Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
52
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 52 AS 4307/17
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II statuiert keine eigenständigen, über §§ 60 ff. SGB I hinausgehenden Mitwirkungsobliegenheiten. §§ 20, 21 SGB X sind anzuwenden.
2. Begehrt der Leistungsempfänger einen Termin zur Vorlage von Beweisurkunden für die endgültige Festsetzung, muss der Beklagte diese Möglichkeit einräumen und einen Termin vorschlagen (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 27. März 2018 - S 20 AS 914/18 ER -, juris)
3. Die Zurückweisung von Originalurkunden zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen ist unzulässig. Ein entsprechender Hinweis macht die Rechtsfolgenbelehrung nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II fehlerhaft.
4. § 41a SGB II findet mit Ausnahme des Abs 5 auf die Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 bereits beendet waren, keine Anwendung (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4077/17 -, juris)
5. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen. (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4382/17).
2. Begehrt der Leistungsempfänger einen Termin zur Vorlage von Beweisurkunden für die endgültige Festsetzung, muss der Beklagte diese Möglichkeit einräumen und einen Termin vorschlagen (vgl. SG Dresden, Beschluss vom 27. März 2018 - S 20 AS 914/18 ER -, juris)
3. Die Zurückweisung von Originalurkunden zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen ist unzulässig. Ein entsprechender Hinweis macht die Rechtsfolgenbelehrung nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II fehlerhaft.
4. § 41a SGB II findet mit Ausnahme des Abs 5 auf die Bewilligungszeiträume, die vor dem 1.8.2016 bereits beendet waren, keine Anwendung (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4077/17 -, juris)
5. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB II zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen. (Festhaltung an SG Dresden vom 11.1.2018 - S 52 AS 4382/17).
I. Die Festsetzung- und Erstattungsbescheide vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 werden ohne Sachentscheidung aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Sachentscheidung über die endgültigen Leistungsansprüche der Klägerin vom 01.01.2015 bis 31.12.2016 an den Beklagten zurückverwiesen. II. Der Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. III. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerin im Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2016 und vier Erstattungsbescheide des Beklagten über insgesamt 11.716,26 EUR.
Die 1964 geborene, in Deutschland allein lebende und erwerbsfähige Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum als Änderungsschneiderin selbständig tätig. Sie verfügte neben Kontoguthaben in Höhe von 350 EUR über kein weiteres Vermögen. Sie bezog ergänzend zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Die Klägerin steht seit 2005 im Leistungsbezug beim Beklagten, zunächst alleinerziehend mit ihren beiden Kindern. Sie ging geringfügigen Beschäftigungen nach, u. a. als Näherin. Zum 09.11.2009 machte sie sich mit einer Änderungsschneiderei selbständig. Sie mietete die Gewerberäume A ... 22 in D ... an, in denen sie ihr Gewerbe nach wie vor betreibt. Dort verfügt sie auch über einen gewerblichen Telefonanschluss.
Am 07.07.2014 sprach die Klägerin beim Beklagten vor. Sie übergab einen Ordner mit Buchhaltungsunterlagen für 2013 im Original, den der Beklagte zum Zwecke der endgültigen Festsetzung für 2013 entgegennahm.
Der Beklagte hält ein Kopiergerät vor, an dem Antragsteller kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten fertigen können. Dies war der Klägerin nicht bekannt. Schriftlich erfolgte zu keiner Zeit ein Hinweis an die Klägerin, dass die Möglichkeit bestünde, beim Beklagten kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten zu fertigen. Gerichtsbekannt ist, dass in Verfahren mit Beteiligung des Beklagten, die in der 52. Kammer des Sozialgerichts Dresden anhängig sind, kein Leistungsbezieher schriftlich auf die Möglichkeit, beim Beklagten kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten zu fertigen, hingewiesen wurde.
Die Klägerin beantragte am 07.10.2014 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 02.12.2014 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 505,27 EUR (212,80 EUR Regelbedarf und 292,47 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015.
Die Klägerin beantragte am 11.05.2015 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 03.06.2015 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 273,56 EUR (kein Regelbedarf und 273,56 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.12.2015.
Die Klägerin beantragte am 30.12.2015 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 06.01.2016 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 800,38 EUR (230,38 EUR Regelbedarf und 570,00 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016.
Zum 21.12.2015 zog die 31jährige Tochter der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die Klägerin zog zum 20.03.2016 in eine kleinere Wohnung.
Der Beklagte änderte seinen Bescheid vom ab 01.05.2016 mit Bescheid vom 05.04.2016 ab und gewährte vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 623,05 EUR (230,38 EUR Regelbedarf und 392,67 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.05.2016 bis 30.06.2016.
Die Klägerin beantragte am 25.04.2016 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27.06.2016 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 432,63 EUR (39,96 EUR Regelbedarf und 392,67 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016.
Die Erklärung der Klägerin vom 29.09.2015 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015 ging beim Beklagten am 01.10.2015 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt.
Bereits für Leistungszeiträume vor den hier anhängigen hatte die Klägerin Prognosen und Abrechnungen in derartiger Tabellenform vorgelegt und der Beklagte berechnete daraufhin die Leistungen.
Die Erklärung der Klägerin vom 25.04.2016 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.12.2015 ging beim Beklagten am 25.04.2016 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt.
Mit Schreiben vom 11.05.2016 forderte der Beklagte weitere Unterlagen und Nachweise an (Leistungszeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015 und 01.07.2015 bis 31.12.2015).
Mit Schreiben vom 23.06.2016, beim Beklagten eingegangen am 25.06.2016 erläuterte die Klägerin auf einem Antwortformular zum Schreiben vom 11.05.2016 einige Ausgaben und legte Belege bei.
Mit Schreiben vom 06.06.2016, beim Beklagten eingegangen am 09.06.2016 erklärte die Klägerin zum Schreiben vom 11.05.2016, dass sie sich die Zeit und Kosten für komplette Kopien des Kassenbuchs und der Unterlagen für 2015 sparen möchte und sie gern in einem Termin Einsicht in ihre Geschäftsunterlagen gewähre. Die Zahlen hätten sich in den fünf Jahren nicht wesentlich geändert. Weiter schlägt sie konkrete Zeiten für einen Termin vor. Für Beiträge und Versicherungen lägen bereits Erläuterungen und Kopien vor. Ebenso für den dienstlichen Telefonanschluss. Kosten für den PKW habe sie nicht geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 27.06.2016 forderte der Beklagte weitere Unterlagen an (Leistungszeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016).
Die Erklärung der Klägerin vom 20.09.2016 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 ging beim Beklagten am 22.09.2016 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt. Es lagen Kopien für Belege einzelner Ausgaben bei.
Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 reichte die Klägerin eine weitere unterschriebene, endgültige EKS vom 10.11.2016 ein, die beim Beklagten am 11.11.2016 einging. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt. Die Angaben entsprechen den Angaben vom 20.09.2016.
Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 reichte die Klägerin abermals eine weitere unterschriebene, endgültige EKS vom 30.12.2016 ein. Der Beklagte hat den Zeitpunkt des Eingangs nicht dokumentiert. Vielleicht lag sie dem Widerspruch vom 30.12.2016 bei, der beim Beklagten am 04.01.2017 einging. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Die Angaben entsprechen den Angaben vom 20.09.2016.
Die Erklärung der Klägerin vom 01.02.2017 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 ging beim Beklagten am 02.02.2017 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Es lag eine Kopie eines Beleges über Ausgaben bei.
Eine weitere Erklärung der Klägerin vom 10.05.2017 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 wurde beim Beklagten am 10.05.2017 ersetzend gescannt. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Die Angaben entsprechen denen der Erklärung vom 01.02.2017.
Mit Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2016, forderte der Beklagte die Klägerin auf, Unterlagen und Nachweise für eine abschließende Entscheidung über drei Bewilligungszeiträume, insgesamt über den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2016 bis zum 10.01.2017 vorzulegen. Dabei forderte der Beklagte das unterschriebene "offizielle Formular Anlage EKS" für jeden Bewilligungszeitraum "nochmals" an. Es läge zwar eine Auflistung bereits vor. Diese sei aber nicht ausreichend und nicht unterschrieben. Weiter forderte er in Kopie alle Ausgangsrechnungen mit Nachweisen über den Zahlungseingang und alle Belege zu den angegebenen Betriebsausgaben.
Mit weiterem Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2016, forderte der Beklagte die Klägerin auf, Unterlagen und Nachweise für eine abschließende Entscheidung über den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 bis zum 28.02.2017 vorzulegen. Dabei forderte der Beklagte das unterschriebene Formular Anlage EKS vorzulegen sowie eine BWA, Einnahmeüberschussrechnung oder Einnahme-Ausgabe-Übersichten mit Sachkonten, Summen- und Saldenlisten sowie Kassenbuch, jeweils monatlich entsprechend der Zu- und Abflüsse. Weiter forderte er in Kopie alle Ausgangsrechnungen mit Nachweisen über den Zahlungseingang und alle Belege zu den angegebenen Betriebsausgaben.
Weiter enthielten die Schreiben vom 23.11.2016 u.a. folgende Passagen:
"Gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 ALG II-V ist für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Daraus folgt, dass sich Ihre Mitwirkungsverpflichtung auf alle Monate des Bewilligungszeitraums erstreckt. Daraus folgt weiter, dass bei einem Ausbleiben der Mitwirkung – auch für nur einzelne Monate – die Voraussetzungen für das Bestehen eines Leistungsanspruchs in den oben genannten Bewilligungszeiträumen insgesamt nicht geprüft werden können.
Bitte beachten Sie daher ganz besonders die nachfolgende Rechtsfolgenbelehrung:
Kommen Sie oder die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweispflicht * nicht, * nicht vollständig oder * nicht fristgemäß bis zum vorgenannten Termin nach, werde ich abschließend feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden hat und die vorläufigen Leistungen von Ihnen im vollen Umfang zurückzuerstatten sind."
Die Schreiben führen weiter aus, was die Klägerin tun könne, wenn ihm die fristgemäße Vorlage der Unterlagen nicht möglich sei und schließt mit dem nochmaligen Hinweis:
"Bitte beachten Sie, dass grundsätzlich keine Originalunterlagen mehr entgegen genommen werden können."
Beim Beklagten ging am 08.12.2016 eine Erklärung der Klägerin vom 07.12.2016 auf dem Antwortformular zum Schreiben des Beklagten vom 23.11.2015 ein, ausweislich dessen sie anliegend die geforderten Unterlagen übersendet. Allerdings hat die Klägerin keine vollständige Kopien der Nachweise über Rechnungen und Geldeingänge vorgelegt. Sie schrieb: "Die abschließenden Angaben EKS für das Jahr 2015 sowie für 01.01.2016 bis 30.06.2016 habe ich bereits abgegeben. Aus Zeit- und Kostengründen möchte ich nicht meine kompletten Unterlagen kopieren." Die Klägerin teilt weiter mit, in einem persönlichen Termin werde sie Einsicht in ihren Geschäftsordner gewähren. Es lagen Kopien eines Beitragsbescheids der Handwerkskammer und der Auszüge des Geschäftskontos der Klägerin für September 2016 bei.
In der Verwaltungsakte des Beklagten befinden sich weitere Kopien von einzelnen Kontoauszügen der Klägerin aus den strittigen Leistungszeiträumen.
Mit Schreiben vom 22.05.2017 forderte der Beklagte weitere Nachweise und Erläuterungen für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 an.
Mit Schreiben vom 06.06.2017, beim Beklagten ersetzend gescannt am 07.06.2017, erklärte die Klägerin zum Schreiben vom 22.05.2017, dass sie langsam am verzweifeln sei. Sie sei sich sicher, die geforderten Unterlagen schon abgegeben zu haben. Sie habe die Kosten für Werbung bereits erläutert. Bei den Telefonanschlüssen habe sich nichts geändert. Aus bereits abgegeben Kontoauszügen seien die Kosten des Geschäftskontos ersichtlich. Da sie ständig darauf hingewiesen werde und auch bemüht sei, ihre Kosten und Ausgaben so gering wie möglich zu halten, möchte sie ihren kompletten Geschäftsordner nicht noch einmal kopieren. Sie habe mehrfach einen Termin zur Einsicht in den Geschäftsordner angeboten. Es könne gern ein Termin vereinbart werden. Dem Schreiben lagen Kopien über Ausgaben bei (gelbe Seiten, gewerblicher Telefonanschluss, Auszüge Privatgirokonto).
Mit Schreiben vom 15.06.2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die vorliegenden Unterlagen nicht vollständig seien. Es werde an die Aufforderung zur Mitwirkung vom 22.05.2017 erinnert. Der Beklagte zählte weitere vorzulegende Unterlagen auf, darunter BWA, Rechnungen, Quittungen, lückenlose Kontoauszüge, Versicherungspolicen, übrige gewerbliche Telefonrechnungen und als Nachweis, dass noch weitere private Anschlüsse vorliegen, die beiden letzten Rechnungen für 2016, weil der reine Kontoauszug dafür nicht reiche. Der Beklagte setzte Frist bis 07.07.2017. Weiter heißt es wörtlich (Hervorhebung wie Original):
Bitte beachten Sie:
Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66,67 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I). Dies bedeutet, dass Sie keine Leistungen erhalten.
Mit Schreiben vom 29.06.2017 auf dem Antwortformular zum Schreiben des Beklagten vom 15.06.2017, eingegangen beim Beklagten am 30.06.2017, übersandte die Klägerin einen USB-Stick, der Unterlagen und Belege für 2016 enthalten soll. Sie erhielt die Auskunft, dass dieser eingegangen sei und geprüft und sie informiert werde.
Mit gesonderten Bescheiden vom 10.07.2017 setzte der Beklagte die Leistungen für die Klägerin für die Leistungszeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015, 01.01.2016 bis 30.06.2016 sowie 01.07.2016 bis 31.12.2016 jeweils auf 0,00 EUR fest. Zugleich erließ er Erstattungsbescheide. (Über 3.031,56 EUR für 01.01.2015 bis 30.06.2015 – S 52 AS 4310/17, über 1.641,30 EUR für 01.07.2015 bis 31.12.2015 – S 52 AS 4307/17, über 4.447,62 EUR für 01.01.2016 bis 30.06.2016 – S 52 AS 4308/17 und über 2.595,78 EUR für 01.07.2016 bis 31.12.2016.) Insgesamt fordert der Beklagte von der Klägerin 11.716,26 EUR zurück. Die Klägerin wäre ihrer Mitwirkungspflicht auf das Schreiben vom 23.11.2016 nicht nachgekommen.
Mit Schreiben vom 14.07.2017, beim Beklagten abgegeben am 17.07.2017, widersprach die Klägerin. Sie habe alle geforderten Unterlagen fristgemäß abgegeben und auf jedes Schreiben geantwortet. Sie habe mehrfach vergeblich um einen Termin gebeten, um offene Fragen zu klären und Einblick in ihre Unterlagen zu gewähren. Sie bitte um Klärung in einem persönlichen Gespräch.
Am 17.07.2017 sprach die Klägerin mit ihren Geschäftsunterlagen beim Beklagten vor und wollte die endgültige Festsetzung besprechen. Dies war dem Beklagten nicht möglich, weshalb die Klägerin um einen Termin bat.
Mit Schreiben vom 20.07.2017, beim Beklagten ersetzend gescannt am 24.07.2017, legte die Klägerin die geforderten Rechnungen des privaten Telefonanschlusses vor. Es sei ihr nicht gelungen, diese auszudrucken, nach mehreren Telefonaten mit dem Anbieter habe er ihr diese nun zugeschickt.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.10.2017 wies der Beklagte den Widerspruch (für jeden Leistungszeitraum gesondert) zurück. Eine Reaktion auf das Schreiben vom 23.11.2016 sei nicht erfolgt. Nach Aktenlage seien keine Unterlagen eingereicht worden (Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2016). Bzw (Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016) hätte die Klägerin zwar diverse Unterlagen in Papierform eingereicht, diese hätten aber nicht ausgereicht. Der übersandte USB-Stick genüge den Anforderungen nicht, da dieser "aus sicherheitsrechtlichen Gründen nicht eingelesen werden kann und darf". Das "Vorlegen von Ordnern mit dem Ziel, dass sich das Jobcenter die erforderlichen Unterlagen selbst heraussucht und ggf. kopiert, erfüllt die Mitwirkungspflicht nicht. Eine Verpflichtung des Jobcenters A ... dazu besteht aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes nicht."
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.11.2017 Klagen zum Sozialgericht (S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17, S 52 AS 4309/17 und S 52 AS 4310/17). Sie bezieht sich auf ihre Widerspruchsbegründung. Sie habe die kompletten kopierten Belege für 2015 in einem braunen Umschlag beim Jobcenter eingeworfen, unabhängig von der Vorlage der EKS. An den Tag erinnere sie sich nicht mehr. Die Unterlagen für 2016 seien komplett auf dem vorgelegten USB-Stick. Sie sei bereit mitzuwirken und Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren. Ihr sei bisher nicht bekannt gewesen, dass der Beklagte einen Kopierer vorhalte, an dem sie ihre Unterlagen kostenlos kopieren könne. Sie sei auch bereit ihre Unterlagen an diesem Kopierer selbst zu kopieren und dem Beklagten zu übergeben, damit dieser den Anspruch berechnen könne.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den endgültigen Leistungsanspruch an den Beklagten zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe nicht auf das Schreiben vom 23.11.2016 reagiert. Die eingereichten Unterlagen haben nicht ausgereicht. Die Erklärung, dass der Geschäftsordner gesichtet werden könne, erfülle nicht die Mitwirkungspflicht. Der USB-Stick genüge den Anforderungen an die Mitwirkungspflicht nicht, er dürfe nicht eingelesen werden. Sie solle diese Unterlagen nochmals einreichen. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte erstmals, er halte einen Kopierer bereit, an dem die Leistungsbezieher ihre Unterlagen kostenlos kopieren könnten. Hierauf würde auch hingewiesen. Nicht mehr festgehalten werde daran, dass die nochmalige Vorlage der EKS mit Angaben zum Einkommen selbst ebenfalls auf dem Formular erforderlich gewesen wäre. Es bestehe keine Bereitschaft, den Anspruch der Klägerin zu berechnen, wenn diese nunmehr die Kopien an dem bereitgehaltenen Kopierer selbst fertige.
In der mündlichen Verhandlung am 14.06.2018 hat das Gericht die Klagen S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17, S 52 AS 4309/17 und S 52 AS 4310/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 52 AS 4307/17 fortgeführt.
Das Gericht hat das Verfahren mit den Beteiligten am 14.06.2018 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll vom 14.06.2018 und darin enthaltenen Erklärungen wird Bezug genommen. Das Gericht hat zudem die Leistungsakten des Beklagten angefordert und beigezogen, die beim Gericht am 29.12.2017 in Form von sechs Bänden Leistungsakten (brauner Aktendeckel) und einem Band Ausdruck der elektronisch geführten Verwaltungsakte eingingen. Nach mehrfacher Erinnerung wurde dem Gericht am 14.06.2018 vor der Verhandlung ein Band nicht paginierte "S-Akten" (rosa Aktendeckel) und drei weitere Heftungen Ausdruck der elektronisch geführten Verwaltungsakte vorgelegt. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 SGG zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an den Beklagten begründet.
Die Festsetzung- und Erstattungsbescheide vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.
B. Die Klägerin erfüllte im streitbefangenen Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2016 die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, denn sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hielt sich gewöhnlich in Deutschland auf. Die Klägerin war angesichts der in den vorläufigen Entscheidungen bemessenen Bedarfe und angesichts des von ihr bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen, nicht bedarfsdeckenden Einkommens oder Vermögens auch hilfebedürftig, § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II. Ausschlussgründe liegen nicht vor. Ihre im streitbefangenen Zeitraum zum Teil bei ihr wohnende über 25jähre Tochter konnte ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken und gehörte daher nicht zur Bedarfsgemeinschaft, § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
Für die endgültige Festsetzung und deren Rechtmäßigkeit ist zu unterscheiden zwischen den Festsetzung- und Erstattungsbescheiden vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 betreffend die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015 und 01.01.2016 bis 30.06.2016 einerseits (ursprüngliche Klagen S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17 und S 52 AS 4310/17, dazu unter I ...) sowie 01.07.2016 bis 31.12.2016 andererseits (ursprüngliche Klage S 52 AS 4309/17, dazu unter II.).
I. Nachdem der Beklagte bestandskräftig vorläufig bewilligt hatte, durfte er falls das tatsächliche Einkommen der Klägerin von der Prognose abwich, für die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015 und 01.01.2016 bis 30.06.2016 endgültig festsetzen. Sonst hätte er die Bewilligung für endgültig erklären müssen. Da der Beklagte ohne jede Ermittlung den Leistungsanspruch auf Null festsetzte, sind die Bescheide rechtswidrig. Für das vom Beklagten gewählte Vorgehen fehlt eine Rechtsgrundlage.
Für die endgültige Festsetzung war nicht auf § 41a Abs. 3 SGB II (mit Wirkung zum 1. August 2016 eingefügt mit dem "Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht" vom 26. Juli 2016, BGBl. I, S. 1824) abzustellen, denn es fehlt eine Norm, die die Geltung des § 41a Abs. 3 SGB II für die Zeit vor dem 01.08.2016 anordnet. Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4077/17 –, juris; SG A ..., Urteil vom 08. März 2018 – S 52 AS 4555/17 –, juris.
§ 80 Abs. 2 SGB II regelt in Nr. 1 "für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren", dass "§ 41a Absatz 5 Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt" gelte. Für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet sind, ist § 41a SGB II anzuwenden, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II.
Demnach wird ausdrücklich nur die Geltung des Absatzes 5 angeordnet. Würde Nr. 1 dahin verstanden, dass § 41a in Gänze angewandt werden sollte, wäre die Regelung in Nr. 2 unsinnig. Für die bereits beendeten Bewilligungszeiträume ordnet der Gesetzgeber nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich die Geltung der Endgültigkeitsfiktion in § 41a Abs. 5 SGB II an, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 51, juris; SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 20 f.
Es kommt also auf das Geltungszeitraumprinzip an, BSG, Urteil vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R, juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, juris, Rn. 12. Es ist das materielle Recht für den Zeitraum anzuwenden, für den Leistungen bewilligt wurden. Dieses Prinzip gilt auch für endgültige Festsetzungsentscheidungen. Denn sowohl § 41a SGB II als auch § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung, aF) i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III regeln jeweils in Zusammenhang mit den Bestimmungen der ALG II-V auch materielles Recht, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 52, juris.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Gesetzgeber wohl die Anwendung des § 41a SGB II auch auf Altfälle intendierte, ausführlich SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris Rn. 54 f. Dieser Wille hat aber im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, anders SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 und zuletzt SG Augsburg, Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22. Da die Altregelung eine Nullfestsetzung nicht vorsieht, mithin günstiger für die Leistungsberechtigten ist, würde eine Anwendung des § 41a SGB II als echte Rückwirkung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine ausdrückliche Normierung erfordern; wie hier: SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 50 ff.; aus der Literatur genauso: Kemper in: Eichler/Luik SGB II, 4. Auflage 2017, § 80 Rdnr. 10, Conradis in Münder, SGB II, 6. Auflage 2017, § 80, Rdnr. 3, im Ergebnis wohl auch BeckOK Sozialrecht/Harich 46. Edition vom 01.09.2017, SGB II, § 80 Rdnr. 3, anders Grote-Seifert in: Schlegel/Voelske, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 80 Rdnr. 10, Stand: 16.08.2017 und SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn. 22, ohne die Frage zu problematisieren; SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 liefert zwar eine Begründung für die dort vertretene Auffassung, verkennt aber, dass die Anwendung des alten Rechts günstiger ist und auch – nach Vorlage der Unterlagen – im Fall des SG Dortmund günstiger gewesen wäre; zudem handelt es sich um eine echte Rückwirkung: der Leistungszeitraum ist vor Gesetzesänderung beendet. Das SG Dortmund übersieht, dass die vorläufige Bewilligung zwar den Vertrauensschutz in Bezug auf die Festsetzung der Leistung entfallen lässt, daraus folgt aber nicht, dass der verfassungsrechtliche Schutz vor Anwendung von neuem Recht auf abgeschlossene Sachverhalte bei der endgültigen Festsetzung mitentfiele. Die Kammer hält auch unter Berücksichtigung der Begründung des SG Augsburg im Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22 an ihrer Auffassung fest. Das SG Augsburg argumentiert, dass mit der Anwendung des neuen Rechtes eine nicht mehr hinzunehmende Schlechterstellung des betreffenden Leistungsempfängers nicht einhergehe. Das neue Recht bringe Vorteile, wie die Belehrung und die zeitliche Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II. Der Wegfall etwa der Schätzungsmöglichkeit falle daher nicht derart nachteilig ins Gewicht, die verfahrensrechtliche Position werde gestärkt. Die Kammer hält das für überlegenswert, im Ergebnis aber nicht durchschlagend. Das Argument aus der zeitlichen Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II dürfte im Kreis schließen, denn in Altfällen, in denen der Beklagte nach mehreren Jahren festsetzen will, erschließt sich der Vorteil für die Kläger nicht unmittelbar. Darüber hinaus gilt die zeitliche Grenze, bei Altfällen mit Fristbeginn ab 1. August 2016, zweifelsfrei nunmehr auch für das Altrecht, § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II. Im Fall der Klägerin hier hat der Beklagte die Gesetzesänderung zum Anlass genommen, von seiner Praxis, in deren Unterlagen einzusehen, abzurücken. Im Übrigen wird auf die Entscheidung der Kammer vom 08.03.2018, S 52 AS 4555/17, juris verwiesen.
Hier waren die genannten drei streitbefangenen Leistungszeiträume vor dem 1. August 2016 beendet. Die endgültige Festsetzung war nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung, aF, 328 SGB III vorzunehmen. Eine Nullfestsetzung ohne Ermittlungen ist dort nicht vorgesehen. Die Kammer konnte die Bescheide auch nicht in eine Versagung nach § 66 SGB I umdeuten, weil diese Vorschrift die Ausübung von Ermessen durch den Beklagten erfordert, SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 22 und die Voraussetzungen des § 66 SGB I auch sonst nicht vorliegen.
Da die Frage der Auslegung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer höchst strittig und weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt war, stützt die Kammer ihre Entscheidung vorsorglich auch darauf, dass die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II nicht erfüllt sind. Insoweit wird auf II. verwiesen.
II. Nachdem der Beklagte bestandskräftig vorläufig bewilligt hatte, und das tatsächliche Einkommen der Klägerin von der Prognose abwich, war der Leistungsanspruch für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 endgültig festzusetzen, § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II. Da der streitbefangene Leistungszeitraum bis 31.12.2016 lief und damit vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet war, ist § 41a SGB II anzuwenden, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II.
Die Voraussetzungen für die vom Beklagten vorgenommene, endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs der Klägerin auf null sind nicht erfüllt. Nach § 41a Abs. 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den monatlichen Leistungsanspruch abschließend fest, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.
Der Beklagte dürfte zwar eine angemessene Frist gesetzt haben, die Belehrung genügt aber den gesetzlichen Erfordernissen nicht und die Klägerin hat keine Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Der Beklagte hätte ihr tatsächliches Einkommen ermitteln müssen.
1. Die der Klägerin gesetzte Frist war nach Auffassung der Kammer angemessen.
Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II ist den Leistungsberechtigten eine angemessene Frist zur Erklärung der abschließenden Angaben zu setzen. Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2018 Frist bis zum 28.02.2017 gesetzt.
Die Kammer hat erwogen, ob der Beklagte überhaupt im November 2016 bereits zur Mitwirkung auffordern und eine Frist setzen durfte. Nach § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II tritt die Mitwirkungsobliegenheit der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen "nach Ablauf des Bewilligungszeitraums" ein. Der Bewilligungszeitraum lief erst zum 31.12.2016 ab. Denkbar wäre ein Auslegung dahingehend, dass die Verpflichtung im November noch gar nicht bestand (vgl. jedenfalls in Bezug auf die Verpflichtung aus dem vorläufigen Bescheid, leistungserhebliche Änderungen anzuzeigen Formann SGb 2016, 615, 617). Die Kammer hat sich bereits mit der Dogmatik der Mitwirkungspflichten aus §§ 60 ff. SGB I und ihrem Verhältnis zu § 41a Abs. 3 und 4 befasst. In SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 78, 81-84, juris hat die Kammer ausgeführt:
Richtigerweise stellt die Regelung des § 41a Abs. 3 SGB II Sonderrecht zu den §§ 60 ff. SGB I dar, weil der Gesetzgeber meinte, eine nicht vorhandene Lücke schließen zu müssen, ausführlich Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 43 ff. Tatsächlich galten die Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff. SGB I aber bereits vor der Neuregelung in § 41a SGB II bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung, BSG, Urteil vom 10. November 1977 – 3 RK 44/75 –, juris = BSGE 45, 119-126; Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 42, 44.
Zu betonen ist, dass damit auch § 67 SGB I gilt und anwendbar bleibt. Aus der (überflüssigen) Normierung "die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend" in § 41a Abs. 3 S. 2 letzter HS SGB II lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten, weil schon die in Bezug genommen Normen vor der Regelung des § 41a SGB II direkt galten und weiterhin direkt gelten.
Da § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II eine gebundene Nullfestsetzung vorsieht, auch wenn der Leistungsträger weitere Ermittlungsoptionen hat und weil aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Amtsermittlungspflicht für die abschließende Entscheidung in Gänze abschaffen wollte, geht die Kammer davon aus, dass der Gesetzgeber ein besonderes Druckmittel geschaffen hat, um die Mitwirkung der leistungsberechtigten Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu erreichen, so auch Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 49.
Daraus folgt, dass die Entscheidung nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II auch keine materiellrechtliche Wirkung hat, sondern eine spezielle Ausprägung der Versagung nach § 66 SGB I darstellt. Durch Nachholung der Mitwirkungshandlung kann sie beseitigt werden, Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 49 f., anders wohl Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 80 Rn 10, Stand: 16.08.2017 und Conradis in Münder, SGB II, 6. Auflage 2017, § 41a Rn. 12 jeweils ohne die Frage zu problematisieren, anders mit Verweis auf die fehlende Inbezugnahme auf § 67 SGB I in § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn. 30.
Die Kammer hält an dieser Auffassung ausdrücklich fest. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Auseinandersetzung der Kammer mit den Argumenten der Gegenauffassung aaO Rn 85 ff.
Konsequenterweise hält die Kammer eine Belehrung und Fristsetzung vor Ablauf des Bewilligungszeitraums daher für zulässig, insbesondere wenn sie wie hier gegen Ende des Bewilligungszeitraums erfolgt, anders wohl Formann SGb 2016, 615, 617. Maßgeblich für die Angemessenheit der Frist ist dann der Zeitraum zwischen Ende des Bewilligungszeitraums und Fristende.
Hier entspricht die Frist einem Zeitraum von zwei Monaten. Die Frist ist unter Berücksichtigung der individuellen Interessen des Leistungsberechtigten einerseits und dem Interesse der Behörde an einer fristgerechten Festsetzung andererseits nach den Einzelfallumständen zu bemessen, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 64; SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 49, juris. Nach diesem Maßstab war die Frist angemessen. (Die strengere Auffassung des SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, Rn. 24, juris, das eine mindestens zweimonatige Frist für angemessen hält, führt hier zum selben Ergebnis. Die für die übrigen Leistungszeiträume auf den 10.01.2017 gesetzte Frist dürfte allerdings angesichts der Vielzahl der geforderten Unterlagen und der Feiertage "zwischen" den Jahren zwar fragwürdig sein, indessen hat die Klägerin innerhalb der Frist die erforderliche Mitwirkung vorgenommen, s.u.)
2. Die vom Beklagten vorgenommene Belehrung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II sind die Leistungsberechtigten schriftlich über die Rechtsfolgen einer nicht fristgerechten Einreichung von Angaben und Unterlagen zu belehren. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Leistungsberechtigte über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig zu belehren. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an (zur Belehrung vor Erlass von Sanktionen vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris), zutreffend SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 66; dem folgend SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 51, juris.
Hier folgt die Belehrung des Beklagten vom 23.11.2016 in Teilen dem Wortlaut des Gesetzes. Der Beklagte hat die anspruchsvolle sprachliche Gestaltung des Gesetzgebers für den Rechtslaien verständlich gestaltet, indem er die Formen der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit gesondert hervorgehoben dargestellt hat und unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass bei fehlender Mitwirkung "die vorläufigen Leistungen im vollen Umfang zurückzuerstatten sind". Unrichtig ist die Belehrung – und Praxis des Beklagten – sein, Originale der abgeforderten Unterlagen zurückzuweisen. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I benennt vorzulegende "Beweisurkunden". Hierauf ist die Obliegenheit dessen gerichtet, der Sozialleistungen beantragt oder erhält. Gemeint ist die Vorlage im Original (vgl. § 420 ZPO), andernfalls ist schon der Urkundenbegriff des § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I gar nicht erfüllt. Die vom Beklagten geforderte Überlassung einer Abschrift ist demgegenüber etwas anderes. Hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage. Dies hat die Kammer bereits in SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 53, juris entschieden. Die Kammer hält hieran fest. Die Kammer hatte aaO weiter argumentiert:
"Wenn der Beklagte eine Abschrift der Urkunden im Verfahren benötigt, kann er diese Auslagen nicht auf den Kläger abwälzen, denn das Verfahren ist gebühren- und auslagenfrei, § 64 Abs. 1 S. 1 SGB X. Insbesondere bei Selbständigen sind typischerweise eine nicht unerhebliche Anzahl von Urkunden vorzulegen, erst recht wenn für vier Jahre abschließende Unterlagen abgefordert werden. Die Kosten für die Kopien sind daher nicht unerheblich."
Auch dies hält die Kammer weiter für zutreffend. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihre Geschäftsordner vorgelegt. Es handelte sich für 2015 und 2016 jeweils um einen gut gefüllten Leitzordner. Überrascht wurde die Kammer durch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass der Beklagte eine kostenlose Kopiermöglichkeit bereithält. Es gab keinen Grund an der Wahrheit dieser Aussage zu zweifeln. Genau so war die Kammer nach ihrem Eindruck in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Klägerin diese Möglichkeit nicht kannte.
Die Kammer hält den Verweis auf diese Möglichkeit für zulässig. Indessen war sie eben nicht bekannt und musste angesichts fehlender schriftlicher Hinweise auch nicht bekannt sein. Diese Unklarheit wirkt sich zu Lasten des Beklagten aus. Er muss in der Belehrung hierauf hinweisen. Sonst entsteht der Eindruck, die Vorlage von Originalurkunden sei nicht möglich. Die Belehrung ist damit unrichtig.
Weiter hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2017 hinsichtlich ihrer Möglichkeit, die Mitwirkungshandlung nachzuholen, belehrt. Dies ist zwar nach Auffassung der Kammer inhaltlich richtig, vgl. oben und die bereits zitierte Entscheidung SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 84, juris, allerdings fehlt der Hinweis auf die zuvor mögliche Nullfestsetzung. Die beiden Belehrungen unterscheiden sich erheblich. Nach der Belehrung vom 15.06.2017 bleibt für die Klägerin unklar, ob dem Beklagten die (zwischenzeitliche) Nullfestsetzung möglich ist. Diese Unklarheit führt zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung insgesamt.
Aus der Fehlerhaftigkeit der Belehrung folgt die Rechtwidrigkeit der Nullfestsetzung, denn die Belehrung ist Tatbestandsvoraussetzung nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II, vgl. auch die Urteile des BSG zu Sanktionen, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R –, juris, Rn. 18 ff = BSGE 105, 297-304; Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris, Rn. 24.
3. Die weitere Voraussetzung des § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II für die Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand, dass die Klägerin ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, liegt nicht vor. Die Klägerin hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mitgewirkt.
a) Die Kammer hat ihre Entscheidung nicht darauf gestützt, dass die beweisbelastete Klägerin die Belege für 2015 in Kopie in einem braunen Briefumschlag vorgelegt hätte. Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass Unterlagen beim Beklagten auch verloren gehen oder falsch zugeordnet werden können. Aus Sicht der Kammer war aber der Vollbeweis nicht erbracht. Denkbar waren andere Möglichkeiten, wie fehlerhafte Erinnerung der Klägerin oder Einwurf an falscher Stelle. Die Kammer hat daher eine Beweislastentscheidung getroffen.
b) Die Klägerin hat allerdings innerhalb der gesetzten Frist mitgewirkt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kammer erschließt sich die Behauptung des Beklagten in den Ausgangsbescheiden und den Widerspruchsbescheiden für die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2016, wonach die Klägerin nicht reagiert hätte, nicht, genau so wenig, wie die entsprechende Verteidigung im Klageverfahren. Die im Tatbestand benannten Schreiben der Klägerin finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten. Die Eingangs- und Scandaten hat die Kammer aus den Eingangsstempeln und Aufdrucken abgeleitet.
Die Mitwirkung hinsichtlich der Erklärung über ihr Einkommen, Einnahmen und Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit war erfüllt. Mit Ausnahme des Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 war deren neuerliche Vorlage schon nicht erforderlich und durfte auch unter dem 23.11.2016 nicht erneut angefordert werden. Dem Beklagten lagen diese Erkenntnisse vor. Unzweifelhaft war, dass die Tabellen von der Klägerin stammten. Die Kammer verkennt nicht § 60 Abs. 2 SGB I ... Die Klägerin hat aber alle leistungs- und entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt, die Kammer hält es daher für unschädlich, dass sie nicht die Vordrucke benutzt hat, die Norm ist eine Soll-Vorschrift, vgl. KassKomm/Seewald, 98. EL März 2018, SGB I § 60 Rn. 36. Der Beklagte hielt dies zuletzt auch nicht mehr für erforderlich.
Die Mitwirkung hinsichtlich des Nachweises der Einnahmen und Ausgaben war ebenfalls erfüllt. Hierfür genügt die erklärte Bereitschaft, die Unterlagen vorzulegen. Dass es nicht zur Vorlage der Unterlagen selbst kam, liegt ausschließlich am Beklagten, der dies vereitelt hat.
Die Klägerin hat sich zur Vorlage von Urkunden bereit erklärt und hierfür einen Termin erbeten. Mehrfach. Dass sie nicht zur Fertigung von Kopien auf eigene Kosten verpflichtet war, hat die Kammer bereits dargelegt. Dass sie die Möglichkeit nicht kannte, Kopien auf Kosten des Beklagten zu fertigen, hat die Kammer ebenfalls ausgeführt. Die Kammer hat auch dargelegt, dass aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I folgt, dass die Mitwirkungsverpflichtung sich auf die Vorlage der Urkunden im Original bezieht. Genau das hat die Klägerin immer wieder angeboten. Mit einer plausiblen Begründung. Hierin eine fehlende Mitwirkung zu erkennen, hält die Kammer für nicht nahe liegend. Selbstverständlich hätte der Beklagte der Klägerin die Vorlage ermöglichen müssen. In einem solchen Termin oder auch vorab mag er sie auf das Fertigen der kostenlosen Kopien verweisen.
Dass die Klägerin nicht über die in §§ 60 ff. SGB I geregelten Mitwirkungspflichten hinaus zur Mitwirkung verpflichtet ist, ergibt sich aus §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 20 und 21 Abs. 2 S. 3 SGB X. § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II regelt keine darüber hinausschießende Mitwirkungspflicht. Die Auffassung der Kammer ist oben unter II. 1. dargelegt, grundlegend SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 78 ff. und die dort zitierte Literatur. Auch die Gegenauffassung dürfte zum selben Ergebnis kommen und dürfte dies aus dem (überflüssigen) Verweis "die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend" ableiten, vgl. Formann SGb 2016, 615, 617 – ohne weitere Problematisierung. Auch der Gesetzgeber ging von der Geltung des § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X aus, BT Drs. 18/8041, S. 53 (in Bezug auf die Rechtsfolge aus S. 3 und 4 des § 41a Abs. 3 SGB II), das ergibt nur Sinn, wenn es beim gesamten Gefüge aus §§ 20, 21 SGB X und 60 ff. SGB I bleibt.
Die Kammer hatte nach ihrem Eindruck aus der Hauptverhandlung und den aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Vorgängen keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Terminsbitte der Klägerin. Die Klägerin hat geradezu gebetsmühlenartig vorgetragen, dass sie mitwirken wolle und ihre Unterlagen zur Einsicht vorlegen werde. Sie hat dies ausweislich der Verwaltungsakten in der Vergangenheit und den Zeiträumen, die auf die strittigen Zeiträume folgten, getan. Immer wieder trug die Klägerin vor, dass sie aus Kostengründen vorlegen und nicht kopieren will. Es bestand für die Kammer kein Zweifel, dass die Klägerin bei Kenntnis der Möglichkeit die Unterlagen (aus ihrer Sicht nochmals) kopiert hätte. Weshalb der Beklagte statt immer weiterer Anforderung von Unterlagen, die Klägerin nicht auf diese Möglichkeit schriftlich hinwies, erschloss sich der Kammer nicht.
Die Klägerin hatte demnach getan, wozu sich rechtlich verpflichtet war.
Dass der Beklagte ihr einen Termin einräumen muss, wenn sie diesen erbittet, ergibt sich zudem aus der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens und dem Amtsermittlungsgrundsatz, §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 9, 20 und 21 SGB X, vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 9 Rn. 4; zuletzt auch SG A ..., Beschluss vom 27. März 2018 – S 20 AS 914/18 ER –, Rn. 22, juris (zur Anhörung nach § 24 SGB X). § 20 Abs. 1 S. 2 und § 21 Abs. 1 S. 1 SGB X ermöglichen dem Beklagten, Art und Umfang der Ermittlungen zu bestimmen und Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen beizuziehen. Dies findet aber seine Grenzen in den definierten Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten, §§ 21 Abs. 2 SGB X, 60 ff. SGB I ... Der Beklagte kann darüber hinaus keine weiteren Mitwirkungsobliegenheiten erfinden, wie hier geschehen.
Dass die Klägerin "Ordner mit dem Ziel, dass sich das Jobcenter die erforderlichen Unterlagen selbst heraussucht und ggf. kopiert" vorlegen wollte, ist eine unsachliche Unterstellung, die durch keine Tatsache getragen ist. Ausweislich der Verwaltungsakte hatte die Klägerin in den Zeiträumen vor und nach den hier strittigen Zeiten die Belege sortiert und nummeriert. Außerdem hätte die Vorlage des kopierten Ordners die Anforderungen aus dem Schreiben vom 23.11.2016 erfüllt, so dass die Argumentation des Beklagten ohnehin zirkulär ist. Weiter zeigt das "Argument" des Beklagten, "Eine Verpflichtung des Jobcenters A ... dazu besteht aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes nicht.", dass die Rechtslage verkannt wurde. Der Beklagte hat den praktikabelsten, den Leistungsempfänger am wenigsten belastenden und kostengünstigsten Weg zu wählen, Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 9 Rn. 6, vgl. BT Drs. 7/910, S. 42 zu § 10 VwVfG. Der Beklagte hat den Grundsatz in sein Gegenteil verkehrt.
Der Beklagte verkennt die Norm des § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II, wenn er meint, diese diene der Vermeidung von Ermittlungen. Es ist nicht ersichtlich, dass § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II den Amtsermittlungsgrundsatz nach §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 20 SGB X beseitigt, er normiert lediglich für den Fall der Mitwirkungsverweigerung eine Versagungsmöglichkeit (zur dogmatischen Bewertung vgl. oben und das Urteil der Kammer vom 11.01.2018, S 52 AS 4382/17, juris, Rn 84 ff.). Weshalb die Klägerin ihre Belege nicht in einem Termin vorlegen können soll, bleibt rätselhaft. Nicht so recht ausschließen konnte die Kammer, dass der Beklagte nicht zu ermitteln beabsichtigte.
c) Die Kammer hielt die Festsetzung mit den Bescheiden vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 auch für die Klägerin überraschend und damit gehörswidrig. Dass die Bereitschaft zur Vorlage der Originalunterlagen nicht als Mitwirkungshandlung ausreichen soll, erfährt die Klägerin erstmals aus dem Widerspruchsbescheiden. Da der Beklagte in der Vergangenheit den Ordner entgegennahm, kann er so nicht vorgehen, insbesondere, wenn er meint, eine inhaltliche Überprüfung der Festsetzungsentscheidung scheide aus. Er muss dann der Klägerin eine Chance einräumen, ihr Vorgehen zu prüfen.
Abgesehen davon hat er im Aufforderungsschreiben vom 15.06.2017 der Klägerin mitgeteilt, er würde die Geldleistungen ganz versagen, "bis Sie die Mitwirkung nachholen". Daran muss der Beklagte sich festhalten lassen, §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 34 SGB X. Die Klägerin sprach am 17.07.2017 zur Mitwirkung vor. Das muss der Beklagte dann im Widerspruchsverfahren berücksichtigen.
Fehlerhaft war auch die Zurückweisung des USB-Sticks. Auch insoweit erfährt die Klägerin die Auffassung des Beklagten erstmals aus dem Widerspruchsbescheiden. Dieses Vorgehen ist überraschend und damit gehörswidrig. Der Beklagte kann zur Ermittlung des Sachverhalts Urkunden und Akten auch in elektronischer Form beiziehen, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt, § 21 Abs. 1 S. 3 SGB X. Es gibt keine anderweitige Bestimmung durch Rechtsvorschrift. Die Kammer hält die Vorlage elektronischer Unterlagen mit dem Wortlaut des Aufforderungsschreibens des Beklagten für vereinbar. Bei dieser Rechtlage muss der Beklagte der Klägerin vor der Entscheidung mitteilen, dass er Sicherheitsbedenken hat. Diese Obliegenheit ergibt sich auch aus § 37 Abs. 3 S. 1 SGB I ...
4. Selbst wenn die Rechtsauffassung des Beklagten in Bezug auf die Belehrung und Mitwirkung zuträfe, hätte der Beklagte jedenfalls die falsche Rechtsfolge ausgesucht. Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch in diesen Fällen für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte nicht mit den behaupteten Einnahmen und den durch Kopien in der Akte nachgewiesenen Ausgaben ein Einkommen hätte errechnen können.
III. Die Kammer hat die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten gemäß § 131 Abs. 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an den Beklagten zurückverwiesen. Nach § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist.
Die Voraussetzungen sind erfüllt. Für die Feststellung des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerinnen und damit einer evtl. Erstattungsforderung im streitbefangenen Leistungszeitraum ist eine weitere Sachaufklärung erforderlich. Der Beklagte hat die angebotenen Beweisurkunden zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind Ausgaben nicht abzusetzen oder Einnahmen angemessen zu erhöhen, § 3 Abs. 3 ALG II-V. Die Ermittlungen sind nach Art und Umfang erheblich, eine Feststellung des Beklagten ist trotz des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich. Insoweit sind auch die Erstattungsforderungen des Beklagten neu festzusetzen oder gegebenenfalls nachträglich Leistungen in anderer Höhe zu bewilligen. Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstellte der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und den Leistungsanspruch zu berechnen, vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14 R, juris für reine Anfechtungsklagen; MKLS/Keller, SGG, 12. Aufl. 2017, § 131 Rn 17 ff.; SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn 29; SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn 84 ff.; SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, juris, Rn. 101.
Die Frist des § 131 Abs. 5 S. 5 SGG von sechs Monaten nach Eingang der Akten bei Gericht ist noch nicht abgelaufen. S-Akten sind Bestandteil der Akten und wurden am 14.06.2018, dem Tag der Entscheidung, vorgelegt. Aber auch seit Eingang der ersten Aktenteile waren noch keine sechs Monate vergangen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143, 144 SGG. Die Kammer hat nach § 161 Abs. 1 S. 1 SGG die Sprungrevision zugelassen. Die Voraussetzungen nach § 161 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen vor, denn das vorliegende Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Verfahren. Die ungeklärte Frage, ob für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren, Nullfestsetzungen nach § 41a Abs. 3 SGB II möglich sind, war hier nicht entscheidungserheblich. Allerdings ist nicht höchstrichterlich geklärt, wie sich die Mitwirkungspflichten in § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II zum Amtsermittlungsgrundsatz verhalten. Kann der Beklagte verlangen, dass bereits bekannte Informationen (zB EKS) nochmals nachgewiesen werden? Kann er über die in §§ 60 ff. SGB I normierten Mitwirkungsverpflichtungen hinaus Mitwirkungen verlangen? Kann er die Vorlage von Kopien statt Originalen verlangen? Kann der Beklagte bei selbständig tätigen Leistungsbeziehern auf Null festsetzen, wenn nur ein Teil der geforderten Mitwirkung (ausgefüllte EKS) erbracht wird oder muss er unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen ein Einkommen errechnen? Kann – Rechtmäßigkeit der Nullfestsetzung vorausgesetzt – die Mitwirkungshandlung nachgeholt werden? Diese Fragen waren entscheidungserheblich und sind nicht geklärt. Sie sind für eine Vielzahl von Verfahren, die in der Kammer und am Sozialgericht Dresden anhängig sind entscheidungserheblich.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Höhe des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerin im Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2016 und vier Erstattungsbescheide des Beklagten über insgesamt 11.716,26 EUR.
Die 1964 geborene, in Deutschland allein lebende und erwerbsfähige Klägerin war im streitbefangenen Zeitraum als Änderungsschneiderin selbständig tätig. Sie verfügte neben Kontoguthaben in Höhe von 350 EUR über kein weiteres Vermögen. Sie bezog ergänzend zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Die Klägerin steht seit 2005 im Leistungsbezug beim Beklagten, zunächst alleinerziehend mit ihren beiden Kindern. Sie ging geringfügigen Beschäftigungen nach, u. a. als Näherin. Zum 09.11.2009 machte sie sich mit einer Änderungsschneiderei selbständig. Sie mietete die Gewerberäume A ... 22 in D ... an, in denen sie ihr Gewerbe nach wie vor betreibt. Dort verfügt sie auch über einen gewerblichen Telefonanschluss.
Am 07.07.2014 sprach die Klägerin beim Beklagten vor. Sie übergab einen Ordner mit Buchhaltungsunterlagen für 2013 im Original, den der Beklagte zum Zwecke der endgültigen Festsetzung für 2013 entgegennahm.
Der Beklagte hält ein Kopiergerät vor, an dem Antragsteller kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten fertigen können. Dies war der Klägerin nicht bekannt. Schriftlich erfolgte zu keiner Zeit ein Hinweis an die Klägerin, dass die Möglichkeit bestünde, beim Beklagten kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten zu fertigen. Gerichtsbekannt ist, dass in Verfahren mit Beteiligung des Beklagten, die in der 52. Kammer des Sozialgerichts Dresden anhängig sind, kein Leistungsbezieher schriftlich auf die Möglichkeit, beim Beklagten kostenfrei Kopien in Leistungsangelegenheiten zu fertigen, hingewiesen wurde.
Die Klägerin beantragte am 07.10.2014 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 02.12.2014 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 505,27 EUR (212,80 EUR Regelbedarf und 292,47 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015.
Die Klägerin beantragte am 11.05.2015 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 03.06.2015 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 273,56 EUR (kein Regelbedarf und 273,56 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.12.2015.
Die Klägerin beantragte am 30.12.2015 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 06.01.2016 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 800,38 EUR (230,38 EUR Regelbedarf und 570,00 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016.
Zum 21.12.2015 zog die 31jährige Tochter der Klägerin aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die Klägerin zog zum 20.03.2016 in eine kleinere Wohnung.
Der Beklagte änderte seinen Bescheid vom ab 01.05.2016 mit Bescheid vom 05.04.2016 ab und gewährte vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 623,05 EUR (230,38 EUR Regelbedarf und 392,67 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.05.2016 bis 30.06.2016.
Die Klägerin beantragte am 25.04.2016 beim Beklagten Fortzahlung der Leistungen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 27.06.2016 vorläufig Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 432,63 EUR (39,96 EUR Regelbedarf und 392,67 EUR Bedarf für Unterkunft und Heizung) für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016.
Die Erklärung der Klägerin vom 29.09.2015 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2015 ging beim Beklagten am 01.10.2015 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt.
Bereits für Leistungszeiträume vor den hier anhängigen hatte die Klägerin Prognosen und Abrechnungen in derartiger Tabellenform vorgelegt und der Beklagte berechnete daraufhin die Leistungen.
Die Erklärung der Klägerin vom 25.04.2016 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2015 bis 31.12.2015 ging beim Beklagten am 25.04.2016 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt.
Mit Schreiben vom 11.05.2016 forderte der Beklagte weitere Unterlagen und Nachweise an (Leistungszeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015 und 01.07.2015 bis 31.12.2015).
Mit Schreiben vom 23.06.2016, beim Beklagten eingegangen am 25.06.2016 erläuterte die Klägerin auf einem Antwortformular zum Schreiben vom 11.05.2016 einige Ausgaben und legte Belege bei.
Mit Schreiben vom 06.06.2016, beim Beklagten eingegangen am 09.06.2016 erklärte die Klägerin zum Schreiben vom 11.05.2016, dass sie sich die Zeit und Kosten für komplette Kopien des Kassenbuchs und der Unterlagen für 2015 sparen möchte und sie gern in einem Termin Einsicht in ihre Geschäftsunterlagen gewähre. Die Zahlen hätten sich in den fünf Jahren nicht wesentlich geändert. Weiter schlägt sie konkrete Zeiten für einen Termin vor. Für Beiträge und Versicherungen lägen bereits Erläuterungen und Kopien vor. Ebenso für den dienstlichen Telefonanschluss. Kosten für den PKW habe sie nicht geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 27.06.2016 forderte der Beklagte weitere Unterlagen an (Leistungszeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016).
Die Erklärung der Klägerin vom 20.09.2016 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 ging beim Beklagten am 22.09.2016 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt. Es lagen Kopien für Belege einzelner Ausgaben bei.
Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 reichte die Klägerin eine weitere unterschriebene, endgültige EKS vom 10.11.2016 ein, die beim Beklagten am 11.11.2016 einging. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten nicht auf dem Formular. Die Klägerin legte den Ausdruck einer Tabelle vor, die das Formular nachbildet und die einzelnen Positionen des Formulars in gleicher Reihenfolge widergibt. Die Angaben entsprechen den Angaben vom 20.09.2016.
Für den Zeitraum 01.01.2016 bis 30.06.2016 reichte die Klägerin abermals eine weitere unterschriebene, endgültige EKS vom 30.12.2016 ein. Der Beklagte hat den Zeitpunkt des Eingangs nicht dokumentiert. Vielleicht lag sie dem Widerspruch vom 30.12.2016 bei, der beim Beklagten am 04.01.2017 einging. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Die Angaben entsprechen den Angaben vom 20.09.2016.
Die Erklärung der Klägerin vom 01.02.2017 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 ging beim Beklagten am 02.02.2017 ein. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Es lag eine Kopie eines Beleges über Ausgaben bei.
Eine weitere Erklärung der Klägerin vom 10.05.2017 über abschließende Einnahmen und Ausgaben für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 wurde beim Beklagten am 10.05.2017 ersetzend gescannt. Die Klägerin nutzte das Formular EKS. Die Klägerin hatte das Formular unterschrieben. Die Angaben zum Einkommen selbst erfolgten ebenfalls auf dem Formular. Die Angaben entsprechen denen der Erklärung vom 01.02.2017.
Mit Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2016, forderte der Beklagte die Klägerin auf, Unterlagen und Nachweise für eine abschließende Entscheidung über drei Bewilligungszeiträume, insgesamt über den Zeitraum 01.01.2015 bis 30.06.2016 bis zum 10.01.2017 vorzulegen. Dabei forderte der Beklagte das unterschriebene "offizielle Formular Anlage EKS" für jeden Bewilligungszeitraum "nochmals" an. Es läge zwar eine Auflistung bereits vor. Diese sei aber nicht ausreichend und nicht unterschrieben. Weiter forderte er in Kopie alle Ausgangsrechnungen mit Nachweisen über den Zahlungseingang und alle Belege zu den angegebenen Betriebsausgaben.
Mit weiterem Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2016, forderte der Beklagte die Klägerin auf, Unterlagen und Nachweise für eine abschließende Entscheidung über den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 bis zum 28.02.2017 vorzulegen. Dabei forderte der Beklagte das unterschriebene Formular Anlage EKS vorzulegen sowie eine BWA, Einnahmeüberschussrechnung oder Einnahme-Ausgabe-Übersichten mit Sachkonten, Summen- und Saldenlisten sowie Kassenbuch, jeweils monatlich entsprechend der Zu- und Abflüsse. Weiter forderte er in Kopie alle Ausgangsrechnungen mit Nachweisen über den Zahlungseingang und alle Belege zu den angegebenen Betriebsausgaben.
Weiter enthielten die Schreiben vom 23.11.2016 u.a. folgende Passagen:
"Gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 ALG II-V ist für jeden Monat ist der Teil des Einkommens zu berücksichtigen, der sich bei der Teilung des Gesamteinkommens im Bewilligungszeitraum durch die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum ergibt. Daraus folgt, dass sich Ihre Mitwirkungsverpflichtung auf alle Monate des Bewilligungszeitraums erstreckt. Daraus folgt weiter, dass bei einem Ausbleiben der Mitwirkung – auch für nur einzelne Monate – die Voraussetzungen für das Bestehen eines Leistungsanspruchs in den oben genannten Bewilligungszeiträumen insgesamt nicht geprüft werden können.
Bitte beachten Sie daher ganz besonders die nachfolgende Rechtsfolgenbelehrung:
Kommen Sie oder die mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweispflicht * nicht, * nicht vollständig oder * nicht fristgemäß bis zum vorgenannten Termin nach, werde ich abschließend feststellen, dass ein Leistungsanspruch nicht bestanden hat und die vorläufigen Leistungen von Ihnen im vollen Umfang zurückzuerstatten sind."
Die Schreiben führen weiter aus, was die Klägerin tun könne, wenn ihm die fristgemäße Vorlage der Unterlagen nicht möglich sei und schließt mit dem nochmaligen Hinweis:
"Bitte beachten Sie, dass grundsätzlich keine Originalunterlagen mehr entgegen genommen werden können."
Beim Beklagten ging am 08.12.2016 eine Erklärung der Klägerin vom 07.12.2016 auf dem Antwortformular zum Schreiben des Beklagten vom 23.11.2015 ein, ausweislich dessen sie anliegend die geforderten Unterlagen übersendet. Allerdings hat die Klägerin keine vollständige Kopien der Nachweise über Rechnungen und Geldeingänge vorgelegt. Sie schrieb: "Die abschließenden Angaben EKS für das Jahr 2015 sowie für 01.01.2016 bis 30.06.2016 habe ich bereits abgegeben. Aus Zeit- und Kostengründen möchte ich nicht meine kompletten Unterlagen kopieren." Die Klägerin teilt weiter mit, in einem persönlichen Termin werde sie Einsicht in ihren Geschäftsordner gewähren. Es lagen Kopien eines Beitragsbescheids der Handwerkskammer und der Auszüge des Geschäftskontos der Klägerin für September 2016 bei.
In der Verwaltungsakte des Beklagten befinden sich weitere Kopien von einzelnen Kontoauszügen der Klägerin aus den strittigen Leistungszeiträumen.
Mit Schreiben vom 22.05.2017 forderte der Beklagte weitere Nachweise und Erläuterungen für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 an.
Mit Schreiben vom 06.06.2017, beim Beklagten ersetzend gescannt am 07.06.2017, erklärte die Klägerin zum Schreiben vom 22.05.2017, dass sie langsam am verzweifeln sei. Sie sei sich sicher, die geforderten Unterlagen schon abgegeben zu haben. Sie habe die Kosten für Werbung bereits erläutert. Bei den Telefonanschlüssen habe sich nichts geändert. Aus bereits abgegeben Kontoauszügen seien die Kosten des Geschäftskontos ersichtlich. Da sie ständig darauf hingewiesen werde und auch bemüht sei, ihre Kosten und Ausgaben so gering wie möglich zu halten, möchte sie ihren kompletten Geschäftsordner nicht noch einmal kopieren. Sie habe mehrfach einen Termin zur Einsicht in den Geschäftsordner angeboten. Es könne gern ein Termin vereinbart werden. Dem Schreiben lagen Kopien über Ausgaben bei (gelbe Seiten, gewerblicher Telefonanschluss, Auszüge Privatgirokonto).
Mit Schreiben vom 15.06.2017 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass die vorliegenden Unterlagen nicht vollständig seien. Es werde an die Aufforderung zur Mitwirkung vom 22.05.2017 erinnert. Der Beklagte zählte weitere vorzulegende Unterlagen auf, darunter BWA, Rechnungen, Quittungen, lückenlose Kontoauszüge, Versicherungspolicen, übrige gewerbliche Telefonrechnungen und als Nachweis, dass noch weitere private Anschlüsse vorliegen, die beiden letzten Rechnungen für 2016, weil der reine Kontoauszug dafür nicht reiche. Der Beklagte setzte Frist bis 07.07.2017. Weiter heißt es wörtlich (Hervorhebung wie Original):
Bitte beachten Sie:
Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66,67 Erstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB I). Dies bedeutet, dass Sie keine Leistungen erhalten.
Mit Schreiben vom 29.06.2017 auf dem Antwortformular zum Schreiben des Beklagten vom 15.06.2017, eingegangen beim Beklagten am 30.06.2017, übersandte die Klägerin einen USB-Stick, der Unterlagen und Belege für 2016 enthalten soll. Sie erhielt die Auskunft, dass dieser eingegangen sei und geprüft und sie informiert werde.
Mit gesonderten Bescheiden vom 10.07.2017 setzte der Beklagte die Leistungen für die Klägerin für die Leistungszeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015, 01.01.2016 bis 30.06.2016 sowie 01.07.2016 bis 31.12.2016 jeweils auf 0,00 EUR fest. Zugleich erließ er Erstattungsbescheide. (Über 3.031,56 EUR für 01.01.2015 bis 30.06.2015 – S 52 AS 4310/17, über 1.641,30 EUR für 01.07.2015 bis 31.12.2015 – S 52 AS 4307/17, über 4.447,62 EUR für 01.01.2016 bis 30.06.2016 – S 52 AS 4308/17 und über 2.595,78 EUR für 01.07.2016 bis 31.12.2016.) Insgesamt fordert der Beklagte von der Klägerin 11.716,26 EUR zurück. Die Klägerin wäre ihrer Mitwirkungspflicht auf das Schreiben vom 23.11.2016 nicht nachgekommen.
Mit Schreiben vom 14.07.2017, beim Beklagten abgegeben am 17.07.2017, widersprach die Klägerin. Sie habe alle geforderten Unterlagen fristgemäß abgegeben und auf jedes Schreiben geantwortet. Sie habe mehrfach vergeblich um einen Termin gebeten, um offene Fragen zu klären und Einblick in ihre Unterlagen zu gewähren. Sie bitte um Klärung in einem persönlichen Gespräch.
Am 17.07.2017 sprach die Klägerin mit ihren Geschäftsunterlagen beim Beklagten vor und wollte die endgültige Festsetzung besprechen. Dies war dem Beklagten nicht möglich, weshalb die Klägerin um einen Termin bat.
Mit Schreiben vom 20.07.2017, beim Beklagten ersetzend gescannt am 24.07.2017, legte die Klägerin die geforderten Rechnungen des privaten Telefonanschlusses vor. Es sei ihr nicht gelungen, diese auszudrucken, nach mehreren Telefonaten mit dem Anbieter habe er ihr diese nun zugeschickt.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 27.10.2017 wies der Beklagte den Widerspruch (für jeden Leistungszeitraum gesondert) zurück. Eine Reaktion auf das Schreiben vom 23.11.2016 sei nicht erfolgt. Nach Aktenlage seien keine Unterlagen eingereicht worden (Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2016). Bzw (Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016) hätte die Klägerin zwar diverse Unterlagen in Papierform eingereicht, diese hätten aber nicht ausgereicht. Der übersandte USB-Stick genüge den Anforderungen nicht, da dieser "aus sicherheitsrechtlichen Gründen nicht eingelesen werden kann und darf". Das "Vorlegen von Ordnern mit dem Ziel, dass sich das Jobcenter die erforderlichen Unterlagen selbst heraussucht und ggf. kopiert, erfüllt die Mitwirkungspflicht nicht. Eine Verpflichtung des Jobcenters A ... dazu besteht aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes nicht."
Hiergegen erhob die Klägerin am 06.11.2017 Klagen zum Sozialgericht (S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17, S 52 AS 4309/17 und S 52 AS 4310/17). Sie bezieht sich auf ihre Widerspruchsbegründung. Sie habe die kompletten kopierten Belege für 2015 in einem braunen Umschlag beim Jobcenter eingeworfen, unabhängig von der Vorlage der EKS. An den Tag erinnere sie sich nicht mehr. Die Unterlagen für 2016 seien komplett auf dem vorgelegten USB-Stick. Sie sei bereit mitzuwirken und Einsicht in ihre Unterlagen zu gewähren. Ihr sei bisher nicht bekannt gewesen, dass der Beklagte einen Kopierer vorhalte, an dem sie ihre Unterlagen kostenlos kopieren könne. Sie sei auch bereit ihre Unterlagen an diesem Kopierer selbst zu kopieren und dem Beklagten zu übergeben, damit dieser den Anspruch berechnen könne.
Die Klägerin beantragt, die Bescheide vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung über den endgültigen Leistungsanspruch an den Beklagten zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin habe nicht auf das Schreiben vom 23.11.2016 reagiert. Die eingereichten Unterlagen haben nicht ausgereicht. Die Erklärung, dass der Geschäftsordner gesichtet werden könne, erfülle nicht die Mitwirkungspflicht. Der USB-Stick genüge den Anforderungen an die Mitwirkungspflicht nicht, er dürfe nicht eingelesen werden. Sie solle diese Unterlagen nochmals einreichen. In der mündlichen Verhandlung erklärte der Beklagte erstmals, er halte einen Kopierer bereit, an dem die Leistungsbezieher ihre Unterlagen kostenlos kopieren könnten. Hierauf würde auch hingewiesen. Nicht mehr festgehalten werde daran, dass die nochmalige Vorlage der EKS mit Angaben zum Einkommen selbst ebenfalls auf dem Formular erforderlich gewesen wäre. Es bestehe keine Bereitschaft, den Anspruch der Klägerin zu berechnen, wenn diese nunmehr die Kopien an dem bereitgehaltenen Kopierer selbst fertige.
In der mündlichen Verhandlung am 14.06.2018 hat das Gericht die Klagen S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17, S 52 AS 4309/17 und S 52 AS 4310/17 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 52 AS 4307/17 fortgeführt.
Das Gericht hat das Verfahren mit den Beteiligten am 14.06.2018 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll vom 14.06.2018 und darin enthaltenen Erklärungen wird Bezug genommen. Das Gericht hat zudem die Leistungsakten des Beklagten angefordert und beigezogen, die beim Gericht am 29.12.2017 in Form von sechs Bänden Leistungsakten (brauner Aktendeckel) und einem Band Ausdruck der elektronisch geführten Verwaltungsakte eingingen. Nach mehrfacher Erinnerung wurde dem Gericht am 14.06.2018 vor der Verhandlung ein Band nicht paginierte "S-Akten" (rosa Aktendeckel) und drei weitere Heftungen Ausdruck der elektronisch geführten Verwaltungsakte vorgelegt. Sämtliche Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Auf diese sowie den Inhalt der Gerichtsakten, insbesondere die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, wird zur Ergänzung des Tatbestandes verwiesen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage nach § 54 SGG zulässig und im Sinne der Zurückverweisung an den Beklagten begründet.
Die Festsetzung- und Erstattungsbescheide vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 sind rechtswidrig und verletzten die Klägerin in ihren Rechten.
B. Die Klägerin erfüllte im streitbefangenen Zeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2016 die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 19 Satz 1 SGB II für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, denn sie hatte das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht, war erwerbsfähig und hielt sich gewöhnlich in Deutschland auf. Die Klägerin war angesichts der in den vorläufigen Entscheidungen bemessenen Bedarfe und angesichts des von ihr bereits im Verwaltungsverfahren vorgetragenen, nicht bedarfsdeckenden Einkommens oder Vermögens auch hilfebedürftig, § 7 Abs. 1 S.1 Nr. 3, § 9 Abs. 1 SGB II. Ausschlussgründe liegen nicht vor. Ihre im streitbefangenen Zeitraum zum Teil bei ihr wohnende über 25jähre Tochter konnte ihren Bedarf aus eigenem Einkommen decken und gehörte daher nicht zur Bedarfsgemeinschaft, § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II.
Für die endgültige Festsetzung und deren Rechtmäßigkeit ist zu unterscheiden zwischen den Festsetzung- und Erstattungsbescheiden vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 betreffend die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015 und 01.01.2016 bis 30.06.2016 einerseits (ursprüngliche Klagen S 52 AS 4307/17, S 52 AS 4308/17 und S 52 AS 4310/17, dazu unter I ...) sowie 01.07.2016 bis 31.12.2016 andererseits (ursprüngliche Klage S 52 AS 4309/17, dazu unter II.).
I. Nachdem der Beklagte bestandskräftig vorläufig bewilligt hatte, durfte er falls das tatsächliche Einkommen der Klägerin von der Prognose abwich, für die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2015, 01.07.2015 bis 31.12.2015 und 01.01.2016 bis 30.06.2016 endgültig festsetzen. Sonst hätte er die Bewilligung für endgültig erklären müssen. Da der Beklagte ohne jede Ermittlung den Leistungsanspruch auf Null festsetzte, sind die Bescheide rechtswidrig. Für das vom Beklagten gewählte Vorgehen fehlt eine Rechtsgrundlage.
Für die endgültige Festsetzung war nicht auf § 41a Abs. 3 SGB II (mit Wirkung zum 1. August 2016 eingefügt mit dem "Neunten Gesetz zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht" vom 26. Juli 2016, BGBl. I, S. 1824) abzustellen, denn es fehlt eine Norm, die die Geltung des § 41a Abs. 3 SGB II für die Zeit vor dem 01.08.2016 anordnet. Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung fest, SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4077/17 –, juris; SG A ..., Urteil vom 08. März 2018 – S 52 AS 4555/17 –, juris.
§ 80 Abs. 2 SGB II regelt in Nr. 1 "für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren", dass "§ 41a Absatz 5 Satz 1 mit der Maßgabe, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt" gelte. Für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet sind, ist § 41a SGB II anzuwenden, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II.
Demnach wird ausdrücklich nur die Geltung des Absatzes 5 angeordnet. Würde Nr. 1 dahin verstanden, dass § 41a in Gänze angewandt werden sollte, wäre die Regelung in Nr. 2 unsinnig. Für die bereits beendeten Bewilligungszeiträume ordnet der Gesetzgeber nach dem Wortlaut der Vorschrift lediglich die Geltung der Endgültigkeitsfiktion in § 41a Abs. 5 SGB II an, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 51, juris; SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 20 f.
Es kommt also auf das Geltungszeitraumprinzip an, BSG, Urteil vom 19.10.2016 - B 14 AS 53/15 R, juris, Rn. 15; BSG, Urteil vom 30. März 2017 – B 14 AS 18/16 R, juris, Rn. 12. Es ist das materielle Recht für den Zeitraum anzuwenden, für den Leistungen bewilligt wurden. Dieses Prinzip gilt auch für endgültige Festsetzungsentscheidungen. Denn sowohl § 41a SGB II als auch § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis zum 31. Juli 2016 geltenden Fassung, aF) i.V.m. § 328 Abs. 2 SGB III regeln jeweils in Zusammenhang mit den Bestimmungen der ALG II-V auch materielles Recht, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, Rn. 52, juris.
Die Kammer verkennt nicht, dass der Gesetzgeber wohl die Anwendung des § 41a SGB II auch auf Altfälle intendierte, ausführlich SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris Rn. 54 f. Dieser Wille hat aber im Gesetz keinen Niederschlag gefunden, anders SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 und zuletzt SG Augsburg, Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22. Da die Altregelung eine Nullfestsetzung nicht vorsieht, mithin günstiger für die Leistungsberechtigten ist, würde eine Anwendung des § 41a SGB II als echte Rückwirkung auch aus verfassungsrechtlicher Sicht eine ausdrückliche Normierung erfordern; wie hier: SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017, S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 50 ff.; aus der Literatur genauso: Kemper in: Eichler/Luik SGB II, 4. Auflage 2017, § 80 Rdnr. 10, Conradis in Münder, SGB II, 6. Auflage 2017, § 80, Rdnr. 3, im Ergebnis wohl auch BeckOK Sozialrecht/Harich 46. Edition vom 01.09.2017, SGB II, § 80 Rdnr. 3, anders Grote-Seifert in: Schlegel/Voelske, jurisPK-SGB II, 4. Auflage 2015, § 80 Rdnr. 10, Stand: 16.08.2017 und SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn. 22, ohne die Frage zu problematisieren; SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn 24 liefert zwar eine Begründung für die dort vertretene Auffassung, verkennt aber, dass die Anwendung des alten Rechts günstiger ist und auch – nach Vorlage der Unterlagen – im Fall des SG Dortmund günstiger gewesen wäre; zudem handelt es sich um eine echte Rückwirkung: der Leistungszeitraum ist vor Gesetzesänderung beendet. Das SG Dortmund übersieht, dass die vorläufige Bewilligung zwar den Vertrauensschutz in Bezug auf die Festsetzung der Leistung entfallen lässt, daraus folgt aber nicht, dass der verfassungsrechtliche Schutz vor Anwendung von neuem Recht auf abgeschlossene Sachverhalte bei der endgültigen Festsetzung mitentfiele. Die Kammer hält auch unter Berücksichtigung der Begründung des SG Augsburg im Urteil vom 12. März 2018 – S 8 AS 95/18 –, juris, Rn. 22 an ihrer Auffassung fest. Das SG Augsburg argumentiert, dass mit der Anwendung des neuen Rechtes eine nicht mehr hinzunehmende Schlechterstellung des betreffenden Leistungsempfängers nicht einhergehe. Das neue Recht bringe Vorteile, wie die Belehrung und die zeitliche Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II. Der Wegfall etwa der Schätzungsmöglichkeit falle daher nicht derart nachteilig ins Gewicht, die verfahrensrechtliche Position werde gestärkt. Die Kammer hält das für überlegenswert, im Ergebnis aber nicht durchschlagend. Das Argument aus der zeitlichen Grenze des § 41a Abs. 5 SGB II dürfte im Kreis schließen, denn in Altfällen, in denen der Beklagte nach mehreren Jahren festsetzen will, erschließt sich der Vorteil für die Kläger nicht unmittelbar. Darüber hinaus gilt die zeitliche Grenze, bei Altfällen mit Fristbeginn ab 1. August 2016, zweifelsfrei nunmehr auch für das Altrecht, § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II. Im Fall der Klägerin hier hat der Beklagte die Gesetzesänderung zum Anlass genommen, von seiner Praxis, in deren Unterlagen einzusehen, abzurücken. Im Übrigen wird auf die Entscheidung der Kammer vom 08.03.2018, S 52 AS 4555/17, juris verwiesen.
Hier waren die genannten drei streitbefangenen Leistungszeiträume vor dem 1. August 2016 beendet. Die endgültige Festsetzung war nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung, aF, 328 SGB III vorzunehmen. Eine Nullfestsetzung ohne Ermittlungen ist dort nicht vorgesehen. Die Kammer konnte die Bescheide auch nicht in eine Versagung nach § 66 SGB I umdeuten, weil diese Vorschrift die Ausübung von Ermessen durch den Beklagten erfordert, SG Leipzig, Urteil vom 20. November 2017 – S 17 AS 1746/17 –, juris, Rn. 22 und die Voraussetzungen des § 66 SGB I auch sonst nicht vorliegen.
Da die Frage der Auslegung des § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zum Zeitpunkt der Entscheidung der Kammer höchst strittig und weder obergerichtlich noch höchstrichterlich geklärt war, stützt die Kammer ihre Entscheidung vorsorglich auch darauf, dass die Voraussetzungen des § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II nicht erfüllt sind. Insoweit wird auf II. verwiesen.
II. Nachdem der Beklagte bestandskräftig vorläufig bewilligt hatte, und das tatsächliche Einkommen der Klägerin von der Prognose abwich, war der Leistungsanspruch für den Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 endgültig festzusetzen, § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II. Da der streitbefangene Leistungszeitraum bis 31.12.2016 lief und damit vor dem 1. August 2016 noch nicht beendet war, ist § 41a SGB II anzuwenden, § 80 Abs. 2 Nr. 2 SGB II.
Die Voraussetzungen für die vom Beklagten vorgenommene, endgültige Festsetzung des Leistungsanspruchs der Klägerin auf null sind nicht erfüllt. Nach § 41a Abs. 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den monatlichen Leistungsanspruch abschließend fest, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.
Der Beklagte dürfte zwar eine angemessene Frist gesetzt haben, die Belehrung genügt aber den gesetzlichen Erfordernissen nicht und die Klägerin hat keine Mitwirkungsobliegenheit verletzt. Der Beklagte hätte ihr tatsächliches Einkommen ermitteln müssen.
1. Die der Klägerin gesetzte Frist war nach Auffassung der Kammer angemessen.
Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II ist den Leistungsberechtigten eine angemessene Frist zur Erklärung der abschließenden Angaben zu setzen. Der Beklagte hat der Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2016, zugestellt am 25.11.2018 Frist bis zum 28.02.2017 gesetzt.
Die Kammer hat erwogen, ob der Beklagte überhaupt im November 2016 bereits zur Mitwirkung auffordern und eine Frist setzen durfte. Nach § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II tritt die Mitwirkungsobliegenheit der leistungsberechtigten Person und der mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen "nach Ablauf des Bewilligungszeitraums" ein. Der Bewilligungszeitraum lief erst zum 31.12.2016 ab. Denkbar wäre ein Auslegung dahingehend, dass die Verpflichtung im November noch gar nicht bestand (vgl. jedenfalls in Bezug auf die Verpflichtung aus dem vorläufigen Bescheid, leistungserhebliche Änderungen anzuzeigen Formann SGb 2016, 615, 617). Die Kammer hat sich bereits mit der Dogmatik der Mitwirkungspflichten aus §§ 60 ff. SGB I und ihrem Verhältnis zu § 41a Abs. 3 und 4 befasst. In SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 78, 81-84, juris hat die Kammer ausgeführt:
Richtigerweise stellt die Regelung des § 41a Abs. 3 SGB II Sonderrecht zu den §§ 60 ff. SGB I dar, weil der Gesetzgeber meinte, eine nicht vorhandene Lücke schließen zu müssen, ausführlich Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 43 ff. Tatsächlich galten die Mitwirkungsobliegenheiten nach den §§ 60 ff. SGB I aber bereits vor der Neuregelung in § 41a SGB II bis zum Erlass der abschließenden Entscheidung, BSG, Urteil vom 10. November 1977 – 3 RK 44/75 –, juris = BSGE 45, 119-126; Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 42, 44.
Zu betonen ist, dass damit auch § 67 SGB I gilt und anwendbar bleibt. Aus der (überflüssigen) Normierung "die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend" in § 41a Abs. 3 S. 2 letzter HS SGB II lässt sich nichts Gegenteiliges ableiten, weil schon die in Bezug genommen Normen vor der Regelung des § 41a SGB II direkt galten und weiterhin direkt gelten.
Da § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II eine gebundene Nullfestsetzung vorsieht, auch wenn der Leistungsträger weitere Ermittlungsoptionen hat und weil aus der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich ist, dass der Gesetzgeber die Amtsermittlungspflicht für die abschließende Entscheidung in Gänze abschaffen wollte, geht die Kammer davon aus, dass der Gesetzgeber ein besonderes Druckmittel geschaffen hat, um die Mitwirkung der leistungsberechtigten Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen zu erreichen, so auch Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 49.
Daraus folgt, dass die Entscheidung nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II auch keine materiellrechtliche Wirkung hat, sondern eine spezielle Ausprägung der Versagung nach § 66 SGB I darstellt. Durch Nachholung der Mitwirkungshandlung kann sie beseitigt werden, Kemper in Eichler/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 41a Rn 49 f., anders wohl Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 80 Rn 10, Stand: 16.08.2017 und Conradis in Münder, SGB II, 6. Auflage 2017, § 41a Rn. 12 jeweils ohne die Frage zu problematisieren, anders mit Verweis auf die fehlende Inbezugnahme auf § 67 SGB I in § 41a Abs. 3 Satz 2 SGB II SG Dortmund, Urteil vom 08. Dezember 2017 – S 58 AS 2170/17 –, juris, Rn. 30.
Die Kammer hält an dieser Auffassung ausdrücklich fest. Ergänzend wird Bezug genommen auf die Auseinandersetzung der Kammer mit den Argumenten der Gegenauffassung aaO Rn 85 ff.
Konsequenterweise hält die Kammer eine Belehrung und Fristsetzung vor Ablauf des Bewilligungszeitraums daher für zulässig, insbesondere wenn sie wie hier gegen Ende des Bewilligungszeitraums erfolgt, anders wohl Formann SGb 2016, 615, 617. Maßgeblich für die Angemessenheit der Frist ist dann der Zeitraum zwischen Ende des Bewilligungszeitraums und Fristende.
Hier entspricht die Frist einem Zeitraum von zwei Monaten. Die Frist ist unter Berücksichtigung der individuellen Interessen des Leistungsberechtigten einerseits und dem Interesse der Behörde an einer fristgerechten Festsetzung andererseits nach den Einzelfallumständen zu bemessen, SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 64; SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 49, juris. Nach diesem Maßstab war die Frist angemessen. (Die strengere Auffassung des SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, Rn. 24, juris, das eine mindestens zweimonatige Frist für angemessen hält, führt hier zum selben Ergebnis. Die für die übrigen Leistungszeiträume auf den 10.01.2017 gesetzte Frist dürfte allerdings angesichts der Vielzahl der geforderten Unterlagen und der Feiertage "zwischen" den Jahren zwar fragwürdig sein, indessen hat die Klägerin innerhalb der Frist die erforderliche Mitwirkung vorgenommen, s.u.)
2. Die vom Beklagten vorgenommene Belehrung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht.
Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II sind die Leistungsberechtigten schriftlich über die Rechtsfolgen einer nicht fristgerechten Einreichung von Angaben und Unterlagen zu belehren. Nach der Rechtsprechung des BSG sind Leistungsberechtigte über die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung konkret, verständlich, richtig und vollständig zu belehren. Dabei kommt es auf den objektiven Erklärungswert der Belehrung an (zur Belehrung vor Erlass von Sanktionen vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris), zutreffend SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn. 66; dem folgend SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 51, juris.
Hier folgt die Belehrung des Beklagten vom 23.11.2016 in Teilen dem Wortlaut des Gesetzes. Der Beklagte hat die anspruchsvolle sprachliche Gestaltung des Gesetzgebers für den Rechtslaien verständlich gestaltet, indem er die Formen der Verletzung der Mitwirkungsobliegenheit gesondert hervorgehoben dargestellt hat und unmissverständlich deutlich gemacht hat, dass bei fehlender Mitwirkung "die vorläufigen Leistungen im vollen Umfang zurückzuerstatten sind". Unrichtig ist die Belehrung – und Praxis des Beklagten – sein, Originale der abgeforderten Unterlagen zurückzuweisen. § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I benennt vorzulegende "Beweisurkunden". Hierauf ist die Obliegenheit dessen gerichtet, der Sozialleistungen beantragt oder erhält. Gemeint ist die Vorlage im Original (vgl. § 420 ZPO), andernfalls ist schon der Urkundenbegriff des § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I gar nicht erfüllt. Die vom Beklagten geforderte Überlassung einer Abschrift ist demgegenüber etwas anderes. Hierfür fehlt eine gesetzliche Grundlage. Dies hat die Kammer bereits in SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 53, juris entschieden. Die Kammer hält hieran fest. Die Kammer hatte aaO weiter argumentiert:
"Wenn der Beklagte eine Abschrift der Urkunden im Verfahren benötigt, kann er diese Auslagen nicht auf den Kläger abwälzen, denn das Verfahren ist gebühren- und auslagenfrei, § 64 Abs. 1 S. 1 SGB X. Insbesondere bei Selbständigen sind typischerweise eine nicht unerhebliche Anzahl von Urkunden vorzulegen, erst recht wenn für vier Jahre abschließende Unterlagen abgefordert werden. Die Kosten für die Kopien sind daher nicht unerheblich."
Auch dies hält die Kammer weiter für zutreffend. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihre Geschäftsordner vorgelegt. Es handelte sich für 2015 und 2016 jeweils um einen gut gefüllten Leitzordner. Überrascht wurde die Kammer durch den Vortrag in der mündlichen Verhandlung, dass der Beklagte eine kostenlose Kopiermöglichkeit bereithält. Es gab keinen Grund an der Wahrheit dieser Aussage zu zweifeln. Genau so war die Kammer nach ihrem Eindruck in der mündlichen Verhandlung davon überzeugt, dass die Klägerin diese Möglichkeit nicht kannte.
Die Kammer hält den Verweis auf diese Möglichkeit für zulässig. Indessen war sie eben nicht bekannt und musste angesichts fehlender schriftlicher Hinweise auch nicht bekannt sein. Diese Unklarheit wirkt sich zu Lasten des Beklagten aus. Er muss in der Belehrung hierauf hinweisen. Sonst entsteht der Eindruck, die Vorlage von Originalurkunden sei nicht möglich. Die Belehrung ist damit unrichtig.
Weiter hat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15.06.2017 hinsichtlich ihrer Möglichkeit, die Mitwirkungshandlung nachzuholen, belehrt. Dies ist zwar nach Auffassung der Kammer inhaltlich richtig, vgl. oben und die bereits zitierte Entscheidung SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 84, juris, allerdings fehlt der Hinweis auf die zuvor mögliche Nullfestsetzung. Die beiden Belehrungen unterscheiden sich erheblich. Nach der Belehrung vom 15.06.2017 bleibt für die Klägerin unklar, ob dem Beklagten die (zwischenzeitliche) Nullfestsetzung möglich ist. Diese Unklarheit führt zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung insgesamt.
Aus der Fehlerhaftigkeit der Belehrung folgt die Rechtwidrigkeit der Nullfestsetzung, denn die Belehrung ist Tatbestandsvoraussetzung nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II, vgl. auch die Urteile des BSG zu Sanktionen, Urteil vom 18. Februar 2010 – B 14 AS 53/08 R –, juris, Rn. 18 ff = BSGE 105, 297-304; Urteil vom 15. Dezember 2010 – B 14 AS 92/09 R –, juris, Rn. 24.
3. Die weitere Voraussetzung des § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II für die Feststellung, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand, dass die Klägerin ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist, liegt nicht vor. Die Klägerin hat in rechtlich nicht zu beanstandender Weise mitgewirkt.
a) Die Kammer hat ihre Entscheidung nicht darauf gestützt, dass die beweisbelastete Klägerin die Belege für 2015 in Kopie in einem braunen Briefumschlag vorgelegt hätte. Zwar lässt sich nicht ausschließen, dass Unterlagen beim Beklagten auch verloren gehen oder falsch zugeordnet werden können. Aus Sicht der Kammer war aber der Vollbeweis nicht erbracht. Denkbar waren andere Möglichkeiten, wie fehlerhafte Erinnerung der Klägerin oder Einwurf an falscher Stelle. Die Kammer hat daher eine Beweislastentscheidung getroffen.
b) Die Klägerin hat allerdings innerhalb der gesetzten Frist mitgewirkt und Unterlagen vorgelegt.
Der Kammer erschließt sich die Behauptung des Beklagten in den Ausgangsbescheiden und den Widerspruchsbescheiden für die Zeiträume 01.01.2015 bis 30.06.2016, wonach die Klägerin nicht reagiert hätte, nicht, genau so wenig, wie die entsprechende Verteidigung im Klageverfahren. Die im Tatbestand benannten Schreiben der Klägerin finden sich in den vorgelegten Verwaltungsakten. Die Eingangs- und Scandaten hat die Kammer aus den Eingangsstempeln und Aufdrucken abgeleitet.
Die Mitwirkung hinsichtlich der Erklärung über ihr Einkommen, Einnahmen und Ausgaben aus selbständiger Tätigkeit war erfüllt. Mit Ausnahme des Zeitraum 01.07.2016 bis 31.12.2016 war deren neuerliche Vorlage schon nicht erforderlich und durfte auch unter dem 23.11.2016 nicht erneut angefordert werden. Dem Beklagten lagen diese Erkenntnisse vor. Unzweifelhaft war, dass die Tabellen von der Klägerin stammten. Die Kammer verkennt nicht § 60 Abs. 2 SGB I ... Die Klägerin hat aber alle leistungs- und entscheidungserheblichen Tatsachen mitgeteilt, die Kammer hält es daher für unschädlich, dass sie nicht die Vordrucke benutzt hat, die Norm ist eine Soll-Vorschrift, vgl. KassKomm/Seewald, 98. EL März 2018, SGB I § 60 Rn. 36. Der Beklagte hielt dies zuletzt auch nicht mehr für erforderlich.
Die Mitwirkung hinsichtlich des Nachweises der Einnahmen und Ausgaben war ebenfalls erfüllt. Hierfür genügt die erklärte Bereitschaft, die Unterlagen vorzulegen. Dass es nicht zur Vorlage der Unterlagen selbst kam, liegt ausschließlich am Beklagten, der dies vereitelt hat.
Die Klägerin hat sich zur Vorlage von Urkunden bereit erklärt und hierfür einen Termin erbeten. Mehrfach. Dass sie nicht zur Fertigung von Kopien auf eigene Kosten verpflichtet war, hat die Kammer bereits dargelegt. Dass sie die Möglichkeit nicht kannte, Kopien auf Kosten des Beklagten zu fertigen, hat die Kammer ebenfalls ausgeführt. Die Kammer hat auch dargelegt, dass aus § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I folgt, dass die Mitwirkungsverpflichtung sich auf die Vorlage der Urkunden im Original bezieht. Genau das hat die Klägerin immer wieder angeboten. Mit einer plausiblen Begründung. Hierin eine fehlende Mitwirkung zu erkennen, hält die Kammer für nicht nahe liegend. Selbstverständlich hätte der Beklagte der Klägerin die Vorlage ermöglichen müssen. In einem solchen Termin oder auch vorab mag er sie auf das Fertigen der kostenlosen Kopien verweisen.
Dass die Klägerin nicht über die in §§ 60 ff. SGB I geregelten Mitwirkungspflichten hinaus zur Mitwirkung verpflichtet ist, ergibt sich aus §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 20 und 21 Abs. 2 S. 3 SGB X. § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II regelt keine darüber hinausschießende Mitwirkungspflicht. Die Auffassung der Kammer ist oben unter II. 1. dargelegt, grundlegend SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, Rn. 78 ff. und die dort zitierte Literatur. Auch die Gegenauffassung dürfte zum selben Ergebnis kommen und dürfte dies aus dem (überflüssigen) Verweis "die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend" ableiten, vgl. Formann SGb 2016, 615, 617 – ohne weitere Problematisierung. Auch der Gesetzgeber ging von der Geltung des § 20 Abs. 1 S. 1 SGB X aus, BT Drs. 18/8041, S. 53 (in Bezug auf die Rechtsfolge aus S. 3 und 4 des § 41a Abs. 3 SGB II), das ergibt nur Sinn, wenn es beim gesamten Gefüge aus §§ 20, 21 SGB X und 60 ff. SGB I bleibt.
Die Kammer hatte nach ihrem Eindruck aus der Hauptverhandlung und den aus den Verwaltungsakten ersichtlichen Vorgängen keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Terminsbitte der Klägerin. Die Klägerin hat geradezu gebetsmühlenartig vorgetragen, dass sie mitwirken wolle und ihre Unterlagen zur Einsicht vorlegen werde. Sie hat dies ausweislich der Verwaltungsakten in der Vergangenheit und den Zeiträumen, die auf die strittigen Zeiträume folgten, getan. Immer wieder trug die Klägerin vor, dass sie aus Kostengründen vorlegen und nicht kopieren will. Es bestand für die Kammer kein Zweifel, dass die Klägerin bei Kenntnis der Möglichkeit die Unterlagen (aus ihrer Sicht nochmals) kopiert hätte. Weshalb der Beklagte statt immer weiterer Anforderung von Unterlagen, die Klägerin nicht auf diese Möglichkeit schriftlich hinwies, erschloss sich der Kammer nicht.
Die Klägerin hatte demnach getan, wozu sich rechtlich verpflichtet war.
Dass der Beklagte ihr einen Termin einräumen muss, wenn sie diesen erbittet, ergibt sich zudem aus der Nichtförmlichkeit des Verwaltungsverfahrens und dem Amtsermittlungsgrundsatz, §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 9, 20 und 21 SGB X, vgl. Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 9 Rn. 4; zuletzt auch SG A ..., Beschluss vom 27. März 2018 – S 20 AS 914/18 ER –, Rn. 22, juris (zur Anhörung nach § 24 SGB X). § 20 Abs. 1 S. 2 und § 21 Abs. 1 S. 1 SGB X ermöglichen dem Beklagten, Art und Umfang der Ermittlungen zu bestimmen und Beweismittel nach pflichtgemäßem Ermessen beizuziehen. Dies findet aber seine Grenzen in den definierten Mitwirkungsobliegenheiten der Beteiligten, §§ 21 Abs. 2 SGB X, 60 ff. SGB I ... Der Beklagte kann darüber hinaus keine weiteren Mitwirkungsobliegenheiten erfinden, wie hier geschehen.
Dass die Klägerin "Ordner mit dem Ziel, dass sich das Jobcenter die erforderlichen Unterlagen selbst heraussucht und ggf. kopiert" vorlegen wollte, ist eine unsachliche Unterstellung, die durch keine Tatsache getragen ist. Ausweislich der Verwaltungsakte hatte die Klägerin in den Zeiträumen vor und nach den hier strittigen Zeiten die Belege sortiert und nummeriert. Außerdem hätte die Vorlage des kopierten Ordners die Anforderungen aus dem Schreiben vom 23.11.2016 erfüllt, so dass die Argumentation des Beklagten ohnehin zirkulär ist. Weiter zeigt das "Argument" des Beklagten, "Eine Verpflichtung des Jobcenters A ... dazu besteht aufgrund des damit verbundenen Zeit- und Verwaltungsaufwandes nicht.", dass die Rechtslage verkannt wurde. Der Beklagte hat den praktikabelsten, den Leistungsempfänger am wenigsten belastenden und kostengünstigsten Weg zu wählen, Roller, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 9 Rn. 6, vgl. BT Drs. 7/910, S. 42 zu § 10 VwVfG. Der Beklagte hat den Grundsatz in sein Gegenteil verkehrt.
Der Beklagte verkennt die Norm des § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II, wenn er meint, diese diene der Vermeidung von Ermittlungen. Es ist nicht ersichtlich, dass § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II den Amtsermittlungsgrundsatz nach §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 20 SGB X beseitigt, er normiert lediglich für den Fall der Mitwirkungsverweigerung eine Versagungsmöglichkeit (zur dogmatischen Bewertung vgl. oben und das Urteil der Kammer vom 11.01.2018, S 52 AS 4382/17, juris, Rn 84 ff.). Weshalb die Klägerin ihre Belege nicht in einem Termin vorlegen können soll, bleibt rätselhaft. Nicht so recht ausschließen konnte die Kammer, dass der Beklagte nicht zu ermitteln beabsichtigte.
c) Die Kammer hielt die Festsetzung mit den Bescheiden vom 10.07.2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 27.10.2017 auch für die Klägerin überraschend und damit gehörswidrig. Dass die Bereitschaft zur Vorlage der Originalunterlagen nicht als Mitwirkungshandlung ausreichen soll, erfährt die Klägerin erstmals aus dem Widerspruchsbescheiden. Da der Beklagte in der Vergangenheit den Ordner entgegennahm, kann er so nicht vorgehen, insbesondere, wenn er meint, eine inhaltliche Überprüfung der Festsetzungsentscheidung scheide aus. Er muss dann der Klägerin eine Chance einräumen, ihr Vorgehen zu prüfen.
Abgesehen davon hat er im Aufforderungsschreiben vom 15.06.2017 der Klägerin mitgeteilt, er würde die Geldleistungen ganz versagen, "bis Sie die Mitwirkung nachholen". Daran muss der Beklagte sich festhalten lassen, §§ 40 Abs. 1 S. 1 SGB II, 34 SGB X. Die Klägerin sprach am 17.07.2017 zur Mitwirkung vor. Das muss der Beklagte dann im Widerspruchsverfahren berücksichtigen.
Fehlerhaft war auch die Zurückweisung des USB-Sticks. Auch insoweit erfährt die Klägerin die Auffassung des Beklagten erstmals aus dem Widerspruchsbescheiden. Dieses Vorgehen ist überraschend und damit gehörswidrig. Der Beklagte kann zur Ermittlung des Sachverhalts Urkunden und Akten auch in elektronischer Form beiziehen, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt, § 21 Abs. 1 S. 3 SGB X. Es gibt keine anderweitige Bestimmung durch Rechtsvorschrift. Die Kammer hält die Vorlage elektronischer Unterlagen mit dem Wortlaut des Aufforderungsschreibens des Beklagten für vereinbar. Bei dieser Rechtlage muss der Beklagte der Klägerin vor der Entscheidung mitteilen, dass er Sicherheitsbedenken hat. Diese Obliegenheit ergibt sich auch aus § 37 Abs. 3 S. 1 SGB I ...
4. Selbst wenn die Rechtsauffassung des Beklagten in Bezug auf die Belehrung und Mitwirkung zuträfe, hätte der Beklagte jedenfalls die falsche Rechtsfolge ausgesucht. Nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch in diesen Fällen für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Es ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte nicht mit den behaupteten Einnahmen und den durch Kopien in der Akte nachgewiesenen Ausgaben ein Einkommen hätte errechnen können.
III. Die Kammer hat die angegriffenen Entscheidungen des Beklagten gemäß § 131 Abs. 5 SGG aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an den Beklagten zurückverwiesen. Nach § 131 Abs. 5 SGG kann das Gericht, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist.
Die Voraussetzungen sind erfüllt. Für die Feststellung des endgültigen Leistungsanspruchs der Klägerinnen und damit einer evtl. Erstattungsforderung im streitbefangenen Leistungszeitraum ist eine weitere Sachaufklärung erforderlich. Der Beklagte hat die angebotenen Beweisurkunden zu berücksichtigen. Gegebenenfalls sind Ausgaben nicht abzusetzen oder Einnahmen angemessen zu erhöhen, § 3 Abs. 3 ALG II-V. Die Ermittlungen sind nach Art und Umfang erheblich, eine Feststellung des Beklagten ist trotz des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich. Insoweit sind auch die Erstattungsforderungen des Beklagten neu festzusetzen oder gegebenenfalls nachträglich Leistungen in anderer Höhe zu bewilligen. Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstellte der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und den Leistungsanspruch zu berechnen, vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015, B 14 AS 30/14 R, juris für reine Anfechtungsklagen; MKLS/Keller, SGG, 12. Aufl. 2017, § 131 Rn 17 ff.; SG Augsburg, Urteil vom 03. Juli 2017 – S 8 AS 400/17 –, juris, Rn 29; SG Berlin, Urteil vom 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17 –, juris, Rn 84 ff.; SG A ..., Urteil vom 11. Januar 2018 – S 52 AS 4382/17 –, juris, Rn. 101.
Die Frist des § 131 Abs. 5 S. 5 SGG von sechs Monaten nach Eingang der Akten bei Gericht ist noch nicht abgelaufen. S-Akten sind Bestandteil der Akten und wurden am 14.06.2018, dem Tag der Entscheidung, vorgelegt. Aber auch seit Eingang der ersten Aktenteile waren noch keine sechs Monate vergangen.
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung folgt aus § 143, 144 SGG. Die Kammer hat nach § 161 Abs. 1 S. 1 SGG die Sprungrevision zugelassen. Die Voraussetzungen nach § 161 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegen vor, denn das vorliegende Verfahren hat grundsätzliche Bedeutung für eine Vielzahl von Verfahren. Die ungeklärte Frage, ob für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren, Nullfestsetzungen nach § 41a Abs. 3 SGB II möglich sind, war hier nicht entscheidungserheblich. Allerdings ist nicht höchstrichterlich geklärt, wie sich die Mitwirkungspflichten in § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II zum Amtsermittlungsgrundsatz verhalten. Kann der Beklagte verlangen, dass bereits bekannte Informationen (zB EKS) nochmals nachgewiesen werden? Kann er über die in §§ 60 ff. SGB I normierten Mitwirkungsverpflichtungen hinaus Mitwirkungen verlangen? Kann er die Vorlage von Kopien statt Originalen verlangen? Kann der Beklagte bei selbständig tätigen Leistungsbeziehern auf Null festsetzen, wenn nur ein Teil der geforderten Mitwirkung (ausgefüllte EKS) erbracht wird oder muss er unter Berücksichtigung der vorgelegten Unterlagen ein Einkommen errechnen? Kann – Rechtmäßigkeit der Nullfestsetzung vorausgesetzt – die Mitwirkungshandlung nachgeholt werden? Diese Fragen waren entscheidungserheblich und sind nicht geklärt. Sie sind für eine Vielzahl von Verfahren, die in der Kammer und am Sozialgericht Dresden anhängig sind entscheidungserheblich.
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