S 37 AS 2967/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 37 AS 2967/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Berliner Tabellenmietspiegel liefern keine repräsentative Abbildung des für Transferleistungsempfänger relevanten Wohnungsmarktes.

2. Unter den Bedingungen eines angespannten Wohnungsmarktes (Mietpreisbremse) begründen gewichtete Mietspiegelwerte keine Vermutung, dass es zu diesen Werten hinreichend verfügbaren Wohnraum gibt.


3. Unter „unvorhersehbaren Preissprüngen“, die eine Aktualisierung der zur Entwicklung eines schlüssigen Konzepts herangezogenen Daten erfordern, sind Preisschocks auf der Nachfrageseite zu verstehen; der Begriff ist ökonomisch, nicht normativ zu interpretieren.

4. Ohne Verfügbarkeitsprüfung kann auch unter Heranziehung gewichteter Mietspiegeldaten für Wohnungen in mittlerer Lage kein schlüssiges Konzept entwickelt werden.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 4.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2016 sowie der Bescheide vom 23.12.2016 verurteilt, 1. den Klägern zu 1) und 2) in den Monaten Oktober und November 2015 monatlich jeweils 224,46 EUR sowie in den Monaten Januar, Februar und März 2016 monatlich jeweils 264,42 EUR Unterkunfts- und Heizkosten zu bewilligen unter Anrechnung der bereits gewährten KdU-Leistungen. 2. den Klägern zu 1) und 2) im Monat Dezember 2015 jeweils 278,50 EUR Unterkunfts- und Heizkosten zu bewilligen unter Anrechnung der bereits gewährten KdU-Leistungen. 3. dem Kläger zu 3) unter Aufhebung des Bescheides vom 23.12.2016 in den Monaten Januar, Februar und März 2016 einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 a. F. SGB II in Höhe von monatlich 69,31 EUR zu bewilligen. 4. Die die Kläger zu 1) und 2) betreffenden Bescheide vom 7.8.2017 werden aufgehoben 5. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 6. Der Beklagte erstattet die Hälfte der außergerichtlichen Kosten. 7. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Unterkunfts- und Heizkosten im Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016.

Im Januar 2006 war die seinerzeit aus 4 Personen bestehende Bedarfsgemeinschaft (BG) – Klägerin zu 1) mit Ehemann und zwei Kindern, den Klägern zu 2) und 3) - im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen in eine Wohnung gezogen, die nach damaliger Wertung unangemessen teuer war. Der Beklagte war nicht beteiligt worden.

In Zuge eines Klageverfahrens (S 101 AS 5137/08) hatte der Beklagte für die neue Wohnung einen KdU-Bedarf in Höhe der abstrakt angemessenen Kosten für eine 4-Personen-BG aner-kannt.

Im September 2010 kam es zur Trennung mit Auszug des Ehemannes der Klägerin zu 1) aus der Wohnung.

Dennoch hatte der Beklagte zunächst die Mietkosten nach dem abstrakten AV-Wert für eine 4-Personen-BG weiter übernommen, zuletzt mit Bescheid vom 2.4.2013.

Ohne förmliches Kostensenkungsverfahren wechselte der Beklagte dann auf den KdU-Richtwert für eine 3-Personen-BG plus 10% Alleinerziehungszuschlag.

Diesen – nach der AV-Wohnen fortgeschriebenen – Wert von 666,57 EUR legte er auch einer vorläufigen Bewilligung für den Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 zugrunde (Bescheid vom 8.9.2015).

Weil der Kläger zu 3) im Oktober 2010 ein Studium mit BAföG-Förderanspruch aufgenommen hatte, bewilligte der Beklagte den Klägern zu 1) und 2) für die Monate Dezember 2015 bis März 2016 mit endgültigem Bescheid vom 4.11.2015 neben den Regelbedarfsleistungen nach § 20 SGB II anteilige Miet- und Heizkosten nach einem AV-Wert von 666,57 EUR und dem Kläger zu 3) für diesen Zeitraum einen nach dem KdU-Wert von 666,57 EUR berechneten Mietzuschuss (§ 27 Abs. 3, Fassung bis 31.7.2016).

Die tatsächliche Miete der 121,83 qm großen, mit einer zentralen Erdgasheizung versehenen Wohnung mit dezentraler Warmwasserversorgung (Durchlauferhitzer) in einem Gebäude mit einer Gesamtfläche von 1.744,41 qm lag im streitigen Zeitraum bei 539,60 EUR Kaltmiete + 250 EUR Betriebskostenabschlag + 106 EUR Heizkostenabschlag.

Den gegen die Bestimmung des KdU-Bedarfs erhobenen Widerspruch zum Bescheid vom 8.9.2015 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5.2.2016 als unbegründet zurück (Der Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 4.11.2015 war mit Verweis auf § 86 SGG als unzulässig verworfen worden).

Am 26. Februar 2016 haben die Kläger beim Sozialgericht Berlin Klage auf Übernahme höhe-rer Mietkosten erhoben.

Sie machen geltend, mangels eines Kostensenkungsverfahrens nach Auszug des Ehemannes der Klägerin seien nach wie vor die Werte für eine 4-Personen-BG maßgebend. Die Werte der AV-Wohnen seien nicht schlüssig.

Sollte das Gericht der Auffassung sein, dass ein schlüssiges Konzept nach Schifferdecker/Silbermann bestehe, sei zumindest dieses zugrunde zu legen; sofern nach Ansicht des Gerichts kein schlüssiges Konzept erstellt werden könne, bestimme nach BSG-Rechtsprechung die Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG plus 10% Zuschlag den KdU-Bedarf (Schriftsatz vom 5.4.2018).

Im Verlauf des Klageverfahrens hat der Beklagte die vorläufigen Leistungen für Oktober und November 2015 endgültig bewilligt und dabei am AV-Wert von 666,57 EUR unverändert festge-halten (Bescheid vom 23.12.2016, Mietzuschuss-Bescheid vom 23.12.2016, Erstattungsbe-scheid über die für Oktober und November 2015 an den Kläger zu 3) gezahlten Leistungen nach §§ 20, 21 Abs. 7 SGB II (Regel- und Mehrbedarf für Warmwasser)).

Wegen einer BAföG-Nachzahlung mit BAföG-Bescheid vom 18.12.2015 in Höhe von 1.688 EUR lehnte der Beklagte die Gewährung eines Mietzuschusses für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016 ab. Seit Januar 2016 sah er den Bedarf des Klägers mit Kindergeld und BAföG als gedeckt an (Bescheid vom 23.12.2016).

Außerdem hob er wegen der BAföG-Zahlung mit Bescheiden vom 7.8.2017 die den Klägern zu 1) und 2) endgültig gewährten Leistungen für die Monate Dezember 2015 bis März 2016 teilweise auf und forderte insgesamt 155,19 EUR von der Klägerin zu 1) und 72,83 EUR vom Kläger zu 2) zurück.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Bescheide vom 23.12.2016 und die Bescheide vom 7.8.2017 Gegenstand der Klage bei der 37. Kammer sind.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt nach sachdienlicher Auslegung seines schrift-sätzlichen Vorbringens unter Berücksichtigung der Entwicklung im Klageverfahren,

1. den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 4.11.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2016 sowie der Bescheide vom 23.12.2016 zu verurteilen,

- den Klägern zu 1) und 2) im Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 weitere Unterkunfts- und Heizkosten nach Maßgabe der für eine 4-Personen-Bedarfsgemeinschaft geltenden Richtwerte (Schifferdecker/Silbermann-Konzept oder Wohngeldtabelle nach § 12 WoGG)

- dem Kläger zu 3) im Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 nach dem für die Kläger zu 1) und 2) geltenden Richtwert einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II a. F.

zu gewähren.

2. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 23.12.2016 und 7.8.2017 nach Maßgabe der den Klägern zustehenden KdU-Bedarfe abzuändern bzw. aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wendet ein, die Kläger seien schon im September 2010 darauf hingewiesen worden, dass die innegehabte Wohnung nicht angemessen sei. Die Zuerkennung des KdU-Bedarfs nach einem AV-Richtwert für eine 3-Personen-BG mit 10%-Alleinerziehungszuschlag sei daher nicht zu beanstanden.

Nach diesem Wert habe sich auch der Mietzuschuss an den Kläger zu 3) zu richten.

Das Gericht hat zur Frage, ob unter den Bedingungen des Berliner Wohnungsmarktes abstrakt angemessene Richtwerte allein durch Auswertung von Mietspiegeldaten ohne Verfügbarkeitsprüfung schlüssig ermittelt werden können, ein Gutachten eingeholt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten und die beiden Ergänzungsfragen Bezug genommen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die zwischen den Beteiligten gewech- selten Schriftsätze und die beigezogenen Leistungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Gegenstand der Klage ist zum einen der endgültige Bewilligungsbescheid über die Monate Dezember 2015 bis März 2016 vom 4.11.2015 (s. dazu BSG vom 5.7.2017 - B 14 AS 36/16 R) in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5.2.2016 (§ 95 SGG), zum anderen der endgültige Bewilligungsbescheid über den Zeitraum Oktober und November 2015 vom 23.12.2016, der an die Stelle der vorläufigen Bewilligung vom 8.9.2015 getreten und in das Klageverfahren gegen die vorläufige Bewilligung nach § 96 SGG einzubeziehen ist (BSG vom 18.1.2011 - B 4 AS 108/10 R).

Dem Kläger zu 3) ist der Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II a. F. für Oktober und Novem-ber 2015 in Form eines auf die Regel- und Mehrbedarfsleistung nach §§ 20, 21 Abs. 7 SGB II beschränkten Erstattungsbescheides vom 23.12.2016 in Kombination mit einem Mietzuschuss-Bescheid vom 23.12.2016 gewährt worden. Der Mietzuschussbescheid gehört daher zusammen mit dem auf § 328 Abs. 3 SGB III gestützten Erstattungsbescheid ebenfalls zum Klageverfahren.

Das gilt auch für den mit Bescheid vom 23.12.2016 abgelehnten Mietzuschuss für die Monate Dezember 2015 und Januar 2016. Denn mit Feststellung eines in diesen Monaten gedeckten Bedarfs verändert sich der Maßstab für die Beurteilung des KdU-Bedarfs der nach Ausscheiden des Klägers zu 3) aus der BG (§ 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II) verbliebenen Familienmitglieder (BSG vom 25.4.2018 – B 14 AS 14/17 R).

Aus diesem Grunde ist es vertretbar, auch die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 7.8.2017 in das Klageverfahren einzubeziehen. Denn die Prüfung des KdU-Bedarfs der Kläger zu 1) und 2) schließt die Feststellung ein, ob eine 4- oder 3- bzw. 3- oder 2-köpfige BG Maßstab für die anzusetzenden Angemessenheitswerte ist; mittelbar muss daher auch beurteilt werden, ob die Bescheide vom 7.8.2017 zu Recht bedarfsüberdeckendes Kindergeld als Einkommen der Kläger zu 1) und 2) anrechnen bzw. den Bedarf des Klägers zu 3) als gedeckt feststellen.

Die insoweit zulässige Klage ist teilweise begründet. Die Kläger haben Anspruch auf höhere Leistungen für das Wohnen, allerdings begrenzt auf die Maßstäbe für eine 3-Personen-BG.

I.

Ausgangspunkt der Prüfung, welche Leistungen den Klägern für das Wohnen und Heizen im Zeitraum Oktober 2015 bis März 2016 zustehen, ist zunächst die Frage, ob der Auszug des Ehemannes der Klägerin im September 2010 jedenfalls im hier streitige Bewilligungszeitraum eine Absenkung der KdU-Bedarfe auf Werte für eine 3-Personen-BG rechtfertigte.

Das ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts der Fall. Denn das Kostensenkungsverfahren hat nur eine informatorische Funktion. Eines förmlichen Verfahrens bedarf es nicht, insbesondere ist keine Aufforderung in Form eines Verwaltungsaktes zu verfügen (einhellige Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung, siehe z. B. BSG vom 29.12.2016 - B 4 AS 277/16 B).

Maßgebend für eine wirksame Obliegenheit der Leistungsberechtigten, den Hilfebedarf für das Wohnen und Heizen zu verringern, ist lediglich die eindeutig vermittelte Information des Leistungsträgers, dass die Kosten für die innegehabte Wohnung unangemessen sind und dass die Leistungsberechtigten subjektiv und objektiv imstande sind, eine kostengünstigere, zumutbare Wohnung anmieten zu können.

Verweist der Leistungsträger auf fehlerhafte bzw. unschlüssige Richtwerte, ist das erst dann beachtlich, wenn die Betroffenen aus diesem Grund (Kausalität) daran gehindert waren, angemessenen Wohnraum zu finden.

Mit den vom Beklagten genannten Werten nach der WAV bzw. später der AV-Wohnen plus 10% Alleinerziehungszuschlag wären die Kläger imstande gewesen, eine günstigere und nach Lage und Standard zumutbare Wohnung zu finden. Dabei ist auch zu bedenken, dass sie eine für 3 Personen offenkundig zu große Wohnung mit entsprechend hohen Nebenkosten nutzen, es sich also geradezu aufdrängte, den Raumbedarf der veränderten, familiären Situation anzupassen.

Ein Wohnungswechsel war schließlich auch deshalb naheliegend, weil in absehbarer Zeit weder Familienzuzug oder -nachwuchs noch eine bedarfsdeckende Erwerbstätigkeit (zu den tatsächlichen Mietkosten) zu erwarten war.

Diverse, zum Teil erfolgreiche Klageverfahren auf höhere KdU-Leistungen für Zeiträume vor 2015 hatten weder den Standpunkt des Beklagten zu den seiner Auffassung nach geltenden Angemessenheitswerten relativiert, noch die Obliegenheit zur Kostensenkung aufgeschoben oder unzumutbar gemacht.

Hinzu kommt, dass die von den Gerichten zuerkannten Werte auch mit Ansatz der abstrakten KdU-Leistungen für 4-Personen-BG´s erheblich unter den tatsächlichen Mietkosten lagen.

Die Kläger können sich daher nicht darauf berufen, sie hätten eine günstigere Wohnung genommen, wären sie vom Beklagten über die "richtigen" Angemessenheitswerte informiert worden.

Aus diesem Grund stellt sich hier auch nicht das Problem, einen genauen Zeitpunkt als Beginn der Kostensenkung mit der üblichen Suchfrist von 6 Monaten zu bestimmen. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II gibt keinen Anspruch auf sechs Monate "Zu-teuer-Wohnen". Es ist vielmehr so, dass mit hinreichender Kenntnis der Obliegenheit zur Kostensenkung sofort mit der Suche nach einer anderen Wohnung oder einem Untermieter begonnen werden muss und die unan- gemessenen Kosten nur solange zustehen, wie es trotz ernsthafter Suche nicht gelingt, eine andere Wohnung oder einen Untermieter zu finden.

Dass die Kläger im Oktober 2015 trotz ernsthafter und ausreichender Suche immer noch keine Möglichkeit zur Kostensenkung realisieren konnten, kann unter den genannten Umständen ohne nähere Ermittlung ausgeschlossen werden.

Damit steht auch fest, dass höhere Kosten auch unter dem Gesichtspunkt der konkreten Angemessenheit nicht zuerkannt werden können.

Als Zwischenergebnis ist mithin festzuhalten, dass der den Klägern zustehende Anspruch auf angemessene Leistungen für das Wohnen und Heizen nach den für 3-Personen-BG´s geltenden Maßstäben bestimmt werden muss.

II.

Die dem Bewilligungszeitraum Oktober 2015 und November 2015 sowie Januar bis März 2016 insoweit vom Beklagten korrekt zugrunde gelegten BG-Bezugswerte sind aber hinsichtlich der herangezogenen Rechengrößen fehlerhaft bzw. unschlüssig.

Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse des 32. Senats des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Urteil vom 31.1.2018 – L 32 AS 1223/15) und des im Auftrag der 37. Kammer erstellten Gutachtens steht zur Überzeugung des Gerichts fest,

• dass die Tabellenwerte der Berliner Mietspiegel keine repräsentative Abbildung des für Transferleistungsempfänger relevanten Wohnungsmarktes liefern

• damit keine Vermutung begründen, dass es zu den gewichteten Mietspiegeldaten anmietbaren Wohnraum in nennenswerter Zahl gibt

• und dass allein auf der Grundlage der Mietspiegel und anderer öffentlicher Quellen zum Berliner Wohnungsmarkt kein schlüssiges Konzept entwickelt werden kann.

Im Einzelnen:

Angemessenes Wohnen und Heizen gehört zum Kernbereich des verfassungsrechtlich garan-tierten Existenzminimums. Die Festlegung angemessener Werte fordert daher ein transparen-tes und nachvollziehbares Verfahren, mit den Worten des BSG: ein "schlüssiges Konzept" (statt vieler BSG vom 18.11.2014 – B 4 AS 9/14 R).

Angesichts der Heterogenität der Wohnungsmärkte und der großen Unterschiede zwischen Stadt und Land, gibt es zur Ermittlung schlüssiger Bedarfsgrößen für das Wohnen (Kaltmiete und kalte Betriebskosten) keine generalisierbare oder zu favorisierende Methode; stattdessen lässt § 22 SGB II auch im Kontext der konkretisierenden Regelungen in § 22a – c SGB II (dazu BVerfG vom 10.10.2017 – 1 BvR 617/14 und BSG vom 12.12.2017 – B 4 AS 33/16 R) breiten Raum für die Auswahl einer Methode, die ihrerseits nicht neutral oder wertfrei erfolgt, sondern bereits Vorstellungen zur Finanzierbarkeit und/oder zur Steuerung alimentierten Wohnens einschließt.

Darum ist die Erstellung eines schlüssigen Konzepts nach überzeugender Rechtsprechung des BSG vornehmlich Angelegenheit der Grundsicherungsträger und bereits für die sachgerechte Entscheidung im Verwaltungsverfahren (Absenkung der Bedarfe nach Aufforderung zur Kostensenkung) notwendig.

Die Situation in Berlin, wo das Konzept, das der AV-Wohnen zugrunde liegt, im Wesentliche allein von Teilen der Richterschaft entwickelt wurde, ist daher durchaus problematisch, vor allem dann, wenn dieses Konzept – fälschlich, wie auch der Gutachter (s. 4 erster Absatz) bemerkt – als mathematisch eindeutig vorgegeben bezeichnet wird, um wohnungspolitisch motivierte Abweichungen, deren Auswirkungen auf dem Wohnungsmarkt ohne genaue Untersuchung nicht abschätzbar sind, quasi aufsichtsrechtlich zu beanstanden (s. dazu NZS 2018, S. 593 ff).

Der Prüfauftrag der Sozialgerichte im Streit über den Leistungsanspruch aus § 22 Abs. 1 SGB II ist darauf beschränkt, ein vom Grundsicherungsträger erarbeitetes Konzept auf Schlüssigkeit zu prüfen und ggf. in Zusammenwirken mit der Behörde Schlüssigkeit herzustellen.

Bislang hat das BSG das der AV-Wohnen zugrunde liegende Schifferdecker/Silbermann-Konzept weder geprüft, geschweige denn als schlüssige Methode bestätigt.

In den Urteilen aus Oktober 2010 – sämtlich Zurückverweisungen – heißt es lediglich, dass eine Beschränkung auf Wohnungen mit einer bestimmten Baualtersklasse bei fehlendem Nachweis der Repräsentativität einer solchen Beschränkung nicht schlüssig ist. Könne die Beschränkung aus dem vorhandenem Datenmaterial nicht begründet werden, biete es sich an, aus den Daten eines qualifizierten Tabellen-Mietspiegels einen gewichteten arithmetischen Mittelwert nach Verteilung der in der Grundgesamtheit abgebildeten Wohnungen in den jeweiligen Bauklassen zu bilden (Urteile vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R; B 14 AS 50/10 R und B 14 AS 65/09 R).

Ob schon allein damit ein schlüssiger Wert gefunden ist, geht aus dem BSG-Urteilen nicht hervor.

Immerhin lässt sich den genannten Urteilen aber entnehmen, dass die festgestellte angemessene Referenzmiete oder die Mietobergrenze so gewählt werden muss, dass es den Leistungsberechtigten möglich ist, im konkreten Vergleichsraum eine "angemessene" Wohnung anzumieten (B 14 AS 2/10 R, Rn. 19). M a. W.: Ein Konzept ist nur schlüssig, wenn es auch Feststellungen zu den realen Bedingungen auf dem Wohnungsmarkt beinhaltet.

Der vom Gericht bestellte Gutachter hat nachvollziehbar dargelegt, dass und warum die Schifferdecker/Silbermann-Methode keine Aussage dazu ermöglicht, ob es zu den - innerhalb des Mietspiegelsystems schlüssig ermittelten Werten - auch tatsächlich Wohnungen gibt, die zur Vermietung freistehen und für die es den Wohnungsinteressenten möglich ist, den Angebotspreis auf den Konzept-Wert zu verhandeln.

Feststellungen zur tatsächlichen Verfügbarkeit sind im Schifferdecker/Silbermann-Konzept nicht deshalb verzichtbar, weil die gewählte Ermittlungsmethode (die Gewichtung nach Bestandsgrößen) einen tragfähigen Schluss auf das tatsächliche Vorhandensein anmietbarer Wohnungen gewährleistet, wobei es auf eine nennenswerte Zahl freier Wohnungen ankommt, die zudem nicht auf einzelne Gebiete oder Straßenzüge begrenzt sein dürfen (§ 22a Abs. 3 Nr. 4 SGB II; so schon vorher zu § 22 SGB II BSG vom 10.9.2013 - B 4 AS 77/12 R; vom 18.11.2014 - B 4 AS 9/14 R).

Soweit die Entbehrlichkeit einer Verfügbarkeitsprüfung damit begründet wird, dass nach BSG vom 13.4.2011 – B 4 AS 106/10 R der Durchschnittswert eines qualifizierten Mietspiegels belege, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu der abstrakt angemessenen Leistung für die Unterkunft gibt, "weil es in Deutschland derzeit keine allgemeine Wohnungsnot gibt und allenfalls in einzelnen Regionen Mangel an ausreichendem Wohnraum besteht", kann dem für die Situation auf dem Berliner Wohnungsmarkt, wie er sich seit 2010 entwickelt, nicht gefolgt werden.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass Mietspiegelwerte nach BSG, a.a.O. (Rn. 32) nur eine "widerlegbare Vermutung" für das ausreichende Vorhandensein von Wohnungen begründen (Anscheinsbeweis) und die Betroffenen nicht nachweisen müssen, dass es keine Wohnungen zum Richtwert gibt; es genügt, wenn die Vermutung "erschüttert" wird.

Der Anscheinsbeweis ist nach rechtlicher Würdigung des erkennenden Gerichts generell in Frage gestellt, wenn die Situation auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt von einem signifikanten Nachfrageüberhang nach preisgünstigem Wohnraum geprägt ist.

Der Gutachter hat die empirische Datenauswertung zur Begründung der Mietpreisbremse weitgehend bestätigt und damit den Befund eines Wohnungsmarktes mit einem Mangel an preisgünstigem Wohnraum, insbesondere im Segment kleiner und ganz großer Wohnungen.

Bei diesem Befund ist das Nichtfinden einer Wohnung zum abstrakten Konzeptpreis keine Frage der konkreten Angemessenheit, sondern gerät die Bestimmung der Richtwerte, sollen diese (noch) schlüssig sein, unter Anpassungsdruck.

In der Rechtsprechung des BSG wird die Notwendigkeit einer Anpassung, ggf. unterhalb der Zweijahresschwelle aus § 22c Abs. 2 SGB II, an "nicht vorhersehbare Preissprünge" geknüpft.

Um diesem Begriff, bezogen auf Wohnungsmärkte im Bundesgebiet, überhaupt eine sachgerechte Bedeutung beizumessen, muss er empirisch konkretisiert werden. Überzeugend hat der Gutachter hierzu den in der Ökonomie verwendeten Begriff des "Preisschocks" ins Spiel gebracht und dazu wohnungsmarktrelevante Entwicklungen benannt, die auch und gerade für Berlin seit dem Jahr 2010 kennzeichnend waren und weiter sind.

Ergänzend zu den Ausführungen des Gutachters und der Erhebungen zur Begründung der Mietpreisbremse hat die Kammer den IBB-Wohnungsmarktberichten seit 2013 eine zunehmende Knappheit des Wohnungsangebots in allen Stadtbezirken entnommen.

Da nicht nur für die Regelbedarfe nach § 20 SGB II darauf zu achten ist, Preisentwicklungen zeitnah aufzugreifen, um eine Bedarfsunterdeckung auszuschließen (BVerfG vom 23.7.2014 – 1 BvL 12/10), ist im vorliegenden Fall festzustellen, dass die AV-Werte angesichts bestehender Preissprünge auf dem Wohnungsmarkt auf das Jahr 2015 hätten inflationiert werden müssen.

Ohne Anpassung unter Berücksichtigung der Neuvertragsmieten sind die im Fall der Kläger herangezogenen AV-Werte nicht schlüssig.

Hinzu kommt, dass der Gutachter die Tabellenwerte der Berliner Mietspiegel hinsichtlich der Datenerhebung generell unter dem Blickwinkel problematisiert, dass "deutlich überproportional" Mieten institutioneller Vermieter berücksichtigt werden, was zur Folge haben kann, dass die gewichteten Angemessenheitswerte zu niedrig veranschlagt werden bzw. Transferleistungsberechtigten ein ausreichender Marktzugang versperrt wird. Dieser Effekt bedürfe einer genaueren Untersuchung (S. 15 des Gutachtens).

Im Ergebnis beanstandet der Gutachter nicht weniger als die mangelnde Repräsentativität der Mietspiegelwerte, die, um schlüssig zu sein, ein getreues Abbild des gesamten Wohnungsmarktes, den der Mietspiegel erfasst (d. h. mit Ausnahme preisgebundener Wohnungen oder Sonderformen der Vermietung), geben müssen (ebenso LSG Berlin-Brandenburg vom 31.1.2018, a.a.O. unter Bezugnahme auf Einwände gegen die Mietspiegel-Datenerhebung in zivilrechtlichen Klageverfahren).

Nach alldem muss festgestellt werden, dass die Werte der AV-Wohnen nicht schlüssig sind.

Der nach Rechtsprechung des BSG in solchen Fällen vorrangig zu suchende Dialog mit den Behörden, um Mängel des Konzepts zu beheben, scheitert in Berlin an der erwähnten Situation, dass die Behörden ein von Teilen der Sozialrichterschaft entwickeltes Modell umsetzen, hinsichtlich der Beurteilung der Schlüssigkeit also im grundlegenden Dissens zur Rechtsprechung der 37. Kammer stehen.

Der durchaus sinnvolle Vorschlag des Gutachters, der Beklagte möge anhand des Mietspiegeldatensatzes den Anteil AV-angemessener Wohnungen nach Stadtbezirken auswerten lassen, ist nicht durchsetzbar, weil die Aufrechterhaltung der Schifferdecker/Silbermann-Methode damit begründet wird, dass nach BSG vom 13.4.2011 – B 14 AS 106/10 R die Verfügbarkeit von Wohnraum allein die konkrete Angemessenheit betreffe.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts widerlegt die dynamische Entwicklung des Wohnungsmarktes mit einem deutlichen Nachfrageüberhang nach günstigen Wohnungen bereits im Grundsatz, d. h. ohne individuelle Prüfung, ob die Betroffenen ausreichend nach Wohnraum suchen, den Anscheinsbeweis, dass Mietspiegeldaten den Werten von Neuvertragsmieten genügend vorhandener, freier Wohnungen entsprechen.

Das erzwingt eine Verfügbarkeitsprüfung, die nach Erfahrung und Praxis des Gutachters (siehe dazu auch "Methodenbericht zur Ermittlung von Richtwerten für angemessene Kosten der Unterkunft nach SGB II und SGB XII in der Landeshauptstadt Dresden 2017 und 2018", abrufbar im Internet) mit einem vertretbaren Aufwand brauchbare Daten liefert.

Ohne eine solche Prüfung hängen die errechneten Werte in der Luft, fehlt ihnen der Bezug zu den realen Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt.

Die Gerichte sind in Verfahren zur Prüfung von Leistungsansprüchen nach § 22 Abs. 1 SGB II nicht befugt, Mietspiegelwerte als normative Größen zur Steuerung des Wohnungsmarktes zu bestätigen.

Diese Aufgabe obliegt den Grundsicherungsträgern, die nach einer Prüfung, in welchem Umfang festgesetzte AV-Werte Transferleistungsbezieher aus Teilen des Stadtgebiets exkludieren, die Entscheidung treffen, ob dies wegen § 22a Abs. 3 Nr. 1 SGB II hingenommen oder gegengesteuert werden soll.

Erst wenn der Umfang der Exklusion untersucht und offengelegt ist, können im Streitfall die Gerichte beurteilen, ob dennoch die Vorgaben aus § 22a SGB II erfüllt sind.

Abstrakte Mutmaßungen über die Auswirkungen eines Konzeptpreises auf den Wohnungsmarkt sind und bleiben unschlüssig.

III.

Unter den genannten Umständen ist von einem Erkenntnisausfall auszugehen, der das Gericht berechtigt, auf die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zuzugreifen bzw. den Beklagten verpflichtet, die tatsächlichen Bruttokalt-Mietkosten bis zum Tabellenwert nach § 12 WoGG + 10% Sicherheitszuschlag zu übernehmen.

Da mit Bezug auf die Wohngeldtabelle ein abstrakter, vom Einzelfall und den konkreten Umständen im Vergleichsraum unabhängiger Hilfswert mit der Funktion einer Ausgabenbegrenzung herangezogen wird, ist auf den jeweiligen Höchstbetrag der Tabelle (die rechte Spalte) zurückzugreifen.

Die Tabelle weist für Berlin die Mietstufe IV aus (zur Festlegung der Mietstufe s. BSG vom 16.6.2015 - B 4 AS 44/14 R).

Dies ergibt für drei Personen für das Jahr 2015 einen Ersatz-Angemessenheitswert für Kaltmiete plus Betriebskosten von 517 EUR + 51,70 EUR = 568,70 EUR.

Für das Jahr 2016 liegt der Tabellenwert bei 626 EUR. Auch ihm ist ein Sicherheitszuschlag von 10% hinzuzufügen (BayLSG vom 18.1.2017 – L 7 AS 869/15 B ER; LSG NRW vom 12.12.2016 - L 19 AS 1457/16).

Die im WoGG nicht enthaltenen Heizkosten sind in tatsächlicher Höhe bis zum Nichtprüfgrenzwert nach dem bundesweiten co2gGmbH-Heizspiegel abzüglich des im Heizspiegel veranschlagten Werts für die Energie zur Warmwassererzeugung hinzuzurechnen.

Maßgebend ist der Heizspiegel, der zum Zeitpunkt der Festlegung des KdU-Bedarfs als Erkenntnisquelle herangezogen werden kann, hier der Heizspiegel 2014, da der Heizspiegel 2015 erst am 3.10.2015 veröffentlicht wurde.

Einschlägig ist im vorliegenden Fall daher ein Betrag von 15,70 EUR/qm im Jahr (= 17,70 EUR abzüglich 2 EUR Warmwasserkosten/qm).

Das ergibt für eine 3-Personen-BG, für die eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 80 qm angemessener (bezüglich des Berechnungsfaktors Wohnungsgröße) Maßstab ist, einen Jahreswert von 80 x 15,70 EUR = 1.256 EUR: 12 = 104,67 EUR monatlich.

Demnach haben die Kläger zu 1) und 2) für die Monate Oktober und November 2015 Anspruch auf jeweils 1/3 (Kopfteilprinzip) von (568,70 EUR + 104,67 EUR) = 224,46 EUR.

Diesem Wert sind nach BSG-Rechtsprechung (Urteile vom 22.8.2012 – B 14 AS 13/12 R; vom 16.4.2013 – B 14 AS 28/12 R), dem das erkennende Gericht folgt, keine 10% wegen der Alleinerziehung aufzusatteln.

Eine Verböserung im Klageverfahren ist damit nicht verbunden, weil der vom Beklagten zuerkannte Wert von 222,19 EUR pro Kopf unter dem hier ausgeurteilten Betrag liegt.

Für Dezember 2015 ist zu beachten, dass dem Kläger zu 3) eine BAföG-Nachzahlung mit Einsetzen der laufenden Bewilligung aufs Konto floss, insgesamt 1.688 EUR (4 x 422 EUR BAföG-Monatsbetrag). Es handelte sich nach damaliger Rechtslage insgesamt um laufendes Einkommen (BSG vom 24.4.2015 – B 4 AS 32/14 R), das auch nach Absetzung der 20% Lernpauschale von (119,40 EUR x 4) und ohne Berücksichtigung des ebenfalls zugeflossenen Kindergeldes immer noch den Hilfebedarf des Klägers zu 3) im Monat Dezember 2015 deutlich überstieg.

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II schied der Kläger zu 3) damit aus der BG aus, er war Haushaltsangehöriger gemäß § 9 Abs. 5 SGB II.

Danach bleibt es zur Bestimmung der individuellen KdU-Bedarfe zwar beim Kopfteilprinzip, allerdings ändert sich für die BG-Mitglieder der Maßstab zur Bestimmung angemessener Wohn- und Heizkosten auf abstrakte Werte für eine 2-Personen-BG (BSG vom 25.4.2018 – B 14 AS 14/17 R).

Im Dezember 2015 hatten die Kläger zu 1) und 2) somit Anspruch auf KdU-Leistungen in Höhe von 278,50 EUR (= Tabellenwert + 10% für 2 Personen + [60 qm x 15,70 EUR] Heizkosten). Die tatsächliche, anteilige Miete lag mit 895,68 EUR: 3 noch darüber.

Für die Monate Januar bis März 2016 hat der Beklagte dem Kläger zu 3) wegen Verkennung der 20%-Lernpauschale ein bedarfsdeckendes Einkommen zugerechnet mit der Folge, dass das (nach der Rechnung 422 EUR BAföG + 184 EUR Kindergeld) bedarfsüberdeckende Kindergeld auf die Hilfebedarfe der Kläger zu 1) und 2) angerechnet wurde.

Richtigerweise stand dem Hilfebedarf des Klägers zu 3) von 324 EUR Regelbedarf 2016 + 7,45 EUR Warmwasserpauschale + 224,46 EUR anteilige, angemessene Unterkunfts- und Heizkosten (= 555,91 EUR) ein anrechenbares Einkommen von 302,60 EUR bereinigtes BAföG + 184 EUR Kindergeld gegenüber. Das erzielte Nebeneinkommen lag ausweislich der Gehaltsabrechnungen bei 34 EUR monatlich, wird mithin nicht angerechnet bzw. nur insofern berücksichtigt, als das Kindergeld oder das BAföG nicht um die 30 EUR Versicherungspauschale zu mindern sind.

Das Einkommen des Klägers zu 3) von 486,60 EUR war demnach nicht bedarfsdeckend, mit der Folge, dass

- kein bedarfsüberdeckendes Kindergeld bei den Klägern zu 1) und 2) angerechnet werden darf

- der Angemessenheitswert im Januar, Februar und März 2016 nach den Maßstäben für eine 3-Personen-BG festzulegen ist

und

- der Kläger zu 3) in den Monaten Januar bis März 2016 Anspruch auf einen Mietzuschuss nach § 27 Abs. 3 SGB II a.F. hat

Folglich haben die Kläger zu 1) und 2) in den Monaten Januar, Februar und März 2016 Anspruch auf anteilige Unterkunfts und Heizkosten in Höhe von jeweils 264,42 EUR (= 688,60 EUR Wohngeld-Miete + 104,67 EUR Heizkosten: 3).

Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 7.8.2017 waren mangels anrechenbaren Einkommens des Klägers zu 3) vollständig aufzuheben.

Der Kläger zu 3) hat für die Monate Oktober 2015 und November 2015 Anspruch auf einen monatlichen Mietzuschuss von gedeckelt 175,46 EUR = Differenzbetrag des BAföG-Wohnanteils von 49 EUR (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG) zur anteiligen Miete von 224,46 EUR, ist also zu seinen Gunsten mit den zuerkannten 222,19 EUR überzahlt.

Im Dezember 2015 war sein Hilfebedarf gedeckt.

In den Monaten Januar bis März 2016 beträgt der Mietzuschuss monatlich 69,31 EUR (= 551,82 EUR fiktiver Hilfebedarf abzüglich 486,60 EUR Einkommen). Insoweit war der Bescheid vom 23.12.2016 abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung wird zugelassen, da der Rechtsstreit wegen der Grundsatzfrage zur Schlüssigkeit der AV-Werte eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat.
Rechtskraft
Aus
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