Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 29 AS 4009/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 244/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.
Der 1966 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit Februar 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Am 16. Mai 2011 beantragte er beim Beklagten erstmals die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dazu legte er ein ärztliches Schreiben der S.-Klinik vom 16. Mai 2011 vor, aus dem hervorgeht, dass bei ihm u.a. ein Laktase-Mangel besteht, der seit April 2011 eine Krankenkost erforderlich mache. Mit Bescheid vom 31. Mai 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung des beantragten Mehrbedarfs ab, da beim Kläger ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand nicht vorliege.
Im Weiterbewilligungsantrag vom 19. Juli 2011 für die Zeit ab 1. September 2011 gab der Kläger erneut an, einer kostenaufwändigen Ernährung zu bedürfen und fügte eine Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr. M. (vom 21. Juli 2011) bei, der zufolge der Kläger unter Laktoseintoleranz leide und sich deshalb dauerhaft laktosefrei ernähren müsse.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Klägers aus dem Weiterbewilligungsantrag auf ernährungsbedingten Mehrbedarf mit der bereits zuvor gegebenen Begründung ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 2.11.2011).
Bei den Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 – durch Bescheid vom 15. August 2011 und Änderungsbescheiden vom 1. September 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 – sowie für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 – durch Bescheid vom 12. Januar 2012 und Änderungsbescheiden vom 19. Januar 2012, 15. Mai 2012 und 3. August 2012 – berücksichtigte der Beklagte ebenfalls keinen Mehrbedarf für eine kostenaufwändigere Ernährung.
Die vom Kläger dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2012 zurück (Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11510/12 und Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11511/12). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach den Empfehlungen des D. zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (im Weiteren: Mehrbedarfsempfehlungen) ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nur dann bestehe, wenn wegen der Erkrankung zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost, d.h. als eine gesunde Mischkost, wie sie auch allen gesunden Menschen empfohlen werde. Für Personen mit Laktoseintoleranz werde aber gemeinhin lediglich Vollkost empfohlen. Zu diesem Ergebnis sei auch ein Gutachten des Gesundheitsamtes H. vom September 2011 gelangt.
Mit den am 21. Dezember 2012 erhobenen Klagen (S 29 AS 4009/12 und S 29 AS 4010/12), vom Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat ergänzend vorgetragen, unter ausgeprägten Bauchschmerzen, Blähungen und einem kopfschmerzverursachenden Wechsel von Durchfall und Verstopfungen zu leiden, sobald er laktosehaltige Lebensmittel verzehre. Zum Nachweis seines ernährungsbedingten Mehraufwandes hat der Kläger ein Ernährungstagebuch für eine Woche und eine Auflistung der Ausgaben für laktosefreie Lebensmittel für vier Wochen vorgelegt. Danach hat der Kläger in diesem Zeitraum 121,91 Euro für laktosefreie Lebensmittel ausgegeben, u.a. für täglich einen guten halben Liter Milch, knapp 400g Joghurt sowie verschiedene Käse, Mascarpone, Quark und Butter.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt, darunter ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (vom August 2014, Feststellung der Pflegestufe I). Außerdem ist die Krankenakte des Klägers bei der S.-Klinik beigezogen worden. Die Internisten Dr. M. und Frau A. sind zudem schriftlich als Zeugen vernommen worden. Dr. M. hat ausgeführt (Berichte vom 6.1.2014, 4.8.2014 und 27.8.2014, Zeugenaussage vom 31.7.2015), der Kläger habe anamnestisch eine Laktoseintoleranz angegeben. Eine eigene Diagnostik liege nicht vor; der Kläger habe dies abgelehnt, da dies in der Vergangenheit bereits in einer anderen Praxis geschehen sei. Die Diagnose tauche aber immer wieder in zahlreichen Arzt- und Krankenhausberichten über den Kläger auf. Der Schweregrad der Erkrankung sei nicht bekannt. Ein versehentlicher Verzehr laktosehaltiger Nahrungsmittel führe beim Kläger zu ausgeprägten Bauchschmerzen, Blähungen, einem Wechsel von Durchfall und Verstopfung sowie zu Kopfschmerzen. Der Kläger sei deshalb auf die strikte Einhaltung einer kostenintensiven, laktosefreien Diät angewiesen. Mit Mangelerscheinungen sei beim Kläger bei laktosefreier Ernährung nicht zu rechnen, allenfalls sei Kalzium zu substituieren. Die Ernährung mit Vollkost genüge nicht, da Milch und Milchprodukte als wichtige Kalzium-Lieferanten fehlen würden. Frau A. hat erklärt (Berichte vom 1.9.2014 und 6.2.2015, Zeugenaussage vom 29.7.2015), der Kläger, der sich seit Juni 2014 bei ihr in Behandlung befinde, leide u.a. an einer "vermutlich seit der Kindheit bestehend[en]" Laktoseintoleranz und klage wiederkehrend über Blähungen, Verstopfungen, Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen. Diese Beschwerden träten auch auf, wenn der Kläger sich nicht laktosefrei ernähre. Mit Mangelerscheinungen sei bei laktosefreier Ernährung nicht zu rechnen. Eine Ernährung mit Vollkost unter Weglassung von laktosehaltigen Produkten sei ausreichend.
Das Sozialgericht hat überdies eine Internetrecherche zu den handelsüblichen Endverbraucherpreisen für laktosefreie Milch und laktosefreie Milchprodukte durchgeführt und die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) herangezogen.
Mit aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenem Urteil vom 25. April 2016 hat das Sozialgericht sodann den Antrag des Klägers, den Beklagten unter Änderung der betreffenden Bewilligungs- und Widerspruchsbescheide zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 Leistungen in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in angemessener Höhe zu gewähren, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II für die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung lägen im streitbefangenen Zeitraum nicht vor. Zwar leide der Kläger an Laktoseintoleranz und müsse sich deshalb aus medizinischen Gründen besonders ernähren. Die Ernährung des Klägers sei aber nicht in mehrbedarfsbegründender Weise kostenintensiver, sondern höchstens informations- und damit zeitaufwändiger. Dass der Kläger diesen Aufwand im relevanten Zeitraum nicht habe leisten können, sei nicht zu erkennen. Auch die erforderliche Substitution von laktosehaltiger durch laktosefreie Milch, um einen Kalziummangel zu vermeiden, führe nicht zu einem finanziellen Mehrbedarf. Rechtlich komme es für die Berechnung der Mehrkosten nicht darauf an, wie viel Milch, Käse und andere Milchprodukte der Kläger täglich konsumiere oder konsumieren möchte, sondern darauf, wie viel er zwecks Vermeidung einer Mangel- oder Unterernährung benötige. Den eingeholten Befundberichten zufolge drohe dem Kläger bei einer gänzlich milchfreien Ernährung ein Kalziummangel, weshalb er das Weglassen laktosehaltiger durch den Verzehr laktosefreier Milchprodukte ausgleichen solle. Zur Verzehrmenge laktosefreier Milchprodukte träfen die Befundberichte allerdings keine Aussage. Auch die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten auf Nachfrage des Gerichts erklärt, ihnen sei nicht bekannt, dass der Kläger Milchprodukte in einem besonderen, insbesondere in dem aus seinem Ernährungsprotokoll hervorgehenden Umfang zu sich nehmen müsse. Daher habe das Gericht zur Bestimmung des substitutionsbedürftigen Milchproduktebedarfs auf die allgemeinen Empfehlungen der DGE für den Kalziumbedarf zurückgegriffen. Die DGE rate Jugendlichen und Erwachsenen ab 15 Jahren zu einer Kalziumzufuhr von täglich 1000 mg. Dem Informationsangebot der DGE im Internet sei überdies zu entnehmen, dass die empfohlene Zufuhrmenge bereits durch den täglichen Verzehr von einem ¼ Liter Milch gedeckt werden könne (Verweis auf DGE, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Calcium, Stand: Juni 2013). Einer Deckung des Kalziumbedarfs durch einen entsprechenden Konsum von laktosefreier Milch stehe im Falle des Klägers nicht etwa eine Unverträglichkeit selbst laktosefreier Milchprodukte entgegen. Dies sei nur bei weitergehenden Unverträglichkeiten bzw. Allergien, wie insbesondere einer Milcheiweißallergie, der Fall, die vom Kläger allerdings nicht vorgetragen worden sei. Alternativ sei die Deckung des täglichen Kalziumbedarfs im Übrigen auch durch den gezielten Verzehr besonders kalziumhaltiger Lebensmittel wie Brokkoli, Grünkohl, Rucola, Haselnüssen oder kalziumreichem Mineralwasser im Rahmen der üblichen Vollwertkost möglich (Verweis auf DGE, a.a.O.). Weder aus dem Verzehr von täglich einem ¼ Liter laktosefreier Milch noch aus dem Einkauf der genannten Gemüsesorten oder der Auswahl kalziumreichen Mineralwassers resultiere aber ein finanzieller Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II, da die Mehrkosten gering seien und noch in die Auswahlfreiheit fielen, die in der Pauschalierung des Betrags für Lebensmittel im Regelsatz zum Ausdruck komme. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen liege der Mehrpreis für laktosefreie Milch im Vergleich mit laktosehaltiger Milch bei rund 0,30 Euro. Für einen Verzehr von täglich einem ¼ Liter Milch, d.h. 7,5 Litern Milch im Monat, entstünden dem Kläger daher lediglich Mehrkosten in Höhe von 2,25 Euro. Ob der Kläger aus persönlichen Gründen auf bestimmte Produkte, wie z.B. laktosefreien Frischkäse, laktosefreien Mascarpone oder Ziegenkäse zurückgreifen möchte, insbesondere um in seiner Ernährung mehr Abwechslung zu haben, sei im Rahmen des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II grundsätzlich ohne Belang. Insofern sei es dem Kläger – wie jedem anderen Hilfebedürftigen auch, der eine besondere Ernährung wünsche – zuzumuten, sich durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge eine den persönlichen Vorlieben genügende, abwechslungsreichere, aber teurere Ernährung zu verschaffen. Zwar sei auch im Rahmen von § 21 Abs. 5 SGB II den Aufgaben und Zielen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 1 Abs. 1 SGB II und dementsprechend dem Gedanken der sozialen Teilhabe Rechnung zu tragen. Dieser werde aber durch Verweis auf das auch ohne laktosehaltige Milchprodukte immer noch reiche Vollkostspektrum nicht in unverhältnismäßiger Weise verkürzt. Dies gelte umso mehr, als der Kläger bestimmte Milchprodukte, wie beispielsweise laktosefreien Joghurt, kostengünstig auch selbst aus laktosefreier Milch habe herstellen können.
Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Juni 2016 zugestellte Urteil am 7. Juli 2016 Berufung eingelegt.
Er bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, er sei wegen seiner Laktoseintoleranz auf das Medikament "Lacterose" angewiesen, das er sich in der Apotheke beschaffen müsse. Bereits hieraus resultiere ein Mehrbedarf. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass seine vorhandene Dauermedikation wegen weiterer Erkrankungen laktosehaltig sei. Zudem habe das Sozialgericht seine Schwerbehinderung (Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen G und aG) und seine Pflegebedürftigkeit außer Acht gelassen. Er sei auf einen Rollstuhl angewiesen und habe wegen seiner gesundheitlichen Probleme Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln und der Essenszubereitung. Er sei deshalb auf Fertigprodukte angewiesen, die aber regelmäßig Laktose enthielten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2016, zugestellt am 9. Juni 2016, Aktenzeichen: S 29 AS 4009/16, aufzuheben;
2. den Beklagten zu verurteilen, für den Zeitraum 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 und 1. März 2012 bis 31. August 2012 den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II infolge Laktoseintoleranz anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Sozialgerichts und verweist auf die dortigen Ausführungen. Ergänzend trägt der Beklagte vor, es sei nicht ersichtlich, dass die Behinderung des Klägers Auswirkungen auf die Ernährung habe. Bei dem Konsum von Fertigprodukten handele es sich um subjektive Essgewohnheiten, die keinen "angemessenen" Mehrbedarf bestimmen könnten. Der bisherigen Einlassung des Klägers sei zu entnehmen, dass er durchaus in der Lage sei, Einkäufe zu tätigen und Essen für sich zuzubereiten. Weshalb er eine ausreichend ausgewogene Ernährung nur durch Fertigprodukte sicherstellen könne, erschließe sich nicht. Auch aus der Beschaffung von "Lacterose"-Tabletten folge kein anzuerkennender Mehrbedarf. Denn der Kläger könne sich auch ohne die Einnahme dieser Tabletten ausreichend ausgewogen ernähren. Sofern der Kläger auf die Tabletten wegen der in anderen Medikamenten enthaltenen Laktose angewiesen sein sollte, könne dies allenfalls einen unabweisbaren laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf an Laktasetabletten begründen. Ein Nachweis, dass der Kläger ärztlich verordnete Tabletten einnehmen müsse, die für den Körper ein spürbares Maß an Laktose enthielten, liege indes nicht vor. Laktose sei in Medikamenten in der Regel nur in sehr geringen Mengen vorhanden.
Der Senat hat die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass den vorliegenden Arztberichten einschließlich der Angaben über die Medikation des Klägers eine Notwendigkeit, Laktasetabletten einzunehmen, nicht zu entnehmen sei. Es fehle auch ein Hinweis darauf, dass Medikamente ohne Laktose oder eine zusätzliche Verordnung von Laktase überhaupt erwogen worden sei. Zudem wurden die Prozessbevollmächtigten aufgefordert, den geltend gemachten Mehrbedarf substantiiert für den in Rede stehenden Zeitraum zu beziffern. Die Prozessbevollmächtigten haben daraufhin auf die bisherige Berufungsbegründung verwiesen und weiter erklärt, bereits eine 1-Liter-Packung Milch koste im Regelfall 30 % mehr als eine herkömmliche Milch.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Krankenakte der S.-Klinik verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung, über die der Senat gemäß § 155 Abs. 3 und 4 sowie § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig.
Sie ist insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Kläger hat keinen bezifferten Klageantrag gestellt. Der Senat geht aber davon aus, dass angesichts des in Streit stehenden Zeitraums von 12 Monaten der Beschwerdewert 750,00 Euro übersteigt. Ob dies bereits, wie das Sozialgericht angenommen hat, aus den vom Kläger überreichten Kassenbons für den Zeitraum 7. September 2015 bis 4. Oktober 2015 folgt, denen Ausgaben für laktosefreie Lebensmittel i.H.v. ca. 122,00 Euro zu entnehmen sind, erscheint zwar zweifelhaft. Da die laktosefreien Lebensmittel regelmäßig laktosehaltige ersetzen, dürfte es nämlich nicht auf die Summe für den Einkauf laktosefreier Lebensmittel, sondern allein auf die entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Produkten ankommen. Der erkennende Senat geht aber zugunsten des Klägers davon aus, dass dieser zumindest den in den Mehrbedarfsempfehlungen (4., neu erarbeitete Auflage 2014, Abschnitt III. 4.) vorgesehenen Höchstwert von 20 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 für bestimmte Erkrankungen begehrt. Es würde sich demnach um monatliche Beträge von 72,80 Euro für das Jahr 2011 und 74,80 Euro für das Jahr 2012 handeln, die vom Beklagten verwehrt worden wären. Der Wert des Beschwerdegegenstandes läge damit bei 889,60 Euro.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG).
Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dies folgt noch nicht aus der eingetretenen Bestandskraft der Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2011 und vom 25. Juli 2011, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011. Denn eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs kann wegen der in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten (BSG, Urteil vom 26.5.2011 – B 14 AS 146/10 R). Die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten für den Gesamtzeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 weisen dementsprechend jeweils eigenständige Entscheidungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes inklusive etwaiger Mehrbedarfe aus.
Diese allein streitgegenständlichen Bewilligungsentscheidungen des Beklagten – der Bescheid vom 15. August 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. September 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 sowie der Bescheid vom 12. Januar 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 19. Januar 2012, 15. Mai 2012 und 3. August 2012 und in Gestalt des weiteren Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 – sind aber rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllte und daher leistungsberechtigt nach dem SGB II war, hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen einer bei ihm bestehenden Laktoseintoleranz.
Nach dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind, als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (BSG, Urteil vom 14.2.2013 – B 14 AS 48/12 R).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Zunächst liegt beim Kläger eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen und geistigen Zustandes (BSG, Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.), vor. Die Laktoseintoleranz mag auch beim Kläger ein besonderes, medizinisches Ernährungsbedürfnis begründet haben. Denn der Kläger musste wegen der von seinen behandelnden Ärzten genannten Symptome auf den Verzehr laktosehaltiger Lebensmittel verzichten.
Dadurch entstand dem Kläger im streitigen Zeitraum aber kein erhöhter Kostenaufwand. Kostenaufwändiger im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II ist eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist (BSG, Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 65/12 R). Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform (BSG, a.a.O.).
Vorliegend war es zur Überzeugung des erkennenden Senats ausreichend, dass sich der Kläger im Rahmen einer Vollkosternährung laktosefrei ernährte. Dies folgt bereits aus den vorliegenden Arztberichten über den Kläger und dem Ergebnis der schriftlichen Zeugenaussagen sowie den weiteren Ermittlungsergebnissen des Sozialgerichts. Eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens bedurfte es daher nicht.
Die Internisten Dr. M. und Frau A. haben auf die entsprechende Frage des Sozialgerichts erklärt, dass dem Kläger bei einer ganz oder teilweise laktosefreien Ernährung keine Mangelerscheinungen drohten. Dr. M. hat allenfalls die Notwendigkeit gesehen, Kalzium zu substituieren und allein aus diesem Grund die weitere Frage des Sozialgerichts, ob im Falle des Klägers eine Ernährung mit Vollkost ausreichend sei, verneint. Hingegen hat Frau A. Vollkost uneingeschränkt für ausreichend erachtet, zugleich aber darauf hingewiesen, dass der Kläger laktosefreie Produkte im Handel kaufen müsse. Das Sozialgericht hat daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass für den Kläger eine laktosefreie Vollkosternährung ausreichend war. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Kläger, wie von Frau A. dargelegt, unter einer absoluten Laktoseunverträglichkeit leidet. Einem in diesem Fall wegen des Verzichts auf jegliche Milchprodukte drohenden Kalziummangel kann, wie es das Sozialgericht richtig dargestellt hat, durch den gezielten Verzehr besonders kalziumhaltiger Lebensmittel, wie Brokkoli, Grünkohl, Rucola, Haselnüssen oder kalziumreichem Mineralwasser () 150 mg Kalzium auf 1 Liter) im Rahmen der üblichen Vollwertkost entgegengewirkt werden (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28.5.2015 – L 5 AS 570/13). Ausdrücklich weist die DGE in ihrem Internetauftritt (www.dge.de/presse/pm/dge-aktualisiert-die-referenzwerte-fuer-calcium/) darauf hin, dass mit einer entsprechenden gezielten Auswahl der Lebensmittel auch bei einer Laktoseintoleranz die Kalziumzufuhr gesichert und der Referenzwert von 1000 mg pro Tag für einen Erwachsenen erreicht werden kann. Dieser Feststellung, die schon für sich allein genommen gegen einen erhöhten Kostenaufwand spricht, ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Dass es andererseits bei der Frage eines erhöhten Kostenaufwandes nicht auf etwaige Ernährungsvorlieben des Klägers ankommt und es ihm für diesen Fall zuzumuten wäre, sich ggfs. teurere laktosefreie Milchprodukte durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge zu verschaffen, ist im angefochtenen Urteil richtig dargestellt. Nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Sozialgerichts, dass selbst im Falle einer Deckung des Kalziumbedarfs durch den dafür erforderlichen ¼ Liter laktosefreier Milch die insoweit anfallenden Mehrkosten gering sind und noch in die Auswahlfreiheit fallen, die in der Pauschalierung des für Lebensmittel vorgesehenen Anteils vom Regelbedarf zum Ausdruck kommt (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.1.2017 – L 9 AS 2069/15).
Soweit der Kläger auf die bei ihm – im Übrigen erst nach dem streitigen Zeitraum – festgestellte Pflegebedürftigkeit, seine Schwerbehinderung mit anerkannten Merkzeichen G und aG sowie die Benutzung eines Rollstuhls hingewiesen hat, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die daraus folgenden unbestreitbaren Einschränkungen im täglichen Leben den Kläger an der o.g. Auswahl von Lebensmitteln gehindert haben. Vielmehr belegen die vom Kläger beigereichten Einkaufsbons und sein exemplarisch für eine Woche vorgelegtes Ernährungstagebuch im Gegenteil, dass er in der Lage war, selbständig und zielgerichtet Lebensmittel einzukaufen und seine Speisen auch selbst zuzubereiten (so z.B.: "1 Stück Käsekuchen (selbst gemacht)"). Sollte dies nun wegen einer zwischenzeitlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes anders sein, hätte dies keinen Einfluss auf die Beurteilung für den hier in Rede stehenden Zeitraum.
Hinzu tritt, dass auch die Mehrbedarfsempfehlungen 2014 (Abschnitt III. 3.2.1), die bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Krankheitsbild einen Mehrbedarf auslöst, eine wichtige Orientierungshilfe darstellen (so bereits der erkennende Senat im Urteil vom 24.9.2015 – L 4 SO 2/15 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20.6.2006 – 1 BvR 2673/05 und BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138710 sowie Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.) und zur Überzeugung des Senats dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen (ebenso LSG Baden-Württemberg, a.a.O.), bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät vorsehen. Vielmehr wird Vollkost mit auf das Beschwerdebild angepasster Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung bestehe im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumbedarfs sei insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthielten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung sei damit in der Regel nicht erforderlich. Ausgenommen seien Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise bei einem angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedürfe.
Dabei ist zum einen klarzustellen, dass mit dem Verweis auf "insbesondere" den Verzehr von Milchprodukten mit geringem Laktosegehalt eine Deckung der Kalziumzufuhr durch andere – nämlich die oben genannten – Lebensmittel nicht ausgeschlossen wird. Zum anderen gebietet der Einzelfall des Klägers selbst unter der Annahme eines angeborenen Laktasemangels auch nach den Mehrbedarfsempfehlungen keine andere Beurteilung. Denn ein solcher Mangel wird bzw. wurde im streitigen Zeitraum jedenfalls beim Kläger nicht medizinisch behandelt. Insbesondere ist den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen nicht zu entnehmen, dass dem Kläger die Einnahme von Laktase – in Gestalt der von ihm tatsächlich konsumierten "Lacterose"-Tabletten o.ä. – verordnet oder zumindest ärztlich empfohlen wurde. Der Kläger ist auf diesen Umstand auch ausdrücklich durch den Senat hingewiesen worden, ohne sich indessen dazu eingelassen zu haben.
Letztlich begründen auch die für den Erwerb der Laktase-Tabletten anfallenden Kosten keinen Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II. Dies folgt bereits daraus, dass sich der Kläger im streitigen Zeitraum auch ohne Zuführung von Laktase gesund und ohne Gefahr von Mangelerscheinungen ernähren konnte. Soweit der Kläger vorträgt, auf die Laktasetabletten auch wegen der Einnahme anderer Medikamente, die Laktose beinhalteten, angewiesen zu sein, wäre ein solches Bedürfnis nicht mehr ernährungsbedingt im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Der Kläger hat sich überdies trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat nicht dazu geäußert, ob überhaupt einmal – durch Rücksprache mit den behandelnden Ärzten – die Umstellung auf laktosefreie Medikamente erwogen wurde.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von dem Beklagten für die Zeit vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung wegen einer Laktoseintoleranz.
Der 1966 geborene Kläger bezieht vom Beklagten seit Februar 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Am 16. Mai 2011 beantragte er beim Beklagten erstmals die Gewährung eines Mehrbedarfs für kostenaufwändige Ernährung. Dazu legte er ein ärztliches Schreiben der S.-Klinik vom 16. Mai 2011 vor, aus dem hervorgeht, dass bei ihm u.a. ein Laktase-Mangel besteht, der seit April 2011 eine Krankenkost erforderlich mache. Mit Bescheid vom 31. Mai 2011 lehnte der Beklagte die Gewährung des beantragten Mehrbedarfs ab, da beim Kläger ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand nicht vorliege.
Im Weiterbewilligungsantrag vom 19. Juli 2011 für die Zeit ab 1. September 2011 gab der Kläger erneut an, einer kostenaufwändigen Ernährung zu bedürfen und fügte eine Bescheinigung des behandelnden Internisten Dr. M. (vom 21. Juli 2011) bei, der zufolge der Kläger unter Laktoseintoleranz leide und sich deshalb dauerhaft laktosefrei ernähren müsse.
Mit Bescheid vom 25. Juli 2011 lehnte der Antragsgegner den Antrag des Klägers aus dem Weiterbewilligungsantrag auf ernährungsbedingten Mehrbedarf mit der bereits zuvor gegebenen Begründung ab und wies den dagegen eingelegten Widerspruch zurück (Widerspruchsbescheid vom 2.11.2011).
Bei den Leistungsbewilligungen für die Zeit vom 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 – durch Bescheid vom 15. August 2011 und Änderungsbescheiden vom 1. September 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 – sowie für die Zeit vom 1. März 2012 bis 31. August 2012 – durch Bescheid vom 12. Januar 2012 und Änderungsbescheiden vom 19. Januar 2012, 15. Mai 2012 und 3. August 2012 – berücksichtigte der Beklagte ebenfalls keinen Mehrbedarf für eine kostenaufwändigere Ernährung.
Die vom Kläger dagegen eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 20.11.2012 zurück (Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11510/12 und Gz. X171.1O-12302BG0118846-W-12302-11511/12). Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass nach den Empfehlungen des D. zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (im Weiteren: Mehrbedarfsempfehlungen) ein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung nur dann bestehe, wenn wegen der Erkrankung zwingend eine besondere Ernährung einzuhalten und diese teurer sei als eine sogenannte Vollkost, d.h. als eine gesunde Mischkost, wie sie auch allen gesunden Menschen empfohlen werde. Für Personen mit Laktoseintoleranz werde aber gemeinhin lediglich Vollkost empfohlen. Zu diesem Ergebnis sei auch ein Gutachten des Gesundheitsamtes H. vom September 2011 gelangt.
Mit den am 21. Dezember 2012 erhobenen Klagen (S 29 AS 4009/12 und S 29 AS 4010/12), vom Sozialgericht zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden, hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt. Er hat ergänzend vorgetragen, unter ausgeprägten Bauchschmerzen, Blähungen und einem kopfschmerzverursachenden Wechsel von Durchfall und Verstopfungen zu leiden, sobald er laktosehaltige Lebensmittel verzehre. Zum Nachweis seines ernährungsbedingten Mehraufwandes hat der Kläger ein Ernährungstagebuch für eine Woche und eine Auflistung der Ausgaben für laktosefreie Lebensmittel für vier Wochen vorgelegt. Danach hat der Kläger in diesem Zeitraum 121,91 Euro für laktosefreie Lebensmittel ausgegeben, u.a. für täglich einen guten halben Liter Milch, knapp 400g Joghurt sowie verschiedene Käse, Mascarpone, Quark und Butter.
Das Sozialgericht hat Befund- und Behandlungsberichte eingeholt, darunter ein Pflegegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung N. (vom August 2014, Feststellung der Pflegestufe I). Außerdem ist die Krankenakte des Klägers bei der S.-Klinik beigezogen worden. Die Internisten Dr. M. und Frau A. sind zudem schriftlich als Zeugen vernommen worden. Dr. M. hat ausgeführt (Berichte vom 6.1.2014, 4.8.2014 und 27.8.2014, Zeugenaussage vom 31.7.2015), der Kläger habe anamnestisch eine Laktoseintoleranz angegeben. Eine eigene Diagnostik liege nicht vor; der Kläger habe dies abgelehnt, da dies in der Vergangenheit bereits in einer anderen Praxis geschehen sei. Die Diagnose tauche aber immer wieder in zahlreichen Arzt- und Krankenhausberichten über den Kläger auf. Der Schweregrad der Erkrankung sei nicht bekannt. Ein versehentlicher Verzehr laktosehaltiger Nahrungsmittel führe beim Kläger zu ausgeprägten Bauchschmerzen, Blähungen, einem Wechsel von Durchfall und Verstopfung sowie zu Kopfschmerzen. Der Kläger sei deshalb auf die strikte Einhaltung einer kostenintensiven, laktosefreien Diät angewiesen. Mit Mangelerscheinungen sei beim Kläger bei laktosefreier Ernährung nicht zu rechnen, allenfalls sei Kalzium zu substituieren. Die Ernährung mit Vollkost genüge nicht, da Milch und Milchprodukte als wichtige Kalzium-Lieferanten fehlen würden. Frau A. hat erklärt (Berichte vom 1.9.2014 und 6.2.2015, Zeugenaussage vom 29.7.2015), der Kläger, der sich seit Juni 2014 bei ihr in Behandlung befinde, leide u.a. an einer "vermutlich seit der Kindheit bestehend[en]" Laktoseintoleranz und klage wiederkehrend über Blähungen, Verstopfungen, Übelkeit, Bauch- und Kopfschmerzen. Diese Beschwerden träten auch auf, wenn der Kläger sich nicht laktosefrei ernähre. Mit Mangelerscheinungen sei bei laktosefreier Ernährung nicht zu rechnen. Eine Ernährung mit Vollkost unter Weglassung von laktosehaltigen Produkten sei ausreichend.
Das Sozialgericht hat überdies eine Internetrecherche zu den handelsüblichen Endverbraucherpreisen für laktosefreie Milch und laktosefreie Milchprodukte durchgeführt und die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) herangezogen.
Mit aufgrund mündlicher Verhandlung ergangenem Urteil vom 25. April 2016 hat das Sozialgericht sodann den Antrag des Klägers, den Beklagten unter Änderung der betreffenden Bewilligungs- und Widerspruchsbescheide zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 Leistungen in gesetzlicher Höhe unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs in angemessener Höhe zu gewähren, abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Voraussetzungen des § 21 Abs. 5 SGB II für die Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung lägen im streitbefangenen Zeitraum nicht vor. Zwar leide der Kläger an Laktoseintoleranz und müsse sich deshalb aus medizinischen Gründen besonders ernähren. Die Ernährung des Klägers sei aber nicht in mehrbedarfsbegründender Weise kostenintensiver, sondern höchstens informations- und damit zeitaufwändiger. Dass der Kläger diesen Aufwand im relevanten Zeitraum nicht habe leisten können, sei nicht zu erkennen. Auch die erforderliche Substitution von laktosehaltiger durch laktosefreie Milch, um einen Kalziummangel zu vermeiden, führe nicht zu einem finanziellen Mehrbedarf. Rechtlich komme es für die Berechnung der Mehrkosten nicht darauf an, wie viel Milch, Käse und andere Milchprodukte der Kläger täglich konsumiere oder konsumieren möchte, sondern darauf, wie viel er zwecks Vermeidung einer Mangel- oder Unterernährung benötige. Den eingeholten Befundberichten zufolge drohe dem Kläger bei einer gänzlich milchfreien Ernährung ein Kalziummangel, weshalb er das Weglassen laktosehaltiger durch den Verzehr laktosefreier Milchprodukte ausgleichen solle. Zur Verzehrmenge laktosefreier Milchprodukte träfen die Befundberichte allerdings keine Aussage. Auch die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten auf Nachfrage des Gerichts erklärt, ihnen sei nicht bekannt, dass der Kläger Milchprodukte in einem besonderen, insbesondere in dem aus seinem Ernährungsprotokoll hervorgehenden Umfang zu sich nehmen müsse. Daher habe das Gericht zur Bestimmung des substitutionsbedürftigen Milchproduktebedarfs auf die allgemeinen Empfehlungen der DGE für den Kalziumbedarf zurückgegriffen. Die DGE rate Jugendlichen und Erwachsenen ab 15 Jahren zu einer Kalziumzufuhr von täglich 1000 mg. Dem Informationsangebot der DGE im Internet sei überdies zu entnehmen, dass die empfohlene Zufuhrmenge bereits durch den täglichen Verzehr von einem ¼ Liter Milch gedeckt werden könne (Verweis auf DGE, Ausgewählte Fragen und Antworten zu Calcium, Stand: Juni 2013). Einer Deckung des Kalziumbedarfs durch einen entsprechenden Konsum von laktosefreier Milch stehe im Falle des Klägers nicht etwa eine Unverträglichkeit selbst laktosefreier Milchprodukte entgegen. Dies sei nur bei weitergehenden Unverträglichkeiten bzw. Allergien, wie insbesondere einer Milcheiweißallergie, der Fall, die vom Kläger allerdings nicht vorgetragen worden sei. Alternativ sei die Deckung des täglichen Kalziumbedarfs im Übrigen auch durch den gezielten Verzehr besonders kalziumhaltiger Lebensmittel wie Brokkoli, Grünkohl, Rucola, Haselnüssen oder kalziumreichem Mineralwasser im Rahmen der üblichen Vollwertkost möglich (Verweis auf DGE, a.a.O.). Weder aus dem Verzehr von täglich einem ¼ Liter laktosefreier Milch noch aus dem Einkauf der genannten Gemüsesorten oder der Auswahl kalziumreichen Mineralwassers resultiere aber ein finanzieller Mehrbedarf im Sinne von § 21 Abs. 5 SGB II, da die Mehrkosten gering seien und noch in die Auswahlfreiheit fielen, die in der Pauschalierung des Betrags für Lebensmittel im Regelsatz zum Ausdruck komme. Nach dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen liege der Mehrpreis für laktosefreie Milch im Vergleich mit laktosehaltiger Milch bei rund 0,30 Euro. Für einen Verzehr von täglich einem ¼ Liter Milch, d.h. 7,5 Litern Milch im Monat, entstünden dem Kläger daher lediglich Mehrkosten in Höhe von 2,25 Euro. Ob der Kläger aus persönlichen Gründen auf bestimmte Produkte, wie z.B. laktosefreien Frischkäse, laktosefreien Mascarpone oder Ziegenkäse zurückgreifen möchte, insbesondere um in seiner Ernährung mehr Abwechslung zu haben, sei im Rahmen des Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II grundsätzlich ohne Belang. Insofern sei es dem Kläger – wie jedem anderen Hilfebedürftigen auch, der eine besondere Ernährung wünsche – zuzumuten, sich durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge eine den persönlichen Vorlieben genügende, abwechslungsreichere, aber teurere Ernährung zu verschaffen. Zwar sei auch im Rahmen von § 21 Abs. 5 SGB II den Aufgaben und Zielen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach § 1 Abs. 1 SGB II und dementsprechend dem Gedanken der sozialen Teilhabe Rechnung zu tragen. Dieser werde aber durch Verweis auf das auch ohne laktosehaltige Milchprodukte immer noch reiche Vollkostspektrum nicht in unverhältnismäßiger Weise verkürzt. Dies gelte umso mehr, als der Kläger bestimmte Milchprodukte, wie beispielsweise laktosefreien Joghurt, kostengünstig auch selbst aus laktosefreier Milch habe herstellen können.
Der Kläger hat gegen das ihm am 9. Juni 2016 zugestellte Urteil am 7. Juli 2016 Berufung eingelegt.
Er bezieht sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor, er sei wegen seiner Laktoseintoleranz auf das Medikament "Lacterose" angewiesen, das er sich in der Apotheke beschaffen müsse. Bereits hieraus resultiere ein Mehrbedarf. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass seine vorhandene Dauermedikation wegen weiterer Erkrankungen laktosehaltig sei. Zudem habe das Sozialgericht seine Schwerbehinderung (Grad der Behinderung von 100, Merkzeichen G und aG) und seine Pflegebedürftigkeit außer Acht gelassen. Er sei auf einen Rollstuhl angewiesen und habe wegen seiner gesundheitlichen Probleme Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Nahrungsmitteln und der Essenszubereitung. Er sei deshalb auf Fertigprodukte angewiesen, die aber regelmäßig Laktose enthielten.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. April 2016, zugestellt am 9. Juni 2016, Aktenzeichen: S 29 AS 4009/16, aufzuheben;
2. den Beklagten zu verurteilen, für den Zeitraum 1. September 2011 bis 29. Februar 2012 und 1. März 2012 bis 31. August 2012 den Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung nach § 21 Abs. 5 SGB II infolge Laktoseintoleranz anzuerkennen.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Er verteidigt das Urteil des Sozialgerichts und verweist auf die dortigen Ausführungen. Ergänzend trägt der Beklagte vor, es sei nicht ersichtlich, dass die Behinderung des Klägers Auswirkungen auf die Ernährung habe. Bei dem Konsum von Fertigprodukten handele es sich um subjektive Essgewohnheiten, die keinen "angemessenen" Mehrbedarf bestimmen könnten. Der bisherigen Einlassung des Klägers sei zu entnehmen, dass er durchaus in der Lage sei, Einkäufe zu tätigen und Essen für sich zuzubereiten. Weshalb er eine ausreichend ausgewogene Ernährung nur durch Fertigprodukte sicherstellen könne, erschließe sich nicht. Auch aus der Beschaffung von "Lacterose"-Tabletten folge kein anzuerkennender Mehrbedarf. Denn der Kläger könne sich auch ohne die Einnahme dieser Tabletten ausreichend ausgewogen ernähren. Sofern der Kläger auf die Tabletten wegen der in anderen Medikamenten enthaltenen Laktose angewiesen sein sollte, könne dies allenfalls einen unabweisbaren laufenden, nicht nur einmaligen besonderen Bedarf an Laktasetabletten begründen. Ein Nachweis, dass der Kläger ärztlich verordnete Tabletten einnehmen müsse, die für den Körper ein spürbares Maß an Laktose enthielten, liege indes nicht vor. Laktose sei in Medikamenten in der Regel nur in sehr geringen Mengen vorhanden.
Der Senat hat die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass den vorliegenden Arztberichten einschließlich der Angaben über die Medikation des Klägers eine Notwendigkeit, Laktasetabletten einzunehmen, nicht zu entnehmen sei. Es fehle auch ein Hinweis darauf, dass Medikamente ohne Laktose oder eine zusätzliche Verordnung von Laktase überhaupt erwogen worden sei. Zudem wurden die Prozessbevollmächtigten aufgefordert, den geltend gemachten Mehrbedarf substantiiert für den in Rede stehenden Zeitraum zu beziffern. Die Prozessbevollmächtigten haben daraufhin auf die bisherige Berufungsbegründung verwiesen und weiter erklärt, bereits eine 1-Liter-Packung Milch koste im Regelfall 30 % mehr als eine herkömmliche Milch.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung des Rechtsstreits durch den Berichterstatter als Einzelrichter erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten und die Krankenakte der S.-Klinik verwiesen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
Entscheidungsgründe:
I. Die Berufung, über die der Senat gemäß § 155 Abs. 3 und 4 sowie § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch den Berichterstatter als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist zulässig.
Sie ist insbesondere gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Der Kläger hat keinen bezifferten Klageantrag gestellt. Der Senat geht aber davon aus, dass angesichts des in Streit stehenden Zeitraums von 12 Monaten der Beschwerdewert 750,00 Euro übersteigt. Ob dies bereits, wie das Sozialgericht angenommen hat, aus den vom Kläger überreichten Kassenbons für den Zeitraum 7. September 2015 bis 4. Oktober 2015 folgt, denen Ausgaben für laktosefreie Lebensmittel i.H.v. ca. 122,00 Euro zu entnehmen sind, erscheint zwar zweifelhaft. Da die laktosefreien Lebensmittel regelmäßig laktosehaltige ersetzen, dürfte es nämlich nicht auf die Summe für den Einkauf laktosefreier Lebensmittel, sondern allein auf die entstehenden Mehrkosten im Vergleich zu konventionellen Produkten ankommen. Der erkennende Senat geht aber zugunsten des Klägers davon aus, dass dieser zumindest den in den Mehrbedarfsempfehlungen (4., neu erarbeitete Auflage 2014, Abschnitt III. 4.) vorgesehenen Höchstwert von 20 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 für bestimmte Erkrankungen begehrt. Es würde sich demnach um monatliche Beträge von 72,80 Euro für das Jahr 2011 und 74,80 Euro für das Jahr 2012 handeln, die vom Beklagten verwehrt worden wären. Der Wert des Beschwerdegegenstandes läge damit bei 889,60 Euro.
Die Berufung ist auch form- und fristgerecht erhoben (§ 151 SGG).
Die Berufung bleibt aber in der Sache ohne Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dies folgt noch nicht aus der eingetretenen Bestandskraft der Bescheide des Beklagten vom 31. Mai 2011 und vom 25. Juli 2011, letzterer in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. November 2011. Denn eine ablehnende Entscheidung hinsichtlich eines bestimmten Bedarfs kann wegen der in § 41 Abs. 1 Satz 4 SGB II vorgeschriebenen abschnittsweisen Bewilligung von Leistungen grundsätzlich keine Bindungswirkung für zukünftige Bewilligungsabschnitte entfalten (BSG, Urteil vom 26.5.2011 – B 14 AS 146/10 R). Die Bewilligungsentscheidungen des Beklagten für den Gesamtzeitraum vom 1. September 2011 bis 31. August 2012 weisen dementsprechend jeweils eigenständige Entscheidungen über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes inklusive etwaiger Mehrbedarfe aus.
Diese allein streitgegenständlichen Bewilligungsentscheidungen des Beklagten – der Bescheid vom 15. August 2011 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 1. September 2011, 26. November 2011 und 12. Dezember 2011 und in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 sowie der Bescheid vom 12. Januar 2012 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 19. Januar 2012, 15. Mai 2012 und 3. August 2012 und in Gestalt des weiteren Widerspruchsbescheides vom 20. November 2012 – sind aber rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger, der im streitgegenständlichen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllte und daher leistungsberechtigt nach dem SGB II war, hat keinen Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs wegen einer bei ihm bestehenden Laktoseintoleranz.
Nach dem allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 21 Abs. 5 SGB II wird bei Leistungsberechtigten, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, ein Mehrbedarf in angemessener Höhe anerkannt. Voraussetzung für den Rechtsanspruch auf einen Mehrbedarf ist eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine besondere Ernährung erforderlich macht, deren Kosten höher sind, als dies für Personen ohne eine solche Einschränkung der Fall ist (BSG, Urteil vom 14.2.2013 – B 14 AS 48/12 R).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers nicht erfüllt.
Zunächst liegt beim Kläger eine gesundheitliche Beeinträchtigung im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II, nämlich eine Krankheit im Sinne eines regelwidrigen körperlichen und geistigen Zustandes (BSG, Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.), vor. Die Laktoseintoleranz mag auch beim Kläger ein besonderes, medizinisches Ernährungsbedürfnis begründet haben. Denn der Kläger musste wegen der von seinen behandelnden Ärzten genannten Symptome auf den Verzehr laktosehaltiger Lebensmittel verzichten.
Dadurch entstand dem Kläger im streitigen Zeitraum aber kein erhöhter Kostenaufwand. Kostenaufwändiger im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II ist eine Ernährung, die von dem im Regelbedarf umfassten typisierten Bedarf abweicht und von diesem nicht gedeckt ist (BSG, Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 65/12 R). Da eine Vollkosternährung vom Regelbedarf gedeckt ist, besteht eine kostenaufwändige Ernährung grundsätzlich nur bei einer besonderen, von der Vollkost abweichenden Ernährungsform (BSG, a.a.O.).
Vorliegend war es zur Überzeugung des erkennenden Senats ausreichend, dass sich der Kläger im Rahmen einer Vollkosternährung laktosefrei ernährte. Dies folgt bereits aus den vorliegenden Arztberichten über den Kläger und dem Ergebnis der schriftlichen Zeugenaussagen sowie den weiteren Ermittlungsergebnissen des Sozialgerichts. Eines ernährungswissenschaftlichen Gutachtens bedurfte es daher nicht.
Die Internisten Dr. M. und Frau A. haben auf die entsprechende Frage des Sozialgerichts erklärt, dass dem Kläger bei einer ganz oder teilweise laktosefreien Ernährung keine Mangelerscheinungen drohten. Dr. M. hat allenfalls die Notwendigkeit gesehen, Kalzium zu substituieren und allein aus diesem Grund die weitere Frage des Sozialgerichts, ob im Falle des Klägers eine Ernährung mit Vollkost ausreichend sei, verneint. Hingegen hat Frau A. Vollkost uneingeschränkt für ausreichend erachtet, zugleich aber darauf hingewiesen, dass der Kläger laktosefreie Produkte im Handel kaufen müsse. Das Sozialgericht hat daraus den zutreffenden Schluss gezogen, dass für den Kläger eine laktosefreie Vollkosternährung ausreichend war. Daran änderte sich selbst dann nichts, wenn der Kläger, wie von Frau A. dargelegt, unter einer absoluten Laktoseunverträglichkeit leidet. Einem in diesem Fall wegen des Verzichts auf jegliche Milchprodukte drohenden Kalziummangel kann, wie es das Sozialgericht richtig dargestellt hat, durch den gezielten Verzehr besonders kalziumhaltiger Lebensmittel, wie Brokkoli, Grünkohl, Rucola, Haselnüssen oder kalziumreichem Mineralwasser () 150 mg Kalzium auf 1 Liter) im Rahmen der üblichen Vollwertkost entgegengewirkt werden (ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 28.5.2015 – L 5 AS 570/13). Ausdrücklich weist die DGE in ihrem Internetauftritt (www.dge.de/presse/pm/dge-aktualisiert-die-referenzwerte-fuer-calcium/) darauf hin, dass mit einer entsprechenden gezielten Auswahl der Lebensmittel auch bei einer Laktoseintoleranz die Kalziumzufuhr gesichert und der Referenzwert von 1000 mg pro Tag für einen Erwachsenen erreicht werden kann. Dieser Feststellung, die schon für sich allein genommen gegen einen erhöhten Kostenaufwand spricht, ist der Kläger auch im Berufungsverfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Dass es andererseits bei der Frage eines erhöhten Kostenaufwandes nicht auf etwaige Ernährungsvorlieben des Klägers ankommt und es ihm für diesen Fall zuzumuten wäre, sich ggfs. teurere laktosefreie Milchprodukte durch Umschichtung innerhalb der in der Regelleistung enthaltenen Beträge zu verschaffen, ist im angefochtenen Urteil richtig dargestellt. Nicht zu beanstanden ist auch die Beurteilung des Sozialgerichts, dass selbst im Falle einer Deckung des Kalziumbedarfs durch den dafür erforderlichen ¼ Liter laktosefreier Milch die insoweit anfallenden Mehrkosten gering sind und noch in die Auswahlfreiheit fallen, die in der Pauschalierung des für Lebensmittel vorgesehenen Anteils vom Regelbedarf zum Ausdruck kommt (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.1.2017 – L 9 AS 2069/15).
Soweit der Kläger auf die bei ihm – im Übrigen erst nach dem streitigen Zeitraum – festgestellte Pflegebedürftigkeit, seine Schwerbehinderung mit anerkannten Merkzeichen G und aG sowie die Benutzung eines Rollstuhls hingewiesen hat, vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die daraus folgenden unbestreitbaren Einschränkungen im täglichen Leben den Kläger an der o.g. Auswahl von Lebensmitteln gehindert haben. Vielmehr belegen die vom Kläger beigereichten Einkaufsbons und sein exemplarisch für eine Woche vorgelegtes Ernährungstagebuch im Gegenteil, dass er in der Lage war, selbständig und zielgerichtet Lebensmittel einzukaufen und seine Speisen auch selbst zuzubereiten (so z.B.: "1 Stück Käsekuchen (selbst gemacht)"). Sollte dies nun wegen einer zwischenzeitlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes anders sein, hätte dies keinen Einfluss auf die Beurteilung für den hier in Rede stehenden Zeitraum.
Hinzu tritt, dass auch die Mehrbedarfsempfehlungen 2014 (Abschnitt III. 3.2.1), die bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Krankheitsbild einen Mehrbedarf auslöst, eine wichtige Orientierungshilfe darstellen (so bereits der erkennende Senat im Urteil vom 24.9.2015 – L 4 SO 2/15 unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20.6.2006 – 1 BvR 2673/05 und BSG, Urteil vom 22.11.2011 – B 4 AS 138710 sowie Urteil vom 14.2.2013, a.a.O.) und zur Überzeugung des Senats dem aktuellen wissenschaftlichen Stand der medizinischen Erkenntnis entsprechen (ebenso LSG Baden-Württemberg, a.a.O.), bei Laktoseintoleranz keine spezielle Diät vorsehen. Vielmehr wird Vollkost mit auf das Beschwerdebild angepasster Ernährung empfohlen. Die ernährungsmedizinische Behandlung bestehe im Meiden von Nahrungsmitteln, die nicht vertragen werden (z.B. Kuhmilch). Die Deckung des Kalziumbedarfs sei insbesondere durch den Verzehr von Milchprodukten möglich, die von Natur aus sehr geringe Mengen an Laktose enthielten (z.B. reifer Käse). Eine kostenaufwändigere Ernährung sei damit in der Regel nicht erforderlich. Ausgenommen seien Besonderheiten im Einzelfall, beispielsweise bei einem angeborenen Laktasemangel, der einer medizinischen Behandlung bedürfe.
Dabei ist zum einen klarzustellen, dass mit dem Verweis auf "insbesondere" den Verzehr von Milchprodukten mit geringem Laktosegehalt eine Deckung der Kalziumzufuhr durch andere – nämlich die oben genannten – Lebensmittel nicht ausgeschlossen wird. Zum anderen gebietet der Einzelfall des Klägers selbst unter der Annahme eines angeborenen Laktasemangels auch nach den Mehrbedarfsempfehlungen keine andere Beurteilung. Denn ein solcher Mangel wird bzw. wurde im streitigen Zeitraum jedenfalls beim Kläger nicht medizinisch behandelt. Insbesondere ist den eingeholten ärztlichen Stellungnahmen nicht zu entnehmen, dass dem Kläger die Einnahme von Laktase – in Gestalt der von ihm tatsächlich konsumierten "Lacterose"-Tabletten o.ä. – verordnet oder zumindest ärztlich empfohlen wurde. Der Kläger ist auf diesen Umstand auch ausdrücklich durch den Senat hingewiesen worden, ohne sich indessen dazu eingelassen zu haben.
Letztlich begründen auch die für den Erwerb der Laktase-Tabletten anfallenden Kosten keinen Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II. Dies folgt bereits daraus, dass sich der Kläger im streitigen Zeitraum auch ohne Zuführung von Laktase gesund und ohne Gefahr von Mangelerscheinungen ernähren konnte. Soweit der Kläger vorträgt, auf die Laktasetabletten auch wegen der Einnahme anderer Medikamente, die Laktose beinhalteten, angewiesen zu sein, wäre ein solches Bedürfnis nicht mehr ernährungsbedingt im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat. Der Kläger hat sich überdies trotz entsprechender Aufforderung durch den Senat nicht dazu geäußert, ob überhaupt einmal – durch Rücksprache mit den behandelnden Ärzten – die Umstellung auf laktosefreie Medikamente erwogen wurde.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
III. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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