Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
22
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 22 AS 1038/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eilrechtsschutz wegen der Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist nicht zu gewähren. Das Bayerische Familiengeld muss als bereites Mittel zumindest vorläufig zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden.
2. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen. Für die Anrechenbarkeit von Familiengeld auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende spricht, dass die Zweckgebundenheit durchaus zweifelhaft erscheint. Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die „Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern“ ausreicht, einen Zweck im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu begründen.
3. Selbst wenn sich wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
4. Die unterschiedliche Praxis der Jobcenter, je nachdem, ob sie als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II oder als zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II (Optionskommunen) tätig werden, kann keinen Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) begründen, weil es sich um unterschiedliche Hoheitsträger handelt.
2. Der Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist offen. Für die Anrechenbarkeit von Familiengeld auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende spricht, dass die Zweckgebundenheit durchaus zweifelhaft erscheint. Insoweit wird zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die „Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern“ ausreicht, einen Zweck im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II zu begründen.
3. Selbst wenn sich wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
4. Die unterschiedliche Praxis der Jobcenter, je nachdem, ob sie als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II oder als zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II (Optionskommunen) tätig werden, kann keinen Gleichheitsverstoß (Art. 3 Abs. 1 GG) begründen, weil es sich um unterschiedliche Hoheitsträger handelt.
I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Mit ihrem Eilantrag wenden sich die Antragsteller (ASt) im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) gegen die Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) vom 24.07.2018. Die ASt stehen im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Antragsgegner (Ag). Am 12.06.2018 beantragten sie die Weiterbewilligung der Leistungen für den Zeitraum ab 01.07.2018. Sie gaben an, zu viert in Bedarfsgemeinschaft zusammenzuleben. Der ASt zu 2. erziele Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in monatlich schwankender Höhe. Als Nachweis wurde die Lohnabrechnung Mai 2018 beigefügt, aus der sich ein Nettoeinkommen von 1.632,33 ergibt. Die 2016 geborenen ASt zu 3. und 4. erhielten jeweils Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Außerdem werde der ASt zu 1. für die Zwillinge Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz vom 14. Juni 2016 (BayBtGG) in Höhe von monatlich jeweils 150 EUR bis November 2018 gewährt. Für die Wohnung würde eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 377 EUR anfallen. Hinzu kämen Vorauszahlungen in Höhe von 155,50 EUR auf die Nebenkosten und in Höhe von 96 EUR auf die Heizkosten. Mit Bescheid vom 14.06.2018 bewilligte der Ag den ASt für den Zeitraum 01.07.2018 bis 31.12.2018 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 21,15 EUR von Juli bis Oktober 2018 sowie 262,48 EUR von November bis Dezember 2018. Die Vorläufigkeit der Bewilligung wurde mit dem schwankenden Einkommen des ASt zu 2. begründet. Für Dezember 2018 ging der Ag von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.856,48 EUR aus. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Regelbedarf von jeweils 374 EUR bei den ASt zu 1. und 2. sowie von jeweils 240 EUR bei den ASt zu 3. und 4. und Kosten der Unterkunft in Höhe von 157,12 EUR pro Person. Als Einkommen rechnete der Ag beim ASt zu 2. vorläufig 1.530 EUR netto an, wobei der Betrag noch um Freibeträge in Höhe von 330 EUR gemindert wurde. Bei der ASt zu 3. rechnete er das Kindergeld in Höhe von 194 EUR als Einkommen an sowie bei der ASt zu 4. das Kindergeld in Höhe von 200 EUR. Am 04.07.2018 erging wegen der Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes mit Wirkung zum 19.09.2018 ein Änderungsbescheid, der jedoch den hier relevanten Monat Dezember 2018 nicht betraf. Mit Schreiben vom 05.09.2018 forderte der Ag die ASt zu 1. zur Mitwirkung auf und verlangte Angaben dazu, ob die ASt für ihre Zwillinge nach Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes nunmehr Bayerisches Familiengeld nach dem BayFamG erhalten würden. Zum Nachweis sollten der Bewilligungsbescheid des zuständigen Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) und ein Kontoauszug vorgelegt werden, aus dem sich das Datum des Zuflusses ergebe. Hilfsweise wurde die ASt zu 1. aufgefordert, beim ZBFS einen Antrag auf Familiengeld zu stellen. In der anschließenden persönlichen Vorsprache beim Ag verweigerte die ASt zu 1. die Vorlage der Familiengeldbescheide, weil diese Leistung ohnehin nicht auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei. Am 15.10.2018 haben die ASt beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führen sie aus, dass das Bayerische Familiengeld nach Presseberichten nicht auf "Hartz IV" anzurechnen sei. In einigen Jobcentern in Bayern würde dies auch so gehandhabt. Der Ag verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn er diese bayerische Landesleistung dennoch anrechne. Deshalb sei schon die Mitwirkungsaufforderung zur Vorlage der Familiengeldbescheide rechtswidrig. Durch die Anrechnung von Familiengeld würden die ASt in eine finanzielle Notlage geraten, weil die ASt zu 1., 3. und 4. dann nicht mehr kranken- und pflegeversichert seien. Außerdem entfielen voraussichtlich der Zuschuss, den das Landratsamt A-Stadt für die Kindergartenkosten gewähre sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe.
Zur Glaubhaftmachung haben die ASt die Bewilligungsbescheide des ZBFS vom 03.09.2018 vorgelegt, mit denen der ASt zu 1. für die Zeit vom 19.09.2018 bis 18.01.2019 Familiengeld in Höhe von monatlich 250 EUR je Kind, mithin 500 EUR pro Monat bewilligt worden ist. Die Auszahlung erfolgte auf das Konto der ASt zu 1. innerhalb der ersten fünf Arbeitstage des jeweiligen Lebensmonats.
Mit Aufhebungsbescheid vom 30.10.2018 hat der Ag die vorläufige Bewilligung für die Zukunft ab 01.12.2018 nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB II und § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 SGB II ganz aufgehoben. Zur Begründung führt er an, dass im Monat Dezember 2018 die Hilfebedürftigkeit wegen des Erhalts des Familiengeldes wegfalle. Das zur Verfügung stehende Einkommen übersteige den Bedarf der ASt.
Hiergegen haben die ASt am 09.11.2018 Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage bei Erlass dieses Beschlusses noch nicht entschieden worden ist.
Die ASt beantragen,
ihnen vor dem Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass das Bayerische Familiengeld keinem besonderen Zweck diene und deshalb nach § 11 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Einkommen anzurechnen sei. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe der Bundesagentur für Arbeit bekanntgegeben, dass die bayerische Landesleistung - entgegen der Auffassung der Bayerischen Staatsregierung - auf die Bundesleistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzurechnen sei. Dies sei für den Ag, der eine gemeinsame Einrichtung aus Bundesagentur für Arbeit und kommunalem Träger darstelle, bindend. Das Gericht hat die Leistungsakte des Ag beigezogen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes wegen der Einzelheiten auf die Akte des Ag und die Akte des Sozialgerichtes verwiesen.
II.
Der Eilantrag, mit dem die Anrechnung von Bayerischem Familiengeld auf Leistungen nach dem SGB II gerügt wird, hat keinen Erfolg.
Er ist zwar zulässig.
Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. nur BSG vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R) war das Begehren der nicht vertretenen ASt nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) so auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid begehren. Nur durch diesen Bescheid, mit dem die vorläufig bewilligten Leistungen für Dezember 2018 aufgehoben worden sind, sind sie zum jetzigen Zeitpunkt beschwert. Über den sich ggf. anschließenden Leistungszeitraum ab Januar 2019 ist weder ein Weiterbewilligungsantrag, noch ein Bewilligungsbescheid bei den Akten. Insoweit kann sich der Eilantrag nur gegen die Aufhebung für Dezember 2018 richten. Präventiver Eilrechtsschutz für den Leistungszeitraum ab Januar 2019 kann schon mangels vorheriger Antragstellung beim Ag nicht gewährt werden. Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn für die begehrte Leistung kein Leistungsantrag vorliegt (vgl. BayLSG, Beschluss vom 16.02.2007, L 7 B 964/06 AS ER).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (z.B. in den Fällen von § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Aufhebungsbescheide haben nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die ASt begehren, dass die Vollziehbarkeit des Aufhebungsbescheides vom 30.10.2018 durch den eingelegten Widerspruch vorerst gehemmt wird und sie damit vorerst auch im Dezember 2018 die vorläufig bewilligten Leistungen in Höhe von 262,48 EUR erhalten.
Der Eilantrag ist jedoch unbegründet.
Das Gericht kann nicht erkennen, dass dem gesetzlich angeordneten Entfallen der aufschiebenden Wirkung überwiegende Interessen der ASt entgegenstehen, die es gebieten würden, zunächst - zumindest bis zur Entscheidung über den Widerspruch - Leistungen in ungekürzter Höhe zuzuerkennen.
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG steht im Ermessen des Gerichtes und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse der ASt, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12e ff.). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen (vgl. Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 39 Rn. 1) dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Bay LSG vom 13.02.2015, L 7 AS 23/15 B ER, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12c, Conradis in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, Anhang Verfahren Rn. 131). Schwierige und umstrittene Rechtsfragen müssen im Eilverfahren in aller Regel keiner grundsätzlichen Klärung zugeführt werden (BVerfG, Beschluss vom 14.02.2017, 1 BvR 2507/16).
Gemessen an diesen Voraussetzungen war einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren.
Der Ausgang des sich womöglich anschließenden Hauptsacheverfahrens ist offen. Die Rechtsfrage, ob Familiengeld nach dem BayFamGG als Einkommen nach § 11 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II anzurechnen ist, ist zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern politisch höchst umstritten:
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertritt die Auffassung, dass es anzurechnen sei. Insoweit hat die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit unter dem 29.09.2018 denjenigen Jobcentern, die - wie auch der Ag - als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II ausgestaltet sind, die Weisung erteilt, das Bayerische Familiengeld als Einkommen anzurechnen (Information der Regionaldirektion Bayern vom 29.08.2018, Gz. GO - II-1105). Diese Rechtsauffassung wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass es sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handle und sich eine Anrechnungsfreiheit auch nicht aus § 27 Abs. 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) ergebe, da das Familiengeld keine dem früheren Erziehungsgeld vergleichbare Leistung sei.
Der Landesgesetzgeber geht hingegen von einer Anrechnungsfreiheit des Familiengeldes aus. In Art. 1 BayFamGG heißt es: "Das Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Leistungen nicht angerechnet werden." Dementsprechend hat das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales diejenigen Jobcentern, die als zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II seiner Weisungsbefugnis unterliegen (sog. "Optionskommunen") angewiesen, das Bayerische Familiengeld im Rahmen des SGB II nicht als Einkommen anzurechnen und Rechtswahrungsanzeigen gegenüber dem ZBFS zu unterlassen (AMS vom 14.08.2018, Gz. I3/6074.04-1/441). Zum einen sei es als zweckgebundene Einnahme gemäß § 11a Abs. 3 SGB II anrechnungsfrei. Es verfolge den Zweck, die Erziehungsleistung der Eltern wertzuschätzen, ihnen - auch qualitativ - Gestaltungsspielraum zu verschaffen und damit frühe Erziehung und Bildung, alle Formen von Betreuung und auch Gesundheitsförderung der Kinder zu unterstützen (vgl. auch Protokoll der Plenarsitzung im Bayerischen Landtag vom 18.09.2018, Drs. 17/23972, S. 50 f.). Zum anderen sei es als Weiterentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes eine erziehungsgeldartige Leistung, die nach § 27 BEEG auf einkommensabhängige Sozialleistungen wie die Grundsicherung für Arbeitsuchende anrechnungsfrei bleibe (vgl. auch das an die Bürger gerichtete Informationsschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, "Aktuelle Information zum Bayerischen Familiengeld", Stand 08.10.2018, im Internet zum Zeitpunkt dieses Beschlusses abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas inet/181008 infoblatt familiengeld sgb ii.pdf). Diese Rechtsauffassung sieht die Bayerische Staatsregierung in einem 96 Seiten umfassenden Rechtsgutachten bestätigt, das in ihrem Auftrag erstellt worden ist (Prof. Dr. Wollenschläger, Ordinarius für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg, Gutachten zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II, 21.09.2018, im Internet zum Zeitpunkt dieses Beschlusses abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas inet/gutachten familiengeld.pdf). Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Anrechnung des bayerischen Familiengeldes auf Leistungen nach dem SGB II rechtswidrig sei.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann eine hinreichend tiefe Auseinandersetzung mit den von beiden Seiten vorgebrachten Argumenten nicht erfolgen. Das Gericht vermag den Ausgang des sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahrens deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorherzusehen. Für die Anrechenbarkeit des Familiengeldes spricht jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts, dass die Zweckgebundenheit des Familiengeldes durchaus zweifelhaft erscheint. Der Bundesgesetzgeber wollte mit der Ausnahmeregelung in § 11a Abs. 3 SGB II erreichen, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht werden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt sind. Eine allgemeine Zweckrichtung reicht nach seinem Dafürhalten hierfür nicht aus (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 94). Insoweit wird in der Hauptsache zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die "Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern", völlig unabhängig vom gewählten Lebensmodell und verbunden mit einem Beitrag zur größeren finanziellen Flexibilität der Eltern, ausreicht, einen solchen Zweck zu begründen. Selbst wenn sich, wie im Rechtsgutachten der Bayerischen Staatsregierung vertreten, wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
Trotz der offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren überwiegt hier allerdings nicht das private Interesse der ASt an der vorläufigen Außervollzugsetzung des Aufhebungsbescheides, weil der existenzsichernde Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im Dezember 2018 unter Berücksichtigung des bayerischen Familiengeldes gedeckt ist. Die Bedarfsgemeinschaft der ASt hat unter Anerkennung der Unterkunftskosten in voller Höhe im Dezember 2018 einen Gesamtbedarf von 1.856,48 EUR (Regelbedarf nach § 20 SGB II: ASt zu 1. und 2. jeweils 374 EUR; Sozialgeld nach § 23 SGB II: ASt zu 3. und 4. jeweils 240 EUR; Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II: 157,12 EUR pro Person). Hiervon abzusetzen ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II beim ASt zu 2. ein vorläufiges Einkommen in Höhe von 1.530 EUR netto, das um die Freibeträge nach § 11b SGB II in Höhe von 330 EUR zu mindern ist. Das Kindergeld ist nach § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II bei der ASt zu 3. in Höhe von 194 EUR sowie bei der ASt zu 4. in Höhe von 200 EUR als Einkommen anzurechnen. Zusätzlich muss das Familiengeld für Dezember 2018 in Höhe von insgesamt 500 EUR - unabhängig von der Rechtsfrage der Anrechenbarkeit - als bereites Mittel zumindest vorerst zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden (so jedenfalls zum nicht anzurechnenden Teil des Elterngeldes: BayLSG, Beschluss vom 24.06.2010, L 7 AS 322/10 B ER, juris-Rn. 20). Es wird auf das Konto der ASt zu 1. ausbezahlt. Das ZBFS gibt weder konkret vor, was die ASt mit dem Familiengeld genau machen sollen, noch überprüft es in irgendeiner Weise dessen Verwendung. Selbst wenn das Familiengeld aus rechtlichen Gründen nicht als Einkommen anzurechnen wäre, so steht es den ASt jedenfalls vorerst zur Deckung ihres existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung. Damit ist der Gesamtbedarf der ASt im Dezember 2018 ausreichend gedeckt. Eine Notlage, wie sie von den ASt angegeben wird, droht nach Ansicht des Gerichts deshalb nicht. Überwiegende schutzwürdige Interessen der ASt sind auch nicht dadurch berührt, dass sie angeben, durch die Leistungsaufhebung Kindergartenzuschüsse oder Bildungs- und Teilhabeleistungen zu verlieren sowie nicht mehr versichert zu sein. Hinsichtlich der Kindergartenbeiträge ist weder ein Bewilligungsbescheid vorgelegt, noch eine Leistungsaufhebung glaubhaft gemacht. Leistungen für Bildung und Teilhabe sind nach Aktenlage ebenfalls noch nicht aufgehoben worden. Soweit den ASt zu 1., 3. und 4. nach Wegfall der Leistungsberechtigung Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entstehen, die zur Hilfebedürftigkeit führen, hat das zuständige Jobcenter einen Zuschuss zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit zu gewähren (§ 26 Abs. 2 und Abs. 4 SGB II). Insoweit können die ASt zur Vermeidung einer finanziellen Notlage die ihnen entstehenden Versicherungsbeiträge nachweisen und einen entsprechenden Leistungsantrag beim Ag stellen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist ebenfalls nicht gegeben. Dies setzt voraus, dass ein staatlicher Hoheitsträger wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Eine Ungleichbehandlung scheidet von vornherein aus, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden, denn der Gleichheitssatz bindet jeden Hoheitsträger allein in dessen konkretem Zuständigkeitsbereich (Jarass in: Jarass/Pieroth, 5. Auflage 2000, Art. 3 GG, Rn. 10 m.w.N.). Die hier geltend gemachte Ungleichbehandlung betrifft jedoch zwei verschiedene Hoheitsträger: Einmal den Ag, der - wie alle anderen der Bundesagentur für Arbeit unterstehenden gemeinsamen Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II - entsprechend der Weisung der Regionaldirektion Bayern das Familiengeld anrechnet. Zum anderen die zugelassenen kommunalen Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II (Optionskommunen), die entsprechend der Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales eine Anrechnung unterlassen. Das Gericht verkennt nicht, dass diese durch politische Auseinandersetzungen zwischen Bund und Land geprägte Situation aus Sicht der Leistungsempfänger nach dem SGB II nicht nachvollziehbar erscheint. Sie führt dazu, dass in Anwendung ein und derselben Rechtsnormen in der Stadt A-Stadt nach Weisungslage eine Anrechnung erfolgt, wohingegen im benachbarten Landkreis Ansbach (Optionskommune) nach Weisungslage die Anrechnung zu unterbleiben hat. Gleichwohl kann dies keinen Gleichheitsverstoß begründen, weil unterschiedliche Hoheitsträger die Entscheidungen treffen.
Im Ergebnis war der Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu folgen, wonach der Gesetzgeber bei Aufhebungsbescheiden dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Den ASt ist es zumutbar, unter Einsatz des tatsächlich verfügbaren Familiengeldes die Zeit bis zur Entscheidung über den Widerspruch und ein sich ggf. anschließendes Klageverfahren zu überbrücken.
Der Eilantrag musste ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis erfolglos blieb, hat der Ag keine Kosten zu erstatten.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Gründe:
I.
Mit ihrem Eilantrag wenden sich die Antragsteller (ASt) im Zusammenhang mit Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch - Zweites Buch (SGB II) gegen die Anrechnung von Familiengeld nach dem Bayerischen Familiengeldgesetz (BayFamGG) vom 24.07.2018. Die ASt stehen im Leistungsbezug nach dem SGB II beim Antragsgegner (Ag). Am 12.06.2018 beantragten sie die Weiterbewilligung der Leistungen für den Zeitraum ab 01.07.2018. Sie gaben an, zu viert in Bedarfsgemeinschaft zusammenzuleben. Der ASt zu 2. erziele Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in monatlich schwankender Höhe. Als Nachweis wurde die Lohnabrechnung Mai 2018 beigefügt, aus der sich ein Nettoeinkommen von 1.632,33 ergibt. Die 2016 geborenen ASt zu 3. und 4. erhielten jeweils Kindergeld in gesetzlicher Höhe. Außerdem werde der ASt zu 1. für die Zwillinge Betreuungsgeld nach dem Bayerischen Betreuungsgeldgesetz vom 14. Juni 2016 (BayBtGG) in Höhe von monatlich jeweils 150 EUR bis November 2018 gewährt. Für die Wohnung würde eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 377 EUR anfallen. Hinzu kämen Vorauszahlungen in Höhe von 155,50 EUR auf die Nebenkosten und in Höhe von 96 EUR auf die Heizkosten. Mit Bescheid vom 14.06.2018 bewilligte der Ag den ASt für den Zeitraum 01.07.2018 bis 31.12.2018 vorläufig Leistungen in Höhe von monatlich 21,15 EUR von Juli bis Oktober 2018 sowie 262,48 EUR von November bis Dezember 2018. Die Vorläufigkeit der Bewilligung wurde mit dem schwankenden Einkommen des ASt zu 2. begründet. Für Dezember 2018 ging der Ag von einem Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft in Höhe von 1.856,48 EUR aus. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Regelbedarf von jeweils 374 EUR bei den ASt zu 1. und 2. sowie von jeweils 240 EUR bei den ASt zu 3. und 4. und Kosten der Unterkunft in Höhe von 157,12 EUR pro Person. Als Einkommen rechnete der Ag beim ASt zu 2. vorläufig 1.530 EUR netto an, wobei der Betrag noch um Freibeträge in Höhe von 330 EUR gemindert wurde. Bei der ASt zu 3. rechnete er das Kindergeld in Höhe von 194 EUR als Einkommen an sowie bei der ASt zu 4. das Kindergeld in Höhe von 200 EUR. Am 04.07.2018 erging wegen der Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes mit Wirkung zum 19.09.2018 ein Änderungsbescheid, der jedoch den hier relevanten Monat Dezember 2018 nicht betraf. Mit Schreiben vom 05.09.2018 forderte der Ag die ASt zu 1. zur Mitwirkung auf und verlangte Angaben dazu, ob die ASt für ihre Zwillinge nach Entziehung des Bayerischen Betreuungsgeldes nunmehr Bayerisches Familiengeld nach dem BayFamG erhalten würden. Zum Nachweis sollten der Bewilligungsbescheid des zuständigen Zentrums Bayern Familie und Soziales (ZBFS) und ein Kontoauszug vorgelegt werden, aus dem sich das Datum des Zuflusses ergebe. Hilfsweise wurde die ASt zu 1. aufgefordert, beim ZBFS einen Antrag auf Familiengeld zu stellen. In der anschließenden persönlichen Vorsprache beim Ag verweigerte die ASt zu 1. die Vorlage der Familiengeldbescheide, weil diese Leistung ohnehin nicht auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnen sei. Am 15.10.2018 haben die ASt beim Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Zur Begründung führen sie aus, dass das Bayerische Familiengeld nach Presseberichten nicht auf "Hartz IV" anzurechnen sei. In einigen Jobcentern in Bayern würde dies auch so gehandhabt. Der Ag verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz, wenn er diese bayerische Landesleistung dennoch anrechne. Deshalb sei schon die Mitwirkungsaufforderung zur Vorlage der Familiengeldbescheide rechtswidrig. Durch die Anrechnung von Familiengeld würden die ASt in eine finanzielle Notlage geraten, weil die ASt zu 1., 3. und 4. dann nicht mehr kranken- und pflegeversichert seien. Außerdem entfielen voraussichtlich der Zuschuss, den das Landratsamt A-Stadt für die Kindergartenkosten gewähre sowie die Leistungen für Bildung und Teilhabe.
Zur Glaubhaftmachung haben die ASt die Bewilligungsbescheide des ZBFS vom 03.09.2018 vorgelegt, mit denen der ASt zu 1. für die Zeit vom 19.09.2018 bis 18.01.2019 Familiengeld in Höhe von monatlich 250 EUR je Kind, mithin 500 EUR pro Monat bewilligt worden ist. Die Auszahlung erfolgte auf das Konto der ASt zu 1. innerhalb der ersten fünf Arbeitstage des jeweiligen Lebensmonats.
Mit Aufhebungsbescheid vom 30.10.2018 hat der Ag die vorläufige Bewilligung für die Zukunft ab 01.12.2018 nach § 40 Abs. 1 und 2 SGB II und § 330 Abs. 3 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) in Verbindung mit § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) und §§ 7 Abs. 1, 9 Abs. 1 SGB II ganz aufgehoben. Zur Begründung führt er an, dass im Monat Dezember 2018 die Hilfebedürftigkeit wegen des Erhalts des Familiengeldes wegfalle. Das zur Verfügung stehende Einkommen übersteige den Bedarf der ASt.
Hiergegen haben die ASt am 09.11.2018 Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage bei Erlass dieses Beschlusses noch nicht entschieden worden ist.
Die ASt beantragen,
ihnen vor dem Sozialgericht Nürnberg einstweiligen Rechtsschutz zu gewähren.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er im Wesentlichen darauf, dass das Bayerische Familiengeld keinem besonderen Zweck diene und deshalb nach § 11 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende als Einkommen anzurechnen sei. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales habe der Bundesagentur für Arbeit bekanntgegeben, dass die bayerische Landesleistung - entgegen der Auffassung der Bayerischen Staatsregierung - auf die Bundesleistung der Grundsicherung für Arbeitsuchende anzurechnen sei. Dies sei für den Ag, der eine gemeinsame Einrichtung aus Bundesagentur für Arbeit und kommunalem Träger darstelle, bindend. Das Gericht hat die Leistungsakte des Ag beigezogen. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhaltes wegen der Einzelheiten auf die Akte des Ag und die Akte des Sozialgerichtes verwiesen.
II.
Der Eilantrag, mit dem die Anrechnung von Bayerischem Familiengeld auf Leistungen nach dem SGB II gerügt wird, hat keinen Erfolg.
Er ist zwar zulässig.
Unter Berücksichtigung des Meistbegünstigungsprinzips (vgl. nur BSG vom 06.04.2011, B 4 AS 119/10 R) war das Begehren der nicht vertretenen ASt nach § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) so auszulegen, dass sie die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches gegen den Aufhebungsbescheid begehren. Nur durch diesen Bescheid, mit dem die vorläufig bewilligten Leistungen für Dezember 2018 aufgehoben worden sind, sind sie zum jetzigen Zeitpunkt beschwert. Über den sich ggf. anschließenden Leistungszeitraum ab Januar 2019 ist weder ein Weiterbewilligungsantrag, noch ein Bewilligungsbescheid bei den Akten. Insoweit kann sich der Eilantrag nur gegen die Aufhebung für Dezember 2018 richten. Präventiver Eilrechtsschutz für den Leistungszeitraum ab Januar 2019 kann schon mangels vorheriger Antragstellung beim Ag nicht gewährt werden. Für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung besteht kein Rechtsschutzbedürfnis, wenn für die begehrte Leistung kein Leistungsantrag vorliegt (vgl. BayLSG, Beschluss vom 16.02.2007, L 7 B 964/06 AS ER).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist statthaft. Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben (z.B. in den Fällen von § 86a Abs. 2 SGG), die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Aufhebungsbescheide haben nach § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung. Die ASt begehren, dass die Vollziehbarkeit des Aufhebungsbescheides vom 30.10.2018 durch den eingelegten Widerspruch vorerst gehemmt wird und sie damit vorerst auch im Dezember 2018 die vorläufig bewilligten Leistungen in Höhe von 262,48 EUR erhalten.
Der Eilantrag ist jedoch unbegründet.
Das Gericht kann nicht erkennen, dass dem gesetzlich angeordneten Entfallen der aufschiebenden Wirkung überwiegende Interessen der ASt entgegenstehen, die es gebieten würden, zunächst - zumindest bis zur Entscheidung über den Widerspruch - Leistungen in ungekürzter Höhe zuzuerkennen.
Die Entscheidung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG steht im Ermessen des Gerichtes und erfolgt auf Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse der ASt, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der behördlichen Entscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12e ff.). Im Rahmen dieser Interessenabwägung kommt den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache eine wesentliche Bedeutung zu. Dabei ist die Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen (vgl. Greiser in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 39 Rn. 1) dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel-Ausnahmeverhältnis kommt nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide bestehen oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen (vgl. Bay LSG vom 13.02.2015, L 7 AS 23/15 B ER, Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 12c, Conradis in LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, Anhang Verfahren Rn. 131). Schwierige und umstrittene Rechtsfragen müssen im Eilverfahren in aller Regel keiner grundsätzlichen Klärung zugeführt werden (BVerfG, Beschluss vom 14.02.2017, 1 BvR 2507/16).
Gemessen an diesen Voraussetzungen war einstweiliger Rechtsschutz nicht zu gewähren.
Der Ausgang des sich womöglich anschließenden Hauptsacheverfahrens ist offen. Die Rechtsfrage, ob Familiengeld nach dem BayFamGG als Einkommen nach § 11 SGB II auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II anzurechnen ist, ist zwischen dem Bund und dem Freistaat Bayern politisch höchst umstritten:
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales vertritt die Auffassung, dass es anzurechnen sei. Insoweit hat die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur für Arbeit unter dem 29.09.2018 denjenigen Jobcentern, die - wie auch der Ag - als gemeinsame Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II ausgestaltet sind, die Weisung erteilt, das Bayerische Familiengeld als Einkommen anzurechnen (Information der Regionaldirektion Bayern vom 29.08.2018, Gz. GO - II-1105). Diese Rechtsauffassung wird im Wesentlichen darauf gestützt, dass es sich nicht um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne von § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II handle und sich eine Anrechnungsfreiheit auch nicht aus § 27 Abs. 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) ergebe, da das Familiengeld keine dem früheren Erziehungsgeld vergleichbare Leistung sei.
Der Landesgesetzgeber geht hingegen von einer Anrechnungsfreiheit des Familiengeldes aus. In Art. 1 BayFamGG heißt es: "Das Familiengeld dient damit nicht der Existenzsicherung. Es soll auf existenzsichernde Leistungen nicht angerechnet werden." Dementsprechend hat das Bayerische Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales diejenigen Jobcentern, die als zugelassene kommunale Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II seiner Weisungsbefugnis unterliegen (sog. "Optionskommunen") angewiesen, das Bayerische Familiengeld im Rahmen des SGB II nicht als Einkommen anzurechnen und Rechtswahrungsanzeigen gegenüber dem ZBFS zu unterlassen (AMS vom 14.08.2018, Gz. I3/6074.04-1/441). Zum einen sei es als zweckgebundene Einnahme gemäß § 11a Abs. 3 SGB II anrechnungsfrei. Es verfolge den Zweck, die Erziehungsleistung der Eltern wertzuschätzen, ihnen - auch qualitativ - Gestaltungsspielraum zu verschaffen und damit frühe Erziehung und Bildung, alle Formen von Betreuung und auch Gesundheitsförderung der Kinder zu unterstützen (vgl. auch Protokoll der Plenarsitzung im Bayerischen Landtag vom 18.09.2018, Drs. 17/23972, S. 50 f.). Zum anderen sei es als Weiterentwicklung des Bayerischen Landeserziehungsgeldes eine erziehungsgeldartige Leistung, die nach § 27 BEEG auf einkommensabhängige Sozialleistungen wie die Grundsicherung für Arbeitsuchende anrechnungsfrei bleibe (vgl. auch das an die Bürger gerichtete Informationsschreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales, "Aktuelle Information zum Bayerischen Familiengeld", Stand 08.10.2018, im Internet zum Zeitpunkt dieses Beschlusses abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas inet/181008 infoblatt familiengeld sgb ii.pdf). Diese Rechtsauffassung sieht die Bayerische Staatsregierung in einem 96 Seiten umfassenden Rechtsgutachten bestätigt, das in ihrem Auftrag erstellt worden ist (Prof. Dr. Wollenschläger, Ordinarius für Öffentliches Recht, Europarecht und Öffentliches Wirtschaftsrecht an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg, Gutachten zur Frage der Anrechenbarkeit des Familiengeldes auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch II, 21.09.2018, im Internet zum Zeitpunkt dieses Beschlusses abrufbar unter https://www.stmas.bayern.de/imperia/md/content/stmas/stmas inet/gutachten familiengeld.pdf). Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Anrechnung des bayerischen Familiengeldes auf Leistungen nach dem SGB II rechtswidrig sei.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann eine hinreichend tiefe Auseinandersetzung mit den von beiden Seiten vorgebrachten Argumenten nicht erfolgen. Das Gericht vermag den Ausgang des sich ggf. anschließenden Hauptsacheverfahrens deshalb zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorherzusehen. Für die Anrechenbarkeit des Familiengeldes spricht jedoch nach Auffassung des erkennenden Gerichts, dass die Zweckgebundenheit des Familiengeldes durchaus zweifelhaft erscheint. Der Bundesgesetzgeber wollte mit der Ausnahmeregelung in § 11a Abs. 3 SGB II erreichen, dass Einnahmen nur dann nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind, wenn sie aufgrund von Vorschriften des öffentlichen Rechts erbracht werden und die erbrachten Leistungen ausdrücklich einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB II zu dienen bestimmt sind. Eine allgemeine Zweckrichtung reicht nach seinem Dafürhalten hierfür nicht aus (vgl. BT-Drs. 17/3404, S. 94). Insoweit wird in der Hauptsache zu prüfen sein, ob eine allgemeine sozialpolitische Intention wie die "Anerkennung der Erziehungsleistung bayerischer Eltern", völlig unabhängig vom gewählten Lebensmodell und verbunden mit einem Beitrag zur größeren finanziellen Flexibilität der Eltern, ausreicht, einen solchen Zweck zu begründen. Selbst wenn sich, wie im Rechtsgutachten der Bayerischen Staatsregierung vertreten, wegen einer Vergleichbarkeit des Familiengeldes mit Erziehungsgeld aus § 8 Abs. 1 Satz 1 Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in der Fassung vom 09.02.2004 i.V.m. § 27 Abs. 2 BEEG eine Anrechnungsfreiheit ergeben würde, müsste das Verhältnis dieser Vorschrift zu den §§ 11 Abs. 1, 11a Abs. 3 SGB II eingehend geprüft werden.
Trotz der offenen Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren überwiegt hier allerdings nicht das private Interesse der ASt an der vorläufigen Außervollzugsetzung des Aufhebungsbescheides, weil der existenzsichernde Bedarf der Bedarfsgemeinschaft im Dezember 2018 unter Berücksichtigung des bayerischen Familiengeldes gedeckt ist. Die Bedarfsgemeinschaft der ASt hat unter Anerkennung der Unterkunftskosten in voller Höhe im Dezember 2018 einen Gesamtbedarf von 1.856,48 EUR (Regelbedarf nach § 20 SGB II: ASt zu 1. und 2. jeweils 374 EUR; Sozialgeld nach § 23 SGB II: ASt zu 3. und 4. jeweils 240 EUR; Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II: 157,12 EUR pro Person). Hiervon abzusetzen ist nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II beim ASt zu 2. ein vorläufiges Einkommen in Höhe von 1.530 EUR netto, das um die Freibeträge nach § 11b SGB II in Höhe von 330 EUR zu mindern ist. Das Kindergeld ist nach § 11 Abs. 1 Satz 5 SGB II bei der ASt zu 3. in Höhe von 194 EUR sowie bei der ASt zu 4. in Höhe von 200 EUR als Einkommen anzurechnen. Zusätzlich muss das Familiengeld für Dezember 2018 in Höhe von insgesamt 500 EUR - unabhängig von der Rechtsfrage der Anrechenbarkeit - als bereites Mittel zumindest vorerst zur Bestreitung des Lebensunterhalts eingesetzt werden (so jedenfalls zum nicht anzurechnenden Teil des Elterngeldes: BayLSG, Beschluss vom 24.06.2010, L 7 AS 322/10 B ER, juris-Rn. 20). Es wird auf das Konto der ASt zu 1. ausbezahlt. Das ZBFS gibt weder konkret vor, was die ASt mit dem Familiengeld genau machen sollen, noch überprüft es in irgendeiner Weise dessen Verwendung. Selbst wenn das Familiengeld aus rechtlichen Gründen nicht als Einkommen anzurechnen wäre, so steht es den ASt jedenfalls vorerst zur Deckung ihres existenznotwendigen Bedarfs zur Verfügung. Damit ist der Gesamtbedarf der ASt im Dezember 2018 ausreichend gedeckt. Eine Notlage, wie sie von den ASt angegeben wird, droht nach Ansicht des Gerichts deshalb nicht. Überwiegende schutzwürdige Interessen der ASt sind auch nicht dadurch berührt, dass sie angeben, durch die Leistungsaufhebung Kindergartenzuschüsse oder Bildungs- und Teilhabeleistungen zu verlieren sowie nicht mehr versichert zu sein. Hinsichtlich der Kindergartenbeiträge ist weder ein Bewilligungsbescheid vorgelegt, noch eine Leistungsaufhebung glaubhaft gemacht. Leistungen für Bildung und Teilhabe sind nach Aktenlage ebenfalls noch nicht aufgehoben worden. Soweit den ASt zu 1., 3. und 4. nach Wegfall der Leistungsberechtigung Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge entstehen, die zur Hilfebedürftigkeit führen, hat das zuständige Jobcenter einen Zuschuss zur Vermeidung der Hilfebedürftigkeit zu gewähren (§ 26 Abs. 2 und Abs. 4 SGB II). Insoweit können die ASt zur Vermeidung einer finanziellen Notlage die ihnen entstehenden Versicherungsbeiträge nachweisen und einen entsprechenden Leistungsantrag beim Ag stellen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist ebenfalls nicht gegeben. Dies setzt voraus, dass ein staatlicher Hoheitsträger wesentlich Gleiches ungleich behandelt. Eine Ungleichbehandlung scheidet von vornherein aus, wenn die beiden Sachverhalte von zwei verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gestaltet werden, denn der Gleichheitssatz bindet jeden Hoheitsträger allein in dessen konkretem Zuständigkeitsbereich (Jarass in: Jarass/Pieroth, 5. Auflage 2000, Art. 3 GG, Rn. 10 m.w.N.). Die hier geltend gemachte Ungleichbehandlung betrifft jedoch zwei verschiedene Hoheitsträger: Einmal den Ag, der - wie alle anderen der Bundesagentur für Arbeit unterstehenden gemeinsamen Einrichtungen nach §§ 44b, 6d SGB II - entsprechend der Weisung der Regionaldirektion Bayern das Familiengeld anrechnet. Zum anderen die zugelassenen kommunalen Träger gemäß §§ 6a, 6d SGB II (Optionskommunen), die entsprechend der Weisung des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales eine Anrechnung unterlassen. Das Gericht verkennt nicht, dass diese durch politische Auseinandersetzungen zwischen Bund und Land geprägte Situation aus Sicht der Leistungsempfänger nach dem SGB II nicht nachvollziehbar erscheint. Sie führt dazu, dass in Anwendung ein und derselben Rechtsnormen in der Stadt A-Stadt nach Weisungslage eine Anrechnung erfolgt, wohingegen im benachbarten Landkreis Ansbach (Optionskommune) nach Weisungslage die Anrechnung zu unterbleiben hat. Gleichwohl kann dies keinen Gleichheitsverstoß begründen, weil unterschiedliche Hoheitsträger die Entscheidungen treffen.
Im Ergebnis war der Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II zu folgen, wonach der Gesetzgeber bei Aufhebungsbescheiden dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Den ASt ist es zumutbar, unter Einsatz des tatsächlich verfügbaren Familiengeldes die Zeit bis zur Entscheidung über den Widerspruch und ein sich ggf. anschließendes Klageverfahren zu überbrücken.
Der Eilantrag musste ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG. Da der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Ergebnis erfolglos blieb, hat der Ag keine Kosten zu erstatten.
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