Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
31
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 203 AS 9228/18 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 31 AS 2158/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Gesundheitsstörungen sind zur Vermeidung einer Verschlimmerung mit medizinischen Mitteln zu behandeln. Die Gesundheitsstörungen lösen nicht von vornherein einen Anspruch auf im Grundsatz nicht zustehende Sozialleistungen nach dem SGB 2, hier KdU, aus.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners und Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 8. November 2018 aufgehoben, soweit mit ihm der Antragsgegner und Beschwerdeführer zur Erbringung von Leistungen über die von ihm durch Bescheid bewilligten hinaus verpflichtet worden ist. Der Antrag auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wird insgesamt abgelehnt. Kosten des Verfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) begehrt im Rahmen der ihr nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) gewährten Leistungen die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher und nicht in auf das angemessene Maß abgesenkter Höhe.
Die 1967 geborene Antragstellerin bewohnt unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift – nach ihren Angaben allein - eine 93 m2 große Wohnung mit drei Zimmern und zwei Bädern, die von ihr seinerzeit aus zwei Wohnungen zusammengelegt worden war. Der Mietvertrag war zum 1. Juli 1999 geschlossen worden mit der Maßgabe, dass beim Auszug der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen sei. Ein ausdrückliches Angebot der mit Mann und gerade erwachsen gewordenem Sohn im selben Haus in einer ebenfalls zusammengelegten Wohnung lebenden Wohnungseigentümerin vom 12. Juni 2018, die Wohnungen dergestalt zu tauschen, dass die Antragstellerin in die im selben Haus gelegene und auf Kosten der Eigentümerin rückgebaute Wohnung ziehen könne, die sodann als Einzimmerwohnung den Angemessenheitskriterien genüge, während der zweite Teil der dann abgeteilten Wohnung aus Eigenbedarfsgründen dem Sohn der Eigentümerin zur Verfügung stünde, lehnte die Antragstellerin ab. Daraufhin erklärte die Wohnungseigentümerin und Vermieterin mit Schreiben vom 2. Juli 2018 eine fristgemäße Eigenbedarfskündigung zum 31. März 2019. Mit Schreiben vom 27. Juli 2018 bot die Eigentümerin der Antragstellerin erneut den Wohnungstausch an, auch dieses Angebot lehnte die Antragstellerin ab. Die Bruttokaltmiete beträgt insgesamt 596,33 Euro. Eine Kostensenkungsaufforderung durch den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Antragsgegner) erfolgte durch Schreiben vom 26. April 2016. Nach Durchführung des Mietkostensenkungsverfahrens übernahm der Antragsgegner zunächst nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft, in der Folgezeit jedoch aufgrund eines zusprechenden Beschlusses in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bis einschließlich Juli 2018 erneut die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit Bescheid vom 2. August 2018, geändert durch Bescheid vom 28. August 2018, bewilligte der Antragsgegner Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2018 in Höhe von 929,97 Euro und für die Zeit von Januar bis Juli 2019 in Höhe von 869,97 Euro, wobei er Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe von 444,40 Euro, einen Mehrbedarf für Warmwassererzeugung in Höhe von 9,57 Euro und Heizkosten in Höhe von 60 Euro, insgesamt also (ohne Mehrbedarf) für die Unterkunft jedenfalls 504,40 Euro der Berechnung zugrunde legte. Ausgeführt ist, dass Kosten für Heizung gemäß der Anforderung des Energieversorgers bis einschließlich Dezember 2018 bewilligt seien, die neuen Fälligkeiten seien bitte nach Erhalt der Verbrauchsabrechnung einzureichen. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 erfolgte eine Neuberechnung unter Berücksichtigung von Einkommen in Höhe von 160 Euro monatlich, wobei ein Freibetrag in Höhe von 112 Euro monatlich nicht angerechnet wird. Mit Bescheid vom 24. November 2018 wurde der Regelbedarf für die Zeit ab Januar 2019 angepasst, die Höhe der berücksichtigten Kosten für die Unterkunft blieb jeweils unverändert.
Mit am 23. August 2018 bei Gericht erhobenem Antrag begehrt die Antragstellerin, die Unterkunfts- und Heizkosten fortlaufend ab 1. August 2018 weiterhin in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Tatsächlich lägen die Unterkunftskosten bei 596,33 Euro, so dass ihr monatlich über 120 Euro fehlten. Ab Januar 2019 würden dann zusätzlich noch Heizkosten fehlen.
Mit Beschluss vom 8. November 2018 hat das Sozialgericht den Antragsgegner vorläufig, längstens bis 30. April 2019 dazu verpflichtet, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, derzeit 656,33 Euro – einberechnet sind dabei Heizkosten in Höhe von 60 Euro -, zu gewähren und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Entschieden wurde auf der Grundlage einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung von Attesten und einem Befundbericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. WP vom 24. Oktober 2018.
Gegen diesen ihm am 8. November 2018 zugegangenen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der am 22. November 2018 eingegangenen Beschwerde. Der Antragsgegner trägt vor, dass bereits keine Eilbedürftigkeit gegeben sei. Mietrückstände bestünden nicht. Die Mietkosten würden bis auf 151,93 Euro übernommen. Die Beschwerdegegnerin habe eigene Einkünfte in Höhe von 160 Euro monatlich brutto gleich netto, die angesichts der gewährten Freibeträge nur in Höhe von 48 Euro bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt würden. Eine existenzielle Notlage sei also gar nicht gegeben. Ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Sicherung einer unangemessen großen und unangemessen teuren Unterkunft sei nicht zu erkennen. Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Der Antragstellerin sei immer noch ein Umzug im selben Haus oder eine Wohnungsverkleinerung durch eine Trennung der beiden Wohnungen zumutbar, diesbezüglich werde auf Ausführungen im entsprechenden Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 zum Aktenzeichen S 65 AS 17463/18 (nunmehr L 34 AS 701/18) verwiesen. Im Übrigen werde aufgrund der zwischenzeitlichen Eigenbedarfskündigung der Verlust der Wohnung ohnehin eintreten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss vom 8. November 2018 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin trägt vor, dass die Wohnung drei Zimmer, aber keine zwei Küchen habe, da sie aus einer Küche ein Schlafzimmer gemacht habe. Sie bewohne die Wohnung seit 20 Jahren. Sie habe schwere psychische Belastungen und befinde sich in Behandlung. Diesbezüglich verweist sie auch auf eine sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme der Dr. B vom 5. November 2018 für die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin-Mitte, wonach ihre Leistungsfähigkeit für voraussichtlich bis zu sechs Monaten aufgehoben sei. Seit 1. September 2018 arbeite sie vier Stunden in einem Sonnenstudio und verdiene 160 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, der beigezogenen Akten des Verfahrens S 65 AS 17463/16 / L 34 AS 701/18 sowie den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für die Zeit ab 1. August 2018 über die durch Bescheid zuerkannten Kosten in angemessener Höhe hinaus. Der erstinstanzliche Beschluss war daher insoweit aufzuheben, als das Sozialgericht den Antragsgegner zur Übernahme von Kosten über der Angemessenheitsgrenze verpflichtet hatte.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind, wobei umso geringere Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen sind, je größer die Erfolgsaussichten sind. Im Verfahren des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes dürfen Entscheidungen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Allerdings ergibt sich aus den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an den fachgerichtlichen Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise die Notwendigkeit einer Vollprüfung. Die Fachgerichte müssen vielmehr die Sach- und Rechtslage nur umso eingehender prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 1 BvR 733/18 –, Rn. 3, juris). Lediglich wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, so ist, sofern dem Gericht eine ausreichende Aufklärung der Sach- und Rechtslage im oben genannten Sinne im Eilverfahren nicht möglich ist, anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach Juris).
Unter Beachtung dieser Vorgaben besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Übernahme weiterer Kosten ihrer Unterkunft. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin kann bei der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden. Aus den vom Antragsgegner dargelegten Gründen hat dieser nur die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu tragen. Ergänzend wird auf die umfassenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 im oben genannten Verfahren (Aktenzeichen S 65 AS 17463/16) betreffend einen früheren Zeitraum verwiesen. Der Verpflichtung zur Zahlung der angemessenen Kosten kommt der Antragsgegner auch nach.
Etwas anderes gilt auch nicht, weil der Antragstellerin eine Senkung ihrer Unterkunftskosten nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese vom BSG als "Regelhöchstfrist" bezeichnete Frist ist abgelaufen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall, die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit grundsätzlich bestehen. Wegen des Ausnahmecharakters sind strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit zu stellen (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 91/10 R –, Rn. 27, BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R juris). Zu den besonderen Gründen, die es ausnahmsweise für den Hilfebedürftigen unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen, können neben Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zwar auch Krankheiten gehören. Erforderlich ist aber, dass die Erkrankungen ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich machen bzw. einen Umzug schlechthin ausschließen (so insgesamt BSG, Urteil vom 20. August 2009, Aktenzeichen B 14 AS 41/08 R, zitiert nach juris).
Der Antragsgegner verweist zu Recht auf die Entscheidung des Senats vom 4. Oktober 2018 (L 31 AS 1574/18 B ER). Es muss der Grundsatz gelten, dass Gesundheitsstörungen zuallererst mit medizinischen Mitteln zu begegnen ist bis hin zur vorübergehenden stationären Behandlung (so auch der BGH, Beschluss vom 21. September 2017, Az. I ZB 125/16, zitiert nach juris, wonach eine befristete oder dauerhafte Einstellung einer Räumungsvollstreckung ohne Auflagen wegen einer Suizidgefährdung des Räumungsschuldners nur in Betracht kommt, wenn der Suizidgefahr nicht auf andere Weise – etwa nach polizeirechtlichen Vorschriften oder durch eine Unterbringung nach den Vorschriften des Landesrechts – entgegengewirkt werden kann und eine Besserung unter keinen Umständen zu erwarten ist) und dass diese nicht von vornherein einen Anspruch auf die Bewilligung von im Grundsatz nicht zustehenden Sozialleistungen auslösen können. Ansonsten könnten mit der Behauptung, der Gesundheitszustand würde sich bei Vorenthaltung verschlimmern, alle möglichen Bedarfe im Rahmen des SGB II begründet werden. Dies wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers und erfüllte auch die aus den oben genannten Gründen vom BSG geforderten strengen Anforderungen nicht.
Eine Unmöglichkeit der Kostensenkung in diesem Sinne ist vorliegend bei summarischer Prüfung nicht gegeben. Der Antragstellerin ist seitens ihrer Vermieterin eine Senkung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß bei Verbleib im derzeit bewohnten Haus angeboten worden, die vertragliche Verpflichtung zum Rückbau der jetzt bewohnten Wohnung mit den dabei anfallenden Kosten wäre dabei für sie entfallen. Ein Umzug wäre lediglich im eigenen Haus erforderlich geworden. Dem Vorschlagschreiben vom 12. Juni 2018 der Vermieterin ist dabei zu entnehmen, dass die Interessen der Antragstellerin von der Vermieterin durchaus im Blick behalten werden. Noch mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 bot die Vermieterin dies erneut an, was erneut abgelehnt wurde. Angesichts der sich aus den Schreiben ergebenden Interessenlage der Vermieterin ist davon auszugehen, dass dieses Angebot durchaus erneuert würde. Der Antragstellerin ist es daher vorliegend möglich, ihre Kosten ohne einen Umzug aus dem derzeit bewohnten Haus hinaus auf das angemessene Maß zu senken.
Aus dem erstinstanzlich eingeholten Befundbericht des Dr. P vom 24. Oktober 2018 und den von der Antragstellerin beigebrachten Attesten ergibt sich vorliegend nichts für den von ihr geltend gemachten Anspruch. Im gerichtlichen Verfahren erweisen sich vergleichbare Aussagen behandelnder Ärzte, die sich mangels ausführlicher Begründung eher als bloße, nicht nachvollziehbare Behauptung darstellen, in beträchtlichem Umfang als letztlich nicht tragfähig, sobald sie gutachterlich überprüft werden. Nachvollziehbar sind die apodiktischen Einschätzungen des Arztes jedenfalls angesichts der vorliegenden Gesamtsituation nicht. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Dr. P die Unfähigkeit zu einem Umzug wörtlich mit einer "schweren psychischen Konditionierung" und Befürchtungen für die Zukunft begründet, also mit der Gebundenheit an ein Denkmuster und nicht einmal mit einer derzeit bestehenden Erkrankung. Soweit die Antragstellerin auf die gutachterliche Stellungnahme der Dr. Bverweist, ergibt sich hieraus für den vorliegenden Fall ebenfalls nichts zu ihren Gunsten. Gegenstand der Äußerung war nicht die Zumutbarkeit eines Umzugs, sondern die von beruflichen Tätigkeiten und Aktivierungsmaßnahmen, zudem lag der Stellungnahme keine Untersuchung der Antragstellerin zugrunde. Letztlich ist diese Frage jedoch in einem Hauptsacheverfahren aufgrund von Ermittlungen abschließend zu klären; derzeit ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft.
Auch eine Folgenabwägung war vorliegend nicht anzustellen. Aus den oben dargelegten Gründen ist dies lediglich dann erforderlich, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Dies ist hier nicht gegeben. Aus dem Verhalten der Antragstellerin gegenüber den Angeboten der Vermieterin mit der Ablehnung der schriftlichen und wiederholten Angebote, bei Verbleib im derzeitig bewohnten Haus an eine kostenangemessene Wohnung zu gelangen, schließt der Senat, dass der Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile im Sinne der oben genannten Rechtsprechung nach eigener Einschätzung wohl nicht drohen. Denn es ist schlechthin nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin auf dieses Angebot angesichts der Gesamtumstände nicht eingegangen ist. Diese Einschätzung gilt unabhängig davon, ob das Angebot nach wie vor besteht.
Letztendlich fehlt es an dem für eine einstweilige Anordnung erforderlichen Eilbedürfnis. Eine Kündigung der Wohnung aus Gründen ausbleibender Mietzahlungen ist weder erfolgt noch angedroht; das Bestehen von Mietrückständen wurde auch nicht vorgetragen. Die Eigenbedarfskündigung begründet kein Eilbedürfnis im Zusammenhang mit den vorliegend streitigen Fragen.
Abgesehen davon besteht unter Zugrundelegung der derzeit zu zahlenden Miete in Höhe von 596,33 Euro abzüglich der vom Antragsgegner gezahlten 444,40 Euro lediglich eine ungedeckte Differenz von 151,93 Euro. Die Antragstellerin erzielt nach eigenen Angaben Einkünfte in Höhe von 160 Euro, von denen ihr 112 Euro nicht angerechnet werden. Diese können von ihr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache eingesetzt werden, so dass lediglich noch eine Differenz von 39,93 Euro verbleibt. Aufgrund dieser Differenz ist jedoch keine zusprechende Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu treffen. Denn der Senat nimmt in derartigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, um die Hauptsache nicht vollkommen vorwegzunehmen – regelmäßig Abschläge in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Regelsatzbedarfs vor. Dies gilt unabhängig davon, ob die streitigen Beträge Teil des Regelbedarfs sind oder ob über Kosten der Unterkunft und/oder Heizung gestritten wird. Bestehen – wie vorliegend – große Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruches, liegt ein Abschlag von 30 Prozent nahe. Selbst wenn man jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 20 Prozent des Regelbedarfes abzöge, entspräche dies 83,20 Euro monatlich. Die von der Antragstellerin selbst zu tragende Differenz von 39,93 Euro monatlich liegt deutlich unter diesem Betrag, so dass ein Auszahlungsbetrag ohnehin nicht verbliebe.
Soweit die Antragstellerin ausführt, dass ab Januar 2019 dann zusätzlich auch noch Heizkosten fehlen würden, ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner im Bescheid vom 2. August 2018 die Übernahme von Heizkosten keineswegs abgelehnt hat, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass hier die aktuelle Mitteilung des Versorgers über die Höhe der Abschläge einzureichen sei. Diesbezüglich besteht also kein Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin (Antragstellerin) begehrt im Rahmen der ihr nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch, Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) gewährten Leistungen die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung in tatsächlicher und nicht in auf das angemessene Maß abgesenkter Höhe.
Die 1967 geborene Antragstellerin bewohnt unter der aus dem Rubrum ersichtlichen Anschrift – nach ihren Angaben allein - eine 93 m2 große Wohnung mit drei Zimmern und zwei Bädern, die von ihr seinerzeit aus zwei Wohnungen zusammengelegt worden war. Der Mietvertrag war zum 1. Juli 1999 geschlossen worden mit der Maßgabe, dass beim Auszug der ursprüngliche Zustand wieder herzustellen sei. Ein ausdrückliches Angebot der mit Mann und gerade erwachsen gewordenem Sohn im selben Haus in einer ebenfalls zusammengelegten Wohnung lebenden Wohnungseigentümerin vom 12. Juni 2018, die Wohnungen dergestalt zu tauschen, dass die Antragstellerin in die im selben Haus gelegene und auf Kosten der Eigentümerin rückgebaute Wohnung ziehen könne, die sodann als Einzimmerwohnung den Angemessenheitskriterien genüge, während der zweite Teil der dann abgeteilten Wohnung aus Eigenbedarfsgründen dem Sohn der Eigentümerin zur Verfügung stünde, lehnte die Antragstellerin ab. Daraufhin erklärte die Wohnungseigentümerin und Vermieterin mit Schreiben vom 2. Juli 2018 eine fristgemäße Eigenbedarfskündigung zum 31. März 2019. Mit Schreiben vom 27. Juli 2018 bot die Eigentümerin der Antragstellerin erneut den Wohnungstausch an, auch dieses Angebot lehnte die Antragstellerin ab. Die Bruttokaltmiete beträgt insgesamt 596,33 Euro. Eine Kostensenkungsaufforderung durch den Antragsgegner und Beschwerdeführer (Antragsgegner) erfolgte durch Schreiben vom 26. April 2016. Nach Durchführung des Mietkostensenkungsverfahrens übernahm der Antragsgegner zunächst nur noch die angemessenen Kosten der Unterkunft, in der Folgezeit jedoch aufgrund eines zusprechenden Beschlusses in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren bis einschließlich Juli 2018 erneut die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung.
Mit Bescheid vom 2. August 2018, geändert durch Bescheid vom 28. August 2018, bewilligte der Antragsgegner Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2018 in Höhe von 929,97 Euro und für die Zeit von Januar bis Juli 2019 in Höhe von 869,97 Euro, wobei er Kosten der Unterkunft lediglich in Höhe von 444,40 Euro, einen Mehrbedarf für Warmwassererzeugung in Höhe von 9,57 Euro und Heizkosten in Höhe von 60 Euro, insgesamt also (ohne Mehrbedarf) für die Unterkunft jedenfalls 504,40 Euro der Berechnung zugrunde legte. Ausgeführt ist, dass Kosten für Heizung gemäß der Anforderung des Energieversorgers bis einschließlich Dezember 2018 bewilligt seien, die neuen Fälligkeiten seien bitte nach Erhalt der Verbrauchsabrechnung einzureichen. Mit Bescheid vom 11. Oktober 2018 erfolgte eine Neuberechnung unter Berücksichtigung von Einkommen in Höhe von 160 Euro monatlich, wobei ein Freibetrag in Höhe von 112 Euro monatlich nicht angerechnet wird. Mit Bescheid vom 24. November 2018 wurde der Regelbedarf für die Zeit ab Januar 2019 angepasst, die Höhe der berücksichtigten Kosten für die Unterkunft blieb jeweils unverändert.
Mit am 23. August 2018 bei Gericht erhobenem Antrag begehrt die Antragstellerin, die Unterkunfts- und Heizkosten fortlaufend ab 1. August 2018 weiterhin in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Tatsächlich lägen die Unterkunftskosten bei 596,33 Euro, so dass ihr monatlich über 120 Euro fehlten. Ab Januar 2019 würden dann zusätzlich noch Heizkosten fehlen.
Mit Beschluss vom 8. November 2018 hat das Sozialgericht den Antragsgegner vorläufig, längstens bis 30. April 2019 dazu verpflichtet, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung der tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, derzeit 656,33 Euro – einberechnet sind dabei Heizkosten in Höhe von 60 Euro -, zu gewähren und den Antrag im Übrigen abgelehnt. Entschieden wurde auf der Grundlage einer Folgenabwägung unter Berücksichtigung von Attesten und einem Befundbericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. WP vom 24. Oktober 2018.
Gegen diesen ihm am 8. November 2018 zugegangenen Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit der am 22. November 2018 eingegangenen Beschwerde. Der Antragsgegner trägt vor, dass bereits keine Eilbedürftigkeit gegeben sei. Mietrückstände bestünden nicht. Die Mietkosten würden bis auf 151,93 Euro übernommen. Die Beschwerdegegnerin habe eigene Einkünfte in Höhe von 160 Euro monatlich brutto gleich netto, die angesichts der gewährten Freibeträge nur in Höhe von 48 Euro bei der Leistungsbewilligung berücksichtigt würden. Eine existenzielle Notlage sei also gar nicht gegeben. Ein Rechtsschutzbedürfnis hinsichtlich der Sicherung einer unangemessen großen und unangemessen teuren Unterkunft sei nicht zu erkennen. Ein Anordnungsanspruch bestehe ebenfalls nicht. Der Antragstellerin sei immer noch ein Umzug im selben Haus oder eine Wohnungsverkleinerung durch eine Trennung der beiden Wohnungen zumutbar, diesbezüglich werde auf Ausführungen im entsprechenden Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 zum Aktenzeichen S 65 AS 17463/18 (nunmehr L 34 AS 701/18) verwiesen. Im Übrigen werde aufgrund der zwischenzeitlichen Eigenbedarfskündigung der Verlust der Wohnung ohnehin eintreten.
Der Antragsgegner beantragt,
den Beschluss vom 8. November 2018 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Antragstellerin trägt vor, dass die Wohnung drei Zimmer, aber keine zwei Küchen habe, da sie aus einer Küche ein Schlafzimmer gemacht habe. Sie bewohne die Wohnung seit 20 Jahren. Sie habe schwere psychische Belastungen und befinde sich in Behandlung. Diesbezüglich verweist sie auch auf eine sozialmedizinische gutachterliche Stellungnahme der Dr. B vom 5. November 2018 für die Bundesagentur für Arbeit, Agentur für Arbeit Berlin-Mitte, wonach ihre Leistungsfähigkeit für voraussichtlich bis zu sechs Monaten aufgehoben sei. Seit 1. September 2018 arbeite sie vier Stunden in einem Sonnenstudio und verdiene 160 Euro.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens, der beigezogenen Akten des Verfahrens S 65 AS 17463/16 / L 34 AS 701/18 sowie den der Verwaltungsakte des Antragsgegners.
II.
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig und begründet. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für die Zeit ab 1. August 2018 über die durch Bescheid zuerkannten Kosten in angemessener Höhe hinaus. Der erstinstanzliche Beschluss war daher insoweit aufzuheben, als das Sozialgericht den Antragsgegner zur Übernahme von Kosten über der Angemessenheitsgrenze verpflichtet hatte.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis statthaft, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung hierfür ist regelmäßig, dass sowohl ein Anordnungsanspruch im Sinne der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines in der Hauptsache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch ein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft gemacht sind, wobei umso geringere Anforderungen an den Anordnungsgrund zu stellen sind, je größer die Erfolgsaussichten sind. Im Verfahren des fachgerichtlichen Eilrechtsschutzes dürfen Entscheidungen dabei grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Allerdings ergibt sich aus den aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen an den fachgerichtlichen Eilrechtsschutz nur ausnahmsweise die Notwendigkeit einer Vollprüfung. Die Fachgerichte müssen vielmehr die Sach- und Rechtslage nur umso eingehender prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist (BVerfG, Beschluss vom 26. Juni 2018 – 1 BvR 733/18 –, Rn. 3, juris). Lediglich wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, so ist, sofern dem Gericht eine ausreichende Aufklärung der Sach- und Rechtslage im oben genannten Sinne im Eilverfahren nicht möglich ist, anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden, wobei die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen sind. Diese besonderen Anforderungen an Eilverfahren schließen nicht aus, dass die Gerichte den Grundsatz der unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache vermeiden, indem sie zum Beispiel Leistungen nur mit einem Abschlag zusprechen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 569/05 -, zitiert nach Juris).
Unter Beachtung dieser Vorgaben besteht kein Anspruch der Antragstellerin auf die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Hinblick auf die Übernahme weiterer Kosten ihrer Unterkunft. Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin kann bei der vorliegend gebotenen summarischen Prüfung nicht festgestellt werden. Aus den vom Antragsgegner dargelegten Gründen hat dieser nur die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung zu tragen. Ergänzend wird auf die umfassenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 5. März 2018 im oben genannten Verfahren (Aktenzeichen S 65 AS 17463/16) betreffend einen früheren Zeitraum verwiesen. Der Verpflichtung zur Zahlung der angemessenen Kosten kommt der Antragsgegner auch nach.
Etwas anderes gilt auch nicht, weil der Antragstellerin eine Senkung ihrer Unterkunftskosten nicht möglich oder nicht zumutbar wäre. Nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung, soweit sie den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, als Bedarf so lange anzuerkennen, wie es der oder dem alleinstehenden Leistungsberechtigten oder der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Diese vom BSG als "Regelhöchstfrist" bezeichnete Frist ist abgelaufen. Die Erstattung nicht angemessener Kosten der Unterkunft bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall, die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit grundsätzlich bestehen. Wegen des Ausnahmecharakters sind strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und der Unzumutbarkeit zu stellen (BSG, Urteil vom 23. August 2011 – B 14 AS 91/10 R –, Rn. 27, BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 - B 4 AS 30/08 R juris). Zu den besonderen Gründen, die es ausnahmsweise für den Hilfebedürftigen unzumutbar erscheinen lassen, das nähere Umfeld oder gar die aktuell genutzte Wohnung zu verlassen, können neben Pflegebedürftigkeit oder Behinderung zwar auch Krankheiten gehören. Erforderlich ist aber, dass die Erkrankungen ein Verbleiben in der bisherigen Wohnung aus medizinischen Gründen erforderlich machen bzw. einen Umzug schlechthin ausschließen (so insgesamt BSG, Urteil vom 20. August 2009, Aktenzeichen B 14 AS 41/08 R, zitiert nach juris).
Der Antragsgegner verweist zu Recht auf die Entscheidung des Senats vom 4. Oktober 2018 (L 31 AS 1574/18 B ER). Es muss der Grundsatz gelten, dass Gesundheitsstörungen zuallererst mit medizinischen Mitteln zu begegnen ist bis hin zur vorübergehenden stationären Behandlung (so auch der BGH, Beschluss vom 21. September 2017, Az. I ZB 125/16, zitiert nach juris, wonach eine befristete oder dauerhafte Einstellung einer Räumungsvollstreckung ohne Auflagen wegen einer Suizidgefährdung des Räumungsschuldners nur in Betracht kommt, wenn der Suizidgefahr nicht auf andere Weise – etwa nach polizeirechtlichen Vorschriften oder durch eine Unterbringung nach den Vorschriften des Landesrechts – entgegengewirkt werden kann und eine Besserung unter keinen Umständen zu erwarten ist) und dass diese nicht von vornherein einen Anspruch auf die Bewilligung von im Grundsatz nicht zustehenden Sozialleistungen auslösen können. Ansonsten könnten mit der Behauptung, der Gesundheitszustand würde sich bei Vorenthaltung verschlimmern, alle möglichen Bedarfe im Rahmen des SGB II begründet werden. Dies wäre nicht im Sinne des Gesetzgebers und erfüllte auch die aus den oben genannten Gründen vom BSG geforderten strengen Anforderungen nicht.
Eine Unmöglichkeit der Kostensenkung in diesem Sinne ist vorliegend bei summarischer Prüfung nicht gegeben. Der Antragstellerin ist seitens ihrer Vermieterin eine Senkung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß bei Verbleib im derzeit bewohnten Haus angeboten worden, die vertragliche Verpflichtung zum Rückbau der jetzt bewohnten Wohnung mit den dabei anfallenden Kosten wäre dabei für sie entfallen. Ein Umzug wäre lediglich im eigenen Haus erforderlich geworden. Dem Vorschlagschreiben vom 12. Juni 2018 der Vermieterin ist dabei zu entnehmen, dass die Interessen der Antragstellerin von der Vermieterin durchaus im Blick behalten werden. Noch mit Schreiben vom 17. Oktober 2018 bot die Vermieterin dies erneut an, was erneut abgelehnt wurde. Angesichts der sich aus den Schreiben ergebenden Interessenlage der Vermieterin ist davon auszugehen, dass dieses Angebot durchaus erneuert würde. Der Antragstellerin ist es daher vorliegend möglich, ihre Kosten ohne einen Umzug aus dem derzeit bewohnten Haus hinaus auf das angemessene Maß zu senken.
Aus dem erstinstanzlich eingeholten Befundbericht des Dr. P vom 24. Oktober 2018 und den von der Antragstellerin beigebrachten Attesten ergibt sich vorliegend nichts für den von ihr geltend gemachten Anspruch. Im gerichtlichen Verfahren erweisen sich vergleichbare Aussagen behandelnder Ärzte, die sich mangels ausführlicher Begründung eher als bloße, nicht nachvollziehbare Behauptung darstellen, in beträchtlichem Umfang als letztlich nicht tragfähig, sobald sie gutachterlich überprüft werden. Nachvollziehbar sind die apodiktischen Einschätzungen des Arztes jedenfalls angesichts der vorliegenden Gesamtsituation nicht. Lediglich ergänzend sei darauf hingewiesen, dass Dr. P die Unfähigkeit zu einem Umzug wörtlich mit einer "schweren psychischen Konditionierung" und Befürchtungen für die Zukunft begründet, also mit der Gebundenheit an ein Denkmuster und nicht einmal mit einer derzeit bestehenden Erkrankung. Soweit die Antragstellerin auf die gutachterliche Stellungnahme der Dr. Bverweist, ergibt sich hieraus für den vorliegenden Fall ebenfalls nichts zu ihren Gunsten. Gegenstand der Äußerung war nicht die Zumutbarkeit eines Umzugs, sondern die von beruflichen Tätigkeiten und Aktivierungsmaßnahmen, zudem lag der Stellungnahme keine Untersuchung der Antragstellerin zugrunde. Letztlich ist diese Frage jedoch in einem Hauptsacheverfahren aufgrund von Ermittlungen abschließend zu klären; derzeit ist ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft.
Auch eine Folgenabwägung war vorliegend nicht anzustellen. Aus den oben dargelegten Gründen ist dies lediglich dann erforderlich, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Dies ist hier nicht gegeben. Aus dem Verhalten der Antragstellerin gegenüber den Angeboten der Vermieterin mit der Ablehnung der schriftlichen und wiederholten Angebote, bei Verbleib im derzeitig bewohnten Haus an eine kostenangemessene Wohnung zu gelangen, schließt der Senat, dass der Antragstellerin schwere und unzumutbare Nachteile im Sinne der oben genannten Rechtsprechung nach eigener Einschätzung wohl nicht drohen. Denn es ist schlechthin nicht nachvollziehbar, weshalb die Antragstellerin auf dieses Angebot angesichts der Gesamtumstände nicht eingegangen ist. Diese Einschätzung gilt unabhängig davon, ob das Angebot nach wie vor besteht.
Letztendlich fehlt es an dem für eine einstweilige Anordnung erforderlichen Eilbedürfnis. Eine Kündigung der Wohnung aus Gründen ausbleibender Mietzahlungen ist weder erfolgt noch angedroht; das Bestehen von Mietrückständen wurde auch nicht vorgetragen. Die Eigenbedarfskündigung begründet kein Eilbedürfnis im Zusammenhang mit den vorliegend streitigen Fragen.
Abgesehen davon besteht unter Zugrundelegung der derzeit zu zahlenden Miete in Höhe von 596,33 Euro abzüglich der vom Antragsgegner gezahlten 444,40 Euro lediglich eine ungedeckte Differenz von 151,93 Euro. Die Antragstellerin erzielt nach eigenen Angaben Einkünfte in Höhe von 160 Euro, von denen ihr 112 Euro nicht angerechnet werden. Diese können von ihr bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache eingesetzt werden, so dass lediglich noch eine Differenz von 39,93 Euro verbleibt. Aufgrund dieser Differenz ist jedoch keine zusprechende Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu treffen. Denn der Senat nimmt in derartigen Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, um die Hauptsache nicht vollkommen vorwegzunehmen – regelmäßig Abschläge in Höhe von 20 bis 30 Prozent des Regelsatzbedarfs vor. Dies gilt unabhängig davon, ob die streitigen Beträge Teil des Regelbedarfs sind oder ob über Kosten der Unterkunft und/oder Heizung gestritten wird. Bestehen – wie vorliegend – große Zweifel am Bestehen eines Anordnungsanspruches, liegt ein Abschlag von 30 Prozent nahe. Selbst wenn man jedoch lediglich einen Betrag in Höhe von 20 Prozent des Regelbedarfes abzöge, entspräche dies 83,20 Euro monatlich. Die von der Antragstellerin selbst zu tragende Differenz von 39,93 Euro monatlich liegt deutlich unter diesem Betrag, so dass ein Auszahlungsbetrag ohnehin nicht verbliebe.
Soweit die Antragstellerin ausführt, dass ab Januar 2019 dann zusätzlich auch noch Heizkosten fehlen würden, ist darauf hinzuweisen, dass der Antragsgegner im Bescheid vom 2. August 2018 die Übernahme von Heizkosten keineswegs abgelehnt hat, sondern ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass hier die aktuelle Mitteilung des Versorgers über die Höhe der Abschläge einzureichen sei. Diesbezüglich besteht also kein Rechtsschutzbedürfnis für einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht anfechtbar (§ 177 SGG).
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