L 4 AS 113/18 NZB

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 13 AS 346/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 113/18 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beklagte und Beschwerdeführer (im Weiteren: Beklagter) begehrt die Zulassung der Berufung gegen Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau (SG) und die Durchführung des Berufungsverfahrens. In der Sache wendet er sich gegen die Verurteilung zur Zahlung von weiteren Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von 51,50 EUR monatlich an die Kläger und Beschwerdegegner (im Weiteren: Kläger) für die Leistungszeiträume von Januar bis Mai 2013 (L 4 AS 113/18 NZB) und von Juni bis September 2013 (L 4 AS 114/18 NZB).

Die miteinander verheirateten Kläger beziehen von dem Beklagten ergänzende Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Der Kläger ist als Busfahrer erwerbstätig und erzielt ein monatlich wechselndes Einkommen. Die Klägerin ist geringfügig beschäftigt und verdient wechselnde Beträge um 100 EUR monatlich. Die Kläger bewohnen eine 77 m² große Mietwohnung in K ... Nach Auszug ihrer Tochter im Oktober 2010 wies der Beklagte sie mehrfach (Schreiben vom 03.11.2010 und 21.09.2011) auf die aus seiner Sicht unangemessenen KdUH hin und senkte spätestens ab Juni 2012 die Leistungen für die KdUH ab. Für die Wohnung hatten die Kläger in den streitigen Zeiträumen eine monatliche Gesamtmiete von 486,50 EUR (Bruttokaltmiete [BKM] 411,50 EUR, Heizkosten 75 EUR) zu zahlen.

Nach vorläufiger Leistungsgewährung im Hinblick auf das unbekannte Erwerbseinkommen setzte der Beklagte jeweils monatlich nach Vorlage der Verdienstabrechnungen die SGB II-Leistungen endgültig fest. Dabei berücksichtigte er KdUH von 435 EUR, eine BKM von 360 EUR sowie die Heizkostenabschläge in tatsächlicher Höhe (75 EUR).

Die gegen die vorläufige Leistungsgewährung für die Monate Januar bis Mai 2013 eingelegten Widersprüche wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2013 zurück. Die KdUH der Kläger seien nach der Richtlinie zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Landkreis A. ab dem 01.04.2012, die auf einem schlüssigen Konzept beruhe, unangemessen. Für einen Zweipersonenhaushalt in K. sei eine BKM von 360 EUR zu berücksichtigen. Die Heizkosten seien angemessen und würden in voller Höhe übernommen. Am 18.02.2013 haben die Kläger Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben.

Gegen die endgültige Leistungsgewährung für die Monate Juni bis September 2013 gingen die die Kläger zunächst nicht vor, stellten aber am 02.12.2013 einen Überprüfungsantrag, den der Beklagte mit Bescheid vom 28.05.2014 und zurückweisendem Widerspruchsbescheid vom 15.07.2014 ablehnte. Dagegen haben die Kläger am 15.08.2014 Klage beim SG erhobenen.

Zur Begründung der Klagen haben sie geltend gemacht, sie hätten Anspruch auf die Berücksichtigung der tatsächlichen KdUH, denn sie seien nicht wirksam zur Kostensenkung aufgefordert worden. Die seit April 2012 geltende Richtlinie sei erst im November 2012 erlassen und im Dezember 2012 bekannt gegeben worden. Vorher hätten sie sich auf die neuen Angemessenheitswerte nicht einstellen können. Zudem entspreche die Mietwerterhebung nicht den Anforderungen an ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG, denn sie bilde die aktuellen Verhältnisse auf dem Mietwohnungsmarkt der Stadt K. nicht ab.

Nach mündlicher Verhandlung hat das SG mit Urteilen vom 07.12.2017 den Beklagten verurteilt, den Klägern in den beiden streitigen Zeiträumen weitere Leistungen für die KdUH von 51,50 EUR monatlich zu zahlen: Die KdUH seien insgesamt angemessen. Die Heizkosten von 75 EUR blieben in dem vom Beklagten vorgegebenen Rahmen der Werte des bundesdeutschen Heizspiegels 2012. Zwar übersteige die BKM den vom Beklagten für einen Zweipersonenhaushalt in K. als angemessen erachteten Betrag (360 EUR). Es könne jedoch dahinstehen, ob dieser Wert und die ihm zugrundeliegende Mietwerterhebung den Anforderungen des BSG an ein sog. schlüssiges Konzept entspreche. Denn auch bei Unangemessenheit der BKM treffe die Kläger keine Obliegenheit zur Kostensenkung. Diese bestehe nicht, wenn in einer alternativ zu beziehenden Unterkunft insgesamt gleich hohe Kosten entstünden. Maßgeblich seien die Gesamtkosten. Im Fall der Kläger seien die tatsächlichen KdUH nur geringfügig höher als die alternativen Kosten. Der Beklagte akzeptiere maximale Heizkosten für einen Zweipersonenhaushalt nach dem bundesdeutschen Heizspiegel 2012 in Höhe von 109,50 EUR monatlich (Heizöl, Gebäudegröße 100-250 m²). Mit dem Angemessenheitswert für die BKM ergebe sich ein Gesamtbetrag von 469,50 EUR. Die KdUH-Aufwendungen der Kläger seien 17 EUR monatlich höher. Jedoch sei ein Wohnungswechsel unwirtschaftlich (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II), weil bereits die zu berücksichtigenden Umzugskosten die jährliche Kostenersparnis bei der Miete von 204 EUR (12 x 17 EUR) überstiegen. Das SG hat in den Urteilen die Berufung nicht zugelassen und ausgeführt, die Frage der Wirtschaftlichkeit eines Umzugsverlangens sei eine Einzelfallentscheidung.

Nach Zustellung der Urteile am 17.01.2018 hat der Beklagte am 13.02.2018 Nichtzulassungsbeschwerden eingelegt. Zur Begründung hat er vorgetragen: Die Frage, ob der nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II mögliche Wirtschaftlichkeitsvergleich zeitlich auf ein Jahr zu beschränken sei, sei vom BSG noch nicht geklärt und habe grundsätzliche Bedeutung. Die Frage sei in allen Fällen des Wirtschaftlichkeitsvergleichs von Relevanz. Zudem sei noch ungeklärt, ob im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung nur die monatlichen Zahlbeträge für die Unterkunftskosten zu berücksichtigen seien, bei denen regelmäßig Abschlagszahlungen enthalten seien, oder ob die Jahresabrechnungen über die Betriebskosten einzubeziehen seien. Zudem liege Divergenz vor, denn die Urteile wichen von der Entscheidung des BSG zum Wirtschaftlichkeitsvergleich (Urteil vom 12.06.2013, Az.: B 14 AS 60/12 R, juris) ab. Das BSG habe ausdrücklich festgestellt (RN 32), dass die Werte des bundesdeutschen Heizspiegels nicht heranzuziehen seien, weil diese das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt nicht widerspiegelten, und es für realistischer gehalten, auf die Durchschnittskosten aus den Übersichten des Deutschen Mieterbundes abzustellen, die deutlich unter den Werten des bundesdeutschen Heizspiegels lägen.

Zum Hinweis der Berichterstatterin auf den Wortlaut der angeführten Passage des BSG-Urteils hat der Beklagte ausgeführt, er verfüge hinsichtlich der als angemessen zu betrachtenden Heizkosten nicht über valide Daten. Deshalb stelle er im Rahmen der Angemessenheit auf die Werte des bundesdeutschen Heizspiegels ab. Diese dienten lediglich als Anscheinsbeweis dafür, dass bei Überschreiten der Grenzwerte von unangemessen hohen Kosten auszugehen sei. Es sei nicht zu beanstanden, bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung andere Werte – hier diejenigen aus den Übersichten des Deutschen Mieterbundes Bundesländer Ost – heranzuziehen. Unabhängig davon sei es jedoch rechtsfehlerhaft, auf die höchsten Werte unabhängig vom Heizmedium abzustellen. Da die Wohnung der Kläger mit Erdgas beheizt werde, sei der Wert für eine erdgasbetriebene Heizung zugrunde zu legen.

Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

die Berufung gegen die Urteile des Sozialgerichts Dessau-Roßlau

vom 07.12.2017 zuzulassen.

Die Kläger beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

die Nichtzulassungsbeschwerden zurückzuweisen.

Sie führen aus: Nach der zitierten Entscheidung des BSG seien nur Heizkostenwerte, denen hinreichende, realitätsgerechte und nachvollziehbare Erhebungen zugrunde lägen, geeignet, den angemessenen Heizbedarf im maßgeblichen Vergleichsraum abzubilden. Solange der Beklagte dazu keine differenzierte Datenermittlung für den Vergleichsraum durchgeführt habe und es einen kommunalen Heizspiegel weder für den Landkreis A. noch für die Stadt K. gebe, sei auf die Werte des bundesdeutschen Heizspiegels zurückzugreifen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

II.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 155 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingelegt worden.

Sie ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Berufung gegen die Urteile vom 07.12.2017 nicht zugelassen. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil des SG, wenn der Wert des Streitgegenstands bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Der Senat geht von der erstinstanzlichen Verurteilung zur Zahlung von monatlich 51,50 EUR für fünf Monate im Verfahren L 4 AS 113/18 NZB bzw. für vier Monate im Verfahren L 4 AS 114/18 NZB als maßgeblichem Wert der vom Urteil für den Beklagten ausgehenden Beschwer aus. Die Gesamtbeträge von 257,50 EUR bzw. 206 EUR erreichen die Beschwerdewertgrenze nicht.

Die Beschwerde ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Danach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Einen Verfahrensmangel gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

Der geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt nicht vor. Divergenz ist anzunehmen, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das SG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz der in § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte aufgestellt hat. Dies ist hier nicht ersichtlich. Das Urteil des SG weicht weder von einer Entscheidung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt noch von einer des BSG ab. Es liegt insbesondere keine Divergenz zu den vom Beklagten benannten Entscheidungen des BSG vor.

Zunächst betrifft die Entscheidung des BSG ausdrücklich nicht den hier streitigen Wirtschaftlichkeitsvergleich nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II (vgl. RN 31, s.u.), sodass mit ihr eine Divergenz nicht begründet werden kann.

Das BSG hat in seinem Urteil vom 12.06.2013 (Az.: B 14 AS 60/12 R, juris) wörtlich ausgeführt:

"Der Wohnungswechsel als Kostensenkungsmaßnahme ist aber nur zumutbar, wenn in einer alternativ zu beziehenden Wohnung insgesamt keine höheren Kosten als bisher anfallen. Nur ein Wohnungswechsel, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann, ist das von dem hilfebedürftigen Leistungsempfänger geforderte "wirtschaftliche Verhalten". Ein Wohnungswechsel, der nicht aber zu niedrigeren Gesamtkosten führt, wäre seinerseits unwirtschaftlich und deshalb nicht zumutbar. Gegenüber dem grundsätzlich schützenswerten individuellen Interesse des hilfebedürftigen Leistungsempfängers am Verbleib in seiner Wohnung überwiegt das Interesse der Allgemeinheit an deren Aufgabe nur für den Fall eines wirtschaftlich sinnvollen Umzuges. (RN 30)

In diesem Ergebnis sieht sich der Senat durch die Neuregelung in § 22 Abs 1 Satz 4 SGB II zum 1.1.2011 (mit dem Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24.3.2011 (BGBl I 453)) bestätigt. Danach muss eine Absenkung der nach Satz 1 unangemessenen Aufwendungen nicht gefordert werden, wenn diese unter Berücksichtigung der bei einem Wohnungswechsel zu erbringenden Leistungen unwirtschaftlich wäre. Auch wenn im Gesetzgebungsverfahren andere Beispielsfälle zur Diskussion standen (vgl BT-Drucks 17/3404 S 98), bestätigt Satz 4 in der neuen Fassung die Möglichkeit eines zusammenfassenden Wirtschaftlichkeitsvergleichs hinsichtlich der gesamten Bruttowarmkosten (so auch Berlit in Münder, SGB II, 4. Aufl 2011, § 22 RdNr 92; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, Stand Oktober 2012, § 22 RdNr 166), ohne dass über die Einzelheiten der Regelung, die vorliegend unmittelbar noch nicht zur Anwendung kommt, zu entscheiden wäre. (RN 31)

Im vorliegenden Fall wird das LSG nach Zurückverweisung also zu prüfen haben, welche Vergleichskosten für Unterkunft und Heizung sich auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt ergeben, die der Beklagte nach einem Wohnungswechsel als angemessen zu zahlen hätte. Neben dem (gerichtlich voll zu überprüfenden) Wert, der sich für die Kosten der Unterkunft einer alleinstehenden Person als abstrakt angemessen ergibt, kann wegen der Kosten der Heizung im Ausgangspunkt auf die vom Beklagten in seiner Verwaltungspraxis als angemessen angesehenen (durchschnittlichen) Heizkosten zurückgegriffen werden. Jedenfalls vorliegend erscheinen diese mit rund 1 Euro pro qm und Monat insbesondere im Vergleich mit Durchschnittskosten aus den Betriebskostenübersichten des Deutschen Mieterbundes (0,84 Euro Kosten für Heizung (ohne Warmwasser) im Bundesdurchschnitt für das der streitigen Kostensenkung vorangegangene Abrechnungsjahr 2009) nicht unrealistisch niedrig. Die Werte des Heizspiegels, die nicht das tatsächliche Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt widerspiegeln, sind bei dieser Prüfung nicht heranzuziehen." (RN 32)

Dies bedeutet für den Vergleich hinsichtlich der Heizkosten, dass von denjenigen auszugehen ist, die der Beklagte in seiner Verwaltungspraxis bei der Leistungsgewährung als angemessen ansieht. Dies sind nach den Richtlinien des Landkreises A. zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung seit 2012 die tatsächlichen Kosten, soweit diese angemessen sind (Ziff. 6 Satz 1 der 4. Änderung vom 19.12.2019). Weiter heißt es in Satz 3:

"Die Bedarfe für Heizung und Warmwasser sind angemessen, wenn die tatsächlichen Kosten die Obergrenzen des bundesweiten Heizspiegels nicht überschreiten."

Mithin sind diese Grenzwerte auch beim Wirtschaftlichkeitsvergleich anzuwenden. Dem entspricht das Vorgehen des SG in den angegriffenen Entscheidungen. Das BSG hat ausgeführt, dass nur ein Leistungsträger, der über eigene (realistische) Angemessenheitswerte für die Heizkosten verfügt, die er in ständiger Verwaltungspraxis bei der Entscheidung über Leistungen anwendet, diese auch als Maßstab für den Wirtschaftlichkeitsvergleich anzuwenden hat. Eine Divergenz liegt insoweit nicht vor.

Im Übrigen hält es der Senat für ausgeschlossen, unterschiedliche Grenzwerte für die Heizkosten bei der Leistungsgewährung einerseits und beim Wirtschaftlichkeitsvergleich andererseits anzuwenden.

Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Diese ist gegeben, wenn ein Verfahren bisher nicht geklärte, aber klärungsbedürftige und -fähige Rechtsfragen aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern (vgl. Leitherer, a.a.O., § 144 RN 28). Eine Rechtfrage ist eine die Rechtsanwendung betreffende und mit Mitteln der juristischen Methodik zu beantwortende Frage. Tatsächliche Fragen – auch wenn sie mehrfach auftreten – reichen nicht.

Insoweit sind die vom Beklagten aufgeworfenen Fragen nach Auffassung des Senats weder grundsätzlich klärungsbedürftig noch grundsätzlich klärungsfähig. Die Frage, ob die monatlichen laufenden Wohnungskosten oder die sich unter Einbeziehung der Nebenkostenabrechnungen ergebenden tatsächlichen Gesamtkosten zu vergleichen sind, beantwortet sich aus dem Gesetz selbst. Die Verwendung des Begriffs "unwirtschaftlich" macht deutlich, dass es sich um einen echten Kostenvergleich handelt, der umso aussagekräftiger ist, je umfassender die tatsächlich entstehenden Aufwendungen einbezogen werden. Die Frage, ob ein Wirtschaftlichkeitsvergleich zeitlich auf ein Jahr zu beschränken ist, lässt sich nicht allgemein oder grundsätzlich beantworten.

Zur Rechtslage im Allgemeinen ist folgendes auszuführen: Die Regelung des nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II möglichen Absehens von der Kostensenkungsaufforderung und/oder der nachfolgenden Absenkung der Leistungen ist ein Hinweis an die SGB II-Leistungsträger, den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung auch bei der Entscheidung über KdUH-Leistungen zu beachten (vgl. Luik in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl. 2017, § 22 RN 151). Wenn im Ergebnis durch den erzwungenen Umzug höhere Haushaltsmittel aufzubringen sind als bei einem Verbleib in der Wohnung, ist es wirtschaftlich unvernünftig, einen Umzug zu fordern. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers dient diese Regelung ausschließlich dem Interesse des (kommunalen) Leistungsträgers und begründet keine subjektiven Rechte des Leistungsberechtigten (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf: BT-Drs. 17/3404, Seite 98; BR-Drs.17/3404, Seite 161). Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift zur Regel des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Maßgeblich sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Der Leistungsträger trifft insoweit eine individuelle Prognoseentscheidung darüber, ob ein Absehen von einer Kostensenkungsaufforderung wirtschaftlicher ist. Angesichts der Vielzahl der möglichen Fallgestaltungen ist die Frage einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.

Ein im Rahmen dieser Einzelfallentscheidung vermutlich häufiger zu berücksichtigendes Kriterium wird sein, wie lange der Leistungsberechtigte voraussichtlich noch im Leistungsbezug stehen wird. Ein Ausscheiden aus dem Leistungsbezug in naher Zukunft entweder aufgrund einer Arbeitsaufnahme oder des Eintritts in die Altersrente, eine bevorstehende Erhöhung der Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft (bei Schwangerschaft) dürften denkbare Aspekte eines Einzelfalls sein, die einen Umzug unwirtschaftlich werden lassen können. Dazu hat das BSG in seinem Urteil vom 15.06.2016 (Az.: B 4 AS 36/15 R, juris RN 25) ausgeführt, dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit könne auch dann Bedeutung zukommen, wenn besondere Bedürfnisse behinderter Menschen bei einem Umzug Folgekosten wegen erforderlicher Umbaumaßnahmen oder einer Neuorganisation der Pflege nach sich ziehen. Weiterhin ist zu beachten, dass im Einzelfall die mit einem Umzug verbundenen Nebenkosten (Umzugskosten, Mietkautionen oder Erwerb von Genossenschaftsanteilen, Renovierungskosten) – auch in Abhängigkeit von den Selbsthilfemöglichkeiten des jeweiligen Leistungsberechtigten – sehr unterschiedlich sein können. Diese sind in den Wirtschaftlichkeitsvergleich einzubeziehen.

Es ist eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar, für die eine abstrakte grundsätzliche Klärung nicht möglich ist. Hauptanwendungsfall für Wirtschaftlichkeitserwägungen im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II dürfte der Ausgleich von hohen Heizkosten mit niedrigen Mietkosten bzw. umgekehrt im Sinne der gesetzlich nicht vorgesehenen "angemessenen Bruttowarmmiete" sein. Daher versteht sich nach den vorstehenden Ausführungen von selber, dass es entscheidend auf die tatsächlichen Gesamtkosten (unter Einbeziehung der jährlichen Nebenkostenabrechnungen) und weniger auf die monatlichen Zahlbeträge mit den enthaltenen Abschlägen auf die Nebenkosten ankommt.

Insoweit obliegt es dem Beklagten als zuständigem Leistungsträger, eigene Maßstäbe für einen Wirtschaftlichkeitsvergleich zu entwickeln und in der Verwaltungspraxis gleichmäßig anzuwenden.

Möglicherweise würde der Senat die vom SG getroffenen Entscheidungen nicht in gleicher Weise treffen. Indes ist allein der Umstand, dass eine gerichtliche Entscheidung möglicherweise aufgrund von Fehlern in der Rechtsanwendung nicht mit dem geltenden Recht übereinstimmt, kein Grund für den Erfolg einer Nichtzulassungsbeschwerde, solange keiner der gesetzlich geregelten Zulassungsgründe vorliegt. Den Zulassungsgrund des möglichen Rechtsanwendungsfehlers gibt es bislang nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved