L 4 SO 244/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 7 SO 81/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 244/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 10/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. November 2016 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII.

Der 1945 geborene Kläger ist der Sohn der 2014 verstorbenen Frau C. A., welche bis zu ihrem Tod in einem Pflegeheim lebte. Weitere Kinder hatte die Verstorbene nicht. Ein Testament der Verstorbenen existiert nach Auskunft des Klägers ebenfalls nicht; der Nachlass der Verstorbenen belief sich lediglich auf ein Guthaben auf dem von der Pflegeeinrichtung geführten Barbetragskonto in Höhe von 362,78 Euro.

Mit dem am 28. Januar 2014 bei dem Beklagten eingegangenen Antrag begehrte der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Beerdigungskosten seiner Mutter. Er legte Nachweise über Beerdigungskosten (Gebührenbescheid des Kreiskirchenamtes D-Stadt vom 5. Februar 2014 über 1.557,00 Euro, Rechnung des Bestattungsunternehmens D. vom 3. Februar 2014 über 1.339,00 Euro, Rechnung der Fa. E. vom 1. Februar 2014 über 239,00 Euro) in Höhe von insgesamt 3.135,00 Euro vor. In dem entsprechenden Antragsformular auf Übernahme von Bestattungskosten nach § 74 SGB XII führte der Kläger, welcher verheiratet ist, unter anderem ein eigenes Einkommen aus einer von der Ärzteversorgung Niedersachsen gewährte Altersrente in Höhe von 2.534,43 Euro/Monat sowie ein Renteneinkommen seiner Ehefrau in Höhe von 344,98 Euro/Monat an. Weitere Einkünfte wurden verneint. Daneben führte der Kläger als Vermögenswerte lediglich ein Guthaben auf seinem Girokonto in Höhe von 2.495,85 Euro an; weitere Vermögenswerte wurden verneint. Als monatliche Belastungen führte der Kläger die Miete für ein von ihm und seiner Ehefrau bewohntes Hausgrundstück in Höhe von 750,00 Euro, Nebenkosten in Höhe von 30,00 Euro, Heizkosten in Höhe von 110,00 Euro, Aufwendungen für eine private Krankenversicherung in Höhe von 484,00 Euro, für eine Lebensversicherung in Höhe von 74,00 Euro, für eine private Haftpflichtversicherung in Höhe von 26,00 Euro (vierteljährlich), für eine Hausratversicherung in Höhe von 33,00 Euro (vierteljährlich) sowie Beiträge zu Berufsverbänden bzw. Gewerkschaften in Höhe von 10,00 Euro an. Weiterhin gab er monatliche Belastungen für vier Kredite in Höhe von insgesamt 1.041,00 Euro an. Insoweit legte der Kläger zwar Nachweise über die Höhe der Kreditverpflichtungen zum Zeitpunkt der Antragstellung vor, Angaben über den Grund der Kreditaufnahmen wurden nicht gemacht.

Mit weiterem Schreiben vom 6. März 2014 teilte der Kläger auf Nachfrage des Beklagten, wie er seinen Lebensunterhalt sicherstelle, unter anderem mit, dass er Einnahmen aus einer Gutachtertätigkeit erziele, welche seine wesentliche Einkommensquelle seien. Der Kläger legte hierzu eine von ihm gefertigte Gewinn- und Verlustrechnung für das Jahr 2013 vor, wonach er in diesem Jahr einen Gewinn von 4.139,23 Euro erzielt habe. Daneben teilte der Kläger mit, dass die im Antragsformular angegebenen monatlichen Aufwendungen in Höhe von 74,00 Euro nicht für eine Lebensversicherung, sondern für eine Sterbegeldversicherung getätigt würden. Weiterhin legte er Nachweise über zu zahlende Grundbesitzabgaben betreffend das von ihm und seiner Ehefrau angemietete Hausgrundstück vor. Schließlich legte der Kläger auf weitere Aufforderung des Beklagten Kontoauszüge betreffend das Girokonto seiner Ehefrau für den Zeitraum November 2013 bis März 2014 vor, aus denen Zahlungseingänge des Sohnes des Klägers in Höhe von jeweils 100,00 Euro am 14. November 2013 und 13. Dezember 2013, in Höhe von 300,00 Euro am 13. Januar 2014 sowie in Höhe von 500,00 Euro am 13. Februar 2014 hervorgehen.

Mit Bescheid vom 8. April 2014 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Übernahme der Bestattungskosten ab. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass von den nachgewiesenen Bestattungskosten die Kosten für Kränze und Handsträuße im Rahmen der Sozialhilfe nicht übernommen werden könnten, sodass nach Absetzung des verbliebenen Barbetragsguthabens der Verstorbenen letztlich ein Betrag in Höhe von 2.638,22 Euro als erstattungsfähiger Betrag verbleibe. Der Kläger und seine Ehefrau verfügten bereinigtes Einkommen in Höhe von 2.969,65 Euro/Monat, es ergebe sich daher über ein Einkommensüberschuss (Einkommen über der Einkommensgrenze) in Höhe von 1.133,65 Euro. Im Rahmen der beantragten Hilfe zur Übernahme der Bestattungskosten sei es dem Kläger zuzumuten, das übersteigende Einkommen mehrerer (bis zu vier) Monate zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen. Ein zu fordernder Einsatz der monatlichen Mittel in Höhe von 100 % des übersteigenden Einkommens gemäß § 87 Abs. 1 SGB XII ergebe sich durch den nur einmaligen Hilfebedarf und den nur kurzfristigen Mitteleinsatz (drei Monate). Die nach Abzug des Nachlasses verbleibenden Bestattungskosten könnten somit vom Kläger aus dessen übersteigendem Einkommen innerhalb von drei Monaten (3.400,95 Euro) gezahlt werden. Eine Berücksichtigung von Schuldabtragungen im Rahmen der Sozialhilfe nicht erfolgen könne.

Am 29.April 2014 erhob der Kläger Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass die monatlichen Schuldabtragungen in Höhe von 1.078,00 Euro zu berücksichtigen seien. Auch seien die Unterkunftskosten um die tatsächlichen Nebenkosten in Höhe von 293,87 Euro zu ergänzen. Der Kläger legte von ihm erstellte handschriftliche Aufstellung der Nebenkosten vor. Daneben seien die Kosten für die Vorhaltung eines Kfz anzuerkennen, da er Gutachter bei Gericht und bei Gutachterkommissionen sei und regelmäßig lange Fahrten erforderlich seien, die durch öffentlichen Nahverkehr nicht zu bewältigen seien. Seine Ehefrau benötige das Fahrzeug für ihre Tätigkeit als Vorsitzende des Kirchenvorstandes der Stadtkirche A-Stadt. Monatlich seien hier 53,33 Euro für die Kfz-Versicherung und Steuern anzuerkennen. Daneben seien die Zahlungen des Sohnes nicht zu berücksichtigen, da es sich um Rückzahlungen auf Vorschüsse für die Kosten des Studiums handele. Auch seien die Kosten für die Hausrat- und Haftpflichtversicherung zu niedrig angesetzt worden. Hier seien Kosten von 575,32 EUR, also 70,82 EUR mehr anzuerkennen. Der Kläger vertrat insoweit die Auffassung, dass die angegebenen Kostenpositionen das anzurechnende Einkommen auf einen Betrag reduziere, welcher eine angemessene Lebenshaltung nicht mehr ermögliche.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Dezember 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zunächst sei gemäß § 85 SGB XII eine Einkommensgrenze zu ermitteln, der das bereinigte Einkommen gegenüberzustellen sei. Diese Einkommensgrenze errechne sich aus einem Grundbetrag für den Kläger, einen Familienzuschlag für die Ehefrau sowie Unterkunftskosten. Bei der Berechnung der Unterkunftskosten berücksichtigte der Beklagte den gesamten von dem Kläger in seiner vorgenannten handschriftlichen Aufstellung genannten Betrag mit Ausnahme der Stromkosten und führte aus, dass der Kläger 11 % der Unterkunftskosten bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus seiner Gutachtertätigkeit eingerechnet habe, sodass von den Aufwendungen 89 % im Rahmen der Berechnung der Einkommensgrenze zu berücksichtigen seien, entsprechend Unterkunftskosten in Höhe von 862,78 Euro/Monat. Sofern auch Stromkosten aufgeführt worden seien, könnten diese nicht als Kosten der Unterkunft berücksichtigt werden, da bereits im Regelsatz ein Anteil für die Haushaltsenergie enthalten sei. Der Beklagte führte aus, dass das monatliche Renteneinkommen der Eheleute sowie die Einkünfte aus der Tätigkeit des Klägers als Gutachter angerechnet würden. Zu Grunde gelegt worden sei für die Gutachtertätigkeit der von dem Kläger errechnete Jahresgewinn für 2013 in Höhe von 344,94 Euro/Monat. Die monatlichen Zahlungen des Sohnes des Klägers seien ebenfalls zu berücksichtigen da sie aus sozialhilferechtlicher Sicht Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII darstellten. Der Beklagte errechnete eine Einkommensgrenze in Höhe von 1.918,78 Euro sowie ein bereinigtes Einkommen des Klägers und seiner Ehefrau in Höhe von 2.970,55 Euro, mithin ein die Einkommensgrenze übersteigendes Einkommen in Höhe von 1.051,77 Euro:

Einkommensgrenze In Euro
Grundbetrag nach § 85 SGB XII 782,00
Familienzuschlag 274,00
89% der Kaltmiete 667,50
89% der Nebenkosten 26,70
89% der Wasserkosten 21,10
89% der Abwasserkosten 21,51
89% der Kosten für versiegelte Flächen 13,05
89% der Abfallkosten 14,55
89% der Heizkosten 98,37
Einkommensgrenze 1.918,78

Einzusetzendes Einkommen
Rente Prof. Dr. A. 2.534,43
Rente Frau A. 344,98
Einkommen Prof. Dr. A. 344,94
Zahlungen des Sohnes 250,00
Einkommen insgesamt 3.474,35
./. Haftpflichtversicherung 8,70
./. Hausratversicherung 11,02
./. Private Krankenversicherung 484,08
Bereinigtes Einkommen 2.970,55
Einkommen über der Einkommensgrenze 1.051,77

Weiterhin führte der Beklagte aus, dass als besondere Belastung die monatlichen Schuldabtragungen in Höhe von 1.078,00 Euro nicht vom Einkommen abgesetzt werden könnten. Bei der Frage der Zumutbarkeit spiele auch die persönliche Bindung zum Verstorbenen eine Rolle. In der Regel beurteile sich diese nach dem Grad des Verwandtschaftsverhältnisses. Die Verstorbene sei die Mutter des Klägers gewesen, sodass die Aufbringung der Mittel in Höhe von 100 % des übersteigenden Einkommens von 1.051,77 Euro verlangt werden könne. Der Beklagte halte es insoweit für zumutbar, nicht nur das übersteigende Einkommen eines Monats, sondern für einen Zeitraum von bis zu vier Monaten, 4.207,08 Euro, zur Deckung der Bestattungskosten einzusetzen, da es sich nur einmalige Hilfebedarf und einen nur kurzfristige Mitteleinsatz handele.

Mit seiner am 17. Dezember 2014 zum Sozialgericht Fulda erhobenen Klage hat der Kläger sein Begehren weiterverfolgt und auf seine Ausführungen im Vorverfahren Bezug genommen.

Mit Urteil vom 30. November 2016 hat das Sozialgericht ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Der Bescheid des Beklagten vom 8. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Dezember 2014 sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Er habe keinen Anspruch auf Übernahme der Bestattungskosten. Grundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 74 SGB XII.

Gegen das ihm am 8. Dezember 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Dezember 2016 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht eingelegt.

Der Kläger trägt vor, das Sozialgericht habe den Begriff der Zumutbarkeit falsch ausgelegt. Die finanziellen Belastungen durch den Kredit seien so hoch, dass kein angemessener Selbstbehalt verbleibe. Es bestehe trotz des engen Verwandtschaftsverhältnisses kein Raum, finanzielle Aufwendungen zu tätigen. Das Einkommen seiner Ehefrau sei nicht anzurechnen. Die vier noch laufenden Kredite sicherten zu den jeweiligen Zeitpunkten seine Existenz. Er sei im Jahre 2005 als Chefarzt im Klinikum A-Stadt entlassen worden. Da er 2001 in A-Stadt ein Haus gekauft habe, welches 2005 noch nicht abbezahlt war, habe das Klinikum A-Stadt einen Großteil meiner Schulden übernommen, habe im Gegenzug die Häuser in A-Stadt und in D-Stadt sowie sämtliche Lebensversicherungen überschrieben bekommen. Bis zum Jahre 2012 habe er im Medizinischen Versorgungszentrum des Klinikums zu der Rente dazu verdient, sodass er den Lebensstandard halbwegs habe halten können. Er habe zu diesem Zeitpunkt einen Sohn im Studium unterhalten und sei vertraglich daran gebunden gewesen, meine Mutter zu versorgen. Im Übrigen habe das Klinikum nicht alle Schulden übernommen, sodass ich den F. noch selbst habe bedienen müssen. Bis zum Jahr 2012 sei mein Dispositionskredit bei der G-Bank AX-Stadt in ein Minus von 20.000 Euro. Nur durch das Darlehen eines Freundes und einen kleinen Kredit der G-Bank AX-Stadt habe er den Dispositionskredit ablösen können.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 30. November 2016 und den Bescheid des Beklagten vom 8. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihm Kosten der Bestattung von Frau C. A. in Höhe von 3.135,00 Euro zu erstatten.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte führt aus, nach den vom Kläger vorgelegten Unterlagen bediene dieser vier Kredite mit monatlich insgesamt 1071 Euro: zwei Kredite der F. Bank, einen Privatkredit und einen Kredit bei der G-Bank in A-Stadt. Dass die Kredite der Existenzsicherung dienen sollten und keine Konsumkredite seien, sei nicht nachzuvollziehen. Der Unterschied leichte nicht recht ein. Neben den Absetzungsbeträgen des § 82 Abs. 2 SGB XII seien Zahlungsverpflichtungen nur in besonderen Ausnahmefällen – etwa bei drohendem Wohnungsverlust – anzurechnen. Allgemeine Schuldverpflichtungen oder Konsumentenkredite fänden indes keine Berücksichtigung. Allein die Aussage, die Kredite hätten jeweils die Existenz des Klägers gesichert, sei durch nichts belegt und auch nicht recht nachvollziehbar. Beim Tod der Mutter hätten der Kläger und seine Ehefrau Renteneinkünfte von mehr als 3.000 Euro mtl. sowie einen mtl. Zuschuss des Sohnes und gelegentliche Einkünfte durch Gutachtertätigkeit bezogen. Es habe offensichtlich keine Notwendigkeit bestanden, die "Existenz zu sichern”. Möglicherweise habe es sich bei den Krediten um Verbraucherkredite gehandelt, die dazu dienten, den Lebensstandard aufrecht zu erhalten. Die Bestimmung der Einkommensgrenze richte sich nach § 85 SGB XII und enthalte auch einen Familienzuschlag für den Ehegatten, weshalb im Rahmen des zur Verfügung stehenden Einkommens auch das Einkommen des Ehegatten zugrunde zu legen sei.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18. Januar 2018 und der Kläger mit Schriftsatz vom 19. Januar 2018 einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.

Wegen des Sach- und Streitverhältnisses im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte des Beklagten, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen, denn der Bescheid des Beklagten vom 8. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. Dezember 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dieser hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Bestattungskosten durch den Beklagten.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch ist § 74 SGB XII. Danach werden die erforderlichen Kosten einer Bestattung übernommen, soweit den hierzu Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.

Der Beklagte ist nach § 98 Abs. 3 1. Var. SGB XII zuständig, da er der Mutter des Klägers als zuvor leistungsberechtigter Person bis zum Tod Sozialhilfe leistete.

Der Kläger ist als Sohn der Verstorbenen nach § 8 Abs. 1 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW) vom 17. Juni 2003 (GV. NRW. 2003, 313) öffentlich-rechtlich zur Bestattung verpflichtet. Seine Verpflichtung ergibt sich auch aus § 1968 BGB, da der Kläger ebenfalls alleiniger Erbe der Verstorbenen ist. Damit ist er dem Grunde nach anspruchsberechtigt.

Die Bestattungskosten erweisen sich nicht in der geltend gemachten Höhe von 3.135,00 Euro als dem Grunde nach erforderlich, da hierin auch Kosten für insgesamt vier Handsträuße zu je 3,50 Euro enthalten sind. Entgegen der Auffassung der Beklagten unterfallen nach Auffassung des Senats neben einem Sarggesteck auch ein Kranz (vgl. hierzu Berlit in: LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 74 Rn. 13) noch die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R). Unangemessen sind aber die Kosten für vier Handsträuße in Höhe von je 3,50 Euro, denn zum einen entspricht die Verwendung von Handsträußen nicht mehr den Gegebenheiten an eine einfache Bestattung und zum anderen wären allenfalls Kosten für zwei Handsträuße, nämlich für den Kläger und seine Ehefrau erforderlich.

Des Weiteren kann dem Kläger der Einsatz des vorhandenen Nachlasses (Berlit in: LPK-SGB XII, 10. Auflage 2015, § 74 Rn. 18) zugemutet werden, hier also – worauf der Beklagte im streitgegenständlichen Verwaltungsakt bereits zutreffend hingewiesen hat – das Guthaben in Höhe 362,78 Euro auf dem Barbetragskonto der Verstorbenen im Pflegeheim.

Die Tragung der verbleibenden Kosten der Bestattung in Höhe von 2.765,22 Euro sind dem Kläger auch zumutbar. Der Beurteilungsmaßstab dafür, was dem Verpflichteten zugemutet werden kann, ergibt sich insbesondere aus den allgemeinen Grundsätzen des Sozialhilferechts (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R –, juris, Rn. 14, = BSGE 104, 219, m.w.N.). Da § 74 SGB XII den Anspruch auf Kostenübernahme nicht zwingend an die Bedürftigkeit des Anspruchsinhabers (des Verpflichteten) knüpft, sondern die eigenständige Leistungsvoraussetzung der Unzumutbarkeit verwendet, nimmt § 74 SGB XII im Recht der Sozialhilfe aber eine Sonderstellung ein. Die Regelung unterscheidet sich von anderen Leistungen des Fünften bis Neunten Kapitels insbesondere dadurch, dass der Bedarf bereits vorzeitig (vor Antragstellung) gedeckt sein kann, eine Notlage, die andere Sozialhilfeansprüche regelmäßig voraussetzen, also nicht mehr gegeben sein muss. Die Verpflichtung des zuständigen Trägers der Sozialhilfe setzt nach § 74 SGB XII nur voraus, dass die (ggf. bereits beglichenen) Kosten "erforderlich" sind und es dem Verpflichteten nicht "zugemutet" werden kann, diese Kosten zu tragen, ohne ausdrücklich und ausschließlich auf die Bedürftigkeit abzustellen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R –, juris, Rn. 14, = BSGE 104, 219). Demnach können in § 74 SGB XII jedenfalls auch andere als wirtschaftliche Aspekte bei der Würdigung der Zumutbarkeit berücksichtigt werden.

Aber auch die Beantwortung der Frage, inwieweit von einer bestehenden oder eintretenden Bedürftigkeit auf die Unzumutbarkeit geschlossen werden kann, unterliegt Besonderheiten. Einigkeit besteht dahingehend, dass die Bedürftigkeitsprüfung des § 19 Abs. 3 SGB XII von der in § 74 SGB XII vorgesehenen (besonderen) Zumutbarkeitsprüfung "überlagert wird" (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 25, = BSGE 109, 61). Im Übrigen ist "in besonderer Weise" die Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII bezogen auf Leistungen zum Lebensunterhalt ein wesentliches Kriterium der Zumutbarkeit des § 74 SGB XII; dabei dienen die üblichen Bedürftigkeitskriterien (z.B. §§ 85 bis 91 SGB XII) als (bloße) Orientierungspunkte für die Beurteilung der Zumutbarkeit (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 25, = BSGE 109, 61). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit ist das Fälligwerden der entsprechenden Schuldverpflichtungen des Klägers; ein späterer Wegfall der Bedürftigkeit ist aus Gründen des effektiven Rechtsschutzes ohne Bedeutung (BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 25, = BSGE 109, 61; differenzierender BSG, Urteil vom 29. September 2009 B 8 SO 23/08 R –, juris Rn. 17, = BSGE 104, 219).

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Fälligkeit der hier im Zusammenhang mit der Bestattung entstandenen Kosten ist der Monat Februar 2014. Der Senat folgt insoweit der jüngeren Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach es allein auf den Fälligkeitsmonat ankommt. In diesem Monat stehen den – noch verbleibenden – erforderlichen Bestattungskosten in Höhe von 2.765,22 Euro bereinigtes Einkommen des Klägers, das die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII von 1.836 Euro überschreitet, in Höhe von jedenfalls 693,73 Euro gegenüber.

Dabei kann der Senat die in Literatur und Rechtsprechung nicht abschließend geklärte Frage offen lassen, ob die Bedürftigkeitsprüfung allein auf die zur Bestattung verpflichteten Personen zu beziehen ist oder ob die Regelungen über die Einstandsgemeinschaft auch in den Fällen des § 74 SGB XII uneingeschränkt gelten (für die Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen jedenfalls des vom Bestattungspflichtigen nicht getrennt lebenden Ehegatten: Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 9. März 2011 – L 9 SO 19/09 –, Rn. 33, juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 20. Juni 2013 – L 8 SO 365/10 –, juris; LSGt Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2016 – L 7 SO 262/15 –, juris; Berlit: in LPK-SGB XII, 11. Auflage 2018, § 74 Rn. 13; a. A. Greiser/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 74 SGB XII, Rn. 68; Schlette in: Hauck/Noftz, SGB, 05/13, § 74 SGB XII, Rn. 12) mit der Folge der Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Ehefrau des Klägers, weil § 19 Abs. 3 SGB XII für alle besonderen Leistungen des SGB XII uneingeschränkt Anwendung finde.

Jedenfalls dann, wenn Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII besteht (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 6. Dezember 2017, L 4 SO 53/16), ist die Übernahme der Bestattungskosten durch den Verpflichteten diesem nicht zumutbar. Dies ist hier aber selbst dann nicht der Fall, wenn das Renteneinkommen der Ehefrau des Klägers in Höhe von 353,40 Euro im Monat Februar 2014 unberücksichtigt bleibt, denn in diesem Monat floss dem Kläger allein Ehefrau Einkommen in Höhe von 3.034,43 Euro (2.534,43 Euro Rente des Klägers sowie Zahlungen des Sohnes in Höhe von 500 Euro) zu, von dem Beiträge zur Hausratversicherung (8,27 Euro), privaten Krankenversicherung (484,08 Euro), Haftpflichtversicherung (6,52 Euro) und dem Berufsverband (5,83 Euro), mithin 504,70 Euro abzusetzen waren. Es ergibt sich hieraus ein bereinigtes Einkommen in Höhe von 2.529,73 Euro. Soweit der Kläger erstinstanzlich andere (höhere) Beitragsverpflichtungen vorgetragen hat, stehen dem die von ihm selbst vorgelegten Unterlagen entgegen, darüber hinaus hat er im Berufungsverfahren hierzu nichts mehr vorgetragen.

Entgegen der Auffassung des Klägers waren dabei nicht die Aufwendungen für den Betrieb seines PKW zu berücksichtigen. Zutreffend hat der Beklagte insoweit darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nicht um gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen nach § 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII handelt. Die Aufwendungen sind auch insbesondere deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil die Kfz-Haltung sozialhilferechtlich billigenswert wäre. Soweit der Kläger das Kfz im Rahmen seiner Gutachtenstätigkeit zu Fahrten zur Universitätsbibliothek H-Stadt nutzt, um dort Literaturstudien zu tätigen, ist nicht ersichtlich, warum der Kläger für diese Fahrten nicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen kann. Es handelt sich daher auch nicht um mit der Erzielung von Einkommen notwendige Aufwendungen i. S. v. § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII.

Ferner können entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht seine erheblichen monatlichen Ratenzahlungsverpflichtungen vom Einkommen abgesetzt werden, da nach dem Vorbringen des Klägers die den Ratenzahlungsverpflichtungen zugrunde liegende Darlehensaufnahme offenbar der Sicherung seines Lebensstandards diente, Ratenzahlungsverpflichtungen sozialhilferechtlich aber nicht anerkannt werden können, wenn sie allein der Schuldentilgung dienen. Allenfalls im Rahmen der Kosten der Unterkunft ist eine Berücksichtigung von Zinszahlungen möglich, dafür dass die Ratenzahlungsverpflichtung des Klägers aber dem Erhalt der seiner Wohnung dient, gibt es keinerlei Anhaltspunkte, vielmehr wohnt der Kläger zur Miete.

Dem Kläger ist jedenfalls der Einsatz des im Monat Februar 2014 die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII übersteigenden Einkommens in Höhe von 693,73 Euro zumutbar, hierfür spricht insbesondere die verwandtschaftliche Nähe des Klägers zu seiner verstorbenen Mutter. Für besondere Umstände, die insoweit eine weitergehende Zumutbarkeitsbetrachtung erforderlich machen würden, bestehen keine Anhaltspunkte; hierfür ist auch nichts vorgetragen.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist im Rahmen der Anwendung des § 74 SGB XII die "Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. SGB XII bezogen auf Leistungen zum Lebensunterhalt ein wesentliches Kriterium der Zumutbarkeit". Damit wird zunächst, aber nicht allein auf die Maßstäbe der §§ 85 ff. SGB XII verwiesen, die für alle Hilfen nach den Fünften und Neunten Kapitel gelten und bereits deshalb anzuwenden sind (vgl. H. Schellhorn, in: Schellhorn/Hohm/Schneider, SGB XII 19. Aufl. 2015, § 74 Rn. 2). Hat dagegen ein etwaiges Einkommen die Einkommensgrenze des § 85 SGB XII überschritten, rechtfertigt dies allein noch nicht zwingend den Einsatz des die Einkommensgrenze überschießenden Teils des Einkommens (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R –, juris, Rn. 19 = BSGE 104, 219). Wegen der vergleichsweise hohen Kosten einer Bestattung kann es vielmehr dazu kommen, dass bei ausschließlicher Betrachtung des Einkommens in dem konkreten Monat eine Bedürftigkeit im Sinne des SGB XII auch bei einem sonst deutlichen Übersteigen der Einkommensgrenze in Betracht kommt (krit. Greiser/Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014 (Stand 2. November 2017), § 74 SGB XII, Rn. 65); da insoweit § 87 Abs. 3 SGB XII im Hinblick auf eine Aufteilung der Bestattungskosten nicht anwendbar ist (vgl. hierzu auch LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. März 2011 L 9 SO 19/09), ist folglich das "Bedürftigwerden" durch die Übernahme der Bestattungskosten in der Zumutbarkeitsprüfung mit zu berücksichtigen (Senatsurteil vom 6. Dezember 2017, L 4 SO 53/16). Ein solcher Fall ist hier gegeben: Bei ausschließlicher Betrachtung des Fälligkeitsmonats Februar 2014 würde der Kläger bedürftig im Sinne des SGB XII werden, würde er die vollen Bestattungskosten tragen müssen. Wegen der die Bedürftigkeitsprüfung des § 19 Abs. 3 SGB XII "überlagernden" besonderen Zumutbarkeitsprüfung im Anwendungsbereich des § 74 SGB XII (vgl. BSG, Urteil vom 25. August 2011 – B 8 SO 20/10 R –, juris, Rn. 25, = BSGE 109, 61) und unter Berücksichtigung der systematischen Stellung der Norm im 9. Kapitel des SGB XII (Hilfe in anderen Lebenslagen) sind im Rahmen der Prüfung der eigenständigen Leistungsvoraussetzung der Sonderregelung des § 74 SGB XII (BVerwGE 105, 51 ff) nach höchstrichterlicher Rechtsprechung neben den wirtschaftlichen Verhältnissen des Verpflichteten zwar auch andere Momente zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R –, BSGE 104, 219-227, SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, Rn. 16). Der Begriff der Zumutbarkeit ist damit nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls auszulegen. Je enger das Verwandtschaftsverhältnis oder die rechtliche Beziehung war, desto geringer sind in der Regel die Anforderungen an die Zumutbarkeit des Einkommens- und Vermögenseinsatzes. Umgekehrt können etwa zerrüttete Verwandtschaftsverhältnisse höhere Anforderungen an die Zumutbarkeit begründen. Entscheidend sind jeweils die Verhältnisse des Einzelfalls (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 23/08 R –, BSGE 104, 219-227, SozR 4-3500 § 74 Nr. 1, Rn. 16).

Diese rechtfertigen es im vorliegenden Fall eines engen Verwandtschaftsverhältnisses zwischen Mutter und Sohn und dem deutlich über der Grenze des § 85 SGB XII liegenden Einkommen des Klägers und zwar nicht nur im konkret zu betrachtenden Monat Februar 2014 sondern auch darüber hinaus sowie dem Umstand, dass es sich um einen lediglich einmaligen Bedarf handelt, die Übernahme der gesamten Kosten der Bestattung durch den bestattungsverpflichteten Kläger als zumutbar zu erachten. Dies gilt jedenfalls, wenn – wie hier – die Bestattungskosten insgesamt in einem Zeitraum von lediglich vier Monaten durch einzusetzendes Einkommen gedeckt werden können (vgl. zur Heranziehung des Einkommensüberhangs von vier Monaten i. E. ähnlich: LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 9. März 2011 – L 9 SO 19/09 – juris Rn. 51).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt der Entscheidung der Hauptsache.

Die Revision war nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen. Der Senat misst der Frage der Heranziehung eines Einkommensüberhangs über den Bedarfsmonat hinaus grundsätzliche Bedeutung zu.
Rechtskraft
Aus
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