Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
34
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 43 AS 25331/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 34 AS 201/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 166/18 B - Rücknahme
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ist bei der Berechnung von Arbeitslosengeld II steuerrechtliches Kindergeld als Einkommen angerechnet worden und wird die Festsetzung von Kindergeld nachträglich aufgehoben sowie das Kindergeld zurückgefordert, so kann der Leistungsberechtigte vom SGB II-Leistungsträger keine Freistellung von dieser Rückforderung verlangen. Die §§ 102 ff SGB X sind weder unmittelbar noch analog anwendbar. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht.
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger begehren vom Beklagten die Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 i.H.v. insgesamt 9.482,00 EUR.
Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1967 geborene Klägerin zu 2 sind die Eltern der im Juni 1993, März 1987 und September 1988 geborenen Kläger zu 3 bis 5. Die Kläger bewohnten ab dem 01. November 2007 – und auch noch im streitigen Zeitraum – eine rund 97 qm große Vier-Zimmer-Wohnung in der Mstr. in B, für welche bis einschließlich November 2008 ein monatlicher Gesamtmietzins i.H.v. 661,00 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, Vorauszahlung (VZ) für Betriebskosten 130,00 EUR, VZ für Heizkosten 65,00 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR), ab dem 01. Dezember 2008 i.H.v. 668,92 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, VZ für Betriebskosten 137,92 EUR, VZ für Heizkosten 65,00 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR) und ab dem 01. November 2009 i.H.v. 739,89 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, VZ für Betriebskosten 187,10 EUR, VZ für Heizkosten 86,79 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR) fällig war.
Für die Kläger zu 3 bis 5 wurde an den Kläger zu 1 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt, für die im streitigen Zeitraum bereits volljährigen Kläger zu 4 und 5 jeweils bis einschließlich Oktober 2010. Der damals minderjährige Kläger zu 3 besuchte in Berlin zunächst die Grundschule und dann die weiterführende Schule. Der Kläger zu 4 absolvierte ab dem 22. Oktober 2007 eine Ausbildung zum anerkannten internationalen Touristikassistenten mit Fachabitur an der B Takademie in B. Auf den am 13. August 2007 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung hatte ihm das Amt für Ausbildungsförderung S mit Bescheid vom 28. Dezember 2007 für die Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) i.H.v. 192,00 EUR monatlich gewährt. Darüber hinaus erhielt er jedoch keine BAföG-Leistungen mehr. Die Ausbildung beendete er am 20. Januar 2010. Ab dem 20. Oktober 2008 absolvierte die Klägerin zu 5 ebenfalls an der B Takademie in B eine Ausbildung zum Erwerb der Fachhochschulreife Wirtschaft/Touristik. Ihr Antrag auf BAföG wurde mit Bescheid des Amts für Ausbildungsförderung B vom 05. Dezember 2008 abgelehnt. Ab Februar 2009 war die Klägerin zu 5 wegen finanzieller Schwierigkeiten vom Unterricht beurlaubt.
Im Zeitraum vom 01. Februar 2009 bis zum 31. März 2010 arbeitete der Kläger zu 4 als Aushilfe auf Abruf in einem Hotel und erzielte hieraus Einkommen. Ab dem 01. März 2010 war er selbständig tätig mit einem Backshop. Die Klägerin zu 5 war ab dem 01. Juli 2009 als Aushilfe in einem Backshop beschäftigt. Ab dem 01. Juni 2010 arbeitete sie als Bürohilfskraft bei der m Dienstleistungs GmbH und darüber hinaus als Verkaufshilfe im Betrieb des Bruders.
Bis zum 31. Oktober 2007 hatten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis S bezogen. Auf den im Hinblick auf den Umzug nach B am 02. Oktober 2007 beim Beklagten gestellten Antrag bewilligte dieser den Klägern mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 für die Zeit vom 01. November 2007 bis zum 30. April 2008 zunächst vorläufig monatliche Leistungen und nachfolgend mit Bescheid vom 05. Februar 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10. April 2008 sowie 26. Mai 2008 endgültig Leistungen unter Anrechnung von Einkommen des Klägers zu 1 aus Erwerbstätigkeit, des Klägers zu 4 aus BAföG sowie der Kläger zu 3 bis 5 aus Kindergeld.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom April 2008 bewilligte ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Mai 2008 und 10. Februar 2009 für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2008 monatliche Leistungen wiederum unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1, aus BAföG des Klägers zu 4 sowie aus Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern nachfolgend auch für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 30. April 2009 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Rahmen der Berechnung waren beim Kläger zu 1 Einkommen aus Erwerbstätigkeit und beim Kläger zu 3 Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR berücksichtigt worden. Bei den Klägern zu 4 und 5 war jeweils Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR - bereinigt um die Versicherungspauschale von 30,00 EUR - angerechnet worden. Beim Kläger zu 4 war ferner BAföG i.H.v. 169,60 EUR zur Anrechnung gekommen. Mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 2009 bewilligte ihnen der Beklagte sodann Leistungen ohne Anrechnung von BAföG beim Kläger zu 4.
Am 10. Oktober 2008 heiratete die Klägerin zu 5 in A. Eine Mitteilung der Eheschließung erfolgte weder gegenüber dem Beklagten noch gegenüber der Familienkasse.
Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 auch für den Zeitraum vom 01. Mai bis zum 30. September 2009 vorläufige Leistungen. In der Folge ergingen Änderungsbescheide unter dem 10. Februar 2009, 25. März 2009, 21. Juli 2009, 12. August 2009, 15. September 2009 (zwei Bescheide) und 30. November 2009, mit denen Erwerbseinkommen der Kläger zu 1, 4 sowie 5 und Kindergeld für die Kläger zu 3 bis 5 berücksichtigt wurde.
Unter dem 18. Juni 2009 ergingen insgesamt vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Der Beklagte hob zum einen gegenüber dem Kläger zu 1 aufgrund der Anrechnung seines tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens sowie des erzielten Erwerbseinkommens des Klägers zu 4 die Entscheidungen vom 10. Februar 2009 und 25. März 2009 für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 30. Juni 2009 teilweise i.H.v. insgesamt 19,36 EUR nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Aus denselben Gründen hob der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2 seine Entscheidungen vom 10. Februar 2009 und 25. März 2009 für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 30. Juni 2009 teilweise i.H.v. insgesamt 29,83 EUR (Leistungen für die Kläger zu 2 und 3) auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Auch gegenüber der Klägerin zu 5 hob der Beklagten die o.g. Entscheidungen teilweise i.H.v. 11,81 EUR auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Letztlich hob der Beklagte gegenüber dem Kläger zu 4 die o.g. Entscheidungen für Februar und März sowie Mai und Juni 2009 teilweise i.H.v. 431,23 EUR auf.
Mit Bescheid vom 07. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anrechnung von Erwerbseinkommen der Kläger zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom Februar 2010 bewilligte der Beklagte ihnen bzw. (ab August 2010) den Klägern zu 1 bis 4 mit Bescheid vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 für die Zeit vom 01. April bis zum 30. September 2010 unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei den Klägern zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Bescheid vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1 bis 5 bzw. (ab Dezember 2010) 1 bis 4 auch für die Zeit vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei den Klägern zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld beim Kläger zu 3 bzw. bei dem Kläger zu 4 bis einschließlich November 2010.
Mit Bescheid vom Bescheid vom 17. Dezember 2010 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für den Kläger zu 4 gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab Februar 2010 auf und forderte die Erstattung überzahlten Kindergeldes für die Zeit von Februar bis Oktober 2010 i.H.v. 1.710,00 EUR gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Mit weiterem Bescheid vom 08. Juni 2011 hob die Familienkasse auch die Festsetzung des Kindergeldes für den Kläger zu 4 ab Februar 2009 auf und forderte die Erstattung des für Februar 2009 bis Januar 2010 überzahlten Kindergeldes i.H.v. 1.988,00 EUR. Mit Bescheiden vom 15. März und 29. November 2011 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für die Klägerin zu 5 gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab November 2008 auf und forderte die Erstattung überzahlten Kindergeldes für die Zeit von November 2008 bis Januar 2009 (578,00 EUR) sowie von Februar 2009 bis Oktober 2010 (3.770,00 EUR).
Am 29. Dezember 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung aller Bewilligungs- und Änderungsbescheide sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, die der Beklagte seit dem 01. Januar 2008 erlassen habe, zumindest aber aller in den Jahren 2011 und 2012 erlassenen Bescheide. Mit Bescheiden der Familienkasse vom 02. März sowie 21. Oktober 2011 sei die Festsetzung des Kindergeldes für die Klägerin zu 5 ab dem 01. November 2008 und für den Kläger zu 4 ab dem 01. Februar 2009 aufgehoben worden. Zugleich sei der Kläger zu 1 aufgefordert worden, die entsprechenden Beträge an die Familienkasse zu erstatten. Den Betrag, den die Kläger in dem Zeitraum vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 zu Unrecht als Kindergeld von der Familienkasse ausgezahlt bekommen hätten, hätten sie insoweit zu wenig vom Beklagten bekommen. Die Überprüfung solle dazu führen, dass der Beklagte sich direkt mit der Familienkasse zur Regulierung der Rückzahlung in Verbindung setze.
Aufgrund einer Aufrechnungserklärung des Klägers zu 1 vom 19. Dezember 2012 rechnete der Beklagte ab dem 01. August 2013 monatlich 25,00 EUR zur Tilgung der Forderung der Familienkasse auf.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 lehnte der Beklagte die Rücknahme der seit dem 01. Januar 2008, zumindest der in den Jahren 2011 und 2012, erlassenen, bestandskräftigen Bewilligungs-, Änderungs- sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ab. Die Überprüfung der Bescheide für die Jahre 2008 bis 2010 sei aufgrund der Jahresfrist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Für die Jahre 2011 und 2012 habe die Überprüfung ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden seien. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld habe keine Auswirkungen auf die Höhe des Arbeitslosengeld II-Anspruchs für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum. Da das Kindergeld tatsächlich zugeflossen sei, sei es gemäß § 11 Abs. 2 SGB II für die Monate des Zuflusses als Einkommen anzurechnen gewesen. Den Widerspruch der Kläger vom 25. Juli 2013 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013 (W ) zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 21. Oktober 2013 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und die Verurteilung des Beklagten zur Auskehrung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 i.H.v. 9.482,00 EUR entsprechend § 103 SGB X von dem Beklagten an die Familienkasse Berlin Mitte begehrt. Der Verweis auf § 40 Abs. 1 SGB II greife nicht durch, denn sie beanspruchten keine Leistungen vom Beklagten, sondern einen direkten Ausgleich zwischen den an sie gerichteten Forderungen der Familienkasse und den aufgrund der Leistungen der Familienkasse durch den Beklagten bisher ersparten Leistungen entsprechend der Regelung des § 103 SGB X. Die Familienkasse und der Beklagte mögen sich untereinander ausgleichen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2014 abgewiesen. Der Klageantrag sei unter Berücksichtigung der von den Klägern eingereichten Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 sowie des Klagebegehrens dahingehend auszulegen, dass die Kläger die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 17. Oktober 2008, 25. März 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06. Juni 2009, 12. August 2009, 07. September 2009, 15. September 2009 und 30. November 2009 sowie der Bescheide vom 07. September 2009 und 03. März 2010 begehrten. Eine Überprüfung auch der Bescheide betreffend den Zeitraum vom 01. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008 und der Zeiträume nach dem 01. November 2010 (also insbesondere auch der Bewilligungsbescheide aus den Jahren 2011 und 2012) entspreche nicht dem auf den Ausgleich der aufgehobenen Kindergeldbewilligung ausgerichteten Begehren. Ein Anspruch auf Abänderung der Bescheide, mit welchen den Klägern Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 bewilligt worden seien, bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X lägen nicht vor. Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Jedoch gelte nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle eines Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr trete, sodass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme zu erbringen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X über ihren reinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass bereits die Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen der "Verfallklausel" des § 44 Abs. 4 SGB X "schlechthin" ausgeschlossen sei. Die Verwaltung habe dementsprechend schon dann eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine Zeit betreffe, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist lägen. Die zwingend anzuwendende Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X stehe folglich für länger zurückliegende Zeiten bereits dem Erlass eines Rücknahme- und Ersetzungsaktes entgegen. Hiervon ausgehend sei die Entscheidung des Beklagten, nicht in die sachliche Überprüfung der Bewilligungsbescheide einzusteigen, nicht zu beanstanden. Denn ausgehend von einem Überprüfungsantrag vom 28. Dezember 2012, der auf den 01. Januar 2012 zurückwirke, könne eine weitere Leistungsbewilligung allein für die Zeit ab dem 01. Januar 2011 geltend gemacht werden. Vorliegend begehrten die Kläger jedoch höhere Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 und damit allein für Zeiten vor dem 01. Januar 2011. Die Anwendbarkeit der Verfallklausel entfalle auch nicht im Hinblick darauf, dass die Kläger die direkte Auszahlung der Leistungen an die Familienkasse begehrten, denn dies ändere allein den Zahlungsweg, nicht jedoch die Frage, wem der Anspruch zustehe. Trotz der begehrten Auszahlung an die Familienkasse handele es sich um einen geltend gemachten Anspruch auf höhere Sozialleistungen der Kläger. Die Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 SGB II würde im Falle einer Direktanweisung andernfalls unterlaufen. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten handele sich auch nicht um einen Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander nach § 103 SGB X, denn dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. So sei das SGB X in Bezug auf die Familienkasse nicht anwendbar, da das Kindergeld nach den Regeln des EStG erbracht und aufgehoben worden sei. Bei der Familienkasse handele es sich nicht um einen Leistungsträger nach § 12 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I), denn es sei den Klägern Kindergeld nach dem EStG und nicht nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt worden. Aber auch im Übrigen sei keine Konstellation der Erstattung der Träger untereinander nach den §§ 102ff SGB X einschlägig, die eine Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ausschließen würde. Aber selbst wenn § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht anzuwenden wäre, könnten die Kläger die Gewährung weiterer Leistungen nicht mit Erfolg geltend machen, denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsentscheidungen hätten ihnen die Kindergeldzahlungen tatsächlich zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden und seien somit nach § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen gewesen. An der strikten Geltung des Zuflussprinzips für die Anrechnung von Einkommen ändere sich auch nichts dadurch, dass die Kindergeldbewilligung nachträglich aufgehoben worden sei.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Dezember 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19. Januar 2015 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Kläger, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführen. Soweit das Sozialgericht davon ausgehe, dass die Kläger höhere Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 begehrten und damit für Zeiten vor dem 01. Januar 2011, die von der Verfallklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasst würden, sei dies unzutreffend. Denn sie begehrten keine Zahlung an sich selbst, sondern an die Familienkasse entsprechend § 103 SGB X. Das von der Familienkasse zurückgeforderte und vom Beklagten bei der Leistungsgewährung angerechnete Kindergeld habe der Beklagte im streitigen Zeitraum eingespart. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei vorliegend schon aus dem Grund nicht anwendbar, als ihr Begehren nicht auf die Gewährung weiterer existenzsichernder Leistungen, sondern allein auf einen sachgerechten Ausgleich der asymmetrischen Zahlungen gerichtet sei. Soweit das Sozialgericht ausführe, dass es sich nicht um einen Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander nach § 103 SGB X handele, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen, übersehe es, dass die Kläger die Direktanweisung in entsprechender Anwendung des § 103 SGB X beantragten. Die ebenso wie der Beklagte von der Bundesagentur für Arbeit getragene Familienkasse fungiere insoweit nicht anders als ein Leistungsträger. Im vorliegenden Fall wäre es willkürlich, wenn das Kindergeld nach dem EStG anders als das nach dem Bundeskindergeldgesetz behandelt würde. Das Sozialgericht Berlin könne auch nicht auf die strikte Anwendung des Zuflussprinzips verweisen. Denn es gehe den Klägern ja gerade um einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Kindergeldkasse und den unmittelbar daran anknüpfenden, in dem Leistungszeitraum ersparten Leistungen des Beklagten. Die Kläger machten einen Erstattungsanspruch der Familienkasse gegen den Beklagten entsprechend § 103 SGB X in gewillkürter Prozessstandschaft geltend. Wenngleich die Erstattungsansprüche nach § 102ff SGB X auch kein Recht des betroffenen Leistungsberechtigten seien, so hingen die entsprechenden Ansprüche doch grundlegend von dessen Leistungsanspruch ab. Soweit der Leistungsträger einen möglichen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Leistungsträger tatsächlich nicht geltend mache, sondern sich direkt an den Leistungsberechtigten wende, müsse es zum Schutz dieses Leistungsberechtigten ein Institut geben, welches ihn vor dem unmittelbaren Erstattungszugriff des an ihn herantretenden Leistungsträgers bewahre. Ein Schutz des Leistungsberechtigten müsse jedenfalls dann gegeben sein, wenn wie hier die sachliche Kongruenz der Leistungen darin liege, dass es sich bei der zurückgeforderte Leistung um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II gleichrangige Leistung handele. Der Umfang der Erstattungspflicht richte sich nach den für den zuständigen erstattungspflichtigen Träger geltenden Rechtsvorschriften. Dies seien vorliegend die Regelungen des SGB II. Diese dienten insoweit der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht sichere jedem Leistungsberechtigten und damit auch den Klägern diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine bzw. ihre physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gewährleistet, wenn Leistungen von den Klägern zurückgefordert würden, die von den Leistungen zur Gewährleistung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums schon abgezogen worden seien. Soweit der Gesetzgeber im Fall der Zahlung von Kindergeld keine gesetzliche Regelung zu Erstattung von (anstelle von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt) gezahltem Kindergeld der Kindergeldkasse gegen das Jobcenter vorgesehen habe, sei das einfache Recht aus den vorgenannten Gründen defizitär und somit verfassungswidrig. Solange der Gesetzgeber keine entsprechende Regelung zur Erstattung der Ansprüche der Kindergeldkasse gegen das Jobcenter treffe, sei eine Auslegung der Regelung des § 74 Abs. 2 EStG dahingehend, dass Erstattungsansprüche der Familienkasse gegen den Sozialleistungsträger gerade nicht gelten sollten, verfassungswidrig. Diese grundrechtswidrige Regelungslücke könne nur dahingehend geschlossen werden, dass ausgehend von § 74 Abs. 2 EStG in solchen Fällen, in denen anstelle des Jobcenters die Familienkasse Teile der Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet habe, ein dem System der §§ 102-109 und 111-112 SGB X entsprechender Ersatzanspruch der Familienkasse gegenüber dem an sich für die Erbringung der Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuständigen Jobcenter anstelle eines Durchgriffs auf die Leistungsberechtigten eingeräumt werde und den betroffenen Leistungsberechtigten zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs eine gewillkürte Prozessstandschaft hinsichtlich der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs eingeräumt werde.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 unter teilweiser Rücknahme/Änderung des Änderungsbescheides vom 10. Februar 2009, des Änderungsbescheides vom 15. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Bescheides vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 sowie des Bescheides vom 03. März 2010 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 9.482,00 EUR zu bewilligen und an die Agentur für Arbeit, Familienkasse Berlin Mitte auszuzahlen,
hilfsweise
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 zu verurteilen, den Kläger zu 1 von den Erstattungsansprüchen der Familienkasse Berlin Mitte wegen überzahlten Kindergeldes i.H.v. 9.482,00 EUR freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten des Beklagten (5 Bände ) verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme bzw. Abänderung des Änderungsbescheides vom 10. Februar 2009, des Änderungsbescheides vom 15. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Bescheides vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 sowie des Bescheides vom 03. März 2010 und Bewilligung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 im Hinblick auf die erfolgte Anrechnung von Kindergeld bei den Klägern zu 4 und 5.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 (a.F.) i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden die Leistungen nach dem SGB II längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht, soweit der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.
Hiervon ausgehend hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, seine Bewilligungsentscheidungen (Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 10. Februar 2009, 15. September 2009, 30. November 2009 (zwei Bescheide), 03. März 2010 (zwei Bescheide) und 23. Juli 2010) für die Leistungszeiträume vom 01. November 2008 bis zum 30. April 2009, 01. Mai bis zum 30. September 2009, 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010, 01. April bis zum 30. September 2010 sowie vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011, soweit es die Bewilligung für die Zeit bis zum 31. Oktober 2010 und die Zahlung weiterer Leistungen für diese Zeit betrifft, zu überprüfen.
Eine auch nur teilweise Rücknahme ist vorliegend nämlich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend (vgl. BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr. 23 S. 53) und uneingeschränkt anwendbare (vgl: BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 1 S. 2; BSG, Urteil vom 31.03.1992 - 9b RAr 17/90 -; BVerwG, Beschluss vom 01.02.1993 - 11 B 91/92 -, juris Rn. 9) Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X – modifiziert durch § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. -ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag (hier vom 29. Dezember 2012), wenn dieser zur Rücknahme führt, sodass sich vorliegend der Rücknahmezeitraum längstens auf die Zeit vom 01. Januar 2011 bis zum 29. Dezember 2012 erstreckt.
Da § 44 Abs. 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, können die Kläger, die Leistungen für den außerhalb der Ein-Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X liegenden Zeitraum (November 2008 bis Oktober 2010) begehren, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen; Folge davon ist, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X geltend machen können (vgl. BSGE 104, 213 ff Rn. 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 20) und kein Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide besteht.
Darüber hinaus hat der Beklagte bei Erlass der genannten Bescheide weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat (§ 44 Abs. 1 Satz SGB X). Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 als erwerbsfähige volljährige Hilfebedürftige (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und der Kläger zu 3, der als gemeinsames, nicht erwerbsfähiges Kind der Kläger zu 1 und 2 mit ihnen und den weiteren, volljährigen, aber unter 25jährigen Kindern der Kläger zu 1 und 2 – den Klägern zu 4 und 5 - in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 7 Abs. 2, 3 SGB II), im streitigen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. §§ 19, 28 SGB II) hatten. Ferner hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise das für die Kläger zu 4 und 5 gezahlte Kindergeld als deren Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) – bereinigt um die so genannte Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. i.V.m. § 3 Nr. 1 bzw. 6 Abs. 1 Nr. Arbeitslosengeld II-VO (Alg II-VO) – angerechnet.
Der Berücksichtigung des Kindergeldes steht nicht entgegen, dass im Grundsatz nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - juris). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl. etwa § 2 Abs. 2 Alg II-VO in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Leistungsberechtigten, die Leistung als "bereites Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen. Zwar lagen die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld nach § 32 EStG bezüglich der Kläger zu 4 und 5 aufgrund des Abbruchs der Ausbildung bzw. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Eheschließung (ständige Rechtsprechung des BFH zu § 32 Abs. 4 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung: Urteile vom 02. März 2000 - VI R 13/99 - BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522; 19. April 2007 - III R 65/06 -, BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756; 22. Dezember 2011 - III R 8/08 - BFHE 236, 155, BStBl II 2012, 340) seit Februar 2009 (Kläger zu 4) bzw. November 2008 (Klägerin zu 5) tatsächlich nicht vor, auch sind die entsprechenden Bewilligungsentscheidungen der Familienkasse nachfolgend durch Bescheide vom 17. Dezember 2010, 15. März 2011, 08. Juni 2011 und 29. November 2011 mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 70 Abs. 2 EStG) aufgehoben worden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Kindergeld bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war. So wie die Familienkasse an die Zuerkennung des Kindergeldes gebunden war, solange die Festsetzungsbescheide Bestand hatten, stand auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht konnte dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung der Bescheide geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. Spiegelbildlich dazu können er und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Festsetzungsentscheidungen nach den entsprechenden gesetzlichen Maßgaben aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs. 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R – juris).
Zwar ist die Bewilligung von Kindergeld mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch gerade für den hier streitigen Zeitraum - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die Aufhebungen der Festsetzungsentscheidungen im Dezember 2011 bzw. März, Juni und November 2011 August 2007 haben deshalb im Verhältnis zum Beklagten lediglich die Bedeutung, dass der Kläger zu 1 (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der Familienkasse) belastet ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 21. Juli 2017 – L 3 AS 125/17 B PKH – juris; Hessisches LSG, Urteil vom 24. April 2013 – L 6 AS 376/11 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012 – L 2 AS 5392/11 – juris). Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (vgl. etwa BSG, Urteile vom 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - juris Rn. 25; vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R – juris Rn. 19; vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - juris Rn. 28; vom 10.05.2011 - B 4 KG 1/10 R – juris Rn. 18).
Der Kläger zu 1 hat darüber hinaus auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 9.482,00 EUR an die Familienkasse zum Ausgleich der gegen ihn wegen rechtswidrig gezahlten Kindergeldes für die Kläger zu 4 und 5 geltend gemachten Erstattungsansprüche im Wege eines Freistellungsanspruchs. Zwar kann ein solches Begehren im Grundsatz zulässigerweise mit einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG verfolgt werden (vgl. z.B. im Krankenversicherungsrecht BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R – juris). Allerdings ist schon zweifelhaft, ob der Kläger zu 1 über das notwendige Rechtsschutzinteresse verfügt, solange er nicht zunächst gegen die Erstattungsforderungen der Familienkasse vorgegangen ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Finanzgerichte in den Fällen, in denen das zurückgeforderte Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet worden ist und bei Rückforderung des Kindergeldes eine nachträgliche Erhöhung dieser Sozialleistungen ausscheidet, davon ausgehen, dass ein Billigkeitserlass der Forderung nach § 227 AO in Betracht komme (vgl. z.B. Sächsisches FG, Urteil vom 07. November 2017 – 3 K 69/17 (Kg) – juris; FG Münster, Urteil vom 02. Januar 2017 – 7 K 2829/15 Kg.AO – juris; BFH, Urteile vom 22. September 2011 - III R 78/08 -, BFH/NV 2011, S. 2014; vom 30. Juli 2009 - III R 22/07 -, BFH/NV 2009, S. 1983; vom 19. November 2008 - III R 108/06 -, BFH/NV 2009, S. 357; vom 15. März 2007 - III R 54/05 -, BFH/NV 2007, 1298; BFH, Beschluss vom 23. Februar 2015 - III B 41/14 -, BFH/NV 2015, S. 658), dessen Beantragung nicht an bestimmte Fristen gebunden ist (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 227 AO Rn. 132).
Jedenfalls fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Freistellungsanspruch.
Die Erstattungsvorschriften der §§ 102ff SGB X - insbesondere § 103 SGB X - sind weder direkt noch entsprechend anwendbar. Zwar bestimmen u.a. die §§ 40a und 44a Abs. 3 SGB II die entsprechende Anwendung dieser Regelung für den Bereich des SGB II. Gemäß deren Wortlaut bezieht sich dies jedoch allein auf Erstattungsansprüche des Trägers der Grundsicherung. Eine Dritterstattung oder Freistellung ist hiervon nicht erfasst. Der Kläger zu 1 kann sich auch nicht unmittelbar auf § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 103 SGB X stützen, denn er ist kein Leistungsträger i.S.d. §§ 102ff SGB X i.V.m. §§ 12, 18-29 SGB I. Er kann auch nicht etwa einen in diesen Vorschriften geregelten Erstattungsanspruch in gewillkürter Prozessstandschaft für die Familienkasse geltend machen. Abgesehen davon, dass der Kläger weder eine Zustimmung der Familienkasse zu seiner Prozessführung noch Nachweise betreffend eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Prozessführungsbefugnis behauptet geschweige denn vorgelegt hat, bilden die §§102 ff SGB X ein "geschlossenes System" von Ansprüchen eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen, innerhalb dessen dem Leistungsberechtigten selbst keine Mitwirkungsrechte zustehen (Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. A. 2014, vor § 102 Rn. 1 und 4). Sind Erstattungsansprüche nach §§ 102ff SGB X kein Recht des betroffenen Leistungsberechtigten, sondern hängen sie vielmehr nur insoweit von dessen Leistungsanspruch ab, als ein Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen das Bestehen eines Leistungsanspruchs voraussetzt (Roos, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.), so führt Letzteres zwar, insbesondere mit Blick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X, zu gewissen prozessualen Konsequenzen (notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG im Erstattungsstreit der Leistungsträger; vgl. dazu auch Roos, a.a.O. m.w.N.). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leistungsberechtigte als Dritter seinerseits aus eigenem Recht einen Erstattungsanspruch nach §§ 102ff SGB X geltend machen könnte (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Dezember 2012 – L 20 AY 17/12 – juris Rn. 45).
Ungeachtet dessen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 103 SGB X nicht erfüllt. Denn wie alle Erstattungsvorschriften der §§ 102ff SGB X gilt § 103 SGB X von vornherein nur für Leistungsträger im Sinne der §§ 18 bis 29 SGB I, welche Sozialleistungen erbringen (vgl. Roos, a.a.O. Rn. 17 m.w.N.; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 11/17, SGB X, Rn. 60 vor § 102). Die Familienkasse hat im vorliegenden Fall jedoch einen - steuerrechtlichen - Familienlastenausgleich (§§ 31, 62ff. EStG) und damit gerade keine Sozialleistung gewährt (vgl. Becker a.a.O.), sodass kein Grund für eine Anwendung des Sozialgesetzbuches besteht (vgl. BFH, Urteil vom 28. April 2009 - III B 36/08 – juris Rn. 12ff.). Das steuerrechtliche Kindergeld ist insbesondere auch vom - sozialrechtlichen - Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu unterscheiden; nur für Letzteres trifft § 25 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB I eine Regelung über einen für eine Sozialleistung zuständigen Träger (vgl. Palsherm in jurisPK-SGB I, § 25 Rn. 40f). Schließlich erfasst auch die Verweisungsvorschrift des § 74 Abs. 2 EStG, welche die Regelungen der §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X für anwendbar erklärt, ausdrücklich allein den Fall eines gegen die Familienkasse gerichteten Erstattungsanspruches; dies führt zu dem Umkehrschluss, dass die von § 74 Abs. 2 EStG in Bezug genommenen Regelungen des SGB X für Erstattungsansprüche der Familienkasse gegen Sozialleistungsträger gerade nicht gelten.
Auch eine analoge Anwendung (insbesondere) des § 103 SGB X kommt nicht in Betracht. Handelt es sich bei §§ 102ff SGB X um ein in sich geschlossenes System von Erstattungsansprüchen, so besteht bereits keine Regelungslücke, die zur Begründung eines Dritterstattungs- bzw. Freistellungsanspruchs zu einer Analogie berechtigen würde. Von vornherein ist der vorliegende Fall nicht mit den gesetzlich geregelten Erstattungssituationen vergleichbar; denn es geht nicht um die Erstattung von Leistungen unmittelbar zwischen zwei Leistungsträgern (so auch LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn. 46).
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Konsequenz, dass ein unmittelbarer Ausgleich zwischen dem Jobcenter als Sozialleistungsträger und der Familienkasse als einer eine Steuervergütung (§ 31 EStG) auszahlende und unter der Fachaufsicht des Bundeszentralamts für Steuern stehende Behörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 des Gesetzes über die Finanzverwaltung) ausscheidet, bestehen nicht. Soweit die Kläger sich auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG stützen, überzeugt dies nicht, denn das menschenwürdige Existenzminimum der Kläger war im streitigen Zeitraum tatsächlich durch die Zahlung von Arbeitslosengeld II und Kindergeld gedeckt. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die Tatsache, dass den Klägern – wie bereits dargelegt - ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II für den streitigen Zeitraum nicht zusteht. Denn zum einen stand es dem Kläger zu 1 sowohl offen, sich gegen die Erstattungsforderungen der Familienkasse zur Wehr zu setzen, als auch insbesondere einen Billigkeitserlass nach § 227 AO zu beantragen. Zum anderen ist das menschenwürdige Existenzminimum der noch im Leistungsbezug stehenden Kläger zu 1 bis 3 weiterhin durch die Bewilligung von Leistungen gewahrt, wobei Verbindlichkeiten in diesem Rahmen grundsätzlich unbeachtlich sind. Vor diesem Hintergrund ist weder die von den Klägern begehrte verfassungskonforme Auslegung von §§ 12, 25 SGB I, 103 SGB X oder 74 Abs. 2 EStG durchzuführen noch besteht Anlass, den Rechtsstreit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Schon der eindeutige Wortlaut der genannten Normen lässt keinen Raum für eine von ihrem Wortlaut abweichende "verfassungskonforme" Auslegung. Auch ist eine Regelungslücke angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 EStG ausdrücklich die entsprechende Anwendung der §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X nur für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse vorgesehen hat, auszuschließen. Davon abgesehen wäre die von den Klägern (unter anderem) im Wege der verfassungskonformen Auslegung geltend gemachte gewillkürte Prozessstandschaft völlig systemfremd. Schlussendlich erschließt sich nicht, wie eine irgendwie geartete "verfassungskonforme" Auslegung einer oder aller der genannten Vorschriften zu einem Erfolg des klägerischen Begehrens führen könnte, denn ein Erstattungsanspruch kann nur insoweit bestehen, als auch ein materieller Anspruch der Kläger bestünde und gerade an letzterem fehlt es hier im Hinblick auf die Verfallfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ohnehin. Allein die Tatsache, dass die vom Gesetzgeber gewählte Regelung hinsichtlich der Erstattungsansprüche von Leistungsträgern untereinander als unbefriedigend empfunden wird, begründet keine Verfassungswidrigkeit einer spezifischen gesetzlichen Regelung (welcher?) oder des gesetzgeberischen "Gesamtkomplexes".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Die Kläger begehren vom Beklagten die Gewährung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 i.H.v. insgesamt 9.482,00 EUR.
Der 1965 geborene Kläger zu 1 und die 1967 geborene Klägerin zu 2 sind die Eltern der im Juni 1993, März 1987 und September 1988 geborenen Kläger zu 3 bis 5. Die Kläger bewohnten ab dem 01. November 2007 – und auch noch im streitigen Zeitraum – eine rund 97 qm große Vier-Zimmer-Wohnung in der Mstr. in B, für welche bis einschließlich November 2008 ein monatlicher Gesamtmietzins i.H.v. 661,00 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, Vorauszahlung (VZ) für Betriebskosten 130,00 EUR, VZ für Heizkosten 65,00 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR), ab dem 01. Dezember 2008 i.H.v. 668,92 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, VZ für Betriebskosten 137,92 EUR, VZ für Heizkosten 65,00 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR) und ab dem 01. November 2009 i.H.v. 739,89 EUR (Grundmiete 455,00 EUR, VZ für Betriebskosten 187,10 EUR, VZ für Heizkosten 86,79 EUR, Zuschlag für Concierge 11,00 EUR) fällig war.
Für die Kläger zu 3 bis 5 wurde an den Kläger zu 1 Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt, für die im streitigen Zeitraum bereits volljährigen Kläger zu 4 und 5 jeweils bis einschließlich Oktober 2010. Der damals minderjährige Kläger zu 3 besuchte in Berlin zunächst die Grundschule und dann die weiterführende Schule. Der Kläger zu 4 absolvierte ab dem 22. Oktober 2007 eine Ausbildung zum anerkannten internationalen Touristikassistenten mit Fachabitur an der B Takademie in B. Auf den am 13. August 2007 gestellten Antrag auf Ausbildungsförderung hatte ihm das Amt für Ausbildungsförderung S mit Bescheid vom 28. Dezember 2007 für die Zeit von Oktober 2007 bis September 2008 Ausbildungsförderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) i.H.v. 192,00 EUR monatlich gewährt. Darüber hinaus erhielt er jedoch keine BAföG-Leistungen mehr. Die Ausbildung beendete er am 20. Januar 2010. Ab dem 20. Oktober 2008 absolvierte die Klägerin zu 5 ebenfalls an der B Takademie in B eine Ausbildung zum Erwerb der Fachhochschulreife Wirtschaft/Touristik. Ihr Antrag auf BAföG wurde mit Bescheid des Amts für Ausbildungsförderung B vom 05. Dezember 2008 abgelehnt. Ab Februar 2009 war die Klägerin zu 5 wegen finanzieller Schwierigkeiten vom Unterricht beurlaubt.
Im Zeitraum vom 01. Februar 2009 bis zum 31. März 2010 arbeitete der Kläger zu 4 als Aushilfe auf Abruf in einem Hotel und erzielte hieraus Einkommen. Ab dem 01. März 2010 war er selbständig tätig mit einem Backshop. Die Klägerin zu 5 war ab dem 01. Juli 2009 als Aushilfe in einem Backshop beschäftigt. Ab dem 01. Juni 2010 arbeitete sie als Bürohilfskraft bei der m Dienstleistungs GmbH und darüber hinaus als Verkaufshilfe im Betrieb des Bruders.
Bis zum 31. Oktober 2007 hatten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II von der Arbeitsgemeinschaft SGB II im Landkreis S bezogen. Auf den im Hinblick auf den Umzug nach B am 02. Oktober 2007 beim Beklagten gestellten Antrag bewilligte dieser den Klägern mit Bescheid vom 04. Dezember 2007 für die Zeit vom 01. November 2007 bis zum 30. April 2008 zunächst vorläufig monatliche Leistungen und nachfolgend mit Bescheid vom 05. Februar 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 10. April 2008 sowie 26. Mai 2008 endgültig Leistungen unter Anrechnung von Einkommen des Klägers zu 1 aus Erwerbstätigkeit, des Klägers zu 4 aus BAföG sowie der Kläger zu 3 bis 5 aus Kindergeld.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom April 2008 bewilligte ihnen der Beklagte mit Bescheid vom 14. April 2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 26. Mai 2008 und 10. Februar 2009 für die Zeit vom 01. Mai bis zum 31. Oktober 2008 monatliche Leistungen wiederum unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit des Klägers zu 1, aus BAföG des Klägers zu 4 sowie aus Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5.
Mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 bewilligte der Beklagte den Klägern nachfolgend auch für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 30. April 2009 vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Im Rahmen der Berechnung waren beim Kläger zu 1 Einkommen aus Erwerbstätigkeit und beim Kläger zu 3 Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR berücksichtigt worden. Bei den Klägern zu 4 und 5 war jeweils Kindergeld i.H.v. 154,00 EUR - bereinigt um die Versicherungspauschale von 30,00 EUR - angerechnet worden. Beim Kläger zu 4 war ferner BAföG i.H.v. 169,60 EUR zur Anrechnung gekommen. Mit Änderungsbescheid vom 10. Februar 2009 bewilligte ihnen der Beklagte sodann Leistungen ohne Anrechnung von BAföG beim Kläger zu 4.
Am 10. Oktober 2008 heiratete die Klägerin zu 5 in A. Eine Mitteilung der Eheschließung erfolgte weder gegenüber dem Beklagten noch gegenüber der Familienkasse.
Außerdem bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 17. Oktober 2008 auch für den Zeitraum vom 01. Mai bis zum 30. September 2009 vorläufige Leistungen. In der Folge ergingen Änderungsbescheide unter dem 10. Februar 2009, 25. März 2009, 21. Juli 2009, 12. August 2009, 15. September 2009 (zwei Bescheide) und 30. November 2009, mit denen Erwerbseinkommen der Kläger zu 1, 4 sowie 5 und Kindergeld für die Kläger zu 3 bis 5 berücksichtigt wurde.
Unter dem 18. Juni 2009 ergingen insgesamt vier Aufhebungs- und Erstattungsbescheide. Der Beklagte hob zum einen gegenüber dem Kläger zu 1 aufgrund der Anrechnung seines tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens sowie des erzielten Erwerbseinkommens des Klägers zu 4 die Entscheidungen vom 10. Februar 2009 und 25. März 2009 für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 30. Juni 2009 teilweise i.H.v. insgesamt 19,36 EUR nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Aus denselben Gründen hob der Beklagte gegenüber der Klägerin zu 2 seine Entscheidungen vom 10. Februar 2009 und 25. März 2009 für den Zeitraum vom 01. Februar bis zum 30. Juni 2009 teilweise i.H.v. insgesamt 29,83 EUR (Leistungen für die Kläger zu 2 und 3) auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Auch gegenüber der Klägerin zu 5 hob der Beklagten die o.g. Entscheidungen teilweise i.H.v. 11,81 EUR auf und forderte die Erstattung dieses Betrags. Letztlich hob der Beklagte gegenüber dem Kläger zu 4 die o.g. Entscheidungen für Februar und März sowie Mai und Juni 2009 teilweise i.H.v. 431,23 EUR auf.
Mit Bescheid vom 07. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009 bewilligte der Beklagte den Klägern für die Zeit vom 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anrechnung von Erwerbseinkommen der Kläger zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5.
Auf den Weiterbewilligungsantrag der Kläger vom Februar 2010 bewilligte der Beklagte ihnen bzw. (ab August 2010) den Klägern zu 1 bis 4 mit Bescheid vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 für die Zeit vom 01. April bis zum 30. September 2010 unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei den Klägern zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld bei den Klägern zu 3 bis 5 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Mit Bescheid vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Januar 2011 bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1 bis 5 bzw. (ab Dezember 2010) 1 bis 4 auch für die Zeit vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anrechnung von Einkommen aus Erwerbstätigkeit bei den Klägern zu 1, 4 und 5 sowie Kindergeld beim Kläger zu 3 bzw. bei dem Kläger zu 4 bis einschließlich November 2010.
Mit Bescheid vom Bescheid vom 17. Dezember 2010 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für den Kläger zu 4 gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab Februar 2010 auf und forderte die Erstattung überzahlten Kindergeldes für die Zeit von Februar bis Oktober 2010 i.H.v. 1.710,00 EUR gemäß § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO). Mit weiterem Bescheid vom 08. Juni 2011 hob die Familienkasse auch die Festsetzung des Kindergeldes für den Kläger zu 4 ab Februar 2009 auf und forderte die Erstattung des für Februar 2009 bis Januar 2010 überzahlten Kindergeldes i.H.v. 1.988,00 EUR. Mit Bescheiden vom 15. März und 29. November 2011 hob die Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für die Klägerin zu 5 gemäß § 70 Abs. 2 EStG ab November 2008 auf und forderte die Erstattung überzahlten Kindergeldes für die Zeit von November 2008 bis Januar 2009 (578,00 EUR) sowie von Februar 2009 bis Oktober 2010 (3.770,00 EUR).
Am 29. Dezember 2012 beantragten die Kläger die Überprüfung aller Bewilligungs- und Änderungsbescheide sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, die der Beklagte seit dem 01. Januar 2008 erlassen habe, zumindest aber aller in den Jahren 2011 und 2012 erlassenen Bescheide. Mit Bescheiden der Familienkasse vom 02. März sowie 21. Oktober 2011 sei die Festsetzung des Kindergeldes für die Klägerin zu 5 ab dem 01. November 2008 und für den Kläger zu 4 ab dem 01. Februar 2009 aufgehoben worden. Zugleich sei der Kläger zu 1 aufgefordert worden, die entsprechenden Beträge an die Familienkasse zu erstatten. Den Betrag, den die Kläger in dem Zeitraum vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2009 zu Unrecht als Kindergeld von der Familienkasse ausgezahlt bekommen hätten, hätten sie insoweit zu wenig vom Beklagten bekommen. Die Überprüfung solle dazu führen, dass der Beklagte sich direkt mit der Familienkasse zur Regulierung der Rückzahlung in Verbindung setze.
Aufgrund einer Aufrechnungserklärung des Klägers zu 1 vom 19. Dezember 2012 rechnete der Beklagte ab dem 01. August 2013 monatlich 25,00 EUR zur Tilgung der Forderung der Familienkasse auf.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 lehnte der Beklagte die Rücknahme der seit dem 01. Januar 2008, zumindest der in den Jahren 2011 und 2012, erlassenen, bestandskräftigen Bewilligungs-, Änderungs- sowie Aufhebungs- und Erstattungsbescheide ab. Die Überprüfung der Bescheide für die Jahre 2008 bis 2010 sei aufgrund der Jahresfrist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ausgeschlossen. Für die Jahre 2011 und 2012 habe die Überprüfung ergeben, dass die Bescheide nicht zu beanstanden seien. Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligung von Kindergeld habe keine Auswirkungen auf die Höhe des Arbeitslosengeld II-Anspruchs für den von der Aufhebung betroffenen Zeitraum. Da das Kindergeld tatsächlich zugeflossen sei, sei es gemäß § 11 Abs. 2 SGB II für die Monate des Zuflusses als Einkommen anzurechnen gewesen. Den Widerspruch der Kläger vom 25. Juli 2013 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 18. September 2013 (W ) zurück.
Hiergegen haben die Kläger am 21. Oktober 2013 Klage vor dem Sozialgericht Berlin erhoben und die Verurteilung des Beklagten zur Auskehrung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 i.H.v. 9.482,00 EUR entsprechend § 103 SGB X von dem Beklagten an die Familienkasse Berlin Mitte begehrt. Der Verweis auf § 40 Abs. 1 SGB II greife nicht durch, denn sie beanspruchten keine Leistungen vom Beklagten, sondern einen direkten Ausgleich zwischen den an sie gerichteten Forderungen der Familienkasse und den aufgrund der Leistungen der Familienkasse durch den Beklagten bisher ersparten Leistungen entsprechend der Regelung des § 103 SGB X. Die Familienkasse und der Beklagte mögen sich untereinander ausgleichen.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 16. Dezember 2014 abgewiesen. Der Klageantrag sei unter Berücksichtigung der von den Klägern eingereichten Bewilligungsbescheide für den Zeitraum vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 sowie des Klagebegehrens dahingehend auszulegen, dass die Kläger die Überprüfung der Bewilligungsbescheide vom 17. Oktober 2008, 25. März 2009 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 06. Juni 2009, 12. August 2009, 07. September 2009, 15. September 2009 und 30. November 2009 sowie der Bescheide vom 07. September 2009 und 03. März 2010 begehrten. Eine Überprüfung auch der Bescheide betreffend den Zeitraum vom 01. Januar 2008 bis 31. Oktober 2008 und der Zeiträume nach dem 01. November 2010 (also insbesondere auch der Bewilligungsbescheide aus den Jahren 2011 und 2012) entspreche nicht dem auf den Ausgleich der aufgehobenen Kindergeldbewilligung ausgerichteten Begehren. Ein Anspruch auf Abänderung der Bescheide, mit welchen den Klägern Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 bewilligt worden seien, bestehe nicht. Die Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X lägen nicht vor. Nach dem Wortlaut des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sei ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Jedoch gelte nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle eines Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr trete, sodass Sozialleistungen längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme zu erbringen seien. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei die Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X über ihren reinen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen, dass bereits die Rücknahme des belastenden Verwaltungsaktes bei Eingreifen der "Verfallklausel" des § 44 Abs. 4 SGB X "schlechthin" ausgeschlossen sei. Die Verwaltung habe dementsprechend schon dann eine Rücknahmeentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X nicht mehr zu treffen, wenn die rechtsverbindliche, grundsätzlich zurückzunehmende Entscheidung ausschließlich Leistungen für eine Zeit betreffe, die außerhalb der durch den Rücknahmeantrag bestimmten Verfallfrist lägen. Die zwingend anzuwendende Vollzugsregelung des § 44 Abs. 4 SGB X stehe folglich für länger zurückliegende Zeiten bereits dem Erlass eines Rücknahme- und Ersetzungsaktes entgegen. Hiervon ausgehend sei die Entscheidung des Beklagten, nicht in die sachliche Überprüfung der Bewilligungsbescheide einzusteigen, nicht zu beanstanden. Denn ausgehend von einem Überprüfungsantrag vom 28. Dezember 2012, der auf den 01. Januar 2012 zurückwirke, könne eine weitere Leistungsbewilligung allein für die Zeit ab dem 01. Januar 2011 geltend gemacht werden. Vorliegend begehrten die Kläger jedoch höhere Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 und damit allein für Zeiten vor dem 01. Januar 2011. Die Anwendbarkeit der Verfallklausel entfalle auch nicht im Hinblick darauf, dass die Kläger die direkte Auszahlung der Leistungen an die Familienkasse begehrten, denn dies ändere allein den Zahlungsweg, nicht jedoch die Frage, wem der Anspruch zustehe. Trotz der begehrten Auszahlung an die Familienkasse handele es sich um einen geltend gemachten Anspruch auf höhere Sozialleistungen der Kläger. Die Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 SGB II würde im Falle einer Direktanweisung andernfalls unterlaufen. Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten handele sich auch nicht um einen Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander nach § 103 SGB X, denn dessen Voraussetzungen lägen nicht vor. So sei das SGB X in Bezug auf die Familienkasse nicht anwendbar, da das Kindergeld nach den Regeln des EStG erbracht und aufgehoben worden sei. Bei der Familienkasse handele es sich nicht um einen Leistungsträger nach § 12 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I), denn es sei den Klägern Kindergeld nach dem EStG und nicht nach dem Bundeskindergeldgesetz gewährt worden. Aber auch im Übrigen sei keine Konstellation der Erstattung der Träger untereinander nach den §§ 102ff SGB X einschlägig, die eine Anwendbarkeit des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ausschließen würde. Aber selbst wenn § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II vorliegend nicht anzuwenden wäre, könnten die Kläger die Gewährung weiterer Leistungen nicht mit Erfolg geltend machen, denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Bewilligungsentscheidungen hätten ihnen die Kindergeldzahlungen tatsächlich zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes zur Verfügung gestanden und seien somit nach § 11 SGB II als Einkommen anzurechnen gewesen. An der strikten Geltung des Zuflussprinzips für die Anrechnung von Einkommen ändere sich auch nichts dadurch, dass die Kindergeldbewilligung nachträglich aufgehoben worden sei.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. Dezember 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 19. Januar 2015 bei dem Landessozialgericht eingegangene Berufung der Kläger, mit welcher sie ihr erstinstanzliches Begehren fortführen. Soweit das Sozialgericht davon ausgehe, dass die Kläger höhere Leistungen für die Zeit vom 01. November 2008 bis 31. Oktober 2010 begehrten und damit für Zeiten vor dem 01. Januar 2011, die von der Verfallklausel des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II erfasst würden, sei dies unzutreffend. Denn sie begehrten keine Zahlung an sich selbst, sondern an die Familienkasse entsprechend § 103 SGB X. Das von der Familienkasse zurückgeforderte und vom Beklagten bei der Leistungsgewährung angerechnete Kindergeld habe der Beklagte im streitigen Zeitraum eingespart. § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei vorliegend schon aus dem Grund nicht anwendbar, als ihr Begehren nicht auf die Gewährung weiterer existenzsichernder Leistungen, sondern allein auf einen sachgerechten Ausgleich der asymmetrischen Zahlungen gerichtet sei. Soweit das Sozialgericht ausführe, dass es sich nicht um einen Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander nach § 103 SGB X handele, da dessen Voraussetzungen nicht vorlägen, übersehe es, dass die Kläger die Direktanweisung in entsprechender Anwendung des § 103 SGB X beantragten. Die ebenso wie der Beklagte von der Bundesagentur für Arbeit getragene Familienkasse fungiere insoweit nicht anders als ein Leistungsträger. Im vorliegenden Fall wäre es willkürlich, wenn das Kindergeld nach dem EStG anders als das nach dem Bundeskindergeldgesetz behandelt würde. Das Sozialgericht Berlin könne auch nicht auf die strikte Anwendung des Zuflussprinzips verweisen. Denn es gehe den Klägern ja gerade um einen Ausgleich zwischen den Ansprüchen der Kindergeldkasse und den unmittelbar daran anknüpfenden, in dem Leistungszeitraum ersparten Leistungen des Beklagten. Die Kläger machten einen Erstattungsanspruch der Familienkasse gegen den Beklagten entsprechend § 103 SGB X in gewillkürter Prozessstandschaft geltend. Wenngleich die Erstattungsansprüche nach § 102ff SGB X auch kein Recht des betroffenen Leistungsberechtigten seien, so hingen die entsprechenden Ansprüche doch grundlegend von dessen Leistungsanspruch ab. Soweit der Leistungsträger einen möglichen Erstattungsanspruch gegen einen anderen Leistungsträger tatsächlich nicht geltend mache, sondern sich direkt an den Leistungsberechtigten wende, müsse es zum Schutz dieses Leistungsberechtigten ein Institut geben, welches ihn vor dem unmittelbaren Erstattungszugriff des an ihn herantretenden Leistungsträgers bewahre. Ein Schutz des Leistungsberechtigten müsse jedenfalls dann gegeben sein, wenn wie hier die sachliche Kongruenz der Leistungen darin liege, dass es sich bei der zurückgeforderte Leistung um eine mit der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB II gleichrangige Leistung handele. Der Umfang der Erstattungspflicht richte sich nach den für den zuständigen erstattungspflichtigen Träger geltenden Rechtsvorschriften. Dies seien vorliegend die Regelungen des SGB II. Diese dienten insoweit der Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums gemäß Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Dieses Grundrecht sichere jedem Leistungsberechtigten und damit auch den Klägern diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine bzw. ihre physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich seien. Diese Voraussetzungen seien aber nicht gewährleistet, wenn Leistungen von den Klägern zurückgefordert würden, die von den Leistungen zur Gewährleistung zur Sicherung eines menschenwürdigen Existenzminimums schon abgezogen worden seien. Soweit der Gesetzgeber im Fall der Zahlung von Kindergeld keine gesetzliche Regelung zu Erstattung von (anstelle von Leistungen zur Hilfe zum Lebensunterhalt) gezahltem Kindergeld der Kindergeldkasse gegen das Jobcenter vorgesehen habe, sei das einfache Recht aus den vorgenannten Gründen defizitär und somit verfassungswidrig. Solange der Gesetzgeber keine entsprechende Regelung zur Erstattung der Ansprüche der Kindergeldkasse gegen das Jobcenter treffe, sei eine Auslegung der Regelung des § 74 Abs. 2 EStG dahingehend, dass Erstattungsansprüche der Familienkasse gegen den Sozialleistungsträger gerade nicht gelten sollten, verfassungswidrig. Diese grundrechtswidrige Regelungslücke könne nur dahingehend geschlossen werden, dass ausgehend von § 74 Abs. 2 EStG in solchen Fällen, in denen anstelle des Jobcenters die Familienkasse Teile der Hilfe zum Lebensunterhalt geleistet habe, ein dem System der §§ 102-109 und 111-112 SGB X entsprechender Ersatzanspruch der Familienkasse gegenüber dem an sich für die Erbringung der Leistung der Hilfe zum Lebensunterhalt zuständigen Jobcenter anstelle eines Durchgriffs auf die Leistungsberechtigten eingeräumt werde und den betroffenen Leistungsberechtigten zur Durchsetzung des Erstattungsanspruchs eine gewillkürte Prozessstandschaft hinsichtlich der Geltendmachung des Erstattungsanspruchs eingeräumt werde.
Die Kläger beantragen,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 sowie den Bescheid des Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. September 2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihnen für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 unter teilweiser Rücknahme/Änderung des Änderungsbescheides vom 10. Februar 2009, des Änderungsbescheides vom 15. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Bescheides vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 sowie des Bescheides vom 03. März 2010 weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II i.H.v. insgesamt 9.482,00 EUR zu bewilligen und an die Agentur für Arbeit, Familienkasse Berlin Mitte auszuzahlen,
hilfsweise
den Beklagten unter Aufhebung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Berlin vom 16. Dezember 2014 zu verurteilen, den Kläger zu 1 von den Erstattungsansprüchen der Familienkasse Berlin Mitte wegen überzahlten Kindergeldes i.H.v. 9.482,00 EUR freizustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Berufung für unbegründet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten des Beklagten (5 Bände ) verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, sie ist jedoch nicht begründet.
Der Überprüfungsbescheid des Beklagten vom 23. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. September 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten. Denn die Kläger haben keinen Anspruch auf teilweise Rücknahme bzw. Abänderung des Änderungsbescheides vom 10. Februar 2009, des Änderungsbescheides vom 15. September 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Änderungsbescheides vom 30. November 2009, des Bescheides vom 03. März 2010 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. Juli 2010 sowie des Bescheides vom 03. März 2010 und Bewilligung weiterer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01. November 2008 bis zum 31. Oktober 2010 im Hinblick auf die erfolgte Anrechnung von Kindergeld bei den Klägern zu 4 und 5.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II in der Fassung vom 13. Mai 2011 (a.F.) i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden die Leistungen nach dem SGB II längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht, soweit der Verwaltungsakt für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist.
Hiervon ausgehend hat es der Beklagte zu Recht abgelehnt, seine Bewilligungsentscheidungen (Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheide vom 10. Februar 2009, 15. September 2009, 30. November 2009 (zwei Bescheide), 03. März 2010 (zwei Bescheide) und 23. Juli 2010) für die Leistungszeiträume vom 01. November 2008 bis zum 30. April 2009, 01. Mai bis zum 30. September 2009, 01. Oktober 2009 bis zum 31. März 2010, 01. April bis zum 30. September 2010 sowie vom 01. Oktober 2010 bis zum 31. März 2011, soweit es die Bewilligung für die Zeit bis zum 31. Oktober 2010 und die Zahlung weiterer Leistungen für diese Zeit betrifft, zu überprüfen.
Eine auch nur teilweise Rücknahme ist vorliegend nämlich, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, durch die im vorliegenden Fall zwingend (vgl. BSGE 60, 158, 160 f = SozR 1300 § 44 Nr. 23 S. 53) und uneingeschränkt anwendbare (vgl: BSGE 68, 180, 181 = SozR 3-1300 § 44 Nr. 1 S. 2; BSG, Urteil vom 31.03.1992 - 9b RAr 17/90 -; BVerwG, Beschluss vom 01.02.1993 - 11 B 91/92 -, juris Rn. 9) Regelung des § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X – modifiziert durch § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. -ausgeschlossen. Danach werden Sozialleistungen, falls ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen wird, längstens für einen Zeitraum von einem Jahr vor der Rücknahme erbracht. Der Zeitraum der Rücknahme wird von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Für die Berechnung tritt nach Satz 3 an die Stelle der Rücknahme der Antrag (hier vom 29. Dezember 2012), wenn dieser zur Rücknahme führt, sodass sich vorliegend der Rücknahmezeitraum längstens auf die Zeit vom 01. Januar 2011 bis zum 29. Dezember 2012 erstreckt.
Da § 44 Abs. 1 SGB X im Ergebnis auf die Ersetzung eines rechtswidrigen ablehnenden Verwaltungsakts durch einen die Leistung gewährenden Verwaltungsakt abzielt, können die Kläger, die Leistungen für den außerhalb der Ein-Jahresfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. i.V.m. § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X liegenden Zeitraum (November 2008 bis Oktober 2010) begehren, keine Leistungen mehr für die Vergangenheit beanspruchen; Folge davon ist, dass sie auch kein rechtliches Interesse mehr an der Rücknahme i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB X geltend machen können (vgl. BSGE 104, 213 ff Rn. 22 = SozR 4-1300 § 44 Nr. 20) und kein Anspruch auf Rücknahme der bestandskräftigen Bescheide besteht.
Darüber hinaus hat der Beklagte bei Erlass der genannten Bescheide weder das Recht unrichtig angewandt noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich im Nachhinein als unrichtig herausgestellt hat (§ 44 Abs. 1 Satz SGB X). Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass die Kläger zu 1, 2, 4 und 5 als erwerbsfähige volljährige Hilfebedürftige (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II) und der Kläger zu 3, der als gemeinsames, nicht erwerbsfähiges Kind der Kläger zu 1 und 2 mit ihnen und den weiteren, volljährigen, aber unter 25jährigen Kindern der Kläger zu 1 und 2 – den Klägern zu 4 und 5 - in Bedarfsgemeinschaft lebte (§ 7 Abs. 2, 3 SGB II), im streitigen Zeitraum dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. §§ 19, 28 SGB II) hatten. Ferner hat der Beklagte in nicht zu beanstandender Weise das für die Kläger zu 4 und 5 gezahlte Kindergeld als deren Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 3 SGB II) – bereinigt um die so genannte Versicherungspauschale i.H.v. 30,00 EUR gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II a.F. i.V.m. § 3 Nr. 1 bzw. 6 Abs. 1 Nr. Arbeitslosengeld II-VO (Alg II-VO) – angerechnet.
Der Berücksichtigung des Kindergeldes steht nicht entgegen, dass im Grundsatz nur solche Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen sind, die einen Zuwachs von Mitteln bedeuten, der dem Hilfebedürftigen zur endgültigen Verwendung verbleibt (BSG Urteil vom 17.06.2010 - B 14 AS 46/09 R - juris). Entscheidend für die Privilegierung von bestimmten Zuflüssen ist, dass in dem Zeitpunkt, in dem die Einnahme als Einkommen berücksichtigt werden soll, der Zufluss bereits mit einer (wirksamen) Rückzahlungsverpflichtung belastet ist. Jedenfalls sofern eine Verpflichtung zur Rückzahlung der laufenden Einnahme erst nach dem Monat eintritt, für den sie berücksichtigt werden soll (zum Monatsprinzip bei laufenden Einnahmen vgl. etwa § 2 Abs. 2 Alg II-VO in der bis zum 31.03.2011 geltenden Fassung), besteht die Verpflichtung des Leistungsberechtigten, die Leistung als "bereites Mittel" in dem Monat des Zuflusses auch zu verbrauchen. Insbesondere können solche Rückstellungen nicht geschützt sein, die Leistungsempfänger in Bezug auf möglicherweise eintretende, im Zeitpunkt des Zuflusses aber noch ungewisse, künftige Zahlungsverpflichtungen vornehmen. Zwar lagen die Voraussetzungen für die Zahlung von Kindergeld nach § 32 EStG bezüglich der Kläger zu 4 und 5 aufgrund des Abbruchs der Ausbildung bzw. Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bzw. Eheschließung (ständige Rechtsprechung des BFH zu § 32 Abs. 4 EStG in der bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung: Urteile vom 02. März 2000 - VI R 13/99 - BFHE 191, 69, BStBl II 2000, 522; 19. April 2007 - III R 65/06 -, BFHE 218, 70, BStBl II 2008, 756; 22. Dezember 2011 - III R 8/08 - BFHE 236, 155, BStBl II 2012, 340) seit Februar 2009 (Kläger zu 4) bzw. November 2008 (Klägerin zu 5) tatsächlich nicht vor, auch sind die entsprechenden Bewilligungsentscheidungen der Familienkasse nachfolgend durch Bescheide vom 17. Dezember 2010, 15. März 2011, 08. Juni 2011 und 29. November 2011 mit Wirkung für die Vergangenheit (§ 70 Abs. 2 EStG) aufgehoben worden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass das Kindergeld bereits bei Auszahlung mit einem Rückzahlungsanspruch belastet war. So wie die Familienkasse an die Zuerkennung des Kindergeldes gebunden war, solange die Festsetzungsbescheide Bestand hatten, stand auch dem Kläger zu 1 in dieser Zeit ein Rechtsgrund für das Behalten der Leistung zur Seite. Die fehlende Übereinstimmung des Bezuges mit dem materiellen Recht konnte dem Kläger zu 1 gegenüber also nicht vor der Aufhebung der Bescheide geltend gemacht werden, und zwar auch dann nicht, wenn er Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Leistung hatte. Spiegelbildlich dazu können er und die übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft sich auf eine Rückzahlungsverpflichtung, die der Berücksichtigung als Einkommen durch den Träger der Grundsicherung entgegenstehen könnte, erst berufen, wenn die Bindungswirkung der Festsetzungsentscheidungen nach den entsprechenden gesetzlichen Maßgaben aufgehoben worden ist. Insoweit kommt es allein auf den Zahlungsanspruch an, da nach dem oben Ausgeführten dieser Anspruch (und nicht bereits das Stammrecht) den für § 11 Abs. 1 SGB II entscheidenden Zufluss der Einnahme vermittelt (vgl. ausführlich BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 165/10 R – juris).
Zwar ist die Bewilligung von Kindergeld mit Wirkung für die Vergangenheit - und also auch gerade für den hier streitigen Zeitraum - aufgehoben worden, die Rückzahlungsverpflichtung, die für die Bestimmung der Hilfebedürftigkeit allein maßgeblich ist, tritt jedoch erst zukünftig ein. Die Aufhebungen der Festsetzungsentscheidungen im Dezember 2011 bzw. März, Juni und November 2011 August 2007 haben deshalb im Verhältnis zum Beklagten lediglich die Bedeutung, dass der Kläger zu 1 (erst) von diesem Zeitpunkt an mit Schulden (gegenüber der Familienkasse) belastet ist (vgl. Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschluss vom 21. Juli 2017 – L 3 AS 125/17 B PKH – juris; Hessisches LSG, Urteil vom 24. April 2013 – L 6 AS 376/11 – juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. März 2012 – L 2 AS 5392/11 – juris). Solche Verpflichtungen sind aber grundsätzlich bei Bestimmung der Hilfebedürftigkeit unbeachtlich (vgl. etwa BSG, Urteile vom 19.09.2008 - B 14/7b AS 10/07 R - juris Rn. 25; vom 30.09.2008 - B 4 AS 29/07 R – juris Rn. 19; vom 16.12.2008 - B 4 AS 70/07 R - juris Rn. 28; vom 10.05.2011 - B 4 KG 1/10 R – juris Rn. 18).
Der Kläger zu 1 hat darüber hinaus auch keinen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von 9.482,00 EUR an die Familienkasse zum Ausgleich der gegen ihn wegen rechtswidrig gezahlten Kindergeldes für die Kläger zu 4 und 5 geltend gemachten Erstattungsansprüche im Wege eines Freistellungsanspruchs. Zwar kann ein solches Begehren im Grundsatz zulässigerweise mit einer allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG verfolgt werden (vgl. z.B. im Krankenversicherungsrecht BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R – juris). Allerdings ist schon zweifelhaft, ob der Kläger zu 1 über das notwendige Rechtsschutzinteresse verfügt, solange er nicht zunächst gegen die Erstattungsforderungen der Familienkasse vorgegangen ist. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Finanzgerichte in den Fällen, in denen das zurückgeforderte Kindergeld auf Sozialleistungen angerechnet worden ist und bei Rückforderung des Kindergeldes eine nachträgliche Erhöhung dieser Sozialleistungen ausscheidet, davon ausgehen, dass ein Billigkeitserlass der Forderung nach § 227 AO in Betracht komme (vgl. z.B. Sächsisches FG, Urteil vom 07. November 2017 – 3 K 69/17 (Kg) – juris; FG Münster, Urteil vom 02. Januar 2017 – 7 K 2829/15 Kg.AO – juris; BFH, Urteile vom 22. September 2011 - III R 78/08 -, BFH/NV 2011, S. 2014; vom 30. Juli 2009 - III R 22/07 -, BFH/NV 2009, S. 1983; vom 19. November 2008 - III R 108/06 -, BFH/NV 2009, S. 357; vom 15. März 2007 - III R 54/05 -, BFH/NV 2007, 1298; BFH, Beschluss vom 23. Februar 2015 - III B 41/14 -, BFH/NV 2015, S. 658), dessen Beantragung nicht an bestimmte Fristen gebunden ist (vgl. Loose in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 151. Lieferung 02.2018, § 227 AO Rn. 132).
Jedenfalls fehlt es aber an einer Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Freistellungsanspruch.
Die Erstattungsvorschriften der §§ 102ff SGB X - insbesondere § 103 SGB X - sind weder direkt noch entsprechend anwendbar. Zwar bestimmen u.a. die §§ 40a und 44a Abs. 3 SGB II die entsprechende Anwendung dieser Regelung für den Bereich des SGB II. Gemäß deren Wortlaut bezieht sich dies jedoch allein auf Erstattungsansprüche des Trägers der Grundsicherung. Eine Dritterstattung oder Freistellung ist hiervon nicht erfasst. Der Kläger zu 1 kann sich auch nicht unmittelbar auf § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 103 SGB X stützen, denn er ist kein Leistungsträger i.S.d. §§ 102ff SGB X i.V.m. §§ 12, 18-29 SGB I. Er kann auch nicht etwa einen in diesen Vorschriften geregelten Erstattungsanspruch in gewillkürter Prozessstandschaft für die Familienkasse geltend machen. Abgesehen davon, dass der Kläger weder eine Zustimmung der Familienkasse zu seiner Prozessführung noch Nachweise betreffend eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Prozessführungsbefugnis behauptet geschweige denn vorgelegt hat, bilden die §§102 ff SGB X ein "geschlossenes System" von Ansprüchen eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen, innerhalb dessen dem Leistungsberechtigten selbst keine Mitwirkungsrechte zustehen (Roos in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. A. 2014, vor § 102 Rn. 1 und 4). Sind Erstattungsansprüche nach §§ 102ff SGB X kein Recht des betroffenen Leistungsberechtigten, sondern hängen sie vielmehr nur insoweit von dessen Leistungsanspruch ab, als ein Erstattungsanspruch eines Sozialleistungsträgers gegen einen anderen das Bestehen eines Leistungsanspruchs voraussetzt (Roos, a.a.O. Rn. 10 m.w.N.), so führt Letzteres zwar, insbesondere mit Blick auf die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X, zu gewissen prozessualen Konsequenzen (notwendige Beiladung des Leistungsberechtigten nach § 75 Abs. 2, 1. Var. SGG im Erstattungsstreit der Leistungsträger; vgl. dazu auch Roos, a.a.O. m.w.N.). Daraus folgt jedoch nicht, dass der Leistungsberechtigte als Dritter seinerseits aus eigenem Recht einen Erstattungsanspruch nach §§ 102ff SGB X geltend machen könnte (so LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. Dezember 2012 – L 20 AY 17/12 – juris Rn. 45).
Ungeachtet dessen sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 103 SGB X nicht erfüllt. Denn wie alle Erstattungsvorschriften der §§ 102ff SGB X gilt § 103 SGB X von vornherein nur für Leistungsträger im Sinne der §§ 18 bis 29 SGB I, welche Sozialleistungen erbringen (vgl. Roos, a.a.O. Rn. 17 m.w.N.; Becker in: Hauck/Noftz, SGB, 11/17, SGB X, Rn. 60 vor § 102). Die Familienkasse hat im vorliegenden Fall jedoch einen - steuerrechtlichen - Familienlastenausgleich (§§ 31, 62ff. EStG) und damit gerade keine Sozialleistung gewährt (vgl. Becker a.a.O.), sodass kein Grund für eine Anwendung des Sozialgesetzbuches besteht (vgl. BFH, Urteil vom 28. April 2009 - III B 36/08 – juris Rn. 12ff.). Das steuerrechtliche Kindergeld ist insbesondere auch vom - sozialrechtlichen - Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zu unterscheiden; nur für Letzteres trifft § 25 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 SGB I eine Regelung über einen für eine Sozialleistung zuständigen Träger (vgl. Palsherm in jurisPK-SGB I, § 25 Rn. 40f). Schließlich erfasst auch die Verweisungsvorschrift des § 74 Abs. 2 EStG, welche die Regelungen der §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X für anwendbar erklärt, ausdrücklich allein den Fall eines gegen die Familienkasse gerichteten Erstattungsanspruches; dies führt zu dem Umkehrschluss, dass die von § 74 Abs. 2 EStG in Bezug genommenen Regelungen des SGB X für Erstattungsansprüche der Familienkasse gegen Sozialleistungsträger gerade nicht gelten.
Auch eine analoge Anwendung (insbesondere) des § 103 SGB X kommt nicht in Betracht. Handelt es sich bei §§ 102ff SGB X um ein in sich geschlossenes System von Erstattungsansprüchen, so besteht bereits keine Regelungslücke, die zur Begründung eines Dritterstattungs- bzw. Freistellungsanspruchs zu einer Analogie berechtigen würde. Von vornherein ist der vorliegende Fall nicht mit den gesetzlich geregelten Erstattungssituationen vergleichbar; denn es geht nicht um die Erstattung von Leistungen unmittelbar zwischen zwei Leistungsträgern (so auch LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O. Rn. 46).
Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Konsequenz, dass ein unmittelbarer Ausgleich zwischen dem Jobcenter als Sozialleistungsträger und der Familienkasse als einer eine Steuervergütung (§ 31 EStG) auszahlende und unter der Fachaufsicht des Bundeszentralamts für Steuern stehende Behörde (§ 5 Abs. 1 Nr. 11 des Gesetzes über die Finanzverwaltung) ausscheidet, bestehen nicht. Soweit die Kläger sich auf Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG stützen, überzeugt dies nicht, denn das menschenwürdige Existenzminimum der Kläger war im streitigen Zeitraum tatsächlich durch die Zahlung von Arbeitslosengeld II und Kindergeld gedeckt. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die Tatsache, dass den Klägern – wie bereits dargelegt - ein Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld II für den streitigen Zeitraum nicht zusteht. Denn zum einen stand es dem Kläger zu 1 sowohl offen, sich gegen die Erstattungsforderungen der Familienkasse zur Wehr zu setzen, als auch insbesondere einen Billigkeitserlass nach § 227 AO zu beantragen. Zum anderen ist das menschenwürdige Existenzminimum der noch im Leistungsbezug stehenden Kläger zu 1 bis 3 weiterhin durch die Bewilligung von Leistungen gewahrt, wobei Verbindlichkeiten in diesem Rahmen grundsätzlich unbeachtlich sind. Vor diesem Hintergrund ist weder die von den Klägern begehrte verfassungskonforme Auslegung von §§ 12, 25 SGB I, 103 SGB X oder 74 Abs. 2 EStG durchzuführen noch besteht Anlass, den Rechtsstreit nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Schon der eindeutige Wortlaut der genannten Normen lässt keinen Raum für eine von ihrem Wortlaut abweichende "verfassungskonforme" Auslegung. Auch ist eine Regelungslücke angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber in § 74 Abs. 2 EStG ausdrücklich die entsprechende Anwendung der §§ 102 bis 109 und 111 bis 113 SGB X nur für Erstattungsansprüche der Träger von Sozialleistungen gegen die Familienkasse vorgesehen hat, auszuschließen. Davon abgesehen wäre die von den Klägern (unter anderem) im Wege der verfassungskonformen Auslegung geltend gemachte gewillkürte Prozessstandschaft völlig systemfremd. Schlussendlich erschließt sich nicht, wie eine irgendwie geartete "verfassungskonforme" Auslegung einer oder aller der genannten Vorschriften zu einem Erfolg des klägerischen Begehrens führen könnte, denn ein Erstattungsanspruch kann nur insoweit bestehen, als auch ein materieller Anspruch der Kläger bestünde und gerade an letzterem fehlt es hier im Hinblick auf die Verfallfrist des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II a.F. i.V.m. § 44 Abs. 4 SGB X ohnehin. Allein die Tatsache, dass die vom Gesetzgeber gewählte Regelung hinsichtlich der Erstattungsansprüche von Leistungsträgern untereinander als unbefriedigend empfunden wird, begründet keine Verfassungswidrigkeit einer spezifischen gesetzlichen Regelung (welcher?) oder des gesetzgeberischen "Gesamtkomplexes".
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
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