Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
18
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AY 77/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 AY 12/19 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Umsetzung einer festgestellten Anspruchseinschränkung ist die Aufhebung eines für den Zeitraum der Anspruchseinschränkung ergangenen Bewilligungsverwaltungsaktes erforderlich.
2. Die Möglichkeit eines Anspruchs minderjähriger Kinder auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 3 AsylbLG schließt die Möglichkeit eines solchen Anspruchs nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht aus, sondern ergänzt diesen.
3. Zum Prüfungsmaßstab im sozialgerichtlichen Eilverfahren.
2. Die Möglichkeit eines Anspruchs minderjähriger Kinder auf Analogleistungen nach § 2 Abs. 3 AsylbLG schließt die Möglichkeit eines solchen Anspruchs nach § 2 Abs. 1 AsylbLG nicht aus, sondern ergänzt diesen.
3. Zum Prüfungsmaßstab im sozialgerichtlichen Eilverfahren.
I. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2019 abgeändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 (Verfahren S 5 AY 1/19 beim Sozialgericht Bayreuth) wird festgestellt. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für den Zeitraum vom 06.12.2018 bis 30.04.2019 Leistungen entsprechend dem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 unter Anrechnung der für diesen Zeitraum bereits erbrachten Leistungen zu erbringen.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller (Ast) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum ab 06.12.2018.
Die Ast, ein Ehepaar (Ast zu 1. und 2.) mit sechs minderjährigen Kindern (Ast. zu 3. bis 8.), sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Asylantrag des Ast zu 1. wurde mit Bescheid der Ausländerbehörden vom 13.09.2016 abgelehnt. Die Klage gegen diese Ablehnung wurde abgewiesen. Das Asylverfahren ist seit dem 29.05.2017 rechtskräftig abgeschlossen. Die Abschiebungsandrohung ist seit dem 29.06.2017 vollziehbar.
Mit Bescheid vom 03.07.2018 bewilligte der Antragsgegner den Ast ab Juli 2018 monatliche Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 3549,50 EUR. Gemäß dem beigefügten Berechnungsbogen entfielen auf die Ast anteilig folgende Leistungen: Ast zu 1.: 500,69 EUR, Ast zu 2.: 500,69 EUR, Ast zu 3. 430,31 EUR, Ast zu 4.: 430,31 EUR, Ast zu 5.: 430,31 EUR, Ast zu 6.: 430,31 EUR, Ast zu 7.: 369,19 EUR, Ast zu 8.: 457,69 EUR. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.07.2018 dahingehend ab, dass zusätzlich auch monatliche Leistungen für Möblierung und Geräte in Höhe von insgesamt 106,24 EUR gewährt werden. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Bereits mit Schreiben vom 13.06.2018 und zusätzlich mit Schreiben vom 25.09.2018 hörte der Antragsgegner die Ast zu einer beabsichtigten Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG an. Die Ast seien vollziehbar ausreisepflichtig. Eine Rückführung in ihr Heimatland wäre bei Vorlage der erforderlichen Identitätspapiere jederzeit möglich. Die Ast seien durch die Ausländerbehörden aufgefordert worden, bei der Botschaft des Irak einen Heimreiseschein (Laissez Passer) zu beantragen. Dieser Aufforderung kämen die Ast nicht nach.
Am 30.10.2018 erließ der Antragsgegner einen Bescheid, mit dem er den Ast zu 1. und zu 2. für die Zeit ab 01.11.2018 bis 30.04.2019 Leistungen nach § 1a AsylbLG gewährte und den Ast zu 3. bis zu 8. Leistungen nach § 3 AsylbLG, insgesamt Leistungen in Höhe von monatlich 2970 EUR. Gemäß dem beigefügten Berechnungsbogen entfielen auf die Ast anteilig folgende Leistungen: Ast zu 1.: 336 EUR, Ast zu 2.: 336 EUR, Ast zu 3. 382 EUR, Ast zu 4.: 382 EUR, Ast zu 5.: 382 EUR, Ast zu 6.: 382 EUR, Ast zu 7.: 354 EUR, Ast zu 8.: 416 EUR. Den Bescheid begründete der Antragsgegner damit, dass bei den Ast zu 1. und zu 2. die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG vorlägen. Sie kämen ihren Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht nach und hätten daher das Ausreisehindernis ausschließlich selbst zu vertreten. Hiergegen legten die Ast am 31.10.2018 Widerspruch ein, den die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2018 zurückwies. Dagegen haben die Ast Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) unter dem Aktenzeichen S 5 AY 1/19 erhoben.
Bereits am 06.12.2018 haben die Ast beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, hilfsweise auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gestellt.
Mit Beschluss vom 02.01.2019 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, den Ast zu 1. und zu 2. ab 06.12.2018 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens allerdings bis 30.04.2019, vorläufig Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in gesetzlicher Höhe unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen nach § 1a AsylbLG zu zahlen. Sollte rechtskräftig bzw. bestandskräftig entschieden werden, dass den Ast zu 1. und zu 2. weder Leistungen nach § 3 AsylbLG noch nach § 2 AsylbLG zustehen, seien die mit diesem Beschluss vorläufig zugestandenen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, welche über den Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 hinausgehen, von den Ast zu 1. und zu 2. an den Antragsgegner zurückzuerstatten. Im Übrigen werde der Antrag der Ast zu 1. und zu 2. abgewiesen, ebenso der Antrag der Ast zu 3. bis 8.
Gegen den Beschluss des SG haben die Ast Beschwerde eingelegt. Diese begründen sie überwiegend damit, dass die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG bei den Ast nicht vorlägen. Unabhängig davon sei die Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG anstelle von sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG an die Ast zu 3. bis 8. rechtswidrig, da diese keine anspruchseinschränkenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht und auch nicht selbst rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten. Eine Zurechnung eines etwaigen Fehlverhaltens der Eltern auf die minderjährigen Kinder dürfe nicht erfolgen.
Die Ast beantragen,
ihnen unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2019 ab 06.12.2018 vorläufig Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Leistungsakte des Antragsgegners, die beigezogenen Ausländerakten der Ast sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG dem Antrag der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im vollen Umfang für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 stattgegeben. Der von der Ast im Wege der Regelungsanordnung geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ist gegeben. Auch liegt insoweit ein Anordnungsgrund vor.
Der Antrag der Ast war entsprechend ihrem Rechtsschutzbegehren auszulegen, § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antrag der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (s. dazu im Folgenden unter 2.) umfasst auch einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (s. dazu im Folgenden unter 1.) Denn dem geltend gemachten Anspruch der Ast auf Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum ab 06.12.2018 steht der Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 (faktisch) entgegen, da er für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 gegenüber dem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 die Bewilligung geringerer Leistungen nach dem AsylbG vorsieht.
Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 06.12.2018 (gemäß Antragstellung) bis 30.04.2019, da der im Streit stehende Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 nur den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 betrifft.
1. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der von den Ast unter dem Az. S 5 AY 1/19 beim SG erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft und begründet. Deshalb stellt das Gericht - bei vorhandenem Rechtsschutzinteresse der Ast - die von Gesetzes wegen eingetretene aufschiebende Wirkung der Klage (klarstellend) fest.
a. Der Antragsgegner hat den Ast mit Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 gegenüber der vorangegangenen Bewilligung vom 03.07.2018 niedrigere Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 bewilligt. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 20.07.2018 hatte der Antragsgegner den Ast ab Juli 2018 auf Dauer Leistungen nach § 2 AsylbLG i.H.v. monatlich insgesamt 3655,74 EUR bewilligt. Der Antragsgegner hat die erneute Bewilligung vom 30.10.2018 vorgenommen, ohne diese bestandskräftige Bewilligung vom 03.07.2018 nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. den §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben oder zurückzunehmen. Eine entsprechende Aufhebungsregelung findet sich weder im Tenor des Bescheids vom 30.10.2018 noch in den Gründen. Allein darin, dass die angefochtene Entscheidung des Antragsgegners vom 30.10.2018 im Widerspruch zu der vorangegangenen bestandskräftigen Bewilligung steht, kann auch keine konkludente Aufhebung der vorangegangenen Bewilligung gesehen werden (s. hierzu u.a. auch Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 33 SGB X Rn. 21 m.w.N.; VG Potsdam v. 09.07.2018 - 7 K 2032/16, juris Rn 19; BSG v. 16.01.1991 - 6 Rka 25/89, juris Rn 13). Denn in den Gründen des Bescheids vom 30.10.2018 wird die vorangegangene Bewilligungsentscheidung noch nicht einmal erwähnt. Vielmehr geht aus dem Gesamtzusammenhang und dem Inhalt der übersandten Verwaltungsakte hervor, dass der Antragsgegner beim Erlass des Bescheides vom 30.10.2018 den vorangegangenen Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 nicht im Blick hatte.
Indem der Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2018 aber eine zum vorausgegangen Bewilligungsbescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 widersprüchliche Regelung enthält, verstößt er gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) und ist damit rechtswidrig (zur Unbestimmtheit von Verwaltungsakten, deren Regelung im Widerspruch zu vorangegangenen Verwaltungsakten steht, s. Pattar a.a.O. m.w.N.; VG Potsdam a.a.O.).
b. Der von den Ast zunächst erhobene Widerspruch wie auch die später zum SG erhobene Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2018 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2018) entfalten gem. § 86a Abs. 1 S. 1 SGG aufschiebende Wirkung; ein Fall des § 86a Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Insbesondere ist im vorliegenden Fall § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG nicht einschlägig. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Leistung nach diesem Gesetz ganz oder teilweise entzogen oder die Leistungsbewilligung aufgehoben wird, keine aufschiebende Wirkung. Die angefochtenen Bescheide enthalten, wie ausgeführt, keine Regelung zur Aufhebung einer vorangegangenen Leistungsbewilligung. Auch der Fall einer Entziehung von Leistungen ist nicht gegeben. Da der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs im Verwaltungsverfahren nicht beachtet hat, war in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der von den Ast nunmehr erhobenen Klage zum SG festzustellen (s. zur Möglichkeit eines solchen deklaratorischen Beschlusses u.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rn. 15).
c. Ob der angefochtene Bescheid des Antragsgegners zugleich die (rechtmäßige) Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG beinhaltet (zu dieser Voraussetzung s. u.a. Bayerisches Landessozialgericht v. 01.03.2018 - L 18 AY 2/18 B ER, juris Rn. 30) und ob die Klage der Ast insoweit (voraussichtlich) begründet ist, kann der Senat nach alledem dahingestellt sein lassen. Denn allein die Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ersetzt nicht die nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. den §§ 44 ff SGB X erforderliche Aufhebung einer für den gleichen Zeitraum ergangenen Leistungsbewilligung (so auch Groth in jurisPK-SGB XII AsylbLG § 11 Rn. 41.3; s. dazu auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern v. 21.06.2018 - L 9 AY 1/18 B ER, juris Rn. 44 f; s. dazu auch BSG v. 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R, BSGE 119, 17, zur Minderung des Arbeitslosengelds II nach § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG denknotwendigerweise nur ein feststellender Regelungsgehalt zukommen kann und der Gesetzgeber in § 11 Abs. 4 AsylbLG zwischen der Aufhebung einer Leistungsbewilligung (Nr. 1) und der Feststellung einer Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG (Nr. 2) unterscheidet. Insofern stünde allein eine durch die angefochtenen Bescheide rechtmäßig vorgenommene Feststellung einer Anspruchseinschränkung für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 nicht dem Leistungsanspruch der Ast aus der Bewilligung vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 entgegen.
Allerdings weist der Senat darauf hin, dass es nach summarischer Prüfung fraglich erscheint, ob die knappe Begründung im Bescheid vom 30.10.2018 ausreichend ist, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG zu belegen. Soweit der Antragsgegner - und ihm folgend das SG - die Auffassung vertritt, dass den Ast. zu 3. bis 8. nur dann ein Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zustehen könnte, wenn ein solcher Anspruch auch ihren Eltern zustünde, beruht dies auf einem fehlerhaften Verständnis des § 2 Abs. 3 AsylbLG. Denn wie sich bereits unmittelbar aus der Tatbestandsformulierung des § 2 Abs. 3 AsylbLG ("auch dann") - und gerade auch im Vergleich mit der bis zum 28.02.2015 gültigen Normfassung ("nur") - ergibt, tritt die Möglichkeit eines Anspruches auf Analogleistungen nach dieser Vorschrift zur Möglichkeit eines Anspruches nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ergänzend hinzu (vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/2592, S. 20). D.h. minderjährigen leistungsberechtigten Kindern sind Analogleistungen bereits dann zu gewähren, wenn sie selbst die Voraussetzungen § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob sie mit mindestens einem Elternteil in Haushaltsgemeinschaft leben, das ebenfalls Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält.
2. Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab dem 06.12.2018 im Wege der einstweiligen Anordnung stellt sich der zutreffende Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Eilentscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wie folgt dar: Gemäß dem hier grundsätzlich einschlägigen § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Hauptsacheerfolgs) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Eilbedürftigkeit). Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad verweist § 86b Abs. 2 S. 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach (Hauptsache-)Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen sind. Allerdings gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Aus den genannten Vorschriften stellt sich die in § 920 Abs. 2 ZPO genannte Glaubhaftmachung als Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne eines objektiven Beweismaßes (ohne subjektive Beweisführungslast) dar. Der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet (BSG, Urteile vom 08.08.2001 - B 9 U 23/01 B, juris Rn. 4 f. und vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R, juris Rn. 116). Anders als bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, bei der absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache, etwa in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang, sprechen muss (vgl. dazu BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), reicht bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer guten Möglichkeit aus, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (allgemeine Auffassung; vgl. z.B. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 41, 16b, § 128 Rn. 3d). Die Glaubhaftmachung kennzeichnet dabei im Bereich der Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften - soweit ersichtlich unbestrittenerweise - keinen variablen, von Fall zu Fall neu festzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern eben die im vorgenannten Sinn überwiegende Wahrscheinlichkeit, also das Vorliegen der guten Möglichkeit (zur verfassungsrechtlichen Sicht sogleich unten). Zusammenfassend stellt sich der einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab wie folgt dar: § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, § 103 SGG (Untersuchungsgrundsatz) und § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung als Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne subjektive Beweisführungslast) regeln im Zusammenspiel, dass der Erfolg eines Eilantrags voraussetzt, dass der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (sogenannter Anordnungsanspruch), und dass dem Antragsteller im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, also ein wesentlicher Nachteil, droht (sogenannter Anordnungsgrund; vgl. zum Ganzen Krodel in Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2017, Rn. 356 - 358, 347, 337 f., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dieser einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab ist für den Richter grundsätzlich bindend (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG). Liegen mithin Anordnungsanspruch und -grund im oben genannten Sinne vor, hat der Eilantrag. Für eine Güter- und Folgenabwägung ist dann kein Raum. Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung jedoch fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind (vgl. etwa BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06 Orientierungssatz 2 - Verhinderung von schweren und unzumutbaren Nachteilen, speziell für den Leistungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung; vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 juris Rn. 10: Folgenabwägung möglich, wenn eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist), ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 86b Abs. 2 SGG geboten. Die Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall ist dann durch offene (Güter- und Folgen-)Abwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade zu gewährleisten.
Auch im Falle der Güter- und Folgenabwägung sind im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen unter Beachtung der Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG) die Regelungen des § 86b SGG zur Anwendung zu bringen. Ob der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hat, ist daher nach Feststellung (zumindest) der Möglichkeit eines prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen (als aus § 86b Abs. 2 SGG abgeleitete und daher wegen der Gesetzesbindung zwingend zu beachtende Abwägungselemente) nach offener Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles, insbesondere der bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags jeweils drohenden Folgen, zu entscheiden. Von der in Vornahmesachen als objektives Beweismaß gesetzlich vorgegebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im oben dargestellten Sinn) darf in diesen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zur Vermeidung einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu Gunsten des Antragstellers abgewichen werden. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Beeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs werden vom Gericht ohne Bindung an das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in Relation gesetzt zur Schwere der drohenden Beeinträchtigung. Auf diese Weise kann eine über den einfachgesetzlich geforderten wesentlichen Nachteil hinaus drohende Beeinträchtigung im konkreten Fall in angemessener Weise Berücksichtigung finden. Zusammenfassend bedeutet dies für den Fall, dass eine Güter- und Folgenabwägung durchzuführen ist, dass die in die Eilentscheidung einzubeziehenden Abwägungselemente des (jedenfalls möglichen) prospektiven Hauptsacheerfolgs und der (jedenfalls möglicherweise) ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen nach Beeinträchtigungs- und Wahrscheinlichkeitsgraden im Rahmen einer offenen Abwägung vom Richter zu gewichten sind (vgl. dazu BVerfG vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96: eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage bei entsprechendem Anlass; BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02, juris LS 4 und Rn. 9: besonders intensive und nicht nur summarische Prüfung bei mittelbarer Lebensgefahr; BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25: abschließende Prüfung bei möglicher Verletzung der Menschenwürde; BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 u. vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12, juris Rn. 10: Pflicht, "desto intensiver (zu) prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist"). Um dem Eilantrag stattzugeben, kann so bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs ausreichen. Um den Eilantrag unter Orientierung an der Hauptsache abzulehnen, ist bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz möglichen Beeinträchtigung gegebenenfalls schon im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25; vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13, juris Rn. 20). Der Richter hat mithin zunächst zu prüfen, ob Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im oben dargestellten Sinn vorliegen. Ist dies der Fall, hat der Eilantrag dem Grunde nach Erfolg. Ist dies nicht der Fall - und nur dann - ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, wenn ein Hauptsacheerfolg und der Eintritt einer schweren Beeinträchtigung im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zumindest möglich sind; dabei sind die (hypothetischen) Folgen bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags, insbesondere die Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der ohne Eilrechtsschutz für den Antragsteller drohenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Vorliegend kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob den Ast bei Nichtbewilligung der beantragten Leistungen schwere Beeinträchtigungen im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entstehen könnten, so dass es zugunsten der Ast einer Modifizierung des Beweismaßes bedürfte. Denn hinsichtlich der beantragten Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehen bereits nach dem einfachgesetzlichen Prüfungsmaßstab Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
a. Den Ast steht ein Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu, so dass ein Anordnungsanspruch gegeben ist. Der Antragsgegner hat den Ast mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 20.07.2018 ab 01.07.2018 laufende monatliche Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 3655,74 EUR bewilligt. Hieraus ergibt sich ein entsprechender Zahlungsanspruch der Ast.
b. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob allein die Bewilligung geringerer Leistungen nach dem AsylbLG allgemein die Annahme eines Anordnungsgrundes rechtfertigt. Jedenfalls im vorliegenden Fall erscheint die Kürzung bereits bewilligter existenzsichernder Sozialleistungen nach dem AsylbLG (siehe dazu u.a. BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris) um knapp 20 % ausreichend, um einen wesentlichen Nachteil im dargelegten Sinne anzunehmen.
Nach alledem war der Beschluss des SG vom 02.01.2019 dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der Klage der Ast im Verfahren S 5 AY 1/19 beim SG gegen den Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 festgestellt und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, den Ast für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 Leistungen entsprechend dem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Ast mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im vollen Umfang erfolgreich waren.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Der Antragsgegner hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller (Ast) begehren im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für den Zeitraum ab 06.12.2018.
Die Ast, ein Ehepaar (Ast zu 1. und 2.) mit sechs minderjährigen Kindern (Ast. zu 3. bis 8.), sind irakische Staatsangehörige kurdischer Volkszugehörigkeit. Der Asylantrag des Ast zu 1. wurde mit Bescheid der Ausländerbehörden vom 13.09.2016 abgelehnt. Die Klage gegen diese Ablehnung wurde abgewiesen. Das Asylverfahren ist seit dem 29.05.2017 rechtskräftig abgeschlossen. Die Abschiebungsandrohung ist seit dem 29.06.2017 vollziehbar.
Mit Bescheid vom 03.07.2018 bewilligte der Antragsgegner den Ast ab Juli 2018 monatliche Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 3549,50 EUR. Gemäß dem beigefügten Berechnungsbogen entfielen auf die Ast anteilig folgende Leistungen: Ast zu 1.: 500,69 EUR, Ast zu 2.: 500,69 EUR, Ast zu 3. 430,31 EUR, Ast zu 4.: 430,31 EUR, Ast zu 5.: 430,31 EUR, Ast zu 6.: 430,31 EUR, Ast zu 7.: 369,19 EUR, Ast zu 8.: 457,69 EUR. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half der Antragsgegner mit Bescheid vom 25.07.2018 dahingehend ab, dass zusätzlich auch monatliche Leistungen für Möblierung und Geräte in Höhe von insgesamt 106,24 EUR gewährt werden. Die Bescheide wurden bestandskräftig.
Bereits mit Schreiben vom 13.06.2018 und zusätzlich mit Schreiben vom 25.09.2018 hörte der Antragsgegner die Ast zu einer beabsichtigten Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG an. Die Ast seien vollziehbar ausreisepflichtig. Eine Rückführung in ihr Heimatland wäre bei Vorlage der erforderlichen Identitätspapiere jederzeit möglich. Die Ast seien durch die Ausländerbehörden aufgefordert worden, bei der Botschaft des Irak einen Heimreiseschein (Laissez Passer) zu beantragen. Dieser Aufforderung kämen die Ast nicht nach.
Am 30.10.2018 erließ der Antragsgegner einen Bescheid, mit dem er den Ast zu 1. und zu 2. für die Zeit ab 01.11.2018 bis 30.04.2019 Leistungen nach § 1a AsylbLG gewährte und den Ast zu 3. bis zu 8. Leistungen nach § 3 AsylbLG, insgesamt Leistungen in Höhe von monatlich 2970 EUR. Gemäß dem beigefügten Berechnungsbogen entfielen auf die Ast anteilig folgende Leistungen: Ast zu 1.: 336 EUR, Ast zu 2.: 336 EUR, Ast zu 3. 382 EUR, Ast zu 4.: 382 EUR, Ast zu 5.: 382 EUR, Ast zu 6.: 382 EUR, Ast zu 7.: 354 EUR, Ast zu 8.: 416 EUR. Den Bescheid begründete der Antragsgegner damit, dass bei den Ast zu 1. und zu 2. die Voraussetzungen des § 1a AsylbLG vorlägen. Sie kämen ihren Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung nicht nach und hätten daher das Ausreisehindernis ausschließlich selbst zu vertreten. Hiergegen legten die Ast am 31.10.2018 Widerspruch ein, den die Regierung von Oberfranken mit Widerspruchsbescheid vom 12.12.2018 zurückwies. Dagegen haben die Ast Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) unter dem Aktenzeichen S 5 AY 1/19 erhoben.
Bereits am 06.12.2018 haben die Ast beim SG Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, hilfsweise auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gestellt.
Mit Beschluss vom 02.01.2019 hat das SG den Antragsgegner verpflichtet, den Ast zu 1. und zu 2. ab 06.12.2018 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens, längstens allerdings bis 30.04.2019, vorläufig Grundleistungen nach § 3 AsylbLG in gesetzlicher Höhe unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen nach § 1a AsylbLG zu zahlen. Sollte rechtskräftig bzw. bestandskräftig entschieden werden, dass den Ast zu 1. und zu 2. weder Leistungen nach § 3 AsylbLG noch nach § 2 AsylbLG zustehen, seien die mit diesem Beschluss vorläufig zugestandenen Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, welche über den Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 hinausgehen, von den Ast zu 1. und zu 2. an den Antragsgegner zurückzuerstatten. Im Übrigen werde der Antrag der Ast zu 1. und zu 2. abgewiesen, ebenso der Antrag der Ast zu 3. bis 8.
Gegen den Beschluss des SG haben die Ast Beschwerde eingelegt. Diese begründen sie überwiegend damit, dass die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG bei den Ast nicht vorlägen. Unabhängig davon sei die Gewährung von Grundleistungen nach § 3 AsylbLG anstelle von sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG an die Ast zu 3. bis 8. rechtswidrig, da diese keine anspruchseinschränkenden Tatbestandsmerkmale verwirklicht und auch nicht selbst rechtsmissbräuchlich gehandelt hätten. Eine Zurechnung eines etwaigen Fehlverhaltens der Eltern auf die minderjährigen Kinder dürfe nicht erfolgen.
Die Ast beantragen,
ihnen unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Bayreuth vom 02.01.2019 ab 06.12.2018 vorläufig Leistungen gemäß § 2 AsylbLG zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zu verwerfen.
Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Leistungsakte des Antragsgegners, die beigezogenen Ausländerakten der Ast sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG dem Antrag der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im vollen Umfang für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 stattgegeben. Der von der Ast im Wege der Regelungsanordnung geltend gemachte Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ist gegeben. Auch liegt insoweit ein Anordnungsgrund vor.
Der Antrag der Ast war entsprechend ihrem Rechtsschutzbegehren auszulegen, § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Antrag der Ast auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (s. dazu im Folgenden unter 2.) umfasst auch einen Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage (s. dazu im Folgenden unter 1.) Denn dem geltend gemachten Anspruch der Ast auf Leistungen nach § 2 AsylbLG für den Zeitraum ab 06.12.2018 steht der Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 (faktisch) entgegen, da er für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 gegenüber dem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 die Bewilligung geringerer Leistungen nach dem AsylbG vorsieht.
Streitgegenstand ist im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur die Leistungsbewilligung für den Zeitraum 06.12.2018 (gemäß Antragstellung) bis 30.04.2019, da der im Streit stehende Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 nur den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 betrifft.
1. Der Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung der von den Ast unter dem Az. S 5 AY 1/19 beim SG erhobenen Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 ist in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG statthaft und begründet. Deshalb stellt das Gericht - bei vorhandenem Rechtsschutzinteresse der Ast - die von Gesetzes wegen eingetretene aufschiebende Wirkung der Klage (klarstellend) fest.
a. Der Antragsgegner hat den Ast mit Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 gegenüber der vorangegangenen Bewilligung vom 03.07.2018 niedrigere Leistungen nach dem AsylbLG für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 bewilligt. Mit dem Bewilligungsbescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 20.07.2018 hatte der Antragsgegner den Ast ab Juli 2018 auf Dauer Leistungen nach § 2 AsylbLG i.H.v. monatlich insgesamt 3655,74 EUR bewilligt. Der Antragsgegner hat die erneute Bewilligung vom 30.10.2018 vorgenommen, ohne diese bestandskräftige Bewilligung vom 03.07.2018 nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. den §§ 44 ff Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) aufzuheben oder zurückzunehmen. Eine entsprechende Aufhebungsregelung findet sich weder im Tenor des Bescheids vom 30.10.2018 noch in den Gründen. Allein darin, dass die angefochtene Entscheidung des Antragsgegners vom 30.10.2018 im Widerspruch zu der vorangegangenen bestandskräftigen Bewilligung steht, kann auch keine konkludente Aufhebung der vorangegangenen Bewilligung gesehen werden (s. hierzu u.a. auch Pattar in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 33 SGB X Rn. 21 m.w.N.; VG Potsdam v. 09.07.2018 - 7 K 2032/16, juris Rn 19; BSG v. 16.01.1991 - 6 Rka 25/89, juris Rn 13). Denn in den Gründen des Bescheids vom 30.10.2018 wird die vorangegangene Bewilligungsentscheidung noch nicht einmal erwähnt. Vielmehr geht aus dem Gesamtzusammenhang und dem Inhalt der übersandten Verwaltungsakte hervor, dass der Antragsgegner beim Erlass des Bescheides vom 30.10.2018 den vorangegangenen Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 nicht im Blick hatte.
Indem der Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2018 aber eine zum vorausgegangen Bewilligungsbescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 widersprüchliche Regelung enthält, verstößt er gegen das Bestimmtheitsgebot nach Art. 37 Abs. 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) und ist damit rechtswidrig (zur Unbestimmtheit von Verwaltungsakten, deren Regelung im Widerspruch zu vorangegangenen Verwaltungsakten steht, s. Pattar a.a.O. m.w.N.; VG Potsdam a.a.O.).
b. Der von den Ast zunächst erhobene Widerspruch wie auch die später zum SG erhobene Klage gegen den Bescheid vom 30.10.2018 (in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.12.2018) entfalten gem. § 86a Abs. 1 S. 1 SGG aufschiebende Wirkung; ein Fall des § 86a Abs. 2 SGG liegt nicht vor. Insbesondere ist im vorliegenden Fall § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG nicht einschlägig. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, mit dem eine Leistung nach diesem Gesetz ganz oder teilweise entzogen oder die Leistungsbewilligung aufgehoben wird, keine aufschiebende Wirkung. Die angefochtenen Bescheide enthalten, wie ausgeführt, keine Regelung zur Aufhebung einer vorangegangenen Leistungsbewilligung. Auch der Fall einer Entziehung von Leistungen ist nicht gegeben. Da der Antragsgegner die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs im Verwaltungsverfahren nicht beachtet hat, war in entsprechender Anwendung des § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG die aufschiebende Wirkung der von den Ast nunmehr erhobenen Klage zum SG festzustellen (s. zur Möglichkeit eines solchen deklaratorischen Beschlusses u.a. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 86b Rn. 15).
c. Ob der angefochtene Bescheid des Antragsgegners zugleich die (rechtmäßige) Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG beinhaltet (zu dieser Voraussetzung s. u.a. Bayerisches Landessozialgericht v. 01.03.2018 - L 18 AY 2/18 B ER, juris Rn. 30) und ob die Klage der Ast insoweit (voraussichtlich) begründet ist, kann der Senat nach alledem dahingestellt sein lassen. Denn allein die Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG ersetzt nicht die nach § 9 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. den §§ 44 ff SGB X erforderliche Aufhebung einer für den gleichen Zeitraum ergangenen Leistungsbewilligung (so auch Groth in jurisPK-SGB XII AsylbLG § 11 Rn. 41.3; s. dazu auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern v. 21.06.2018 - L 9 AY 1/18 B ER, juris Rn. 44 f; s. dazu auch BSG v. 29.4.2015 - B 14 AS 19/14 R, BSGE 119, 17, zur Minderung des Arbeitslosengelds II nach § 31b Abs. 1 S. 1 SGB II). Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Feststellung einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG denknotwendigerweise nur ein feststellender Regelungsgehalt zukommen kann und der Gesetzgeber in § 11 Abs. 4 AsylbLG zwischen der Aufhebung einer Leistungsbewilligung (Nr. 1) und der Feststellung einer Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG (Nr. 2) unterscheidet. Insofern stünde allein eine durch die angefochtenen Bescheide rechtmäßig vorgenommene Feststellung einer Anspruchseinschränkung für den Zeitraum 01.11.2018 bis 30.04.2019 nicht dem Leistungsanspruch der Ast aus der Bewilligung vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 entgegen.
Allerdings weist der Senat darauf hin, dass es nach summarischer Prüfung fraglich erscheint, ob die knappe Begründung im Bescheid vom 30.10.2018 ausreichend ist, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 3 AsylbLG zu belegen. Soweit der Antragsgegner - und ihm folgend das SG - die Auffassung vertritt, dass den Ast. zu 3. bis 8. nur dann ein Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zustehen könnte, wenn ein solcher Anspruch auch ihren Eltern zustünde, beruht dies auf einem fehlerhaften Verständnis des § 2 Abs. 3 AsylbLG. Denn wie sich bereits unmittelbar aus der Tatbestandsformulierung des § 2 Abs. 3 AsylbLG ("auch dann") - und gerade auch im Vergleich mit der bis zum 28.02.2015 gültigen Normfassung ("nur") - ergibt, tritt die Möglichkeit eines Anspruches auf Analogleistungen nach dieser Vorschrift zur Möglichkeit eines Anspruches nach § 2 Abs. 1 AsylbLG ergänzend hinzu (vgl. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 18/2592, S. 20). D.h. minderjährigen leistungsberechtigten Kindern sind Analogleistungen bereits dann zu gewähren, wenn sie selbst die Voraussetzungen § 2 Abs. 1 AsylbLG erfüllen. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob sie mit mindestens einem Elternteil in Haushaltsgemeinschaft leben, das ebenfalls Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG erhält.
2. Hinsichtlich des Antrags auf Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG ab dem 06.12.2018 im Wege der einstweiligen Anordnung stellt sich der zutreffende Prüfungsmaßstab für die gerichtliche Eilentscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wie folgt dar: Gemäß dem hier grundsätzlich einschlägigen § 86b Abs. 2 S. 2 SGG sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Hauptsacheerfolgs) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Eilbedürftigkeit). Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad verweist § 86b Abs. 2 S. 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach (Hauptsache-)Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen sind. Allerdings gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Aus den genannten Vorschriften stellt sich die in § 920 Abs. 2 ZPO genannte Glaubhaftmachung als Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne eines objektiven Beweismaßes (ohne subjektive Beweisführungslast) dar. Der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet (BSG, Urteile vom 08.08.2001 - B 9 U 23/01 B, juris Rn. 4 f. und vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R, juris Rn. 116). Anders als bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, bei der absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache, etwa in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang, sprechen muss (vgl. dazu BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), reicht bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer guten Möglichkeit aus, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (allgemeine Auffassung; vgl. z.B. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 41, 16b, § 128 Rn. 3d). Die Glaubhaftmachung kennzeichnet dabei im Bereich der Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften - soweit ersichtlich unbestrittenerweise - keinen variablen, von Fall zu Fall neu festzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern eben die im vorgenannten Sinn überwiegende Wahrscheinlichkeit, also das Vorliegen der guten Möglichkeit (zur verfassungsrechtlichen Sicht sogleich unten). Zusammenfassend stellt sich der einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab wie folgt dar: § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, § 103 SGG (Untersuchungsgrundsatz) und § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung als Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne subjektive Beweisführungslast) regeln im Zusammenspiel, dass der Erfolg eines Eilantrags voraussetzt, dass der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (sogenannter Anordnungsanspruch), und dass dem Antragsteller im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, also ein wesentlicher Nachteil, droht (sogenannter Anordnungsgrund; vgl. zum Ganzen Krodel in Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2017, Rn. 356 - 358, 347, 337 f., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dieser einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab ist für den Richter grundsätzlich bindend (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG). Liegen mithin Anordnungsanspruch und -grund im oben genannten Sinne vor, hat der Eilantrag. Für eine Güter- und Folgenabwägung ist dann kein Raum. Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung jedoch fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind (vgl. etwa BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06 Orientierungssatz 2 - Verhinderung von schweren und unzumutbaren Nachteilen, speziell für den Leistungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung; vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 juris Rn. 10: Folgenabwägung möglich, wenn eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist), ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 86b Abs. 2 SGG geboten. Die Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall ist dann durch offene (Güter- und Folgen-)Abwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade zu gewährleisten.
Auch im Falle der Güter- und Folgenabwägung sind im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen unter Beachtung der Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG) die Regelungen des § 86b SGG zur Anwendung zu bringen. Ob der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hat, ist daher nach Feststellung (zumindest) der Möglichkeit eines prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen (als aus § 86b Abs. 2 SGG abgeleitete und daher wegen der Gesetzesbindung zwingend zu beachtende Abwägungselemente) nach offener Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles, insbesondere der bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags jeweils drohenden Folgen, zu entscheiden. Von der in Vornahmesachen als objektives Beweismaß gesetzlich vorgegebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im oben dargestellten Sinn) darf in diesen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zur Vermeidung einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu Gunsten des Antragstellers abgewichen werden. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Beeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs werden vom Gericht ohne Bindung an das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in Relation gesetzt zur Schwere der drohenden Beeinträchtigung. Auf diese Weise kann eine über den einfachgesetzlich geforderten wesentlichen Nachteil hinaus drohende Beeinträchtigung im konkreten Fall in angemessener Weise Berücksichtigung finden. Zusammenfassend bedeutet dies für den Fall, dass eine Güter- und Folgenabwägung durchzuführen ist, dass die in die Eilentscheidung einzubeziehenden Abwägungselemente des (jedenfalls möglichen) prospektiven Hauptsacheerfolgs und der (jedenfalls möglicherweise) ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen nach Beeinträchtigungs- und Wahrscheinlichkeitsgraden im Rahmen einer offenen Abwägung vom Richter zu gewichten sind (vgl. dazu BVerfG vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96: eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage bei entsprechendem Anlass; BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02, juris LS 4 und Rn. 9: besonders intensive und nicht nur summarische Prüfung bei mittelbarer Lebensgefahr; BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25: abschließende Prüfung bei möglicher Verletzung der Menschenwürde; BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 u. vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12, juris Rn. 10: Pflicht, "desto intensiver (zu) prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist"). Um dem Eilantrag stattzugeben, kann so bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs ausreichen. Um den Eilantrag unter Orientierung an der Hauptsache abzulehnen, ist bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz möglichen Beeinträchtigung gegebenenfalls schon im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25; vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13, juris Rn. 20). Der Richter hat mithin zunächst zu prüfen, ob Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im oben dargestellten Sinn vorliegen. Ist dies der Fall, hat der Eilantrag dem Grunde nach Erfolg. Ist dies nicht der Fall - und nur dann - ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, wenn ein Hauptsacheerfolg und der Eintritt einer schweren Beeinträchtigung im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zumindest möglich sind; dabei sind die (hypothetischen) Folgen bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags, insbesondere die Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der ohne Eilrechtsschutz für den Antragsteller drohenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Vorliegend kann es der Senat dahingestellt sein lassen, ob den Ast bei Nichtbewilligung der beantragten Leistungen schwere Beeinträchtigungen im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung entstehen könnten, so dass es zugunsten der Ast einer Modifizierung des Beweismaßes bedürfte. Denn hinsichtlich der beantragten Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehen bereits nach dem einfachgesetzlichen Prüfungsmaßstab Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund.
a. Den Ast steht ein Anspruch auf sog. Analogleistungen nach § 2 AsylbLG zu, so dass ein Anordnungsanspruch gegeben ist. Der Antragsgegner hat den Ast mit bestandskräftigem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 20.07.2018 ab 01.07.2018 laufende monatliche Leistungen nach § 2 AsylbLG in Höhe von insgesamt 3655,74 EUR bewilligt. Hieraus ergibt sich ein entsprechender Zahlungsanspruch der Ast.
b. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob allein die Bewilligung geringerer Leistungen nach dem AsylbLG allgemein die Annahme eines Anordnungsgrundes rechtfertigt. Jedenfalls im vorliegenden Fall erscheint die Kürzung bereits bewilligter existenzsichernder Sozialleistungen nach dem AsylbLG (siehe dazu u.a. BVerfG vom 18.07.2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11, juris) um knapp 20 % ausreichend, um einen wesentlichen Nachteil im dargelegten Sinne anzunehmen.
Nach alledem war der Beschluss des SG vom 02.01.2019 dahingehend abzuändern, dass die aufschiebende Wirkung der Klage der Ast im Verfahren S 5 AY 1/19 beim SG gegen den Bescheid vom 30.10.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.12.2018 festgestellt und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, den Ast für den Zeitraum 06.12.2018 bis 30.04.2019 Leistungen entsprechend dem Bescheid vom 03.07.2018 in Fassung des Abhilfebescheids vom 25.07.2018 zu gewähren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Ast mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im vollen Umfang erfolgreich waren.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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