S 127 AS 16902/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
127
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 127 AS 16902/16
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das in den Gehaltsabrechnungen nach der Ein-Prozent-Methode für die
private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens nach § 8 Abs. 2 Satz 2
i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 EStG berücksichtigte Einkommen ist jedenfalls dann
als Einnahme in Geldeswert nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II zu
berücksichtigen, wenn der Arbeitnehmer die Wahl hat, ob er den Dienstwagen
auch privat nutzt.
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten steht noch die Berücksichtigung der privaten Nutzungsmöglichkeit eines Dienst-Pkws als Einkommen im Zeitraum September 2016 bis Februar 2017 in Streit. Für die Monate März 2017 bis August 2017 hat sich das Klageverfahren erledigt.

Die im Jahr 1961 geborene Klägerin steht im ergänzenden Leistungsbezug nach dem SGB II. Sie ist bei der U.GmbH als Bürokraft und im Außendienst mit einem Arbeitsumfang von monatlich 30 Stunden angestellt. Seit Oktober 2014 hat die Klägerin einen Dienstwagen. Bevor die Klägerin den Dienstwagen zur Verfügung gestellt bekam, hat sie auch für ihre Arbeit, bei der sie zwingend auf einen Pkw angewiesen ist, ein PrAAivatfahrzeug genutzt, dass sie sich mit ihrer Tochter teilte. Nachdem die Tochter aus Berlin wegzog, den Pkw mitnahm und die Klägerin kein Auto mehr hatte, hat ihr Chef einen alten Familienwagen ausgemustert und ihn der Klägerin als Dienstwagen zur Verfügung gestellt. Die Firma trägt die laufenden Kosten für das Fahrzeug, zahlt also die Steuern, Versicherung, Wartung und Reparatur und den Kraftstoff. Die anderen Kollegen nutzen ihren privaten Wagen und bekommen dafür Kilometergeld. Die Klägerin räumt ein, dass sie auf die private Nutzungsmöglichkeit des Pkws sicherlich hätte verzichten können. Dann wäre aber alles sehr schwierig gewesen. Aufgrund ihrer angeschlagenen Gesundheit müsse sie Arzttermine und Arbeitszeit in Einklang bringen und es sei sehr kompliziert die 5 km ohne Auto zur Arbeit zu kommen.

Das Gehalt der Klägerin lag im noch streitgegenständlichen Zeitraum bei monatlich brutto 1.200 EUR. Hinzu kam der Arbeitgeberanteil für vermögenswirksame Leistungen in Höhe von monatlich 20 EUR. Für Privatfahrten betrug ihr weiteres monatliches Bruttoeinkommen 125 EUR und für die Fahrten Wohnung/Arbeit 18,75 EUR. Das Gesamtbruttoeinkommen lag damit bei 1.363,75 EUR und das Gesamtnettoeinkommen bei monatlich 1.027,41 EUR, bzw. 1.029,75 EUR im Januar 2017. Die Auszahlung des Lohnes erfolgte jeweils im Folgemonat. Von September 2016 bis Januar 2017 wurden dem Konto der Klägerin ein Gehalt in Höhe von monatlich 843,66 EUR und im Februar 2017 in Höhe von 842,59 EUR gutgeschrieben. Seit dem 9. Januar 2017 ist die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Ab dem 20. Februar 2017 bezog sie Krankengeld in Höhe von 27,18 EUR kalendertäglich. Ausgezahlt wurde das Krankengeld erstmals im März 2017.

Die Gesamtaufwendungen für die Unterkunft und Heizung der Klägerin belaufen sich seit April 2014 auf monatlich 420 EUR. Die Wohnung wird mit Heizöl beheizt. Die Warmwasserversorgung erfolgt dezentral über einen Durchlauferhitzer.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 31. August 2016 bewilligte der Beklagte für den Zeitraum September 2016 bis August 2017 Leistungen in Höhe von monatlich 125,88 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 wurden die Leistungen ab Januar 2017 auf 131 EUR angehoben. Als Bruttoeinkommen berücksichtigte der Beklagte 1.220 EUR und als Nettoeinkommen 1.007,41 EUR, bereinigt 707,41 EUR.

Am 16. September 2016 legte die Klägerin mit der Begründung Widerspruch ein, dass ihr tatsächliches Nettoeinkommen nur 843,66 EUR betrage.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. November 2016 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Er ging davon aus, dass der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistungen i. H. v. 20 EUR anrechnungsfrei bleibe, weil er nicht als bereites Mittel zur Verfügung stehe. Die Beträge für die private Dienstwagennutzung in Höhe von monatlich 143,75 EUR seien aber zusätzlich zu berücksichtigen, auch wenn nur 843,66 EUR ausgezahlt würden.

Am 1. Dezember 2016 hat die Klägerin beim erkennenden Gericht Klage erhoben. Der von dem Beklagten gewährte Bedarf reiche nicht aus, um den bestehenden Hilfebedarf vollständig zu decken. Im davor liegenden Zeitraum seien ihr noch 258,29 EUR gewährt worden, obwohl sich der Bedarf nicht geändert habe.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2017 hat der Beklagte die Leistungen für die Monate Februar und März 2017 teilweise aufgehoben, für den Monat Februar 2017 i. H. v. 2,34 EUR und für den Monat März 2017 i. H. v. 131 EUR. Den am 23. Juni 2017 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen am 25. September 2017 unter dem Aktenzeichen S 167 AS 12287/17 eingelegte Klage wurde mit Beschluss der erkennenden Kammer vom 12. März 2018 zum Verfahren der 127. Kammer hinzu verbunden.

Mit weiterem Bescheid vom 13. Juni 2017 hat der Beklagte den Bescheid vom 31. August 2016 ab 1. Juli 2017 wegen Krankengeldbezugs ganz aufgehoben. Gleichzeitig bewilligte er für Juli 2017 vorläufig Leistungen i. H. v. 53,01 EUR und für August 2017 i. H. v. 131 EUR. Den am 16. Juni 2017 eingelegten Widerspruch (registriert unter W 5450/17) hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. September 2017 als unbegründet zurückgewiesen. Die dagegen zum Aktenzeichen S 157 AS 12286/17 erhobene Klage wurde in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2018 zurückgenommen.

Mit Bescheiden vom 10. November 2017 hat der Beklagte für Juli 2017 Leistungen i. H. v. 759,69 EUR (unter Berücksichtigung eines Krankengeldes i. H. v. 108,72 EUR) bewilligt und hat Leistungen für die Monate August 2017 (unter Berücksichtigung eines bereinigten Erwerbseinkommens von 707,41 EUR sowie Krankengeldes i. H. v. 1.494,90 EUR) ganz abgelehnt. Der dagegen erneut eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2018 als unbegründet zurückgewiesen und die Klage bei der 127. Kammer am 28. Februar 2018 bezüglich dieser Bescheide für den Monat August 2017 erweitert.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 10. November 2017 hat der Beklagte für den Monat Mai 2017 Leistungen i. H. v. 838,41 EUR ohne Berücksichtigung von Einkommen bewilligt.

Mit Bescheid vom 22. November 2017 hat der Beklagte die Leistungen für die Monate April und Juni 2017 in Höhe von jeweils 131 EUR aufgehoben. Die Klägerin hat erneut Widerspruch eingelegt. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2018 wurde am 28. Februar 2018 unter dem Aktenzeichen S 65 AS 2508/18 Klage erhoben, die mit weiterem Beschluss der erkennenden Kammer vom 18. Juli 2018 zum Verfahren der 127. Kammer hinzuverbunden worden ist.

Im Erörterungstermin am 27. November 2018 hat die Klägerin das Verfahren für die Monate März 2017 bis einschließlich August 2017 für erledigt erklärt.

Der Beklagte hat den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 9. Juni 2017 für den Monat Februar 2017 aufgehoben und mit Schreiben vom 21. Januar 2019 für den Monat Februar 2017 einen weiteren Anspruch in Höhe von 1,07 EUR anerkannt. Die Klägerin hat diese Teilanerkenntnisse angenommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 31. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2016, zuletzt geändert durch Teilanerkenntnis vom 21. Januar 2019, abzuändern und ihr im Zeitraum September 2016 bis Februar 2017 weitere Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 143,75 EUR zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er wiederholt seine Begründung aus dem Widerspruchsverfahren. Der Vorteil für die Klägerin ergäbe sich aus der privaten Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs. Wolle die Klägerin das Fahrzeug nicht privat nutzen, sei es ihr zumutbar, dass Angebot auszuschlagen und eine rein dienstliche Nutzung zu vereinbaren.

Wegen der weiteren Einzelheiten und des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsakte (Band III bis Band V) verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidung der Kammer.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren im Erörterungstermin am 27. November 2018 erteilt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, 4 SGG ist zulässig aber unbegründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 31. August 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. November 2016 ist nach Abgabe des Teilanerkenntnisses im Erörterungstermin und mit Schreiben vom 21. Januar 2019 auch für den Monat Februar 2017 insgesamt rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes ohne Anrechnung des in den Lohnbescheinigungen aufgeführten Betrages "Privatfahrten" und "Fahrten Wohnung /Arbeit".

Der mit der privaten Nutzbarkeit des Dienstwagens verbundene wirtschaftliche Vorteil ist als sonstige Einnahme in Geldeswert zu berücksichtigen.

Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch als erwerbsfähige Leistungsberechtigte nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitssuchende – in der durch das 9. SGB II-ÄndG ab dem 1. August 2016 geltenden Fassung (SGB II). Sie ist im Jahr 1961 geboren und gehört daher zum Kreis der Berechtigten im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II. Sie war im betreffenden Zeitraum erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II in Verbindung mit § 8 SGB II und hatte gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Die Klägerin war zudem hilfebedürftig im Sinne von § 9 Abs. 1 SGB II, weil sie nicht in der Lage war, ihren Lebensunterhalt mit zu berücksichtigendem Einkommen oder Vermögen zu sichern.

Der maßgebliche Bedarf bestimmt sich nach §§ 19 ff. SGB II und umfasst die Regelleistung, einschließlich Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung.

Der Beklagte hat den Bedarf für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 mit 833,29 EUR (404,00 EUR Regelbedarf, 9,29 EUR Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung sowie 420 EUR Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizung) und für Januar und Februar 2017 mit 838,41 EUR (409,00 EUR Regelbedarf, 9,41 EUR Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung sowie 420 EUR Gesamtaufwendungen für Unterkunft und Heizung) zutreffend bestimmt.

Von dem Bedarf ist das zu berücksichtigende Einkommen in Abzug zu bringen. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen, Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11 b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11 a genannten Einnahmen und gilt dies nach Abs. 1 Satz 2 der Vorschrift auch für Einnahmen in Geldeswert, die u. a. im Rahmen einer Erwerbstätigkeit zufließen.

Die Klägerin erzielte lt. Einkommensnachweise für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 von ihrem Arbeitgeber ein gleichbleibendes Gehalt in Höhe von monatlich1.363,75 EUR brutto und 1.027,41 EUR netto, von dem der Beklagte nach Abzug des Arbeitgeberanteils der vermögenswirksamen Leistung ein Nettogehalt von 1.007,41 EUR berücksichtigte. Im Januar 2017 erzielte die Klägerin ein Gehalt in Höhe von weiterhin 1.363,75 EUR brutto und 1.029,75 EUR netto, von denen aber nur 842,59 EUR (noch auf der Grundlage eines vorläufig ermittelten Nettogehaltes in Höhe von 1.026,34 EUR) und nicht 846,00 EUR ausgezahlt worden sind. Der Beklagte berücksichtigte im Februar 2017 nach Abgabe des weiteren Teilanerkenntnisses mit Schreiben vom 21. Januar 2019 ein Nettoeinkommen in Höhe von 1.006,34 EUR (842,59 EUR + 20 EUR Eigenanteil vermögenswirksame Leistung + 143,75 EUR Dienstwagen). Das Nettoeinkommen wurde auf der Basis eines Bruttoeinkommens von über 1.200 EUR mit jeweils 300 EUR (§ 11 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 SGB II) zutreffend bereinigt.

Es kann dahinstehen, ob der Arbeitgeberanteil der vermögenswirksamen Leistung i. H. v. 20 EUR zu Recht keine Berücksichtigung gefunden hat, weil er der Klägerin nicht als bereites Mittel zur Verfügung gestanden hat, weil der Beklagte dies zu Gunsten der Klägerin bereits so anerkannt hat. Jedenfalls wurden die Eigenleistungen der Klägerin in Höhe von monatlich weiteren 20,00 EUR, obwohl diese nicht ausgezahlt worden sind, zu Recht als Einkommen berücksichtigt, weil diese nicht gemäß § 11 b Abs. 1 Satz 1 SGB II vom Einkommen abgesetzt werden können. Die Eigenleistungen zu vermögenswirksamen Leistungen sind in den in dieser Vorschrift aufgezählten Privilegierungstatbeständen nicht genannt. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch konsequent, weil es grundsätzlich nicht Sinn und Zweck des SGB II ist, zum Vermögensaufbau beizutragen. Ein solcher Aufbau von Geldvermögen werde nur dann privilegiert, wenn das Vermögen ausdrücklich der Altersvorsorge diene (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts vom 27. Februar 2008 – B 14/7b AS 32/06 R – Rn. 50, recherchiert unter juris, zur gleichlautenden Vorgängervorschrift in § 11 Abs. 2 SGB II).

Zur Überzeugung der Kammer hat der Beklagte zu Recht neben dem jeweils auf das Konto der Klägerin monatlich überwiesenen Geldbetrag und des Eigenanteils der vermögenswirksamen Leistung in Höhe von 20,00 EUR eine weitere Einnahme in Geldeswert in Höhe von monatlich 143,75 EUR für die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienst-Pkws berücksichtigt (im Ergebnis anders Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 26. Februar 2016 – L 4 AS 159/12 – recherchiert unter juris sowie Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg – L 9 AS 2108/13, recherchiert unter www.sozialgerichtsbarkeit.de, jeweils noch zur alten Rechtslage. In beiden Fällen habe nach den Feststellungen der Landessozialgerichte auch keine Wahlmöglichkeit im Hinblick auf die private Nutzungsmöglichkeit eines Dienstwagens bestanden.).

Der Gesetzgeber hat mit dem zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Änderungsgesetz des SGB II an der grundsätzlichen Berücksichtigungsfähigkeit von Einnahmen in Geldeswert nicht mehr festgehalten (§ 11 Abs. 1 S. 1 SGB II), sogleich aber ausdrücklich geregelt, dass solche u. a. in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit weiterhin anzurechnen sind (§ 11 Abs. 1 S. 2 SGB II). Diese Rückausnahme berücksichtige die Praxis, dass Arbeitsentgelte ganz oder teilweise durch Sachleistungen erbracht würden. Durch diese Regelung werde erreicht, dass die Berücksichtigung von Einnahmen nicht dadurch umgangen werde, dass Erwerbseinkommen in Form von Sachleistungen erbracht werde (vgl. BT-Drs 18/8041, S. 7, 32). Sogleich wurde § 2 Abs. 6 Satz 2 Alg II-V gestrichen, mit dem Satz 1 dahingehend modifiziert worden war, dass Einnahmen in Geldeswert die auch Teil des Regelbedarfs sind, höchstens mit dem Betrag anzusetzen waren, der in dem maßgeblichen Regelbedarf enthalten war.

Nach § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II i. V. m. § 2 Abs. 1 und 6 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung in der zum 1. August 2016 in Kraft getretenen Fassung (Alg II-V) ist also bei der Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Arbeit (§ 14 SGB IV) von den Bruttoeinnahmen auszugehen und sind sonstige Einnahmen in Geldeswert (in Abgrenzung zur bereitgestellten Verpflegung, § 2 Abs. 5 Alg II-V) mit ihrem Verkehrswert als Einkommen anzusetzen.

Das Bruttoeinkommen der Klägerin erhöht sich in den Lohnabrechnungen in Höhe von 18,75 EUR für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sowie in Höhe von 125 EUR für weitere private Fahrten mit dem Dienstfahrzeug. Bei dem Betrag von 18,75 EUR handelt es sich um Werbungskosten, die mit der Ausübung der Tätigkeit verbunden sind, die bereits im Grundfreibetrag bei der Bereinigung des Einkommens Berücksichtigung gefunden haben. Die Einnahme in Höhe von 125 EUR ist eine Gegenleistung für die geleistete Arbeit und daher materieller Bestandteil des Arbeitsentgelts nach § 14 Sozialgesetzbuch Viertes Buch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV). Die private Nutzungsmöglichkeit ist durch den Arbeitnehmer gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Einkommenssteuergesetz (EStG) als geldwerter Vorteil zu versteuern (alternativ könnte auch ein Einzelnachweis der Privatnutzung durch Fahrtenbuch oder eine rein dienstliche Nutzung erfolgen). Der Wert der Kfz-Nutzung spiegelt sich noch im Gesamtnettobetrag wieder, wird dann aber in gleicher Höhe vom ermittelten Nettobetrag abgezogen und gelangt daher nicht zur Auszahlung.

Im Hinblick auf die Fahrten zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte hat eine Berücksichtigung des um 18,75 EUR erhöhten Bruttoeinkommens schon deshalb zu erfolgen, weil dieser Betrag schon im Grundfreibetrag enthalten war und das Einkommen entsprechend bereinigt worden ist, und andernfalls diese Werbungskosten doppelt berücksichtigt würden. Die 18,75 EUR bilden den Wert der Fahrten für die 5 km vom Wohnort entfernte Arbeitsstätte realistisch ab (§ 3 Abs. 7 Alg II-V).

Auch bei den weiteren 125 EUR handelt es sich – trotz der nicht erfolgten Auszahlung – gleichwohl um eine Einnahme in Geldeswert, die auch für den Lebensunterhalt eingesetzt werden kann (an dieser Stelle anders Urteil des LSG Sachsen-Anhalt, Rn. 44 – 47, a. a. O. und auch LSG BWB, die von einer Einnahme in Geldeswert nur bei einem Marktwert und einer Tauschbarkeit in Geld ausgehen (Urteil des LSG BWB, a. a. O.) Denn das Fahrzeug kann – und wird es vorliegend auch – für die umfassende Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses eingesetzt werden. Der Klägerin steht ein Fahrzeug zur Verfügung, dass sie kostenfrei auch privat nutzen kann. Sie erspart dadurch eigene Aufwendungen für die Anschaffung und den Unterhalt eines Fahrzeuges bzw. auch für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Die Klägerin hat privat kein eigenes Fahrzeug und hätte nach ihren eigenen Angaben sicherlich auch auf die private Nutzungsmöglichkeit verzichten können.

Zwar kann der in den Lohnabrechnungen berücksichtigte Betrag, nachdem eine Entscheidung der Inanspruchnahme der privaten Nutzungsmöglichkeit des Dienstwagens getroffen worden ist, nicht mehr in Geld umgewandelt werden und zum Beispiel davon kein Essen gekauft werden. Der Regelbedarf deckt aber gerade auch Ausgaben für den Verkehr, für die die Klägerin im Vorfeld eine Entscheidung getroffen hat und nun keine weiteren Ausgaben aus ihrem Regelbedarf mehr tätigen muss.

Bedenken an der Berücksichtigung von weiteren 125 EUR (neben den 18,75 EUR, vgl. schon oben) als Einnahme in Geldeswert bestehen auch nicht deshalb, weil dieser Betrag den im Regelbedarf enthaltenen Betrag für Verkehr in Höhe von 25,44 EUR (Stand 1. Januar 2016) deutlich überschreitet. Denn es obliegt dem jeweiligen Leistungsempfänger den Regelbedarf nach seinen Bedürfnissen einzusetzen. Bei diesem Betrag handelt es sich um den der privaten Nutzung beigemessenen Verkehrswert aufgrund der Regelungen im Einkommenssteuergesetz im Sinne des § 2 Abs. 6 Satz 1 Alg II-V. Der Klägerin ist aufgrund ihrer ausgeübten Erwerbstätigkeit und ihrer gesundheitlichen Probleme ein Auto sehr wichtig. Die Anschaffung und Nutzung eines privaten Fahrzeuges dürfte auch kaum günstiger als zu den bei der Klägerin nun berücksichtigten Beträgen möglich sein (vgl. Beispiel Jahreskosten Pkw unter www.test.de/Carsharing-Teile-und-spare4330073-4330085/

Kreditraten (5.000 Euro Kauf¬preis): 1.428 Euro Sprit (bei 5.000 km/Jahr): + 480 Euro Wartung, Reparaturen usw.: + 500 Euro Versicherung: + 500 Euro Kfz-Steuer:+ 60 Euro Rest¬wert (2.000 Euro Verkaufs¬preis umge¬legt auf 4 Jahre): &8722; 500 Euro Gesamt¬kosten pro Jahr = 2 468 Euro Kosten pro Monat = 206 Euro Kosten pro Kilo¬meter = 49 Cent

Ein fünf Jahre alter Fiesta für 5.000 Euro kostet über Kredit finanziert monatlich 119 Euro (7 Prozent Zins, 4 Jahre Lauf¬zeit). Hinzu kommen für 5.000 Kilo¬meter im Jahr 480 Euro Benzin (6 Liter Durch¬schnitts¬verbrauch, 1,60 Euro pro Liter). Die Kfz-Steuer beträgt 60 Euro. Sehr unterschiedlich fällt der Aufwand für Wartung, Reparaturen, Gebühren (Tüv, ASU) aus, ebenso der Versicherungs¬beitrag. Veranschlagt man dafür jeweils rund 500 Euro jähr¬lich, kommen 49 Cent pro Kilo¬meter zusammen und 206 Euro pro Monat – einen Wieder¬verkaufs¬erlös von 2 000 Euro unterstellt.)

Eine Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern, die aufgrund einer selbständig getroffenen Entscheidung ein Dienstfahrzeug auch privat mit der Ein-Prozent-Methode nutzen zu Leistungsempfängern, die ein privates Fahrzeug aus ihrem Regelbedarf finanzieren, ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt. Eine Nichtberücksichtigung dieses geldwerten Vorteils in Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit würde zudem den Willen des Gesetz- und Verordnungsgebers unterlaufen.

Auf den Bedarf von 833,29 EUR ist für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 demnach ein bereinigtes Einkommen von 707,41 EUR anzurechnen, so dass sich für diese Monate der auch von dem Beklagten ermittelte ungedeckte Bedarf in Höhe von 125,88 EUR ergibt. Auf den Bedarf von 838,41 EUR ist im Januar 2017 ein Einkommen von 707,41 EUR und im Februar 2017 von 706,34 EUR anzurechnen, so dass der Anspruch bei 131 EUR im Januar und 132,07 EUR im Februar 2017 liegt. Diese Beträge wurden mit Änderungsbescheid vom 26. November 2016 bewilligt bzw. nach Aufhebung des Aufhebungs- und Erstattungsbescheides vom 9. Juni 2017 für den Monat Februar 2017 und des weiteren Teilanerkenntnisses vom 21. Januar 2019 über den Betrag von 1,07 EUR für Februar 2017 anerkannt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens. Auch im Hinblick auf die hinzuverbundenen Verfahren, die Klageerweiterung und das Widerspruchsverfahren zum Aktenzeichen W 5450/17 kommt eine Kostenerstattung nicht in Betracht, weil diese Verfahren materiell-rechtlich überwiegend keinen Erfolg hatten. Denn die geänderte Einkommensberücksichtigung während des Krankengeldbezugs begegnete – wie im Erörterungstermin im Einzelnen dargelegt – für den Zeitraum März bis August 2017 keinen durchgreifenden Bedenken. Darauf, dass die Rechtsbehelfsbelehrungen in den Änderungs- bzw. Aufhebungsbescheiden fehlerhaft waren, kam es für die Erfolgsaussichten bei Einlegung der Widersprüche und Klage damit nicht an. Der Teilerfolg für den Monat Februar 2017 in Höhe von insgesamt 3,41 EUR löst aufgrund seiner Geringfügigkeit im Vergleich zu den insgesamt geltend gemachten Leistungen keine für den Beklagten nachteilige Kostenfolge aus.
Rechtskraft
Aus
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