S 47 AS 563/17

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
47
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 47 AS 563/17
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Renten aus privaten Altersvorsorgeverträgen sind als Einkommen bei der Berechnung des Leistungsanspruchs nach dem SGB II zu berücksichtigen.
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu 1/3 zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte monatliche Rentenzahlungen aus privaten Altersvorsorgeverträgen als Einkommen bedarfsmindernd berücksichtigen darf.

Der 1955 geborene Kläger zu 1 und die 1956 geborene Klägerin zu 2 sind verheiratet. Sie bewohnen eine Wohnung in der T.-M.-Str ... in N./O., für die ab August 2016 eine monatliche Gesamtmiete in Höhe von 389 Euro an den Vermieter zu entrichten war.

Die Kläger beziehen vom Beklagten, ergänzend zum Einkommen der Klägerin zu 2 aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung, Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Auf ihren Fortzahlungsantrag bewilligte der Beklagte ihnen für die Zeit von Oktober 2016 bis März 2017 zunächst vorläufig Grundsicherungsleistungen in Höhe von 538,06 Euro monatlich für Oktober 2016 bis Dezember 2016 sowie 546,06 Euro monatlich für Januar 2017 bis März 2017 (vorläufige Bescheide vom 26. September 2016 und 26. November 2016).

Mit Veränderungsmitteilung vom 10. Dezember 2016 teilten die Kläger mit, dass die von ihnen im Jahr 1999 mit privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossenen privaten Altersvorsorgeverträge, eine Rentenversicherung ("private ZusatzRente") bei der S.versicherung für den Kläger zu 1 und eine Rentenversicherung bei der V.-Lebensversicherungs AG (ein Unternehmen der E. Versicherungsgruppe) für die Klägerin zu 2, für die im Jahr 2005 jeweils Verwertungsausschlüsse nach § 165 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vereinbart worden waren, abgelaufen seien. Der Kläger zu 1 erhalte ab 1. Dezember 2016 eine monatliche Rentenzahlung in Höhe von 66,90 Euro (64,72 Euro Grundrente + 2,18 Euro Bonusrente) und die Klägerin zu 2 ab 1. November 2016 eine monatliche Rentenzahlung in Höhe von 100,42 Euro (88,77 Euro Grundrente + 11,65 Euro Bonusrente).

Daraufhin senkte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 22. Dezember 2016 die den Klägern zu gewährenden vorläufigen Leistungen für die Zeit von Januar 2017 bis März 2017 unter Berücksichtigung der Rentenzahlungen auf monatlich 408,74 Euro ab. Der dagegen von den Klägern eingelegte Widerspruch (W 65/17) hatte keinen Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2017).

Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 2. März 2017 erhobene Klage, unter Einbezug des zwischenzeitlich ergangenen Änderungsbescheides vom 9. Februar 2017, mit dem die vorläufigen Leistungen für den Monat März 2017 auf 346,62 Euro abgesenkt wurden.

Ausweislich der beim Beklagten eingereichten Lohnbescheinigungen erzielte die Klägerin zu 2 folgendes Erwerbseinkommen (Lohnzufluss jeweils im Folgemonat):

brutto netto

Sep 16 1.110,00 EUR 876,50 EUR
Okt 16 1.110,00 EUR 876,50 EUR
Nov 16 1.110,00 EUR 876,50 EUR 555,00 EUR 361,67 EUR (Weihnachtsgeld)
Dez 16 1.110,00 EUR 898,28 EUR
Jan 17 1.220,00 EUR 947,61 EUR
Feb 17 1.220,00 EUR 947,61 EUR

Auf dieser Grundlage sowie Nachweisen zu weiteren Aufwendungen für die Unterkunft (Erwerb von Müllmarken) und für eine Kfz-Versicherung, erließ der Beklagte am 14. März 2017 zwei Bescheide "Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs", mit denen er Überzahlungen für die Zeit von Oktober 2016 bis Februar 2017 in Höhe von 220,76 Euro pro Person errechnete und individuell zur Erstattung festsetzte.

Mit einem am 15. März 2017 ergangenen Bescheid "Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts", in dem darauf hingewiesen wird, es handele sich um die abschließende Festsetzung der zustehenden Leistungen nach § 41a SGB II, setzte der Beklagte die den Kläger zu gewährenden Leistungen endgültig wie folgt fest: für Oktober 2016 in Höhe von 514,40 Euro, für November 2016 in Höhe von 413,98 Euro, für Dezember 2016 in Höhe von 310,18 Euro, für Januar 2017 in Höhe von 26,74 Euro, für Februar 2017 in Höhe von 388,42 Euro, für März 2017 in Höhe von 445,80 Euro. Im Rahmen der Leistungsberechnung berücksichtigte er einen monatlichen Bedarf von Oktober 2016 bis Dezember 2016 in Höhe von 1.123,56 Euro (Regelbedarf 2 x 364 Euro zuzüglich 395,56 Euro Unterkunftskosten), von Januar 2017 bis Februar 2017 in Höhe von 1.134,90 Euro (Regelbedarf 2 x 368 Euro zuzüglich 398,90 Euro Unterkunftskosten) bzw. im März 2017 in Höhe von 1.192,28 Euro (Regelbedarf 2 x 364 Euro zuzüglich 456,28 Euro Unterkunftskosten). Als Einkommen des Klägers zu 1 berücksichtigte der Beklagte die Zahlungen aus der privaten Rentenversicherung im Dezember 2016 in Höhe von 133,80 Euro (zweimaliger Zufluss von 66,90 Euro) abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale, sowie ab Januar 2017 monatlich 66,90 Euro abzüglich 30 Euro Versicherungspauschale. Als Einkommen der Klägerin zu 2 berücksichtigte er ein monatliches Durchschnittseinkommen aus dem Erwerbseinkommen in Höhe von 1.146,67 Euro brutto/903,83 Euro netto, von dem er nach Absetzung der Erwerbstätigenfreibeträge monatlich 609,16 Euro bedarfsmindernd anrechnete sowie zusätzlich im Januar 2017 Weihnachtgeld in Höhe von 555 Euro brutto/361,67 Euro netto. Ferner rechnete er ab November 2016 die Zahlungen aus der privaten Rentenversicherung in Höhe von 100,42 Euro als Einkommen an.

Im Rahmen der Bearbeitung der gegen die Bescheide vom 14. März 2017 und 15. März 2017 mit der Begründung eingelegten Widersprüche, die Berücksichtigung der Zahlungen aus den privaten Rentenversicherungen seien rechtswidrig, erließ der Beklagte am 10. Mai 2017 zunächst zwei Abhilfebescheide, mit denen er die Bescheide vom 14. März 2017 zurücknahm. Gleichzeitig erließ er am 10. Mai 2017 zwei Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, mit denen er nunmehr gegenüber dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 für die Zeit von Oktober 2016 bis Februar 2017 jeweils 373,08 Euro zur Erstattung festsetzte.

Mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 11. Mai 2017 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers zu 1 (W 191/17, W 193/17) sowie der Klägerin zu 2 (W 190/17, W 200/17) gegen die Bescheide vom 14./15. März 2017 zurück.

Die dagegen am 12. Juni 2017 erhobenen Klagen wurden zunächst unter den Az. S 47 AS 1449/17 (Kläger zu 1) und S 47 AS 1450/17 (Klägerin zu 2) registriert.

Mit Beschluss vom 29. Juni 2018 wurden die Verfahren unter dem führenden Aktenzeichen S 47 AS 563/17 verbunden. In der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2018 schlossen die Beteiligten folgenden Teilvergleich

1. Der Beklagte hebt die beiden Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 10. Mai 2017 auf.

2. In Abänderung des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 15. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2017 gewährt der Beklagte den Klägern für den Monat Januar 2017 weitere Leistungen in Höhe von 5,34 Euro.

3. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass nach rechtskräftigem Abschluss des Klageverfahrens der Beklagte unter Berücksichtigung der vorläufig für den streitigen Zeitraum bewilligten und ausgezahlten Leistungen errechnet, ob sich eine Nachzahlung zugunsten der Kläger ergibt oder in welcher Höhe eine Überzahlung entstanden und daher von den Klägern zurückzuzahlen ist.

Die Kläger tragen vor, der Beklagte habe zu Unrecht die monatlichen Rentenzahlungen in Höhe von 66,90 Euro bzw. 100,42 Euro als Einkommen bedarfsmindernd berück-sichtigt. Es handele sich um private Versicherungen, die als Vermögenswerte bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen aufgrund der im Jahr 2005 abgeschlossenen Verwertungsausschlüsse bisher unberücksichtigt geblieben waren. Die nunmehr seit 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 ausgezahlten monatlichen Beträge seien weiterhin dem privilegierten Altersvorsorgevermögen zuzuordnen. Der Vermögensanspruch werde nicht dadurch, dass dieser verfügbar werde, zum Einkommen. Vielmehr sei in jedem Bewilligungsabschnitt, in welchem ein Teil des privilegierten Vermögens sein Privileg verliere zu prüfen, ob die Vermögensfreibeträge des § 12 SGB II überschritten werden.

Die Kläger beantragen abschließend,

den Beklagten unter Abänderung des endgültigen Bewilligungsbescheides vom 15. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2017 zu verpflichten, ihnen für den Zeitraum 1. Oktober 2016 bis 31. März 2017 Leistungen in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält an seiner im Verwaltungsverfahren getroffenen Entscheidung fest. Der Beklagte trägt vor, die monatlichen Zahlungen aus den privaten Rentenversicherungen seien als Einkommen zu berücksichtigen. Die Kläger hätten nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Ansparphase von der Möglichkeit der Auszahlung einer Kapitalabfindung keinen Gebrauch gemacht, sondern sich für die Zahlung einer "lebenslangen Zusatzrente" entschieden. Er ist der Ansicht, der für die privaten Versicherungen vereinbarte Verwertungsausschluss sei mit Ablauf der Ansparphase abgelaufen. Das frei gewordene Altersvorsorgevermögen sei nicht mehr über § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II privilegiert, weil die leistungsberechtigte Person nunmehr darüber frei verfügen könne.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13. September 2018, den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen (weiteren) Erfolg.

Streitgegenstand ist nach Abschluss des Teilvergleiches nur noch die Höhe der den Klägern für die Zeit von Oktober 2016 bis März 2017 abschließend zu gewährenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II. Nach Rücknahme der zunächst erlasse-nen Bescheide "Erstattung von Leistungen bei endgültiger Festsetzung des Leistungsanspruchs" vom 14. März 2017 durch die Abhilfebescheide vom 10. Mai 2017 sowie der Aufhebung der nachfolgend ergangenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide vom 10. Mai 2017 im Rahmen des abgeschlossenen Teilvergleiches, verbleibt als Entscheidungsgrundlage ausschließlich der endgültige Festsetzungsbescheid vom 15. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2017. Der zuvor ergangene Änderungsbescheid vom 22. Dezember 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Februar 2017 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 9. Februar 2017 (ursprüngliche Klage S 47 AS 563/17), der den Zeitraum Januar 2017 bis März 2017 betraf und mit dem Leistungen nur vorläufig bewilligt worden waren, hat mit Erlass des abschließenden Festsetzungsbescheides vom 15. März 2017 im Sinne von § 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) seine Erledigung gefunden (vgl. BSG, Urteil vom 10. Mai 2011 - B 4 AS 139/10 R).

Der endgültige Festsetzungsbescheid vom 15. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2017 ist, nachdem im Rahmen des abgeschlossenen Teilvergleiches die Höhe der für den Monat Januar 2017 gewährten Leistungen (Bereinigung des zugeflossenen Weihnachtsgeldes) korrigiert wurde, rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Rechtsgrundlage der vom Beklagten für den streitigen Zeitraum vorgenommenen endgültigen Leistungsfestsetzung ist § 41a Abs. 1 Satz 3 SGB II (in der Fassung vom 26. Juli 2016). Danach entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern - wie hier - die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht.

Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 SGB II und § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II (in der hier anzuwendenden Fassung vom 26. Juli 2016) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II, wenn sie - neben weiteren, hier nicht im Streit stehenden Voraussetzungen - hilfebedürftig sind. Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II u. a., wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann. Bei Personen, die - wie hier die Kläger - in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen.

Die Kläger haben keinen Anspruch auf höhere Grundsicherungsleistungen, denn sie waren im streitigen Zeitraum, über die mit Bescheid vom 15. März 2017 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2017 in der Fassung des Teilvergleiches (Ziff. 2) abschließend gewährten Leistungen hinaus, nicht hilfebedürftig Den monatlichen Bedarf der Kläger (Regelleistung und Unterkunftskosten, §§ 20ff SGB II) hat der Beklagte zutreffend ermittelt und im Bescheid vom 15. März 2017 - von den Klägern unbeanstandet - ausgewiesen.

Die Anrechnung des von der Klägerin zu 2 erzielten Erwerbseinkommens (§§ 11, 11b SGB II) ist - nach Korrektur durch den abgeschlossenen Teilvergleich - nicht zu beanstanden. Fehlerfrei hat der Beklagte in Anwendung von § 41a Abs. 4 Satz 1 und Satz 3 SGB II ein Durchschnittseinkommen zugrunde gelegt und nach Absetzung der Erwerbstätigenfreibeträge monatlich zur Anrechnung gebracht.

Die bedarfsmindernde Berücksichtigung der Rentenzahlungen aus den privaten Altersvorsorgeverträgen (66,90 Euro bzw. 100,42 Euro) lässt ebenfalls keine Rechtsfehler erkennen.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b SGB II abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a SGB II genannten Einnahmen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind im Ausgangspunkt alle Einnahmen, die dem Leistungsberechtigten zufließen, d. h. einen "wertmäßigen Zuwachs" bewirken, unerheblich, welcher Art, Herkunft oder Rechtsnatur sie sind (vgl. nur Oestreicher/Strnischa, 85. EL Oktober 2018, SGB II § 11 Rn. 38). Dies schließt grundsätzlich laufende monatliche Rentenzahlungen ein (vgl. nur Oestreicher/Strnischa, 85. EL Oktober 2018, SGB II § 11 Rn. 55), unabhängig davon, ob es sich um Zahlungen eines gesetzlichen Versicherungsträgers oder eines privaten Versicherungsunternehmens handelt (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2017 - B 14 AS 55/15 R zur Anrechnung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016 - B 14 AS 53/15 R zur Berücksichtigung einer Halbwaisenrente; BSG, Urteil vom 16. April 2013 - B 14 AS 81/12 R zur Berücksichtigung einer Witwenrente; BSG, Urteil vom 14. Februar 2013 - B 14 AS 198/11 R zur Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2015 - L 13 AS 1806/14 zu einer privaten Berufsunfähigkeitsrente). Dafür, dass auch der Gesetzgeber hiervon ausgeht, spricht § 11a SGB II, der Ausnahmetatbestände für einzelne Rentenformen und Leistungen ausdrücklich normiert. Die hier zu beurteilenden fortlaufenden Rentenzahlungen aus einer privaten Altersvorsorge sind danach gerade nicht von der Berücksichtigung als Einkommen nach dem SGB II ausgenommen.

Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich bei den monatlich zur Auszahlung kommenden Beträgen nicht um Vermögen im Sinne § 12 Abs. 1 SGB II, welches den Vermögensfreibeträgen des § 12 Abs. 2 SGB II unterfällt.

Zum Vermögen gehören nach § 12 Abs. 1 SGB II alle verwertbaren Vermögensgegen-stände. Maßgebliches Differenzierungskriterium für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist grundsätzlich der Zeitpunkt des tatsächlichen Zuflusses bereiter Mittel. Danach ist Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II das, was jemand vor Antragstellung bereits hatte (modifizierte Zuflusstheorie: vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R; BSG, Urteil vom 22. August 2013 - B 14 AS 78/12 R; BSG, Urteil vom 28. Oktober 2014 - B 14 AS 36/13 R).

Zwar waren die angesparten Werte (Rückkaufswerte) der bei der S.versicherung bzw. V.-Lebensversicherungs AG abgeschlossenen privaten Rentenversicherungen während der vorgesehenen Laufzeit als Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren, welches nach Abschluss der Verwertungsausschlüsse im Jahr 2005 in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes eingesetzt werden musste, weil es nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II im Rahmen der dort vorgesehenen Höchstbeträge als Altersvorsorgevermögen privilegiert war. Mit Ablauf der zur Ansparung vorgesehenen Vertragslaufzeit haben die gegen die beiden privaten Versicherungsunternehmen gerichteten Ansprüche jedoch eine Änderung ihres Rechtscharakters erfahren. Da die Kläger von der Möglichkeit der Auszahlung einer einmaligen Kapitalabfindung keinen Gebrauch gemacht haben, steht ihnen nach den vertraglichen Vereinbarungen keine Kündigungsmöglichkeit und keinen Anspruch auf Kapitalauszahlung mehr zu. Dies hat die S.versicherung im Schreiben vom 31. Oktober 2016 ausdrücklich erläutert. Die Kläger haben damit seit dem Beginn der Rentenauszahlphase am 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 keine Verfügungsmöglichkeit mehr über die Gesamtsumme der von ihnen angesparten Vermögenswerte, sondern "nur noch" einen monatlichen Rentenzahlungsanspruch gegen das jeweilige Versicherungsunternehmen. Dieser geänderte Rechtscharakter führt dazu, dass die nunmehr fortlaufend zur Auszahlung kommenden Renten als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II zu qualifizieren sind, vergleichbar mit laufenden Zahlungen aus der gesetzlichen Renten- oder Unfallversicherung.

Für diese Sichtweise spricht auch § 82 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII in der Fassung vom 17. August 2017). Der Gesetzgeber hat hier für den Bereich der Hilfe zum Lebensunterhalt und der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminde-rung in die Vorschrift zum "Begriff des Einkommens" mit § 82 Abs. 4, 5 SGB XII einen speziellen Einkommensfreibetrag für zusätzliche Altersvorsorge eingeführt. Ausdrücklich formuliertes Ziel ist es, einen Anreiz zu setzen, zusätzliche Altersvorsorge zu betreiben (vgl. BR-Drs. 780/16, S. 42 f).

Dass eine solche spezifische Freibetragsregelung nicht gleichzeitig im SGB II verankert wurde, könnte darauf zurückzuführen sein, dass der Beginn der Zahlungen aus privaten Altersvorsorgeverträgen im Regelfall auf das gesetzlich vorgesehene Renteneintrittsalter im Hinblick auf die reguläre Altersrente des Versicherten und damit auf den Zeitpunkt des Erreichens der Altersgrenze für den Bezug von SGB II-Leistungen (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 7a SGB II) ausgerichtet ist. Die Kläger haben ihre privaten Vorsorgeverträge jedoch bereits im Jahr 1999 zu einer Zeit abgeschlossen, als andere Altersgrenzen galten. Sie kommen somit noch vor Erreichen der nunmehr in § 7a SGB II vorgesehenen Altersgrenze für den Bezug von Grundsicherungsleistungen in den Genuss von Zahlungen aus ihren privaten Altersvorsorgeverträgen. Entsprechend dem Ziel dieser Versicherungsleistungen, zur Bestreitung des Lebensunterhaltes im Alter beizutragen, liegen keine Gründe vor, die dafür sprechen, dass die laufenden Rentenzahlungen der S.versicherung bzw. der V.-Lebensversicherungs AG in Anwendung von § 11 Abs. 1 SGB II iVm § 9 SGB II nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes einzusetzen sind.

Selbst wenn man der Auffassung der Kläger folgen wollte und die monatlich zur Auszahlung kommenden Beträge in Höhe von 66,90 Euro bzw. 100,34 Euro im Sinne einer sog. Vermögensumwandlung oder -umschichtung - ggf. nur für den jeweiligen Basisrentenbetrag - weiterhin dem Vermögen im Sinne von § 12 Abs. 1 SGB II zuordnet, dürfte dies einer bedarfsmindernden Anrechnung nicht entgegen stehen. Die Kläger und der Beklagte sind während der zurückliegenden Zeiträume des Leistungsbezuges übereinstimmend davon ausgegangen, dass die den privaten Rentenversicherungsverträgen zugrundeliegenden (Vermögens-) Werte aus Ansparbeträgen und Erträgen dem Zweck der Altersvorsorge dienen. Aus diesem Grund konnten sich die Kläger bis zum Ablauf der zur Ansparung vorgesehenen Vertragslaufzeit auf § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II berufen, denn die Versicherungsleistungen waren ausdrücklich dazu bestimmt, zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter beizutragen. An dieser Zweckbestimmung müssen sich die Kläger nunmehr nach Beginn der Rentenauszahlungsphase am 1. November 2016 bzw. 1. Dezember 2016 festhalten lassen. Sie können sich, nachdem die Werte der beiden Versicherungen seit 2005 als Altersvorsorgevermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II verschont wurden, jetzt, wo der mit den Versicherungen avisierte "Leistungsfall" (Sicherung des Lebensunterhaltes im Alter) tatsächlich eingetreten ist, nicht darauf zurückziehen, es handele sich bei den Auszahlbeträgen um Vermögenswerte, die den Grundfreibeträgen des § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB II unterfallen. Dem nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 3 SGB II geschützten Altersvorsorgevermögen können die Auszahlbeträge aufgrund der uneingeschränkten Verfügungsmöglichkeiten nicht mehr zugeordnet werden.

In Anwendung von § 11 Abs. 2 Satz 1 SGB II waren daher die monatlichen Zahlbeträge aus den privaten Rentenversicherungen der Kläger als laufende Einnahmen in den Monaten zu berücksichtigen, in denen sie zugeflossen sind. Da im SGB II, anders als in § 82 Abs. 4, 5 SGB XII keine besonderen Freibeträge für Einkommen aus privaten Altersvorsorgeverträgen vorgesehen sind, konnte eine Bereinigung der Zahlbeträge ausschließlich beim Kläger zu 1 in Höhe der Versicherungspauschale mit monatlich 30 Euro erfolgen (§ 11b SGB II iVm § 6 Abs. 1 Nr. Alg II-V in der Fassung vom 26. Juli 2016). Bei der Klägerin zu 2 wurden entsprechende Freibeträge bereits bei der Bereinigung des Erwerbseinkommens berücksichtigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt das teilweise Obsiegen der Kläger im Rahmen des abgeschlossenen Teilvergleiches.

Eine Berufung gegen diese Entscheidung bedarf der Zulassung nach § 144 SGG durch das Landessozialgericht, denn der Wert der Beschwer beläuft sich für die Kläger bezogen auf die geltend gemachte Nichtanrechenbarkeit der Rentenzahlungen aus den privaten Altersvorsorgebeträgen auf insgesamt 716,60 Euro (5 x 100,42 Euro zuzüglich 5 x 66,90 Euro abzüglich 4 x 30 Euro berücksichtigte Versicherungspauschale).
Rechtskraft
Aus
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