Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SO 45/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 171/18 B ER
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für den Besuch der Gesamtschule C E-B im zweiten Schulhalbjahr 2017/18 Eingliederungshilfe zur angemessenen Schulbildung in Form der Gewährung eines Integrationshelfers für den gesamten Schulbesuch zu bewilligen. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers für den Besuch der sechsten Klasse der Gesamtschule ohne Begrenzung auf 19 bzw. 10 Stunden.
Die am 00.00.2006 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer spastischen Teillähmung der Beine, Bewegungsstörungen, einer Entwicklungsverzögerung und Minderbegabung schwerbehindert mit einem GdB von 80 und den Merkzeichen aG, B und H. Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach Pflegegrad 3 und besucht die Gesamtschule C E-B.
Für das erste Schuljahr 2017/18 hatte die Antragsgegnerin bis zum 31.01.2018 die Kosten eines Integrationshelfers für den Schulbesuch ohne Beschränkung übernommen.
Auf den Antrag auf Weitergewährung der Eingliederungshilfe holte der Antragsgegner zunächst eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes ein. Darin wird sich für eine allmähliche Stundenreduktion im Hinblick auf ein Ziel der Verselbständigung der Antragstellerin ausgesprochen. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der ärztlichen Stellungnahme vom 24.01.2018 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 30.01.2018 bewilligte der Antragsgegner die Integrationskraft für den Schulbesuch dann nur noch für zunächst 19 Wochenstunden, ab dem 01.05.2018 dann nur noch für 10 Wochenstunden. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie verwies auf ein Schreiben der Schulleitung vom 06.02.2018, wonach eine Beschulung der Antragstellerin ohne Integrationskraft nicht durchgeführt werde. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 06.02.2018 Bezug genommen.
Ein Widerspruchsbescheid ist noch nicht ergangen. Die Antragstellerin begehrt nun einstweiligen Rechtsschutz.
Die Antragstellerin beantragt,
ihr vorläufig Hilfe zur angemessenen Schulbildung in Form der Übernahme der Kosten einer schulbegleitenden Betreuung (Integrationshelfer) im zweiten Schulhalbjahr 2017/18 ohne Begrenzung auf 19 bzw. 10 Stunden zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass schon verschiedene Maßnahmen zur Reduktion des Bedarfs nach einer Integrationskraft angesprochen worden seien. Keine der angesprochenen Maßnahmen sei von schulischer Seite bis heute umgesetzt worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 19.02.2018 Bezug genommen.
Im Übrigen wird für die Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Akte des Verwaltungsverfahrens, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 SGG auf Antrag ( ) 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Bestimmung kommt auch zur Anwendung, wenn die Verwaltung die aufschiebende Wirkung nicht beachtet, also die aufschiebende Wirkung festgestellt werden muss (Meyer-Ladewig/Keller, Kommentar zum SGG § 86b Rdnr. 5 und 15). Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind gemäß §§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens bedarf es einer Interessenabwägung, ob dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten unzumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Im vorliegenden Fall geht die Interessenabwägung gerade noch zugunsten der Antragstellerin aus. Dagegen spricht zunächst, dass noch nicht einmal der Ausgang des Widerspruchsverfahrens abgewartet wurde. Regelmäßig ist dem Antragsteller jedoch das Abwarten des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens zumutbar. In diesem Einzelfall geht das Gericht jedoch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon aus, dass ein weiteres Abwarten ausnahmsweise nicht zumutbar ist, da der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.02.2018 zu erkennen gegeben hat, wie verhärtet die Fronten sind und er die Verantwortlichkeit im Wesentlichen bei der Schule sieht. Die Beschulung der Antragstellerin ist durch diese festgefahrene Situation in diesem Einzelfall tatsächlich schon jetzt gefährdet.
Für die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin spricht dabei der tatsächliche Sachverhalt im Lichte der Kollision der Prinzipien der Objektförderung von Schulen und der Subjektförderung der behinderten Schüler persönlich, die hier in dem Vorwurf des Antragsgegners, die Schule habe sich um keine der angeregten Maßnahmen gekümmert, zum Ausdruck kommt, ohne dass die sachliche Richtigkeit hier geprüft werden könnte. Auf letzteres kommt es hier auch nicht an.
Denn Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53 Abs. 2 SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII insbesondere 1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, 2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, 3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56, 5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.
Angesichts des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 19.02.2018 ist deutlich erkennbar, dass offenbar auch er davon ausgeht, dass zunächst organisatorische Maßnahmen in der Schule ergriffen werden müssten, damit die Antragstellerin selbständiger handeln könnte. Letztlich kommt in dem Schriftsatz die Formulierung eines Zuständigkeitskonflikts zum Ausdruck, indem der Antragsgegner darlegt, die Schule hätte längst bestimmte Maßnahmen ergreifen müssen.
Damit verkennt der Antragsgegner die rechtliche Struktur, in der sich die Schulinklusion aktuell zu bewegen hat. Die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII formuliert einen umfassenden, bedarfsbasierten, subjektiven Anspruch auf Eingliederungshilfe des Schülers als Individuum. Dies ist gleichsam die Subjektförderung. Dabei gibt es zunächst einmal keine rechtliche Einwendung dergestalt, dass aber eine andere Behörde längst hätte bessere Rahmenbedingung schaffen müssen.
Richtig ist, dass auch Schulen und Kindergärten als Objekt, also als abstrakte Einrichtung unabhängig vom individuellen Anspruch des Schülers mit Pflichten und Förderungen zur Integration behinderter Schüler ausgestattet werden. Dieses Modell wird an anderer Stelle auch für Pflegeheime praktiziert. Dort wird dafür der Begriff der Objektförderung verwendet.
Dies wirft natürlich die tatsächliche Frage auf, wie Objektförderung und Subjektförderung ineinander greifen. Rechtlich ausdrücklich formuliert ist dies nicht, sondern muss aus der Systematik hergeleitet werden. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe des behinderten Menschen ist grundsätzlich unabhängig von pflichtgemäßem oder pflichtwidrigem Verhalten Dritter. Festgestellt wird ausschließlich, ob ein Bedarf tatsächlich besteht. Gegebenenfalls kann dabei unter dem Aspekt der Subsidiarität natürlich auf andere subjektiv vorrangige Rechte, beispielsweise auf Ansprüche aus der Kranken- oder Pflegeversicherung, verwiesen werden. Jenseits der subjektiven Rechte des Individuums kann nicht auf einen fiktiven Zustand der Umgebung verwiesen werden, der vielleicht eigentlich bestehen müsste. Deshalb lässt die Objektförderung von Kindergärten und Schulen den subjektiven Anspruch des behinderten Menschen nur dann und soweit entfallen, wie die Objektförderung tatsächlich realisiert worden ist und dadurch den Bedarf auf tatsächlicher Ebene entfallen lässt. Wenn eine Schule also beispielsweise schon für Rollstuhlfahrer barrierefrei gebaut ist, ist tatsächlich keine Assistenz mehr zur Überwindung von Stufen etc. erforderlich. Für die Eingliederungshilfe im schulischen Bereich kommt es also nur darauf an, wie weit die konkret besuchte Schule tatsächlich schon ist, nicht wie weit sie eigentlich sein müsste.
Soweit der Bescheid vom 30.01.2018 die ärztliche Stellungnahme vom 24.01.2018 umsetzen möchte, so wird in der Stellungnahme durchaus ein interessantes Problem der Inklusion von Kindern und Jugendlichen angesprochen, nämlich das Problem, dass sich sowohl individuelles Verhalten als auch gruppendynamisches Verhalten von Kindern und Jugendlichen durch die Gegenwart eines Erwachsenen verändern kann. Dass es ein wünschenswertes Ziel ist, dass auch behinderte Teenager zunehmend selbstständig werden, ist dem Grunde nach selbstverständlich. Die Eingliederungshilfe hat sich jedoch nach dem tatsächlichen Bedarf zu richten. Insoweit ist die Antwort Nr. 2 am Ende der Stellungnahme möglicherweise "zu gut gemeint" im Sinne der Formulierung eines ehrgeizigen Ziels. Die Formulierung solcher Ziele wäre jedoch Aufgabe der Eltern unter altersentsprechender Einbeziehung des Kindes. Ob die Formulierung dieses Ziels hier mit dem tatsächlichen, zweckgerichteten Bedarf vereinbar ist, erschließt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht aus der Stellungnahme. Dies bedürfte gegebenenfalls einer weiteren medizinischen Beweisaufnahme. Immerhin hält die Ärztin unter Punkt 5 sogar eine stationäre, neurophysiologische Reha-Maßnahme für wünschenswert, um die Selbsthilfefähigkeit weiterhin zu fördern. Sie sieht also selbst so deutliche Defizite in der Selbsthilfefähigkeit, dass sie sogar eine stationäre Maßnahme, die zur Unterbrechung des Schulbesuchs führen würde, empfiehlt.
Die Interessenabwägung bei der unklaren tatsächlichen Sachlage geht dahin, dass die Antragstellerin wie bisher auch, erst einmal ihre Integrationskraft beim Schulbesuch vollumfänglich behält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt Eingliederungshilfe in Form eines Integrationshelfers für den Besuch der sechsten Klasse der Gesamtschule ohne Begrenzung auf 19 bzw. 10 Stunden.
Die am 00.00.2006 geborene Antragstellerin ist aufgrund einer spastischen Teillähmung der Beine, Bewegungsstörungen, einer Entwicklungsverzögerung und Minderbegabung schwerbehindert mit einem GdB von 80 und den Merkzeichen aG, B und H. Die Antragstellerin bezieht Leistungen nach Pflegegrad 3 und besucht die Gesamtschule C E-B.
Für das erste Schuljahr 2017/18 hatte die Antragsgegnerin bis zum 31.01.2018 die Kosten eines Integrationshelfers für den Schulbesuch ohne Beschränkung übernommen.
Auf den Antrag auf Weitergewährung der Eingliederungshilfe holte der Antragsgegner zunächst eine Stellungnahme des Gesundheitsamtes ein. Darin wird sich für eine allmähliche Stundenreduktion im Hinblick auf ein Ziel der Verselbständigung der Antragstellerin ausgesprochen. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der ärztlichen Stellungnahme vom 24.01.2018 Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 30.01.2018 bewilligte der Antragsgegner die Integrationskraft für den Schulbesuch dann nur noch für zunächst 19 Wochenstunden, ab dem 01.05.2018 dann nur noch für 10 Wochenstunden. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Sie verwies auf ein Schreiben der Schulleitung vom 06.02.2018, wonach eine Beschulung der Antragstellerin ohne Integrationskraft nicht durchgeführt werde. Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 06.02.2018 Bezug genommen.
Ein Widerspruchsbescheid ist noch nicht ergangen. Die Antragstellerin begehrt nun einstweiligen Rechtsschutz.
Die Antragstellerin beantragt,
ihr vorläufig Hilfe zur angemessenen Schulbildung in Form der Übernahme der Kosten einer schulbegleitenden Betreuung (Integrationshelfer) im zweiten Schulhalbjahr 2017/18 ohne Begrenzung auf 19 bzw. 10 Stunden zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass schon verschiedene Maßnahmen zur Reduktion des Bedarfs nach einer Integrationskraft angesprochen worden seien. Keine der angesprochenen Maßnahmen sei von schulischer Seite bis heute umgesetzt worden. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Antragsgegners vom 19.02.2018 Bezug genommen.
Im Übrigen wird für die Einzelheiten Bezug genommen auf die Gerichtsakte und die Akte des Verwaltungsverfahrens, die bei der Entscheidung vorgelegen haben.
II.
Der zulässige Antrag ist begründet. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 86b Abs. 1 SGG auf Antrag ( ) 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Diese Bestimmung kommt auch zur Anwendung, wenn die Verwaltung die aufschiebende Wirkung nicht beachtet, also die aufschiebende Wirkung festgestellt werden muss (Meyer-Ladewig/Keller, Kommentar zum SGG § 86b Rdnr. 5 und 15). Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache ferner auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines bestehenden Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind gemäß §§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen. Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens bedarf es einer Interessenabwägung, ob dem Antragsteller unter Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten unzumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
Im vorliegenden Fall geht die Interessenabwägung gerade noch zugunsten der Antragstellerin aus. Dagegen spricht zunächst, dass noch nicht einmal der Ausgang des Widerspruchsverfahrens abgewartet wurde. Regelmäßig ist dem Antragsteller jedoch das Abwarten des Ausgangs des Widerspruchsverfahrens zumutbar. In diesem Einzelfall geht das Gericht jedoch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon aus, dass ein weiteres Abwarten ausnahmsweise nicht zumutbar ist, da der Antragsgegner mit Schriftsatz vom 19.02.2018 zu erkennen gegeben hat, wie verhärtet die Fronten sind und er die Verantwortlichkeit im Wesentlichen bei der Schule sieht. Die Beschulung der Antragstellerin ist durch diese festgefahrene Situation in diesem Einzelfall tatsächlich schon jetzt gefährdet.
Für die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin spricht dabei der tatsächliche Sachverhalt im Lichte der Kollision der Prinzipien der Objektförderung von Schulen und der Subjektförderung der behinderten Schüler persönlich, die hier in dem Vorwurf des Antragsgegners, die Schule habe sich um keine der angeregten Maßnahmen gekümmert, zum Ausdruck kommt, ohne dass die sachliche Richtigkeit hier geprüft werden könnte. Auf letzteres kommt es hier auch nicht an.
Denn Personen, die durch eine Behinderung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt oder von einer solchen wesentlichen Behinderung bedroht sind, erhalten gemäß § 53 Abs. 1 SGB XII Leistungen der Eingliederungshilfe, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung können Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten. Von einer Behinderung bedroht sind gemäß § 53 Abs. 2 SGB XII Personen, bei denen der Eintritt der Behinderung nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies gilt für Personen, für die vorbeugende Gesundheitshilfe und Hilfe bei Krankheit nach den §§ 47 und 48 erforderlich ist, nur, wenn auch bei Durchführung dieser Leistungen eine Behinderung einzutreten droht. Besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es gemäß § 53 Abs. 3 SGB XII, eine drohende Behinderung zu verhüten oder eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Für die Leistungen zur Teilhabe gelten gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII die Vorschriften des Neunten Buches, soweit sich aus diesem Buch und den auf Grund dieses Buches erlassenen Rechtsverordnungen nichts Abweichendes ergibt. Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach diesem Buch.
Leistungen der Eingliederungshilfe sind neben den Leistungen nach den §§ 26, 33, 41 und 55 des Neunten Buches gemäß § 54 Abs. 1 SGB XII insbesondere 1. Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt, 2. Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Besuchs einer Hochschule, 3. Hilfe zur Ausbildung für eine sonstige angemessene Tätigkeit, 4. Hilfe in vergleichbaren sonstigen Beschäftigungsstätten nach § 56, 5. nachgehende Hilfe zur Sicherung der Wirksamkeit der ärztlichen und ärztlich verordneten Leistungen und zur Sicherung der Teilhabe der behinderten Menschen am Arbeitsleben. Die Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben entsprechen jeweils den Rehabilitationsleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung oder der Bundesagentur für Arbeit.
Angesichts des Schriftsatzes des Antragsgegners vom 19.02.2018 ist deutlich erkennbar, dass offenbar auch er davon ausgeht, dass zunächst organisatorische Maßnahmen in der Schule ergriffen werden müssten, damit die Antragstellerin selbständiger handeln könnte. Letztlich kommt in dem Schriftsatz die Formulierung eines Zuständigkeitskonflikts zum Ausdruck, indem der Antragsgegner darlegt, die Schule hätte längst bestimmte Maßnahmen ergreifen müssen.
Damit verkennt der Antragsgegner die rechtliche Struktur, in der sich die Schulinklusion aktuell zu bewegen hat. Die Eingliederungshilfe nach dem SGB XII formuliert einen umfassenden, bedarfsbasierten, subjektiven Anspruch auf Eingliederungshilfe des Schülers als Individuum. Dies ist gleichsam die Subjektförderung. Dabei gibt es zunächst einmal keine rechtliche Einwendung dergestalt, dass aber eine andere Behörde längst hätte bessere Rahmenbedingung schaffen müssen.
Richtig ist, dass auch Schulen und Kindergärten als Objekt, also als abstrakte Einrichtung unabhängig vom individuellen Anspruch des Schülers mit Pflichten und Förderungen zur Integration behinderter Schüler ausgestattet werden. Dieses Modell wird an anderer Stelle auch für Pflegeheime praktiziert. Dort wird dafür der Begriff der Objektförderung verwendet.
Dies wirft natürlich die tatsächliche Frage auf, wie Objektförderung und Subjektförderung ineinander greifen. Rechtlich ausdrücklich formuliert ist dies nicht, sondern muss aus der Systematik hergeleitet werden. Der Anspruch auf Eingliederungshilfe des behinderten Menschen ist grundsätzlich unabhängig von pflichtgemäßem oder pflichtwidrigem Verhalten Dritter. Festgestellt wird ausschließlich, ob ein Bedarf tatsächlich besteht. Gegebenenfalls kann dabei unter dem Aspekt der Subsidiarität natürlich auf andere subjektiv vorrangige Rechte, beispielsweise auf Ansprüche aus der Kranken- oder Pflegeversicherung, verwiesen werden. Jenseits der subjektiven Rechte des Individuums kann nicht auf einen fiktiven Zustand der Umgebung verwiesen werden, der vielleicht eigentlich bestehen müsste. Deshalb lässt die Objektförderung von Kindergärten und Schulen den subjektiven Anspruch des behinderten Menschen nur dann und soweit entfallen, wie die Objektförderung tatsächlich realisiert worden ist und dadurch den Bedarf auf tatsächlicher Ebene entfallen lässt. Wenn eine Schule also beispielsweise schon für Rollstuhlfahrer barrierefrei gebaut ist, ist tatsächlich keine Assistenz mehr zur Überwindung von Stufen etc. erforderlich. Für die Eingliederungshilfe im schulischen Bereich kommt es also nur darauf an, wie weit die konkret besuchte Schule tatsächlich schon ist, nicht wie weit sie eigentlich sein müsste.
Soweit der Bescheid vom 30.01.2018 die ärztliche Stellungnahme vom 24.01.2018 umsetzen möchte, so wird in der Stellungnahme durchaus ein interessantes Problem der Inklusion von Kindern und Jugendlichen angesprochen, nämlich das Problem, dass sich sowohl individuelles Verhalten als auch gruppendynamisches Verhalten von Kindern und Jugendlichen durch die Gegenwart eines Erwachsenen verändern kann. Dass es ein wünschenswertes Ziel ist, dass auch behinderte Teenager zunehmend selbstständig werden, ist dem Grunde nach selbstverständlich. Die Eingliederungshilfe hat sich jedoch nach dem tatsächlichen Bedarf zu richten. Insoweit ist die Antwort Nr. 2 am Ende der Stellungnahme möglicherweise "zu gut gemeint" im Sinne der Formulierung eines ehrgeizigen Ziels. Die Formulierung solcher Ziele wäre jedoch Aufgabe der Eltern unter altersentsprechender Einbeziehung des Kindes. Ob die Formulierung dieses Ziels hier mit dem tatsächlichen, zweckgerichteten Bedarf vereinbar ist, erschließt sich zur Überzeugung des Gerichts nicht aus der Stellungnahme. Dies bedürfte gegebenenfalls einer weiteren medizinischen Beweisaufnahme. Immerhin hält die Ärztin unter Punkt 5 sogar eine stationäre, neurophysiologische Reha-Maßnahme für wünschenswert, um die Selbsthilfefähigkeit weiterhin zu fördern. Sie sieht also selbst so deutliche Defizite in der Selbsthilfefähigkeit, dass sie sogar eine stationäre Maßnahme, die zur Unterbrechung des Schulbesuchs führen würde, empfiehlt.
Die Interessenabwägung bei der unklaren tatsächlichen Sachlage geht dahin, dass die Antragstellerin wie bisher auch, erst einmal ihre Integrationskraft beim Schulbesuch vollumfänglich behält.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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