S 46 AS 1477/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
46
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 46 AS 1477/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Wenn in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X die Umwandlung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II als Darlehen in einen Zuschuss begehrt wird, gilt gemäß § 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II i.V.m. § 44 Abs. 4 S. 1 SGB X eine sog. Verfallfrist von einem Jahr. Mit der Umwandlung wird eine Leistungserbringung begehrt und nicht eine Beseitigung der Rückforderung einer zuvor als Zuschuss erbrachten Leistung.
I. Die Klage gegen den Überprüfungsbescheid von 9. März 2017 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 10. Juni 2015 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Umwandlung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld II von einem Darlehen (Darlehensgrund Anteil an einer vom Kläger nicht bewohnten Immobilie) in einen Zuschuss mit Hilfe eines Überprüfungsantrags.

Der Ende 1953 geborene Kläger beantragte als Alleinstehender Arbeitslosengeld II vom Beklagten. Beim Erstantrag gab er als Vermögen an ein Drittel Eigentumsanteil an einem Wohnhaus in C-Stadt, belastet mit einem Nießbrauch für die 1920 und 1925 geborenen Eltern des Antragstellers. Später bewilligte der Beklagte unter anderem mit Bescheid vom 09.08.2006 (S. 457), vom Kläger durchgehend als Bescheid vom 22.06.2006 bezeichnet, Arbeitslosengeld II von Juni 2006 bis einschließlich November 2006 (vgl. Teilaufhebungsbescheid vom 24.01.2007) in Form eines Darlehens wegen nicht sofort verwertbarem zu berücksichtigenden Vermögens. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 23.12.2014 stellte der Bevollmächtigte des Klägers einen Antrag auf Überprüfung des Bescheids vom 22.06.2006 dahingehend, dass die Leistungen von 9.191,- Euro nicht darlehensweise sondern auf Basis eines Zuschusses gewährt werden (S. 419). Wegen des Wohnrechts der Eltern an dem Haus betrage der Anteil des Klägers weniger als der Vermögensfreibetrag. Es sei praktisch kein Käufer zu finden, der ein Haus kaufe, in das er nicht einziehen könne. Zumindest sei in absehbarer Zeit kein Käufer zu finden.

Mit Bescheid vom 09.03.2015 lehnte der Beklagte die Überprüfung des Bescheids vom 22.06.2006 ab. Die Jahresfrist nach § 40 SGB II sei überschritten. Dagegen wurde am 07.04.2015 Widerspruch erhoben. Die Jahresfrist des § 40 SGB II für Überprüfungen gelte hier nicht, weil keine Leistungserbringung begehrt sei. Es werde lediglich die Umwandlung von Leistungen begehrt von Darlehen zu Zuschuss. Dies führe allenfalls zu einem Wegfall der Rückforderung bzw. von Verbindlichkeiten. Dies sei mit einem Erstattungsbescheid vergleichbar, der zeitlich unbegrenzt überprüfbar sei. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.06.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Die Vierjahresfrist des § 44 Abs. 4 S. 1 SG X werde durch § 40 Abs. 1 S. 2 SGB X auf eine Einjahresfrist verkürzt. Die Überprüfung des Bescheids vom 22.06.2006 sei zu Recht abgelehnt worden.

Der Kläger erhob am 02.07.2015 Klage zum Sozialgericht München unter Wiederholung der Argumente aus dem Widerspruch.

Der Kläger beantragt, den Bescheid vom 22.06.2006 [richtig 09.08.2006] unter Aufhebung des Bescheids vom 09.03.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.06.2015 dahingehend abzuändern, dass Leistungen nicht darlehensweise, sondern auf Basis eines Zuschusses gewährt werden.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beteiligten wurden zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Der Kläger hat damit sein Einverständnis erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Die Klage ist aber unbegründet, weil der strittige Bescheid dem Gesetz entspricht und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist.

Gemäß § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Statthaft ist die kombinierte Klage auf Aufhebung des Überprüfungsbescheids und Verpflichtung der Behörde zur Abänderung des ursprünglichen Bewilligungsbescheids von einem Darlehen zu einem Zuschuss.

Die Klage ist unbegründet, weil der Beklagte die Überprüfung des Ursprungsbescheids vom 09.08.2006 zu Recht wegen Fristüberschreitung abgelehnt hat.

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II gilt für das Verfahren nach dem SGB II das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch. Nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuchs längstens für einen Zeitraum von bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Nach Satz 2 dieser Vorschrift ist vom vorherigen Jahresbeginn auszugehen. Nach § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der bis 31.07.2016 geltenden Fassung gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 des SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt. An die Stelle dieser Vierjahresfrist gilt also eine Einjahresfrist.

Auf Rückforderungsbescheide sei laut BSG weder die Einjahres- noch die Vierjahresfrist anwendbar (BSG, Urteil vom 13.02.2014, B 4 AS 19/13 R, Rn. 20; von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 28; a.A. mit guten Argumenten Mertens in Hauck/Noftz, SGB X, § 44 Rn. 106).

Es besteht Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur, dass eine Überprüfung eines Bescheids dann nicht mehr erforderlich ist, wenn sich aus § 44 Abs. 4 SGB X ergibt, dass es um die Erbringung von Sozialleistungen für einen Zeitraum außerhalb dieser Frist geht (von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Auflage 2014, § 44 Rn. 38).

Weil es bei der Umwandlung von Darlehen in einen Zuschuss um die Erbringung von Sozialleistungen und nicht um eine Rückforderung einer zuvor gewährten Sozialleistung geht, ist die Einjahresfrist anwendbar. Im Übrigen wäre auch die Vierjahresfrist beim Überprüfungsantrag Ende 2014 für Leistungen im Jahr 2006 vorbei gewesen.

Bei einer unmittelbaren (ohne Überprüfungsverfahren) Klage auf Umwandlung eines Darlehens in einen Zuschuss ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage statthaft; einer Leistungsklage bedarf es nicht, weil die Geldleistung bereits erbracht wurde (BSG, Urteil vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, Rn. 16). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass der Kläger mit seinem Überprüfungsantrag die Beseitigung einer Rückforderung begehrt, die unbefristet möglich wäre. Der Kläger wendet sich nicht gegen eine Erstattungsforderung der Behörde, die aus einer Aufhebung einer vormals bewilligten Leistung resultiert. Der Kläger hatte immer nur Leistungen in Form eines Darlehens erhalten. Diesen Leistungen soll nun per Überprüfungsantrag eine andere "bessere Qualität" als Zuschuss verliehen werden. Der Kläger begehrt damit die erstmalige Erbringung der Leistung in der Qualität eines Zuschusses. Dies ist ein Fall der Leistungserbringung nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X. Er unterliegt daher der Frist des § 44 Abs. 4 SGB X, die durch § 40 Abs. 1 S. 2 SGB II a.F. auf eine Einjahresfrist reduziert wird. Der Beklagte durfte deshalb die Überprüfung von vornherein ablehnen.

Auf die vom Kläger aufgestellte Behauptungen, dass sich trotz des hohen Alters der Nießbrauinhaber und dem außerordentlich nachfragegeprägten Immobilienmarkt kein Käufer der Immobilie gefunden hätte oder der Wert des Immobilienanteils zusammen mit sonstigem Vermögen den Vermögensfreibetrag von 9.000,- Euro (55 x 150 plus 750 Euro) unterschritten hätte, kommt es demnach nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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