III bestehende Begründungspflicht für den Umfang der Vorläufigkeit in § 41 a Absatz 2 Satz 1 SGB II nicht übernommen worden sei. Fohrmann weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diese Veränderung nicht ausreichend sein dürfte, dass das BSG von seiner in der Entscheidung vom 19.08.2015 zum Az: B 14 AS 13/14 Rdnr. 11 vertretenen Auffassung abrücken muss. Daran, dass es sich um verschiedene Verwaltungsakte handele, habe sich nichts geändert. Einen Regelungswillen dahingehend, dass mit § 41 a SGB II nur noch eine einheitlich vorläufige Bewilligung zulässig sei, lasse sich weder dem Wortlaut noch der Begründung des Entwurfs entnehmen. Die Begründung gehe nur (zu Unrecht) von dieser Rechtsauffassung aus. Konsequenz der Auffassung des BSG sei aber auch, dass die Prüfung der Vorläufigkeit für trennbare Gegenständige auch unabhängig voneinander erfolgen müsse, d.h. dass eine Unsicherheit, die sich z.B. nur auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung auswirken kann (z.B. eine ausstehende Betriebskostenabrechnung) nur die vorläufige Bewilligung dieser Leistungen zulasse, die restlichen Leistungen aber endgültig bewilligt werden müssten (ähnlich auch Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, 65. EL März 2017, SGB II, § 41 a Rn. 48).
Gerade in der vorliegenden Konstellation wird deutlich, dass man der Leistungsberechtigten erheblichen Vertrauensschutz nähme, würde man davon ausgehen, dass der Bescheid vom 10.02.2007 in der Fassung des Bescheides vom 21.03.2007 insgesamt vorläufig nach § 41 a SGB II erlassen worden ist.
Insoweit käme eine Aufhebung dann auch nur nach § 45 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen dürften.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gem. § 45 Absatz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Gem. § 45 Absatz 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Intersse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gem. Absatz 2 Satz 2 in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Gem. Absatz 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat.
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass einer dieser Voraussetzungen vorliegend erfüllt wäre.
Im Übrigen verbietet sich insofern auch eine Umdeutung des Bescheides vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 sowie des Bescheides vom 09.11.2017 in einen solchen nach § 45 SGB X. So hat das BSG in einer Entscheidung vom 29.04.2015 zum Aktenzeichen B 14 AS 31/14 R in der Rdnr 30 ausgeführt, dass die Umdeutung eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in einen Bescheid nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a SGB II alte Fassung i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 SGB III unzulässig sei. Dies muss im Wege eines Erstrecht-Schlusses dann auch für die Umdeutung eines Bescheides nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 i.V.m. § 45 SGB X SGB II bzw. eines Bescheides nach § 41 a Absatz III SGB II in einen solchen nach § 45 SGB X gelten, zumal der Antragsgegner – ist er doch davon ausgegangen, eine gebundene Entscheidung treffen zu müssen – auch keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 06.11.2017 anzuordnen. Dies bezieht den Bescheid vom 09.11.2017 mit ein, da dieser nach § 96 Absatz 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 8 AS 651/17 geworden ist.
Gem. § 96 SGG Absatz 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der neue Verwaltungsakt muss nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen sein, vorher kommt § 86 SGG zur Anwendung. Die nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung differenzierende Rechtsprechung (zunächst § 86 SGG, nach Erhebung der Klage § 96 SGG) dürfte überholt sein (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 96 Rn. 3a). Der Bescheid vom 09.11.2017 ersetzt den Bescheid vom 28.06.2017 in diesem Sinne auch hinsichtlich des Monates Oktober 2017.
Das Gericht weist darauf hin, dass der Antragsgegner der Antragstellerin insgesamt die Leistungen ab Oktober 2017 bis zum 28.02.2018 auszukehren hat.
Eine teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner den Bescheid vom 10.02.2017 teilweise unter einen Vorläufigkeitsvorbehalt gestellt hat, schied vorliegend aus. Denn der Antragsgegner hat im Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 bzw. im Bescheid vom 09.11.2017 die endgültige Festsetzung nach § 41 a Absatz 3 SGB II bzgl. des Monats Oktober 2017 bzw. die Aufhebung ab dem 01.11.2017 nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 SGB II i.V.m. § 45 SGB X nicht im Hinblick auf die Vorlage einer Nebenkostenabrechnung getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO zu entsprechen.
2. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin B., B-Stadt, ab dem 11.12.2017 bewilligt.
Gründe:
I.
Mit ihrem Antrag begehrt die Antragstellerin einstweiligen Rechtsschutz hinsichtlich eines Aufhebungsbescheides des Antragsgegners vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 und eines Bescheides vom 09.11.2017, mit denen der Antragsgegner die Leistungsbewilligung für die Antragstellerin nach dem SGB II ab dem 01.10.2017 aufgehoben hat.
Die 1971 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige und lebt seit 2014 in Deutschland. In der Zeit vom 01.08.2016 bis zum 01.04.2017 war die Antragstellerin geringfügig beschäftigt beim C. Imbiss in B-Stadt. Laut Arbeitsvertrag (Blatt 31 f. der Gerichtsakte) wurde hierfür bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 4 Stunden ein Nettolohn in Höhe von monatlich 102,00 EUR vereinbart. Das Arbeitsverhältnis endete im April 2017 durch arbeitgeberseitige Kündigung. Während die Antragstellerin jedenfalls in den Monaten September bis Dezember 2016 auch tatsächlich aus diesem Arbeitsverhältnis einen Nettolohn in Höhe von 102,00 EUR erzielte, wurde erstmals dann im Januar 2017 (Blatt 24 der Verwaltungsakte) und in der Folge dann auch im Februar 2017 (Blatt 44 der Verwaltungsakte) hieraus ein Erwerbseinkommen in Höhe von 106,08 EUR erzielt. Seit dem 01.08.2017 ist die Antragstellerin beim D. Grill in B-Stadt beschäftigt und erhält hierfür laut Arbeitsvertrag vom 01.08.2017 (Blatt 28 ff. der Gerichtsakte) bei einer monatlichen Arbeitszeit von 16 Stunden einen Festlohn in Höhe von 141,44 EUR. Noch mit Änderungsbescheid vom 26.11.2016 hatte der Antragsgegner der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Monate Januar und Februar 2017 in Höhe von monatlich 757,40 EUR unter Anrechnung eines monatlichen Einkommens aus ihrer Tätigkeit beim C. Imbiss in Höhe von 1,60 EUR bewilligt.
Auf ihren Weiterbewilligungsantrag vom 09.02.2017 (ab Blatt 31 ff. der Verwaltungsakte) auf Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.03.2017 bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.02.2017 (Bl. 38 ff. der Verwaltungsakte) für die Zeit vom 01.03.2017 bis 28.02.2018 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 757,40 EUR unter Berücksichtigung eines anrechenbaren Einkommens ihrer Tätigkeit beim C. Imbiss in Höhe von 1,60 EUR. Der Bescheid enthielt auf der Seite 1 unter "sonstige Gründe" den Hinweis, dass die Nebenkosten (Betriebs-, Wasser-, Abwasser-, Heiz- und Warmwasserkosten) als Vorauszahlung auf die jährliche Nebenkostenabrechnung (Betriebskosten- oder Verbrauchsabrechnung) erbracht würden. Insoweit ergehe eine vorläufige Entscheidung.
Nach Vorlage ihrer Lohnabrechnung für Februar 2017 (Blatt 44 der Verwaltungsakte) erließ der Antragsgegner am 21.03.2017 zwei Änderungsbescheide (ab Blatt 48 ff. der Verwaltungsakte). Mit dem einen Bescheid bewilligte er der Antragstellerin für den Monat Februar 2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 754,14 EUR, führte insofern jedoch aus, dass er auf die Rückforderung aufgrund einer Überzahlung in Höhe von 3,26 EUR aufgrund der geringen Höhe verzichte. Mit dem zweiten am 21.03.2017 ergangenen Bescheid bewilligte der Antragsgegner der Antragstellerin für die Zeit von April 2017 bis Februar 2018 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 751,00 EUR. Es wurde ausgeführt, dass der bisher in diesem Zusammenhang ergangene Bescheid vom 10.02.2017 insoweit aufgehoben werde. Zur Vermeidung weiterer Überzahlungen werde zunächst vorsorglich ein Erwerbseinkommen in Höhe von monatlich 110,00 EUR berücksichtigt. Die Bewilligungen der Leistungen sei insofern vorläufig nach § 41 a SGB II.
Anlässlich einer persönlichen Vorsprache der Antragstellerin bei dem Antragsgegner am 28.06.2017 (Blatt 71 der Verwaltungsakte), wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass aus Sicht des Antragsgegners ihr weiterer ALG II-Anspruch fraglich sei. Man vertrat die Auffassung, dass die Antragstellerin als EU-Bürgerin weniger als 12 Monate eine geringfügige Tätigkeit ausgeübt habe, die vom Umfang eher als Nebenverdienst anzusehen sei. Aufgrund der fehlenden Ausbildung und geringen Deutschkenntnisse bestehe kaum Aussicht, dass der Lebensunterhalt selbst erwirtschaftet werden könne. Sollte die Antragstellerin in der Zwischenzeit keine Arbeit in ausreichendem Umfang gefunden haben, sei davon auszugehen, dass der Leistungsanspruch nach dem SGB II spätestens mit Ablauf des Monats September 2017 (d. h. 6 Monate nach der zuletzt ausgeübten Tätigkeit) beendet sei. Am selben Tag (28.06.2017, Blatt 78 f. der Verwaltungsakte) erließ der Beklagte einen Aufhebungsbescheid, mit dem er den Bescheid vom 10.02.2017 ab dem 01.10.2017 gemäß § 40 Abs. 1 und 2 SGB II und § 330 Abs. 3 SGB III i. V. m. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X und § 7 Abs. 1 SGB II aufhob. Zur Begründung führte er aus, dass von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende Ausländerinnen und Ausländer ausgeschlossen seien, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergebe. Dieser Bescheid wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nochmals am 26.10.2017 (Blatt 147 der Verwaltungsakte) bekannt gegeben. Gleichzeitig erließ der Antragsgegner am 28.06.2017 einen Änderungsbescheid, der die Monate März bis September 2017 betraf.
Auf das Schreiben des Antragsgegners vom 07.08.2017 stellte die Antragstellerin am 18.09.2017 einen Weiterbewilligungsantrag, den der Antragsgegner mit Bescheid vom 26.09.2017 (Blatt 116 der Verwaltungsakte) im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ablehnte. Zu diesem Zeitpunkt lag ihm bereits der Arbeitsvertrag für die neue Tätigkeit der Antragstellerin beim D. Grill ab dem 01.08.2017 vor (Eingang beim Antragsgegner am 23.08.2017, Blatt 87 ff. der Verwaltungsakte). Mit Schreiben vom 09.10.2017 erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin gegen den Ablehnungsbescheid vom 26.09.2017 Widerspruch und führte aus, dass der Bescheid vom 10.02.2017 weiter Gültigkeit habe, da die Antragstellerin keinen Aufhebungsbescheid bekommen habe, woraufhin es am 26.10.2017 zur erneuten Bekanntgabe gegenüber der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin kam. Gegen den Aufhebungsbescheid erhob die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 27.10.2017 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 hob der Antragsgegner den Bescheid vom 28.06.2017 auf, soweit er die Zeit vor dem 01.11.2017 betraf, im Übrigen wies er den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28.06.2017 jedoch als unbegründet zurück. Den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.09.2017 wies er im Hinblick auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b) SGB II als unbegründet zurück. Die mit Bescheid vom 28.06.2017 erfolgte "Aufhebung" der Bewilligung für die Zeit ab dem 01.10.2017 nach § 48 SGB X i. V. m. § 40 SGB II habe richtigerweise als Rücknahme nach § 41 a SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 SGB X ergehen müssen. Soweit die vorläufige Entscheidung nach Absatz 1 rechtswidrig sei, sei sie nach § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II für die Zukunft zurückzunehmen, § 45 Abs. 2 SGB X finde keine Anwendung (Satz 5). Demnach sei die Korrektur einer vorläufigen Entscheidung durch Rücknahme nach § 45 Abs. 1 SGB X nur für die Zukunft möglich. Für die Vergangenheit solle eine Korrektur zu Lasten der Leistungsberechtigten nur im Wege einer abschließenden Festsetzung der Leistungen möglich sein. Die Rücknahme für die Zukunft sei nach der Formulierung von § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II zwingendes Recht ("ist"), im Gegensatz zur Regelung des § 45 SGB X sei dem Leistungsträger also kein Ermessen hinsichtlich der Entscheidung eingeräumt. Aspekte des Vertrauensschutzes im Sinne von § 45 Abs. 2 SGB X spielten nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers keine Rolle. Demnach sei vorliegend die Bewilligungsentscheidung vom 10.02.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.03.2017 zwingend für die Zukunft zurückzunehmen. Dies bedeute allerdings im Hinblick auf die Zustellung an die Bevollmächtigte der Antragstellerin, dass mit Rücksicht auf die Problematik der Bekanntgabe (§ 39 Abs. 1 SGB X) durch Zugang (§ 37 SGB X) und die monatsweise Erbringung der Leistungen nach dem SGB II als "Zukunft" im Sinne von § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II erst der 01.11.2017 in Betracht komme. Für die Zeit vom 01.10.2017 bis zum 31.10.2017 sei die angefochtene Rücknahmeentscheidung vom 28.06.2017 – formal – rechtswidrig und daher aufzuheben, insofern werde eine abschließende Festsetzung der Leistungen noch zu prüfen sein. Im Übrigen sei die angefochtene Rücknahmeentscheidung vom 28.06.2017 nach Austausch der Begründung jedoch nicht zu beanstanden. Dies gelte auch für die Ablehnungsentscheidung vom 26.09.2017, die angesichts des bestehenden Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 FreizügG / EU zu Recht ergangen sei. Mit Bescheid vom 09.11.2017 (Bl. 167 der Verwaltungsakte) setzte der Antragsgegner die Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.10.2017 bis 31.10.2017 endgültig fest und stellte mit Bezug auf die Begründung im Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 fest, dass die Antragstellerin keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe.
Gegen den Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 richtet sich die am 07.12.2017 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage, die unter dem Aktenzeichen S 8 AS 651/17 angelegt wurde.
Am 11.12.2017 wurde der hiesige Antrag im einstweiligen Rechtsschutz erhoben, der unter dem Aktenzeichen S 8 AS 191/17 ER angelegt wurde, und mit dem die Antragstellerin die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28.06.2017 und wohl auch gegen den Bescheid vom 09.11.2017 begehrt.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das von ihr ausgeübte Beschäftigungsverhältnis Arbeitnehmerstatus begründe. Wenn der Antragsgegner hier nur auf die geringe wöchentliche Arbeitszeit abstelle, verkenne er, dass dies nicht das einzige Kriterium sei, um die Echtheit eines Arbeitsverhältnisses im Sinne der Freizügigkeitsrichtlinie zu bestimmen. Es komme vielmehr auf die gesamten Umstände an. So müsse man hier feststellen, dass im Arbeitsvertrag unter anderem auch Urlaubsansprüche geregelt würden. Zudem erhalte der neue Arbeitsvertrag die Regelung, dass die regelmäßige Arbeitszeit "zur Zeit fix" 16 Stunden betrage, was einer zukünftigen Ausweitung des Arbeitsverhältnisses nicht entgegenstehe. Die Tätigkeit sei eine normale Reinigungstätigkeit. Aus Sicht des Arbeitgebers sei die Beschäftigung einer Reinigungskraft regelmäßig auch nicht verzichtbar, so dass man hier nicht von einer völlig untergeordneten Arbeit sprechen könne. Auch müsse berücksichtigt werden, dass ein Imbiss seine Geschäftsräume sicherlich nicht 8 Stunden am Tag putzen lasse. Vorliegend zeige sich bereits anhand der Meldebescheinigungen der Minijobzentrale, dass die Tätigkeit mehr als ein Jahr ausgeübt worden sei und auch der Mindestlohn gezahlt worden sei. Auch seien in der Zeit vom 01.08.2016 bis 31.12.2016 Eigenanteile an die Rentenversicherung (= Pflichtbeträge) von der Antragstellerin entrichtet worden. Die Einzahlung in das Deutsche Rentensystem stelle ein starkes Indiz für die Annahme einer echten Tätigkeit dar. Wenn mit der eigenen Beschäftigung Rentenanwartschaften erworben würden, könne man nicht mehr von einer nur völlig belanglosen Tätigkeit sprechen. Zudem habe der Antragsgegner entgegen der im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung keine vorläufige Bewilligungsentscheidung nach § 41 a Abs. 2 Satz 4 SGB II getroffen. In § 41 a stehe, dass die Gründe für die Vorläufigkeit anzugeben seien. Dies bedeute, dass der Bescheid nur für den Bereich vorläufig sei. Im Übrigen bestünden Zweifel, ob die Umstellung von einer endgültigen auf eine vorläufige Leistungsbewilligung aufgrund einer nennenswerten Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen habe stattfinden dürfen. Eine Anhebung der Einkommensanrechnung von 102 EUR auf 106,08 EUR sei sicherlich nicht nennenswert. Die Rücknahme des Bescheides habe daher nur nach Maßgabe des § 45 Absatz 2 SGB X erfolgen dürfen. Vertrauensgesichtspunkte seien insofern aber nicht geprüft worden.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage S 8 AS 641/17 gegen den Bescheid vom 28.06.2017 wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen.
Er ist der Auffassung, dass der zeitliche Umfang der von der Antragstellerin ausgeübten Tätigkeit vorliegend keine Arbeitnehmereigenschaft im europarechtlichen Sinne begründe. Vielmehr erscheine diese immer in so geringem Umfang tätig gewesen zu sein, dass der Verdacht nahe liege, die Erwerbstätigkeit werde ausschließlich ausgeübt, um Zugang zum Sozialsystem zu gelangen. Solche Tätigkeiten begründeten aber gerade keinen Arbeitnehmerstatus (vgl. insoweit LSG Berlin- Brandenburg vom 04.06.2015, L 29 AS 1128/15 B ER; Sächsisches OVG vom 02.02.2016, 3 B 267/15). Des Weiteren vertritt der Antragsgegner die Auffassung, dass eine Prüfung nach § 45 SGB X nicht zu erfolgen habe. Gemäß § 40 Abs. 4 SGB II habe die ursprüngliche Bewilligungsentscheidung vom 10.02.2017 wegen einer Änderung in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen auf eine vorläufige Leistungsbewilligung wie mit Änderungsbescheid vom 21.03.2017 geschehen "umgestellt" werden dürfen, nachdem zum Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides vom 10.02.2017 eine einzige Einkommensbescheinigung vorgelegen habe, die ein leicht höheres Einkommen ausgewiesen habe, dann jedoch eine weitere Einkommensbescheinigung vorgelegt worden sei, aus der sich erneut ein höheres Einkommen der Antragstellerin ergeben habe. Im Übrigen sei bereits der Bescheid vom 10.02.2017 in Bezug auf die KdU vorläufig erlassen worden. Insofern werde unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung in der Literatur durchaus vertreten, dass nach neuer Rechtslage eine nur teilweise vorläufige Leistungsbewilligung nicht mehr möglich sein solle, sondern vielmehr eine solche zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt führe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den Inhalt der Verwaltungsakte des Antragsgegners verwiesen, die das Gericht beigezogen hat und deren Inhalt Gegenstand seiner Entscheidungsfindung gewesen ist.
II.
Der zulässige Antrag hat in vollem Umfang Erfolg.
Bei dem am 11.12.2017 beim Sozialgericht Kassel eingegangenen Antrag im einstweiligen Rechtschutz handelt es sich um einen Antrag nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Soweit die Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin in den Ausführungen im Schriftsatz vom 11.12.2017 darüber hinaus beantragt, die Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 26.09.2017 wiederherzustellen, läuft dieser Antrag ins Leere, da bezüglich des Bescheides vom 26.09.2017 nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG in Betracht käme, eine solche jedoch von ihr nicht beantragt wurde.
Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Da die gegen den streitgegenständlichen Bescheid erhobene Klage nach § 86 a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SBG II keine aufschiebende Wirkung hat, wertet das Gericht den Antrag vom 11.12.2017 als Antrag auf Anordnung, und nicht auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung.
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn im Rahmen einer Interessenabwägung zwischen den privaten Interessen des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt. Bei der Interessenabwägung sind – neben einer allgemeinen Abwägung der Folgen bei Gewährung bzw. bei Nichtgewährung des vorläufigen Rechtsschutzes – vor allem die nach vorläufiger Prüfung der Rechtslage und summarischer Prüfung der Tatsachenlage bewerteten Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfes in der Hauptsache von Bedeutung. Erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung anzuordnen. Erweist sich der angefochtene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig, so ist im Regelfall der Eilantrag abzulehnen.
Im Falle einer solchen Orientierung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Kammerbeschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, muss das Gericht im Rahmen einer umfassenden Folgenabwägung dafür Sorge tragen, dass eine Verletzung der Menschenwürde ausgeschlossen werden kann (BVerfG, a.a.O).
Die Abwägung sämtlicher für und gegen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu berücksichtigen Belange hat vorliegend ein Überwiegen des Suspensivinteresses der Antragstellerin zur Folge. Denn der Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 06.11.2017 und der Bescheid vom 09.11.2017 sind nach nicht nur summarischer Prüfung durch das Gericht zu dessen Überzeugung rechtswidrig.
Dabei konnte das Gericht die Frage offen lassen, ob die Antragstellerin prinzipiell einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 3 FreizügG / EU unterliegt.
Denn jedenfalls stellen sich der Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 und der Bescheid vom 09.11.2017 als formell rechtswidrig dar. Denn zu Unrecht ist der Antragsgegner davon ausgegangen, dass die zuvor erfolgte Leistungsbewilligung ab dem 01.11.2017 nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 SGB II i. V. m. § 45 Abs. 1 SGB X zurückzunehmen und für den Monat Oktober 2017 eine abschließende Leistungsfestsetzung gem. § 41 a Absatz 3 Satz 1 SGB II vorzunehmen war. Denn die Regelungen des § 41 a SGB II gelten nur, soweit zuvor Leistungen vorläufig bewilligt worden sind.
Gemäß § 41 a Abs. 1 Satz 1 SGB II ist über die Erbringung von Geld- und Sachleistungen vorläufig zu entscheiden, wenn
1. zur Feststellung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Geld- und Sachleistungen voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist und die Voraussetzungen für den Anspruch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorliegen oder
2. ein Anspruch auf Geld- und Sachleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist.
Der Antragsgegner hatte der Antragstellerin mit Bescheid vom 10.02.2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 757,40 EUR für die Zeit von März 2017 bis Februar 2018 bewilligt. Der Bescheid enthielt lediglich in Bezug auf die Nebenkosten einen Vorläufigkeitsvorbehalt, hinsichtlich des anrechenbaren Einkommens und auch der Frage der Leistungsberechtigung nach dem SGB II dem Grunde nach jedoch nicht, obwohl bereits zu diesem Zeitpunkt bekannt war, dass die Antragstellerin lediglich eine Tätigkeit im geringen Umfang ausübte, die nach Auffassung des Antragsgegners ihre Eigenschaft als Arbeitnehmerin i.S.d. § 2 Absatz 2 Nr.1 FreizügG/EU nicht zu begründen vermag. Dem Antragsgegner ist zwar zuzugestehen, dass ein Verwaltungsakt, mit dem über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II abschließend entschieden wurde, mit Wirkung für die Zukunft gemäß § 40 Abs. 4 SGB II ganz aufzuheben ist, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen der leistungsberechtigten Person Änderungen eintreten, aufgrund derer nach Maßgabe des § 41 a SGB II nunmehr vorläufig zu entscheiden wäre. Das Gericht hat insofern jedoch erhebliche Bedenken, dass es sich bei einer Erhöhung des erzielten Einkommens von 102,00 EUR auf 106,08 EUR um eine wesentliche Änderung handelt, wie sie im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist (vgl. Greiser in Eicher/Luik, SGB II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, Kommentar, 4. Auflage, § 40 Rnr. 105).
Indes ist dieser Gesichtspunkt vorliegend nicht entscheidungserheblich. Denn nach Auffassung des Gerichts konnte der Bescheid vom 10.02.2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 21.03.2017 nur nach Maßgabe des § 45 SGB X aufgehoben werden, da der Bescheid hinsichtlich der Leistungsberechtigung dem Grunde nach (inklusive eines möglichen Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 b SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. Absatz 3 FreizügG / EU) eine abschließende Regelung enthielt.
Soweit - worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat - in der Literatur unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung angenommen wird, dass nach neuer Rechtslage eine nur teilweise Leistungsbewilligung nicht mehr möglich sein soll, sondern vielmehr eine solche zur Vorläufigkeit des Bescheides insgesamt führt (vgl. etwa Conradis in: Münder, Sozialgesetzbuch II, Grundsicherung für Arbeitssuchende, 6. Auflage 2017, § 41 a Rnr. 9), konnte sich das Gericht dem nicht anschließen. So weist etwa Kemper in der Kommentierung zum SGB II in Eicher/Luik in Rnr. 20 zu § 41 a zutreffend darauf hin, dass diese Auffassung verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze negiert und in unzutreffender Weise nicht zwischen den Bewilligungsbescheid und seinen einzelnen Regelungsgegenständen, also Verwaltungsakten differenziert. So führt Fohrmann weiter in SGb 2016, S. 615 (616) aus, dass sich die Vorläufigkeit nicht auf alle Verwaltungsakte in einem Bewilligungsbescheid beziehen muss, vielmehr könne über die Vorläufigkeit für jeden trennbaren Streitgegenstand gesondert entschieden werden. Die Begründung des Gesetzesentwurfs gehe davon aus, dass die Leistungen immer als Ganzes vorläufig bewilligt würden. Dies entspreche auch der Praxis der gemeinsamen Einrichtungen und der Auffassung der Agentur für Arbeit. Auswirkungen auf den Gesetzeswortlaut habe diese Einschätzung insoweit gehabt, als die in § 328 Absatz 1 Satz 2 SGB III bestehende Begründungspflicht für den Umfang der Vorläufigkeit in § 41 a Absatz 2 Satz 1 SGB II nicht übernommen worden sei. Fohrmann weist jedoch zu Recht darauf hin, dass diese Veränderung nicht ausreichend sein dürfte, dass das BSG von seiner in der Entscheidung vom 19.08.2015 zum Az: B 14 AS 13/14 Rdnr. 11 vertretenen Auffassung abrücken muss. Daran, dass es sich um verschiedene Verwaltungsakte handele, habe sich nichts geändert. Einen Regelungswillen dahingehend, dass mit § 41 a SGB II nur noch eine einheitlich vorläufige Bewilligung zulässig sei, lasse sich weder dem Wortlaut noch der Begründung des Entwurfs entnehmen. Die Begründung gehe nur (zu Unrecht) von dieser Rechtsauffassung aus. Konsequenz der Auffassung des BSG sei aber auch, dass die Prüfung der Vorläufigkeit für trennbare Gegenständige auch unabhängig voneinander erfolgen müsse, d.h. dass eine Unsicherheit, die sich z.B. nur auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung auswirken kann (z.B. eine ausstehende Betriebskostenabrechnung) nur die vorläufige Bewilligung dieser Leistungen zulasse, die restlichen Leistungen aber endgültig bewilligt werden müssten (ähnlich auch Kallert in Gagel, SGB II/SGB III, 65. EL März 2017, SGB II, § 41 a Rn. 48).
Gerade in der vorliegenden Konstellation wird deutlich, dass man der Leistungsberechtigten erheblichen Vertrauensschutz nähme, würde man davon ausgehen, dass der Bescheid vom 10.02.2007 in der Fassung des Bescheides vom 21.03.2007 insgesamt vorläufig nach § 41 a SGB II erlassen worden ist.
Insoweit käme eine Aufhebung dann auch nur nach § 45 SGB X in Betracht, dessen Voraussetzungen jedoch nicht vorliegen dürften.
Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er gem. § 45 Absatz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Gem. § 45 Absatz 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Intersse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gem. Absatz 2 Satz 2 in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Gem. Absatz 2 Satz 3 kann sich der Begünstigte nicht auf Vertrauen berufen, soweit
1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat.
2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
Für das Gericht ist nicht ersichtlich, dass einer dieser Voraussetzungen vorliegend erfüllt wäre.
Im Übrigen verbietet sich insofern auch eine Umdeutung des Bescheides vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 06.11.2017 sowie des Bescheides vom 09.11.2017 in einen solchen nach § 45 SGB X. So hat das BSG in einer Entscheidung vom 29.04.2015 zum Aktenzeichen B 14 AS 31/14 R in der Rdnr 30 ausgeführt, dass die Umdeutung eines Aufhebungsbescheides nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X in einen Bescheid nach § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 a SGB II alte Fassung i. V. m. § 328 Abs. 3 Satz 2 Hs. 1 SGB III unzulässig sei. Dies muss im Wege eines Erstrecht-Schlusses dann auch für die Umdeutung eines Bescheides nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 i.V.m. § 45 SGB X SGB II bzw. eines Bescheides nach § 41 a Absatz III SGB II in einen solchen nach § 45 SGB X gelten, zumal der Antragsgegner – ist er doch davon ausgegangen, eine gebundene Entscheidung treffen zu müssen – auch keinerlei Ermessenserwägungen angestellt hat.
Nach alledem war die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid vom 28.06.2017 in der Fassung des Widerspruchbescheides vom 06.11.2017 anzuordnen. Dies bezieht den Bescheid vom 09.11.2017 mit ein, da dieser nach § 96 Absatz 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens S 8 AS 651/17 geworden ist.
Gem. § 96 SGG Absatz 1 SGG wird ein neuer Verwaltungsakt nach Klageerhebung nur dann Gegenstand des Klageverfahrens, wenn er nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen ist und den angefochtenen Verwaltungsakt abändert oder ersetzt. Der neue Verwaltungsakt muss nach Erlass des Widerspruchbescheides ergangen sein, vorher kommt § 86 SGG zur Anwendung. Die nach dem Zeitpunkt der Klageerhebung differenzierende Rechtsprechung (zunächst § 86 SGG, nach Erhebung der Klage § 96 SGG) dürfte überholt sein (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum Sozialgerichtsgesetz, § 96 Rn. 3a). Der Bescheid vom 09.11.2017 ersetzt den Bescheid vom 28.06.2017 in diesem Sinne auch hinsichtlich des Monates Oktober 2017.
Das Gericht weist darauf hin, dass der Antragsgegner der Antragstellerin insgesamt die Leistungen ab Oktober 2017 bis zum 28.02.2018 auszukehren hat.
Eine teilweise Anordnung der aufschiebenden Wirkung im Hinblick darauf, dass der Antragsgegner den Bescheid vom 10.02.2017 teilweise unter einen Vorläufigkeitsvorbehalt gestellt hat, schied vorliegend aus. Denn der Antragsgegner hat im Widerspruchsbescheid vom 06.11.2017 bzw. im Bescheid vom 09.11.2017 die endgültige Festsetzung nach § 41 a Absatz 3 SGB II bzgl. des Monats Oktober 2017 bzw. die Aufhebung ab dem 01.11.2017 nach § 41 a Absatz 2 Satz 4 SGB II i.V.m. § 45 SGB X nicht im Hinblick auf die Vorlage einer Nebenkostenabrechnung getroffen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dem Antrag auf Prozesskostenhilfe war gemäß § 73 a SGG i. V. m. § 114 ZPO zu entsprechen.
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