Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 35 AS 544/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 282/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten wird zurückgewiesen. Der Beklagte hat auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid.
Die 1955 geborene erwerbsfähige Klägerin bezieht seit Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 24. April 2012 teilte die Klägerin mit, dass sie die Pflege ihrer Mutter übernommen habe und seit März das Pflegegeld der Pflegestufe I ihrer Mutter erhalten würde. Es liegt ein Schreiben der Pflegekasse vom 10. April 2012 vor, nach dem die Mutter der Klägerin seit dem 28. März 2012 Leistungen der Pflegestufe I erhalte.
Mit Schreiben vom 17. April 2013 wurde die Klägerin von der für sie zuständigen Arbeitsvermittlerin in die Räumlichkeiten des Beklagten zu einem Gespräch am 14. Mai 2013 eingeladen. Als Zweck des Gesprächs war die Besprechung der aktuellen beruflichen Situation der Klägerin genannt. Die Klägerin erschien zu dem angegebenen Meldetermin nicht und meldete sich auch sonst nicht beim Beklagten. Es erfolgten weitere Einladungen zu Terminen am 28. Mai 2013, 20. Juni 2013, 9. Juli 2013, 27. August 2013, 19. September 2013, 22. Oktober 2013, 11. November 2013, 27. Dezember 2013, 31. Januar 2014 und 28. Februar 2014 sowie offenbar am 28. März 2014, 5. Mai 2014 und 26.Mai 2014. Die Termine verstrichen, ohne dass die Klägerin diese wahrnahm oder sich zu den Hinderungsgründen äußerte.
Der Beklagte erließ aufgrund der Meldeversäumnisse verschiedene Sanktionsbescheide (vom 21. Juni 2013, 19. Juli 2013, 16. September 2013, 24. September 2013, 24. Oktober 2013, 13. November 2013, 3. Dezember 2013, 3. Februar 2014, 3. März 2014 und 10. April 2014), mit welchen er für die Dauer von jeweils drei Monaten eine Minderung des Leistungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 10% feststellte. Entsprechend wurden die Auszahlungen gekürzt. Der Bescheid vom 19. Juli 2013 wurde bestandskräftig, hinsichtlich des Bescheides vom 3. Februar 2014 ist dies streitig (siehe Urteil des Senats vom heutigen Tage im Berufungsverfahren L 4 AS 68/16); gegen die weiteren Bescheide legte die Klägerin jeweils Widersprüche ein. Sie habe bereits mit Schreiben vom 22. April 2012 ihre persönliche Situation mitgeteilt, ohne dass der Beklagte hierzu Rückfragen gehabt hätte. Die Widersprüche wurden zurückgewiesen und die hiergegen erhobenen Klagen (nur der Widerspruchsbescheid vom 11.2.2014 hinsichtlich des Sanktionsbescheides vom 3.12.2014 wurde nicht angegriffen) blieben zum Teil erfolglos (zuletzt LSG Hamburg, Beschluss v. 25.1.2016 – L 4 AS 99/15 NZB, L 4 AS 100/15 NZB, L 4 AS 101/15 NZB, L 4 AS 102/15 NZB, L 4 AS 104/15 NZB); zum Teil sind die Verfahren Gegenstand der Berufungsurteile des Senats vom heutigen Tage in den Verfahren L 4 AS 278/16, L 4 AS 279/16).
Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015.
Aufgrund des Versäumnisses eines weiteren Meldetermins am 11. Juli 2014 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2014 die Minderung des Auszahlungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis 30. November 2014 in Höhe von monatlich 39,10 Euro fest und verfügte zugleich die entsprechende teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18. Juli 2014. Den Widerspruch der Klägerin vom 14. August 2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2014 zurück. Hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens wird auf das Senatsurteil vom heutigen Tage im Berufungsverfahren L 4 AS 281/16 verwiesen.
Die Klägerin wurde sodann mit Schreiben vom 8. August 2014 aufgefordert, sich am 26. September 2014 um 8.00 Uhr in den Räumlichkeiten der Arbeitsvermittlung einzufinden, um über die aktuelle berufliche Situation zu sprechen. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.
Da die Klägerin den Termin am 26. September 2014 nicht wahrnahm, lud der Beklagte sie mit Schreiben vom gleichen Tag zu einem neuen Gesprächstermin am 28. Oktober 2014 ein und hörte sie zugleich zu einer beabsichtigten Minderung wegen ihres unentschuldigten Fernbleibens an. Mit Sanktionsbescheid vom 3. November 2014 stellte der Beklagte die Minderung des Auszahlungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 28. Februar 2015 in Höhe von monatlich 39,10 Euro fest. Zugleich verfügte er die entsprechende teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18. Juli 2014. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 zurück.
Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 für den Monat Januar 2015 passte der Beklagte die Höhe des Regelbedarfs an und berücksichtigte die Sanktion.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015 unter Berücksichtigung der Sanktion im Februar 2015.
Mit ihrer am 16. Februar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt.
Mit Urteil vom 27. Juni 2016 hat das Sozialgericht den Sanktionsbescheid aufgehoben. Die Meldeaufforderung, die als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen sei, sei ermessensfehlerhaft ergangen. Denn der Beklagte habe nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen seien, in die Entscheidungsfindung einbezogen. Der Beklagte hätte vorliegend erläutern müssen, weshalb er trotz der offenkundigen Erfolglosigkeit seiner Eingliederungsstrategie weiterhin wie bisher verfahre, damit sich nicht der Eindruck aufdränge, er habe sich bei der Meldeaufforderung von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Dies gelte umso mehr, als dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Klägerin das nicht als Einkommen anzurechnende Pflegegeld der Mutter erhielt und daher dauerhaft über eine zusätzliche Einnahmequelle verfügte. Dabei hätten Handlungsalternativen für den Beklagten auf der Hand gelegen (Hausbesuch, Angebot auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, höhere Einladungsdichte zum Erreichen eines empfindlichen Sanktionsniveaus). Die Kammer folge nicht der Rechtsprechung, nach der erst dann weitere Ermessenserwägungen in die Begründung der Meldeaufforderung einzustellen seien, wenn die "qualitative Schwelle" von mehr als 30%, bei der entsprechend § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II ergänzende Sachleistungen zu erbringen seien, erreicht sei. Diese Hürde könne ohne weiteres umgangen werden durch die Lage der Meldetermine und der Sanktionsbescheide. Gerade dies würde aber den Eindruck, dass der Beklagte sich von zweckwidrigen Erwägungen leiten lasse, gerade verschärfen und umso mehr eine Ermessenserwägung erforderlich machen, die in den Bescheid zwingend einzustellen sei. Die Aufhebung bewilligter Leistungen erweise sich folgerichtig ebenfalls als rechtswidrig.
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Der Beklagte hat am 2. August 2016 Berufung gegen das am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil eingelegt. Er macht geltend, dass erst ab einer Minderung um mehr als 30 % eine Überprüfung der Ermessensausübung veranlasst sei. Der Beklagte stoße hier an die Grenzen seiner Möglichkeiten.
Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie bleibe aus wichtigem, dem Beklagten bekanntem Grund den Meldeterminen fern. Sie erwähnt ferner einen "unsachgemäßen" Entlassungsvorgang aus dem Jahr 1998 und ihr daraus gegenüber dem Beklagten zustehende Schadenersatzforderungen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nach Aktenlage,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 28. Juni 2018 über die Berufung mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
II.
Den Streitgegenstand des Verfahrens bildet der Sanktionsbescheid vom 3. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2015, der sowohl die Feststellung der Leistungsminderung als auch die entsprechende Teilaufhebung der Leistungsbewilligung verfügt. Sanktions- und Umsetzungsverfügung bilden eine rechtliche Einheit im Sinne einer einheitlichen Regelung zur Höhe der SGB II-Leistungen in dem von der Absenkung betroffenen Zeitraum (vgl. BSG, Urt. v. 22.3.2010 – B 4 AS 68/09 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.7.2016 – L 25 AS 2819/15; Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 31b Rn. 8; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2016, § 31b Rn. 14). Ob das Sozialgericht weitere Bescheide hätte einbeziehen müssen, kann mangels Berufung der Klägerin dahinstehen.
Hier ging es der Klägerin ausweislich ihres Antrags vor dem Sozialgericht allein um die Anfechtung von Sanktion und gleichzeitig verfügter Teilaufhebung, es handelt sich mithin um ein Anfechtungsbegehren hinsichtlich der Bescheide.
III.
Die Berufung des Beklagten ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung des Beklagten ist indes unbegründet. Die Klage ist nämlich vollständig begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Zwar hat eine Anhörung der Klägerin stattgefunden und ist der Bescheid vom 3. November 2014 formell nicht zu beanstanden. Die materiell-rechtliche Beurteilung richtet sich nach § 32 SGB II sowie nach §§ 31a Abs. 3 und 31b SGB II, die nach § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten. Nach § 32 Abs. 1 SGB II ist zu prüfen, ob eine leistungsberechtigte Person eine Meldeaufforderung erhalten hat, ob ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde (§ 59 SGB II, § 309 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III), ob die Person eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung erhalten oder von den Rechtsfolgen Kenntnis hat und ob die Person ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (vgl. BSG, Urt. v. 29.4.2015 – B 14 AS 19/14 R). Nach diesen Maßstäben erweist sich der Sanktionsbescheid als rechtswidrig.
Die Klägerin ist eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II. Sie erhielt eine mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehene Meldeaufforderung vom 8. August 2014. Dieser Meldeaufforderung kam sie auch ohne wichtigen Grund nicht nach; die angeführte Pflegesituation mit ihrer Mutter ist weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren auch nur annähernd dargelegt oder gar nachgewiesen worden. Ob die Klägerin daran Verschulden trägt, kann allerdings offen bleiben; die Meldeaufforderung hält der inzidenten Überprüfung nämlich nicht stand.
Zwar verfolgte die Meldeaufforderung einen rechtmäßigen Zweck, nämlich ein Gespräch über die aktuelle berufliche Situation der Klägerin (vgl. BSG, Urt. v. 29.4.2015, a.a.O.). Jedoch begegnet die Ermessensausübung hinsichtlich der Meldeaufforderung durchgreifenden Bedenken.
Das Bundessozialgericht (Urt. v. 29.4.2015, a.a.O.) hat in einem ebenfalls durch eine rasche Abfolge vielfacher Meldeaufforderungen gekennzeichneten Fall ausgeführt:
"Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken in nahezu wöchentlichem Abstand an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind ( ). Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.
Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des "Förderns und Forderns" im SGB II und nach § 1 Abs. 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift "Sanktionen" vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung z.B. einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf.
Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken "Ihr Bewerberangebot b.z.w. Ihre berufliche Situation" drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf ( ). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II).
In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen."
Diese Rechtsprechung, die breite Zustimmung gefunden hat (vgl. SächsLSG, Beschluss v. 22.12.2016 – L 7 AS 1149/16 B ER; LSG Berlin-Bbg., Urt. v. 28.7.2016 – L 25 AS 2819/15 WA, Valgolio, a.a.O., § 32 Rn. 18a; Berlit, in: LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 32 Rn. 13; Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 32 Rn. 12), macht der erkennende Senat sich zu Eigen. Danach liegt hier ein Ermessensdefizit vor. Der Meldeaufforderung zum 26. August 2014 waren bereits entsprechende Aufforderungen zu Terminen am 14. Mai 2013, 28. Mai 2013, 20. Juni 2013, 9. Juli 2013, 27. August 2013, 19. September 2013, 22. Oktober 2013, 11. November 2013, 27. Dezember 2013, 31. Januar 2014, 28. Februar 2014 sowie offenbar am 28. März 2014, 5. Mai 2014 und 26. Mai 2014 und zuletzt am 11. Juli 2014 vorausgegangen, die die Klägerin jeweils versäumt hatte. Es war nicht zu erwarten, dass die Klägerin nun der Meldeaufforderung folgen würde. In dieser Lage hätte der Beklagte die Erwägungen deutlich machen müssen, die ihn zum Festhalten an dem eingeschlagenen Weg bewegten, oder andere und erfolgversprechendere Wege der Eingliederung in Betracht ziehen müssen. Anders formuliert war "die Eingliederungsförderlichkeit der neuerlichen Meldeaufforderung zu überprüfen, den Gründen für die Nichtbeachtung nachzugehen und dies bei der Ermessensbetätigung erkennbar zu berücksichtigen" (so Berlit, a.a.O. Rn. 13). Dafür ist indes nichts erkennbar.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, dass erst ab einer Leistungsminderung von mehr als 30 % weitere, spezifische Ermessenserwägungen erforderlich würden. Dies ist bereits der angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht zu entnehmen, die lediglich mit dem abgestuften Konzept des Gesetzgebers argumentiert, ohne aber die Ermessensproblematik an eine Leistungsminderung von mehr als 30 % zu binden. Vor allem aber steht die Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht der Feststellung eines Ermessensdefizits im Einzelfall – wie hier – entgegen.
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Umsetzung der Leistungsminderung durch Teilaufhebung der Leistungsbewilligung vom 18. Juli 2014.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die rasche Abfolge von Meldeaufforderungen und daraus bei Versäumnissen hergeleitete Sanktionen sind in der Praxis des Beklagten häufig zu beobachten und die Rechtslage erscheint nicht für alle Fallgestaltungen als bereits geklärt.
Tatbestand:
Die Klägerin wendet sich gegen einen Sanktionsbescheid.
Die 1955 geborene erwerbsfähige Klägerin bezieht seit Juli 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten.
Am 24. April 2012 teilte die Klägerin mit, dass sie die Pflege ihrer Mutter übernommen habe und seit März das Pflegegeld der Pflegestufe I ihrer Mutter erhalten würde. Es liegt ein Schreiben der Pflegekasse vom 10. April 2012 vor, nach dem die Mutter der Klägerin seit dem 28. März 2012 Leistungen der Pflegestufe I erhalte.
Mit Schreiben vom 17. April 2013 wurde die Klägerin von der für sie zuständigen Arbeitsvermittlerin in die Räumlichkeiten des Beklagten zu einem Gespräch am 14. Mai 2013 eingeladen. Als Zweck des Gesprächs war die Besprechung der aktuellen beruflichen Situation der Klägerin genannt. Die Klägerin erschien zu dem angegebenen Meldetermin nicht und meldete sich auch sonst nicht beim Beklagten. Es erfolgten weitere Einladungen zu Terminen am 28. Mai 2013, 20. Juni 2013, 9. Juli 2013, 27. August 2013, 19. September 2013, 22. Oktober 2013, 11. November 2013, 27. Dezember 2013, 31. Januar 2014 und 28. Februar 2014 sowie offenbar am 28. März 2014, 5. Mai 2014 und 26.Mai 2014. Die Termine verstrichen, ohne dass die Klägerin diese wahrnahm oder sich zu den Hinderungsgründen äußerte.
Der Beklagte erließ aufgrund der Meldeversäumnisse verschiedene Sanktionsbescheide (vom 21. Juni 2013, 19. Juli 2013, 16. September 2013, 24. September 2013, 24. Oktober 2013, 13. November 2013, 3. Dezember 2013, 3. Februar 2014, 3. März 2014 und 10. April 2014), mit welchen er für die Dauer von jeweils drei Monaten eine Minderung des Leistungsanspruchs der Klägerin in Höhe von 10% feststellte. Entsprechend wurden die Auszahlungen gekürzt. Der Bescheid vom 19. Juli 2013 wurde bestandskräftig, hinsichtlich des Bescheides vom 3. Februar 2014 ist dies streitig (siehe Urteil des Senats vom heutigen Tage im Berufungsverfahren L 4 AS 68/16); gegen die weiteren Bescheide legte die Klägerin jeweils Widersprüche ein. Sie habe bereits mit Schreiben vom 22. April 2012 ihre persönliche Situation mitgeteilt, ohne dass der Beklagte hierzu Rückfragen gehabt hätte. Die Widersprüche wurden zurückgewiesen und die hiergegen erhobenen Klagen (nur der Widerspruchsbescheid vom 11.2.2014 hinsichtlich des Sanktionsbescheides vom 3.12.2014 wurde nicht angegriffen) blieben zum Teil erfolglos (zuletzt LSG Hamburg, Beschluss v. 25.1.2016 – L 4 AS 99/15 NZB, L 4 AS 100/15 NZB, L 4 AS 101/15 NZB, L 4 AS 102/15 NZB, L 4 AS 104/15 NZB); zum Teil sind die Verfahren Gegenstand der Berufungsurteile des Senats vom heutigen Tage in den Verfahren L 4 AS 278/16, L 4 AS 279/16).
Mit Bescheid vom 18. Juli 2014 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen vom 1. August 2014 bis zum 31. Januar 2015.
Aufgrund des Versäumnisses eines weiteren Meldetermins am 11. Juli 2014 stellte der Beklagte mit Bescheid vom 8. August 2014 die Minderung des Auszahlungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. September 2014 bis 30. November 2014 in Höhe von monatlich 39,10 Euro fest und verfügte zugleich die entsprechende teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18. Juli 2014. Den Widerspruch der Klägerin vom 14. August 2014 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. Oktober 2014 zurück. Hinsichtlich des gerichtlichen Verfahrens wird auf das Senatsurteil vom heutigen Tage im Berufungsverfahren L 4 AS 281/16 verwiesen.
Die Klägerin wurde sodann mit Schreiben vom 8. August 2014 aufgefordert, sich am 26. September 2014 um 8.00 Uhr in den Räumlichkeiten der Arbeitsvermittlung einzufinden, um über die aktuelle berufliche Situation zu sprechen. Das Schreiben enthielt eine Rechtsfolgenbelehrung.
Da die Klägerin den Termin am 26. September 2014 nicht wahrnahm, lud der Beklagte sie mit Schreiben vom gleichen Tag zu einem neuen Gesprächstermin am 28. Oktober 2014 ein und hörte sie zugleich zu einer beabsichtigten Minderung wegen ihres unentschuldigten Fernbleibens an. Mit Sanktionsbescheid vom 3. November 2014 stellte der Beklagte die Minderung des Auszahlungsanspruchs der Klägerin für den Zeitraum vom 1. Dezember 2014 bis 28. Februar 2015 in Höhe von monatlich 39,10 Euro fest. Zugleich verfügte er die entsprechende teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 18. Juli 2014. Den Widerspruch der Klägerin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2015 zurück.
Mit Änderungsbescheid vom 22. November 2014 für den Monat Januar 2015 passte der Beklagte die Höhe des Regelbedarfs an und berücksichtigte die Sanktion.
Mit Bescheid vom 29. Januar 2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar 2015 bis zum 31. Juli 2015 unter Berücksichtigung der Sanktion im Februar 2015.
Mit ihrer am 16. Februar 2015 erhobenen Klage hat die Klägerin ihr Ziel weiter verfolgt.
Mit Urteil vom 27. Juni 2016 hat das Sozialgericht den Sanktionsbescheid aufgehoben. Die Meldeaufforderung, die als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen sei, sei ermessensfehlerhaft ergangen. Denn der Beklagte habe nicht alle Ermessensgesichtspunkte, die nach der Lage des Falls zu berücksichtigen seien, in die Entscheidungsfindung einbezogen. Der Beklagte hätte vorliegend erläutern müssen, weshalb er trotz der offenkundigen Erfolglosigkeit seiner Eingliederungsstrategie weiterhin wie bisher verfahre, damit sich nicht der Eindruck aufdränge, er habe sich bei der Meldeaufforderung von sachfremden Erwägungen leiten lassen. Dies gelte umso mehr, als dem Beklagten bekannt gewesen sei, dass die Klägerin das nicht als Einkommen anzurechnende Pflegegeld der Mutter erhielt und daher dauerhaft über eine zusätzliche Einnahmequelle verfügte. Dabei hätten Handlungsalternativen für den Beklagten auf der Hand gelegen (Hausbesuch, Angebot auf Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung, höhere Einladungsdichte zum Erreichen eines empfindlichen Sanktionsniveaus). Die Kammer folge nicht der Rechtsprechung, nach der erst dann weitere Ermessenserwägungen in die Begründung der Meldeaufforderung einzustellen seien, wenn die "qualitative Schwelle" von mehr als 30%, bei der entsprechend § 31a Abs. 3 Satz 1 SGB II ergänzende Sachleistungen zu erbringen seien, erreicht sei. Diese Hürde könne ohne weiteres umgangen werden durch die Lage der Meldetermine und der Sanktionsbescheide. Gerade dies würde aber den Eindruck, dass der Beklagte sich von zweckwidrigen Erwägungen leiten lasse, gerade verschärfen und umso mehr eine Ermessenserwägung erforderlich machen, die in den Bescheid zwingend einzustellen sei. Die Aufhebung bewilligter Leistungen erweise sich folgerichtig ebenfalls als rechtswidrig.
Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen. Der Beklagte hat am 2. August 2016 Berufung gegen das am 13. Juli 2016 zugestellte Urteil eingelegt. Er macht geltend, dass erst ab einer Minderung um mehr als 30 % eine Überprüfung der Ermessensausübung veranlasst sei. Der Beklagte stoße hier an die Grenzen seiner Möglichkeiten.
Die Klägerin tritt dem entgegen. Sie bleibe aus wichtigem, dem Beklagten bekanntem Grund den Meldeterminen fern. Sie erwähnt ferner einen "unsachgemäßen" Entlassungsvorgang aus dem Jahr 1998 und ihr daraus gegenüber dem Beklagten zustehende Schadenersatzforderungen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 27. Juni 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt nach Aktenlage,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat am 28. Juni 2018 über die Berufung mündlich verhandelt. Es wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakte und die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil die Klägerin ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war (§ 110 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG).
II.
Den Streitgegenstand des Verfahrens bildet der Sanktionsbescheid vom 3. November 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2015, der sowohl die Feststellung der Leistungsminderung als auch die entsprechende Teilaufhebung der Leistungsbewilligung verfügt. Sanktions- und Umsetzungsverfügung bilden eine rechtliche Einheit im Sinne einer einheitlichen Regelung zur Höhe der SGB II-Leistungen in dem von der Absenkung betroffenen Zeitraum (vgl. BSG, Urt. v. 22.3.2010 – B 4 AS 68/09 R; LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 28.7.2016 – L 25 AS 2819/15; Knickrehm/Hahn, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 31b Rn. 8; Valgolio, in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 5/2016, § 31b Rn. 14). Ob das Sozialgericht weitere Bescheide hätte einbeziehen müssen, kann mangels Berufung der Klägerin dahinstehen.
Hier ging es der Klägerin ausweislich ihres Antrags vor dem Sozialgericht allein um die Anfechtung von Sanktion und gleichzeitig verfügter Teilaufhebung, es handelt sich mithin um ein Anfechtungsbegehren hinsichtlich der Bescheide.
III.
Die Berufung des Beklagten ist aufgrund ihrer Zulassung durch das Sozialgericht statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.
Die Berufung des Beklagten ist indes unbegründet. Die Klage ist nämlich vollständig begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten.
Zwar hat eine Anhörung der Klägerin stattgefunden und ist der Bescheid vom 3. November 2014 formell nicht zu beanstanden. Die materiell-rechtliche Beurteilung richtet sich nach § 32 SGB II sowie nach §§ 31a Abs. 3 und 31b SGB II, die nach § 32 Abs. 2 Satz 2 SGB II entsprechend gelten. Nach § 32 Abs. 1 SGB II ist zu prüfen, ob eine leistungsberechtigte Person eine Meldeaufforderung erhalten hat, ob ein zulässiger Meldezweck verfolgt wurde (§ 59 SGB II, § 309 Abs. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – SGB III), ob die Person eine schriftliche Rechtsfolgenbelehrung erhalten oder von den Rechtsfolgen Kenntnis hat und ob die Person ohne wichtigen Grund der Meldeaufforderung schuldhaft nicht nachgekommen ist. Die Rechtmäßigkeit der Meldeaufforderung ist als Vorfrage für die Feststellung eines Meldeversäumnisses inzident zu überprüfen, weil sich die Meldeaufforderung als solche durch Zeitablauf erledigt hat (vgl. BSG, Urt. v. 29.4.2015 – B 14 AS 19/14 R). Nach diesen Maßstäben erweist sich der Sanktionsbescheid als rechtswidrig.
Die Klägerin ist eine leistungsberechtigte Person nach § 7 SGB II. Sie erhielt eine mit einer ordnungsgemäßen Rechtsfolgenbelehrung versehene Meldeaufforderung vom 8. August 2014. Dieser Meldeaufforderung kam sie auch ohne wichtigen Grund nicht nach; die angeführte Pflegesituation mit ihrer Mutter ist weder im Verwaltungsverfahren noch im gerichtlichen Verfahren auch nur annähernd dargelegt oder gar nachgewiesen worden. Ob die Klägerin daran Verschulden trägt, kann allerdings offen bleiben; die Meldeaufforderung hält der inzidenten Überprüfung nämlich nicht stand.
Zwar verfolgte die Meldeaufforderung einen rechtmäßigen Zweck, nämlich ein Gespräch über die aktuelle berufliche Situation der Klägerin (vgl. BSG, Urt. v. 29.4.2015, a.a.O.). Jedoch begegnet die Ermessensausübung hinsichtlich der Meldeaufforderung durchgreifenden Bedenken.
Das Bundessozialgericht (Urt. v. 29.4.2015, a.a.O.) hat in einem ebenfalls durch eine rasche Abfolge vielfacher Meldeaufforderungen gekennzeichneten Fall ausgeführt:
"Die Abfolge von siebenmal derselben Meldeaufforderung mit denselben Zwecken in nahezu wöchentlichem Abstand an die Klägerin verstößt jedoch gegen die vor einer Meldeaufforderung notwendige Ermessensausübung wegen einer Ermessensunterschreitung, weil relevante Ermessensgesichtspunkte nicht berücksichtigt worden sind ( ). Zumindest nach der dritten gleichlautenden Meldeaufforderung mit dem Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins hätte der Beklagte nicht in der bisherigen Weise fortfahren dürfen. Vielmehr hätte er aufgrund der vom Gesetzgeber selbst im Rahmen des § 31a SGB II eingefügten Abstufungen zwischen den Rechtsfolgen eines Meldeversäumnisses mit einer Minderung um 10 vH und den Rechtsfolgen bei einer Pflichtverletzung mit einer Minderung um 30 vH sowie der Erbringung ergänzender Sachleistungen bei einer Minderung um mehr als 30 vH seine bisherige Ermessensausübung überprüfen müssen. Neben dieser vom Gesetzgeber vorgegebenen qualitativen Schwelle hätte dabei insbesondere in die Erwägungen eingestellt und deutlich gemacht werden müssen, dass sich der Beklagte trotz der festgestellten sieben gleichen Meldeaufforderungen mit denselben Zwecken innerhalb von acht Wochen nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.
Denn der Zweck der Meldeaufforderungen muss entsprechend dem Grundgedanken des "Förderns und Forderns" im SGB II und nach § 1 Abs. 2 SGB II sein, die arbeitsuchende, leistungsberechtigte Person bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu unterstützen. Trotz der Überschrift "Sanktionen" vor §§ 31 bis 32 SGB II ist es nicht Ziel der Meldeaufforderungen, durch eine hohe Anzahl von Meldeversäumnissen den Anspruch der Meldepflichtigen auf Alg II zu mindern oder gar zu beseitigen. Denn es handelt sich nach dem Wortlaut und der Konzeption der §§ 31 bis 32 SGB II bei ihnen nicht um Strafvorschriften, nach denen aufgrund eines bestimmten schuldhaften Verhaltens bestimmte Strafen "verhängt" werden, sondern um die gesetzlichen Folgen von Obliegenheitsverletzungen, weil die Durchsetzung z.B. einer Meldeaufforderung nicht mit Mitteln des Verwaltungszwangs vollstreckt werden darf.
Neben den in den Meldeaufforderungen genannten Zwecken "Ihr Bewerberangebot b.z.w. Ihre berufliche Situation" drängten sich vor diesem Hintergrund angesichts des Verhaltens der Klägerin und insbesondere der Vorgeschichte mit den Zweifeln an ihrer Erwerbsfähigkeit und den früheren Meldeversäumnissen als weitere Zwecke die Vorbereitung von Entscheidungen im Leistungsverfahren und die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Leistungsanspruch auf ( ). Der Beklagte hätte auch von weiteren Meldeaufforderungen Abstand nehmen und die Klägerin zu einer ärztlichen oder psychologischen Untersuchung auffordern können (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Alt 2 SGB II).
In Ermangelung von dahingehenden Ausführungen in den Meldeaufforderungen ist von einer Ermessensunterschreitung des Beklagten auszugehen. Das LSG hat keine Ermessenserwägung des Beklagten in den angeführten Bescheiden oder den zugrunde liegenden Meldeaufforderungen, die der vorliegenden besonderen Situation Rechnung tragen, oder andere spezifische Gründe seitens des Beklagten festgestellt, die für eine wörtliche Wiederholung der bisherigen Meldeaufforderungen und gegen eine Einbeziehung weiterer Gesichtspunkte sprachen. Den festgestellten Tatsachen im Übrigen sind ebenfalls keine dahingehenden Ermessenerwägungen des Beklagten oder andere Gründe zu entnehmen."
Diese Rechtsprechung, die breite Zustimmung gefunden hat (vgl. SächsLSG, Beschluss v. 22.12.2016 – L 7 AS 1149/16 B ER; LSG Berlin-Bbg., Urt. v. 28.7.2016 – L 25 AS 2819/15 WA, Valgolio, a.a.O., § 32 Rn. 18a; Berlit, in: LPK-SGB II, 6. Auflage 2017, § 32 Rn. 13; Knickrehm/Hahn, a.a.O., § 32 Rn. 12), macht der erkennende Senat sich zu Eigen. Danach liegt hier ein Ermessensdefizit vor. Der Meldeaufforderung zum 26. August 2014 waren bereits entsprechende Aufforderungen zu Terminen am 14. Mai 2013, 28. Mai 2013, 20. Juni 2013, 9. Juli 2013, 27. August 2013, 19. September 2013, 22. Oktober 2013, 11. November 2013, 27. Dezember 2013, 31. Januar 2014, 28. Februar 2014 sowie offenbar am 28. März 2014, 5. Mai 2014 und 26. Mai 2014 und zuletzt am 11. Juli 2014 vorausgegangen, die die Klägerin jeweils versäumt hatte. Es war nicht zu erwarten, dass die Klägerin nun der Meldeaufforderung folgen würde. In dieser Lage hätte der Beklagte die Erwägungen deutlich machen müssen, die ihn zum Festhalten an dem eingeschlagenen Weg bewegten, oder andere und erfolgversprechendere Wege der Eingliederung in Betracht ziehen müssen. Anders formuliert war "die Eingliederungsförderlichkeit der neuerlichen Meldeaufforderung zu überprüfen, den Gründen für die Nichtbeachtung nachzugehen und dies bei der Ermessensbetätigung erkennbar zu berücksichtigen" (so Berlit, a.a.O. Rn. 13). Dafür ist indes nichts erkennbar.
Der Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, dass erst ab einer Leistungsminderung von mehr als 30 % weitere, spezifische Ermessenserwägungen erforderlich würden. Dies ist bereits der angeführten Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht zu entnehmen, die lediglich mit dem abgestuften Konzept des Gesetzgebers argumentiert, ohne aber die Ermessensproblematik an eine Leistungsminderung von mehr als 30 % zu binden. Vor allem aber steht die Entscheidung des Bundessozialgerichts nicht der Feststellung eines Ermessensdefizits im Einzelfall – wie hier – entgegen.
Aus dem Vorstehenden folgt zugleich die Rechtswidrigkeit der Umsetzung der Leistungsminderung durch Teilaufhebung der Leistungsbewilligung vom 18. Juli 2014.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die rasche Abfolge von Meldeaufforderungen und daraus bei Versäumnissen hergeleitete Sanktionen sind in der Praxis des Beklagten häufig zu beobachten und die Rechtslage erscheint nicht für alle Fallgestaltungen als bereits geklärt.
Rechtskraft
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