Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
142
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 142 AS 74/17
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein als Freistellungsanspruch entstandener Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X wandelt sich durch Abtretung an den Bevollmächtigten, der der Gläubiger der Verbindlichkeit war, auf die sich der Freistellungsanspruch richtete, war, in einen Zahlungsanspruch um (Anschluss an BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53).
Die für eine wirksame Aufrechnung erforderliche Gleichartigkeit der Forderungen muss zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen.
Nach Umwandlung eines Kostenerstattungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch aufgrund gewillkürten Forderungsübergangs besteht eine Aufrechnungslage mit gleichartigen Forderungen.
Den Ausschluss der Aufrechnung rechtfertigende Billigkeitsgründe bestehen bei einem gewillkürten Übergang des Kostenerstattungsanspruchs auf den Bevollmächtigten nicht.
Die für eine wirksame Aufrechnung erforderliche Gleichartigkeit der Forderungen muss zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegen.
Nach Umwandlung eines Kostenerstattungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch aufgrund gewillkürten Forderungsübergangs besteht eine Aufrechnungslage mit gleichartigen Forderungen.
Den Ausschluss der Aufrechnung rechtfertigende Billigkeitsgründe bestehen bei einem gewillkürten Übergang des Kostenerstattungsanspruchs auf den Bevollmächtigten nicht.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens. Die Berufung wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung der Kosten eines Vorverfahrens, die die Kläger als vormals Bevollmächtigte von Leistungsbezug beim Beklagten stehenden Empfängern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aus abgetretenen Recht geltend machen, wobei der Beklagte dagegen mit einem gegen einen der Leistungsempfänger gerichteten Erstattungsanspruch aufgerechnet hat.
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden am 23.11.2016 von ihren Mandanten, R. W. (im Folgenden "RW") und deren Söhnen D. und B. W. sowie dem 1995 geborenen K. W. (im Folgenden "KW"), die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom Beklagten bezogen (Leistungsempfänger; im Folgenden "L"), beauftragt, sie in einem Widerspruchsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 18.11.2016 zu vertreten; Beratungshilfe wurde insoweit nicht in Anspruch genommen. Der Beklagte hatte bereits am 1.10.2014 einen Erstattungsbescheid gegenüber dem KW erlassen, der bestandskräftig geworden und aus dem im Jahr 2016 zumindest noch eine Forderung in Höhe von 665,43 EUR zu zahlen war.
Am 24.11.2016 legten die Kläger als Bevollmächtigte der L daraufhin Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 18.11.2016 ein, der zur Widerspruchsnummer W 5148/16 registriert wurde.
Mit Bescheid vom 28.11.2016 bewilligte der Beklagte den L höhere Leistungen und mit formalen Abhilfebescheid vom 28.11.2016 entschied der Beklagte unter anderem, die Kosten der Widerspruchsführer im Widerspruchsverfahren W 5148/16 zu erstatten, und dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei.
Mit Schreiben vom 30.11.2016 beantragten die Kläger die Festsetzung ihrer Rechtsanwaltsgebühren für das Widerspruchsverfahren W 5148/16 in Höhe von 702,10 EUR (ausgehend von einer Geschäftsgebühr von 300,00 EUR und einer Erhöhungsgebühr bei drei weiteren Auftraggebern von 270,00 EUR); sie machten die Gebühren im eigenen Namen unter Hinweis des auf sie übergegangenen Kostenerstattungsanspruchs geltend.
Auf die Nachfrage des Beklagten vom 1.12.2016, ob sich die Kläger den Gebührenerstattungsanspruch hatten abtreten lassen oder ob im Rahmen der Bewilligung von Beratungshilfe ein gesetzlicher Forderungsübergang eingetreten sei, wurde von den Klägern nur mitgeteilt, dass der Kostenerstattungsanspruch auf sie übergegangen sei, weshalb er im eigenen Namen geltend gemacht werde.
Mit Bescheid vom 15.12.2016 setzte der Beklagte der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 5148/16 auf 595,00 EUR (ausgehend von einer Geschäftsgebühr von 300,00 EUR und einer Erhöhungsgebühr bei zwei weiteren Auftraggebern von 180,00 EUR) fest und erklärte mit weiteren Schreiben vom 15.12.2016 die Aufrechnung einer gegen den KW aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 1.10.2014 noch bestehenden Forderung von 665,43 EUR in Höhe von 148,75 EUR (1/4 von 595,00 EUR) gegen den Kostenerstattungsanspruch; der verbleibende Betrag von 446,25 EUR wurde zur Zahlung angewiesen.
Einem Widerspruch der Kläger gegen die Höhe der mit dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 15.12.2016 festgesetzten Kosten half der Beklagte mit Bescheid vom 10.1.2017 dahingehend ab, dass ein erstattungsfähiger Betrag für das Widerspruchsverfahren W 5148/16 in Höhe der beantragten 702,10 EUR festgesetzt wurde; unter Berücksichtigung des nach der erfolgten Aufrechnung bereits gezahlten Betrags von 446,25 EUR wurde ein weiterer Betrag von 107,10 EUR zur Auszahlung gebracht.
Mit der bereits zuvor am 3.1.2017 erhobenen Klage begehren die Kläger vom Beklagten die Zahlung weiterer 148,75 EUR für das Widerspruchsverfahren W 5148/16. Sie beziehen sich insbesondere auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16. Die Kläger haben darüber hinaus eine schriftliche Erklärung der RW eingereicht, in der diese angibt, nach Erlass des Abhilfebescheids vom 28.11.2016 auf Nachfrage der Kläger in ihrem und im Namen ihrer Söhne die Ansprüche auf Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren W 5148/16 an die Kläger abgetreten zu haben. Ferner haben die Kläger eine Erklärung des KW eingereicht, in der dieser angibt, dass er damit einverstanden gewesen sei, dass seine Mutter die Kläger beauftragt und die Kostenansprüche an diese abgetreten habe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, ihnen 148,75 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Gründe der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16 aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar seien. Im hiesigen Fall werde kein Freistellungsanspruch geltend gemacht, sondern ein auf die Kläger übergegangener Zahlungsanspruch. Im Übrigen sei die Regelung des § 257 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Sozialrecht nicht anwendbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn die Aufrechnungserklärung des Beklagten ist kein Verwaltungsakt, so dass kein Widerspruchsverfahren gegen diese durchzuführen war und die gleichzeitige Erhebung einer Anfechtungsklage nicht statthaft gewesen wäre (LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13, RdNr. 16; juris).
Die Klage ist unbegründet, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Auszahlung der weiteren 148,75 EUR, weil die geltend gemachte Kostenerstattung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren W 5148/16 in dieser Höhe durch Aufrechnung des Beklagten erloschen ist.
Die Kläger sind zwar im Hinblick auf die Geltendmachung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren W 5148/16 aktivlegitimert, weil sie Inhaber der Forderung gegenüber dem Beklagten sind. Grundsätzlich steht der Anspruch auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes nach § 63 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dem Widerspruchsführer selbst zu, so dass der Bevollmächtigte diesen nicht in eigenem Namen geltend machen kann (LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 18 mwN, Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 42). Die Forderung ist jedoch im vorliegenden Fall durch Abtretung nach § 398 BGB auf die Kläger übergegangen. In Anbetracht der von den Klägern eingereichten Erklärungen der RW und des KW hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass diese die Ansprüche der L auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren W 5148/16 an die Kläger abgetreten haben, bevor diese mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.4.2016 gegenüber dem Beklagten die Kosten im eigenen Namen geltend gemacht haben. Der Abtretung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren steht darüber hinaus weder § 399 BGB noch § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entgegen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen v. 31.5.2007 – L 16 KR 229/06, RdNr. 34; juris).
Der zunächst als Freistellungsanspruch entstandene Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X (vgl. BSG v. 2.12.2014 – B 14 AS 60/13 R, RdNr. 14; LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 25ff. mwN; für das Zivilrecht auch BGH v. 22.3.2011 – VI ZR 63/10, RdNr. 18; juris) hat sich durch die Abtretung an die Kläger, die die Gläubiger der Verbindlichkeit waren, auf die der Freistellungsanspruch gerichtet war, in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, LS und RdNr. 16 und 19 sowie BGH v. 20.3.1978 – II ZR 19/76, RdNr. 9; zuletzt etwa Brandenburgisches OLG v. 7.11.2007 – 3 U 49/06, 6.LS und RdNr. 77; Röver in beckOGK BGB, Stand 15.10.2018, § 257 RdNr. 35). Dies folgt schon allein aus der Tatsache, dass die Kläger als Inhaber des Anspruchs nicht von diesem gegenüber sich selbst freigestellt werden können, sondern eben nur die Zahlung an sich selbst zu verlangen berechtigt sind.
Ausgehend davon, dass die Kläger bereits mit dem Kostenfestsetzungsantrag folglich nur einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend machen konnten und im Übrigen auch geltend gemacht haben, ist die ursprüngliche Forderung in der Höhe der vom Beklagten erklärten Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Die entsprechende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387ff. BGB ist in der Rechtsprechung geklärt (so bereits BSG v. 12.11.1980 – 1 RA 105/79, RdNr. 46; s.a. BSG v. 24.7.2003 – B 4 RA 60/02 R, RdNr. 17; BSG v. 12.7.1990 – 4 RA 47/88, RdNr. 48; LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 21 mwN; zur Anwendbarkeit im öffentlichen Recht allgemein BVerwG v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, 2.LS und RdNr. 21).
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil nach § 387 BGB seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 S. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Aufrechnung bewirkt nach § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Der Schuldner kann gemäß § 406 BGB eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Diese Voraussetzungen lagen vor.
Der Beklagte hat gegenüber den Klägern mit Schreiben vom 15.12.2016 die Aufrechnung einer gegen den KW aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 1.10.2014 noch bestehenden Forderung von 665,43 EUR in Höhe von 148,75 EUR (1/4 von 595,00 EUR) gegen den Kostenerstattungsanspruch erklärt.
Der Aufrechnung stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Die Gleichartigkeit der Forderungen lag zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des Beklagten vor und eine einschränkende Anwendung des § 406 BSG kommt mangels Rechtsgrund nicht in Betracht.
Der den Klägern abgetretene Anspruch der L war zwar ursprünglich auf Befreiung von einer Verbindlichkeit gerichtet und hat sich – wie bereits ausgeführt – erst infolge der Abtretung an die Kläger in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Vor der Abtretung hätte der Beklagte daher mit seiner auf Zahlung gehenden Erstattungsforderung gegen den KW aus dem Bescheid vom 1.10.2014 nicht aufrechnen können, weil das Erfordernis der Gleichartigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen (Freistellungsanspruch einerseits und Kostenerstattungsanspruch andererseits) nicht gegeben gewesen wäre (vgl. dazu etwa vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a; für das Zivilrecht so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, RdNr. 19; BGH v. 28.6.1983 – VI ZR 285/81, 1.LS und RdNr. 7 mwN; juris). Dieses Hindernis ist aber durch die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs der L an die Kläger, die die Gläubiger der Verbindlichkeit waren, auf die der Freistellungsanspruch gerichtet war, infolge der damit einhergehenden Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch weggefallen. Die Gleichartigkeit der Forderungen liegt danach vor, denn dem Zahlungsanspruch des Beklagten gegen den KW auf Erstattung der Forderung aus dem bestandkräftigen Erstattungsbescheid vom 1.10.2014 stand der Zahlungsanspruch der Kläger auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 5148/16 gegenüber.
Unschädlich ist insoweit auch, dass der Beklagte gegenüber den Klägern als neuen Gläubigern des Kostenerstattungsanspruchs mit einer Gegenforderung gegen den alten Gläubiger (hier gegen den KW) aufgerechnet hat, denn dazu war der Beklagte nach § 406 BGB berechtigt, weil er beim Erwerb seiner Gegenforderung und bei deren Fälligkeit (zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Erstattungsbescheids vom 1.10.2014) keine Kenntnis von der erst im November 2016 erfolgten Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs hatte bzw. haben konnte.
Ferner ist es nach den Grundregeln der §§ 387, 388 BGB auch erforderlich und genügend, dass die Gleichartigkeit im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegt (so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, RdNr. 19; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof v. 14.2.2014 – 14 B 11.1592, RdNr. 24; LSG Sachsen v. 16.5.2012 – L 1 KR 115/10, RdNr. 15; LSG Hessen v. 9.9.2011 – L 9 SO 199/11 B ER, RdNr. 25; juris; s.a. Rüßmann in juris-PK BGB, Stand 17.8.2018, § 387 RdNr. 32; Wagner in Ermann BGB, 15. Aufl. 2017, § 387 RdNr. 16). Ein zwingender rechtlicher Grund, von dieser Regel für den Fall abzuweichen, dass die Gleichartigkeit erst durch eine Abtretung herbeigeführt wird, ist nicht ersichtlich. Die Regelung des § 406 BGB enthält über die Gleichartigkeit keine Vorschrift; sie verlangt insbesondere nicht, dass die Forderungen schon zur Zeit der Abtretung gleichartig gewesen sein müssen. Der Grundgedanke des § 406 BGB, eine Schlechterstellung des Schuldners durch die Abtretung zu verhindern, nötigt mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift nicht dazu, ihn eines Vorteils zu berauben, den er unter bestimmten Voraussetzungen durch die Abtretung erlangen kann (vgl. BGH, aaO). Auch die Rücksichtnahme auf den Gläubiger rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn dem Gläubiger (hier den Klägern) steht es frei, von der Abtretung Abstand zu nehmen, wenn ihm die Umwandlung in einen Zahlungsanspruch und die damit geschaffene Aufrechnungsmöglichkeit nicht erwünscht ist (vgl. BGH, aaO); solange keine Abtretung vorgenommen wird, kann mangels Gleichartigkeit auch nicht aufgerechnet werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a), so dass auch die spezifischen Interessen der Leistungsberechtigten nach dem SGB II hinreichend berücksichtigt sind. Billigkeitsgründe, die es im Interesse des Gläubigers erfordern könnten, die Aufrechnung auszuschließen, sind daher nicht gegeben (vgl. BGH; aaO).
Soweit im Bereich des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 9 Abs. 2 BerHG argumentiert wird, dass die Aufrechnung unzulässig sein soll, weil der Gläubiger aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs gerade nicht von der Abtretung Abstand nehmen und damit eigenverantwortlich über die Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch und die damit einhergehenden Rechtsfolgen entscheiden könne (vgl. SG Berlin v. 9.7.2018 – S 135 AS 9615/17; SG Frankfurt v. 16.11.2018 – L 7 AS 330/17, SG Berlin 29.3.2016 – S 190 AS 3757/15), so greift dieser Einwand im hiesigen Fall des gewillkürten Forderungsübergangs nicht ein; im vorliegenden Fall waren es nach der schriftlichen Erklärung der RW auch gerade die Kläger, die die Abtretung initiiert und damit die Aufrechnungslage herbeigeführt haben.
Soweit ferner teilweise in der Aufrechnung ein möglicher Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB gesehen wird, weil es für den hier infrage stehenden Personenkreis der Arbeitslosengeld II-Bezieher jedenfalls ohne Geltendmachung von Beratungshilfe nach dem BerHG schwieriger sein dürfte einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, bevor nicht geklärt ist, ob einem eventuellen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X etwaige Erstattungsforderungen der Jobcenter gegenüberstehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16, RdNr. 33; juris), so greifen diese Bedenken im Hinblick auf die vorliegende Fallkonstellation nicht. Denn in Fällen – wie dem vorliegenden – ohne die Inanspruchnahme von Beratungshilfe (mit der gesetzlichen Folge des Forderungsübergangs) steht einer wirksamen Aufrechnung durch den Leistungsträger entgegen, dass es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch ursprünglich um einen Freistellungsanspruch handelt, so dass keine Aufrechnungslage mangels Gleichartigkeit der Forderungen besteht (so auf der Grundlage der eindeutigen höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung [BGH v. 28.1.2016 – VII ZR 266/14, RdNr. 26 mwN] einhellige Meinung, vgl. etwa vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a). Der Kostenerstattungsanspruch kann folglich als Freistellungsanspruch gegenüber der Gebührenforderung der Bevollmächtigten ohne die Gefahr einer Aufrechnung mit einer Erstattungsforderung durch das Jobcenter geltend gemacht werden. Es liegt sodann in der Hand der Leistungsberechtigten und deren Bevollmächtigter, ob es dabei bleibt; nehmen diese indes aus freien Stücken – wie im vorliegenden Fall – eine Abtretung vor und schaffen damit erst die Aufrechnungslage, so sind sie nicht schutzbedürftig, weil sie diese Situation selbst und eigenverantwortlich herbeigeführt haben.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG, denn weder die Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen. Sie folgt dem Ergebnis der Hauptsache, denn gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 letzter HS SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstands der Kläger übersteigt unter Berücksichtigung der von ihnen geltend gemachten Kosten in Höhe von 148,75 EUR den Betrag 750,00 EUR nicht, so dass es gemäß § 144 Abs. 1 SGG einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung bedurfte. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG lagen indes zur Überzeugung der Kammer nicht vor, weil die Kammer weder von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht noch die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt, mithin über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung in unbestimmt vielen Fällen hat und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt. Die Kammer hat bereits Zweifel, ob die hiesige Rechtsproblematik in einer Mehrzahl weiterer Fälle Bedeutung hat, denn zumindest in der Rechtssprechungsdatenbank "juris" konnte die Kammer keinen vergleichbarer Fall (Aufrechnung des Leistungsträger mit einer Erstattungsforderung gegen einen Leistungsberechtigten, nachdem dessen Bevollmächtigter im Wege des gewillkürten Forderungsübergangs Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs geworden ist) finden. Die Kammer ist indes davon überzeugt, dass die streitentscheidende Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist. Geklärt ist eine Rechtsfrage nicht erst, wenn dazu gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt; es genügt vielmehr, wenn sich für die Antwort aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder wenn sie so gut wie unbestritten ist. Die Kammer ist zum einen unter bloßer Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung, deren Anwendung im Bereich des Sozialrechts höchstrichterlich geklärt ist, und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung zum ausgeurteilten Ergebnis gekommen; im Übrigen ist weder von den Klägern Rechtsprechung oder Kommentarliteratur vorgebracht oder aber sonst ersichtlich, die die Rechtsauffassung der Kläger in der hiesigen Fallkonstellation stützen würden. Bei dieser Sachlage vermochte die Kammer keine Klärungsbedürftigkeit der streitentscheidenden Frage zu erkennen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erstattung der Kosten eines Vorverfahrens, die die Kläger als vormals Bevollmächtigte von Leistungsbezug beim Beklagten stehenden Empfängern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aus abgetretenen Recht geltend machen, wobei der Beklagte dagegen mit einem gegen einen der Leistungsempfänger gerichteten Erstattungsanspruch aufgerechnet hat.
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden am 23.11.2016 von ihren Mandanten, R. W. (im Folgenden "RW") und deren Söhnen D. und B. W. sowie dem 1995 geborenen K. W. (im Folgenden "KW"), die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom Beklagten bezogen (Leistungsempfänger; im Folgenden "L"), beauftragt, sie in einem Widerspruchsverfahren gegen den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 18.11.2016 zu vertreten; Beratungshilfe wurde insoweit nicht in Anspruch genommen. Der Beklagte hatte bereits am 1.10.2014 einen Erstattungsbescheid gegenüber dem KW erlassen, der bestandskräftig geworden und aus dem im Jahr 2016 zumindest noch eine Forderung in Höhe von 665,43 EUR zu zahlen war.
Am 24.11.2016 legten die Kläger als Bevollmächtigte der L daraufhin Widerspruch gegen den Bescheid des Beklagten vom 18.11.2016 ein, der zur Widerspruchsnummer W 5148/16 registriert wurde.
Mit Bescheid vom 28.11.2016 bewilligte der Beklagte den L höhere Leistungen und mit formalen Abhilfebescheid vom 28.11.2016 entschied der Beklagte unter anderem, die Kosten der Widerspruchsführer im Widerspruchsverfahren W 5148/16 zu erstatten, und dass die Hinzuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig gewesen sei.
Mit Schreiben vom 30.11.2016 beantragten die Kläger die Festsetzung ihrer Rechtsanwaltsgebühren für das Widerspruchsverfahren W 5148/16 in Höhe von 702,10 EUR (ausgehend von einer Geschäftsgebühr von 300,00 EUR und einer Erhöhungsgebühr bei drei weiteren Auftraggebern von 270,00 EUR); sie machten die Gebühren im eigenen Namen unter Hinweis des auf sie übergegangenen Kostenerstattungsanspruchs geltend.
Auf die Nachfrage des Beklagten vom 1.12.2016, ob sich die Kläger den Gebührenerstattungsanspruch hatten abtreten lassen oder ob im Rahmen der Bewilligung von Beratungshilfe ein gesetzlicher Forderungsübergang eingetreten sei, wurde von den Klägern nur mitgeteilt, dass der Kostenerstattungsanspruch auf sie übergegangen sei, weshalb er im eigenen Namen geltend gemacht werde.
Mit Bescheid vom 15.12.2016 setzte der Beklagte der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 5148/16 auf 595,00 EUR (ausgehend von einer Geschäftsgebühr von 300,00 EUR und einer Erhöhungsgebühr bei zwei weiteren Auftraggebern von 180,00 EUR) fest und erklärte mit weiteren Schreiben vom 15.12.2016 die Aufrechnung einer gegen den KW aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 1.10.2014 noch bestehenden Forderung von 665,43 EUR in Höhe von 148,75 EUR (1/4 von 595,00 EUR) gegen den Kostenerstattungsanspruch; der verbleibende Betrag von 446,25 EUR wurde zur Zahlung angewiesen.
Einem Widerspruch der Kläger gegen die Höhe der mit dem Kostenfestsetzungsbescheid vom 15.12.2016 festgesetzten Kosten half der Beklagte mit Bescheid vom 10.1.2017 dahingehend ab, dass ein erstattungsfähiger Betrag für das Widerspruchsverfahren W 5148/16 in Höhe der beantragten 702,10 EUR festgesetzt wurde; unter Berücksichtigung des nach der erfolgten Aufrechnung bereits gezahlten Betrags von 446,25 EUR wurde ein weiterer Betrag von 107,10 EUR zur Auszahlung gebracht.
Mit der bereits zuvor am 3.1.2017 erhobenen Klage begehren die Kläger vom Beklagten die Zahlung weiterer 148,75 EUR für das Widerspruchsverfahren W 5148/16. Sie beziehen sich insbesondere auf die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16. Die Kläger haben darüber hinaus eine schriftliche Erklärung der RW eingereicht, in der diese angibt, nach Erlass des Abhilfebescheids vom 28.11.2016 auf Nachfrage der Kläger in ihrem und im Namen ihrer Söhne die Ansprüche auf Kostenerstattung im Widerspruchsverfahren W 5148/16 an die Kläger abgetreten zu haben. Ferner haben die Kläger eine Erklärung des KW eingereicht, in der dieser angibt, dass er damit einverstanden gewesen sei, dass seine Mutter die Kläger beauftragt und die Kostenansprüche an diese abgetreten habe.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, ihnen 148,75 EUR zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte trägt vor, dass die Gründe der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16 aufgrund unterschiedlicher Sachverhalte nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar seien. Im hiesigen Fall werde kein Freistellungsanspruch geltend gemacht, sondern ein auf die Kläger übergegangener Zahlungsanspruch. Im Übrigen sei die Regelung des § 257 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) im Sozialrecht nicht anwendbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung der Kammer gemachten Prozessakte und der Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG zulässig, denn die Aufrechnungserklärung des Beklagten ist kein Verwaltungsakt, so dass kein Widerspruchsverfahren gegen diese durchzuführen war und die gleichzeitige Erhebung einer Anfechtungsklage nicht statthaft gewesen wäre (LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13, RdNr. 16; juris).
Die Klage ist unbegründet, denn die Kläger haben keinen Anspruch auf Auszahlung der weiteren 148,75 EUR, weil die geltend gemachte Kostenerstattung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren W 5148/16 in dieser Höhe durch Aufrechnung des Beklagten erloschen ist.
Die Kläger sind zwar im Hinblick auf die Geltendmachung der Aufwendungen im Widerspruchsverfahren W 5148/16 aktivlegitimert, weil sie Inhaber der Forderung gegenüber dem Beklagten sind. Grundsätzlich steht der Anspruch auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes nach § 63 Abs. 1 und 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) dem Widerspruchsführer selbst zu, so dass der Bevollmächtigte diesen nicht in eigenem Namen geltend machen kann (LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 18 mwN, Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 42). Die Forderung ist jedoch im vorliegenden Fall durch Abtretung nach § 398 BGB auf die Kläger übergegangen. In Anbetracht der von den Klägern eingereichten Erklärungen der RW und des KW hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass diese die Ansprüche der L auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren W 5148/16 an die Kläger abgetreten haben, bevor diese mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 30.4.2016 gegenüber dem Beklagten die Kosten im eigenen Namen geltend gemacht haben. Der Abtretung des Anspruchs auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren steht darüber hinaus weder § 399 BGB noch § 53 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) entgegen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen v. 31.5.2007 – L 16 KR 229/06, RdNr. 34; juris).
Der zunächst als Freistellungsanspruch entstandene Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X (vgl. BSG v. 2.12.2014 – B 14 AS 60/13 R, RdNr. 14; LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 25ff. mwN; für das Zivilrecht auch BGH v. 22.3.2011 – VI ZR 63/10, RdNr. 18; juris) hat sich durch die Abtretung an die Kläger, die die Gläubiger der Verbindlichkeit waren, auf die der Freistellungsanspruch gerichtet war, in einen Zahlungsanspruch umgewandelt (so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, LS und RdNr. 16 und 19 sowie BGH v. 20.3.1978 – II ZR 19/76, RdNr. 9; zuletzt etwa Brandenburgisches OLG v. 7.11.2007 – 3 U 49/06, 6.LS und RdNr. 77; Röver in beckOGK BGB, Stand 15.10.2018, § 257 RdNr. 35). Dies folgt schon allein aus der Tatsache, dass die Kläger als Inhaber des Anspruchs nicht von diesem gegenüber sich selbst freigestellt werden können, sondern eben nur die Zahlung an sich selbst zu verlangen berechtigt sind.
Ausgehend davon, dass die Kläger bereits mit dem Kostenfestsetzungsantrag folglich nur einen Zahlungsanspruch gegenüber dem Beklagten geltend machen konnten und im Übrigen auch geltend gemacht haben, ist die ursprüngliche Forderung in der Höhe der vom Beklagten erklärten Aufrechnung gemäß § 389 BGB erloschen. Die entsprechende Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschriften der §§ 387ff. BGB ist in der Rechtsprechung geklärt (so bereits BSG v. 12.11.1980 – 1 RA 105/79, RdNr. 46; s.a. BSG v. 24.7.2003 – B 4 RA 60/02 R, RdNr. 17; BSG v. 12.7.1990 – 4 RA 47/88, RdNr. 48; LSG Rheinland-Pfalz, aaO, RdNr. 21 mwN; zur Anwendbarkeit im öffentlichen Recht allgemein BVerwG v. 27.10.1982 – 3 C 6/82, 2.LS und RdNr. 21).
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil nach § 387 BGB seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann. Die Aufrechnung erfolgt nach § 388 S. 1 BGB durch Erklärung gegenüber dem anderen Teil. Die Aufrechnung bewirkt nach § 389 BGB, dass die Forderungen, soweit sie sich decken, als in dem Zeitpunkt erloschen gelten, in welchem sie zur Aufrechnung geeignet einander gegenübergetreten sind. Der Schuldner kann gemäß § 406 BGB eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger zustehende Forderung auch dem neuen Gläubiger gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte oder dass die Forderung erst nach der Erlangung der Kenntnis und später als die abgetretene Forderung fällig geworden ist. Diese Voraussetzungen lagen vor.
Der Beklagte hat gegenüber den Klägern mit Schreiben vom 15.12.2016 die Aufrechnung einer gegen den KW aus dem bestandskräftigen Bescheid vom 1.10.2014 noch bestehenden Forderung von 665,43 EUR in Höhe von 148,75 EUR (1/4 von 595,00 EUR) gegen den Kostenerstattungsanspruch erklärt.
Der Aufrechnung stehen keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Die Gleichartigkeit der Forderungen lag zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung des Beklagten vor und eine einschränkende Anwendung des § 406 BSG kommt mangels Rechtsgrund nicht in Betracht.
Der den Klägern abgetretene Anspruch der L war zwar ursprünglich auf Befreiung von einer Verbindlichkeit gerichtet und hat sich – wie bereits ausgeführt – erst infolge der Abtretung an die Kläger in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Vor der Abtretung hätte der Beklagte daher mit seiner auf Zahlung gehenden Erstattungsforderung gegen den KW aus dem Bescheid vom 1.10.2014 nicht aufrechnen können, weil das Erfordernis der Gleichartigkeit der sich gegenüberstehenden Forderungen (Freistellungsanspruch einerseits und Kostenerstattungsanspruch andererseits) nicht gegeben gewesen wäre (vgl. dazu etwa vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a; für das Zivilrecht so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, RdNr. 19; BGH v. 28.6.1983 – VI ZR 285/81, 1.LS und RdNr. 7 mwN; juris). Dieses Hindernis ist aber durch die Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs der L an die Kläger, die die Gläubiger der Verbindlichkeit waren, auf die der Freistellungsanspruch gerichtet war, infolge der damit einhergehenden Umwandlung des Befreiungsanspruchs in einen Zahlungsanspruch weggefallen. Die Gleichartigkeit der Forderungen liegt danach vor, denn dem Zahlungsanspruch des Beklagten gegen den KW auf Erstattung der Forderung aus dem bestandkräftigen Erstattungsbescheid vom 1.10.2014 stand der Zahlungsanspruch der Kläger auf Erstattung der Kosten des Widerspruchsverfahrens W 5148/16 gegenüber.
Unschädlich ist insoweit auch, dass der Beklagte gegenüber den Klägern als neuen Gläubigern des Kostenerstattungsanspruchs mit einer Gegenforderung gegen den alten Gläubiger (hier gegen den KW) aufgerechnet hat, denn dazu war der Beklagte nach § 406 BGB berechtigt, weil er beim Erwerb seiner Gegenforderung und bei deren Fälligkeit (zum Zeitpunkt der Bestandskraft des Erstattungsbescheids vom 1.10.2014) keine Kenntnis von der erst im November 2016 erfolgten Abtretung des Kostenerstattungsanspruchs hatte bzw. haben konnte.
Ferner ist es nach den Grundregeln der §§ 387, 388 BGB auch erforderlich und genügend, dass die Gleichartigkeit im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung vorliegt (so bereits BGH v. 22.1.1954 – I ZR 34/53, RdNr. 19; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof v. 14.2.2014 – 14 B 11.1592, RdNr. 24; LSG Sachsen v. 16.5.2012 – L 1 KR 115/10, RdNr. 15; LSG Hessen v. 9.9.2011 – L 9 SO 199/11 B ER, RdNr. 25; juris; s.a. Rüßmann in juris-PK BGB, Stand 17.8.2018, § 387 RdNr. 32; Wagner in Ermann BGB, 15. Aufl. 2017, § 387 RdNr. 16). Ein zwingender rechtlicher Grund, von dieser Regel für den Fall abzuweichen, dass die Gleichartigkeit erst durch eine Abtretung herbeigeführt wird, ist nicht ersichtlich. Die Regelung des § 406 BGB enthält über die Gleichartigkeit keine Vorschrift; sie verlangt insbesondere nicht, dass die Forderungen schon zur Zeit der Abtretung gleichartig gewesen sein müssen. Der Grundgedanke des § 406 BGB, eine Schlechterstellung des Schuldners durch die Abtretung zu verhindern, nötigt mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift nicht dazu, ihn eines Vorteils zu berauben, den er unter bestimmten Voraussetzungen durch die Abtretung erlangen kann (vgl. BGH, aaO). Auch die Rücksichtnahme auf den Gläubiger rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Denn dem Gläubiger (hier den Klägern) steht es frei, von der Abtretung Abstand zu nehmen, wenn ihm die Umwandlung in einen Zahlungsanspruch und die damit geschaffene Aufrechnungsmöglichkeit nicht erwünscht ist (vgl. BGH, aaO); solange keine Abtretung vorgenommen wird, kann mangels Gleichartigkeit auch nicht aufgerechnet werden (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a), so dass auch die spezifischen Interessen der Leistungsberechtigten nach dem SGB II hinreichend berücksichtigt sind. Billigkeitsgründe, die es im Interesse des Gläubigers erfordern könnten, die Aufrechnung auszuschließen, sind daher nicht gegeben (vgl. BGH; aaO).
Soweit im Bereich des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 9 Abs. 2 BerHG argumentiert wird, dass die Aufrechnung unzulässig sein soll, weil der Gläubiger aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs gerade nicht von der Abtretung Abstand nehmen und damit eigenverantwortlich über die Umwandlung des Freistellungs- in einen Zahlungsanspruch und die damit einhergehenden Rechtsfolgen entscheiden könne (vgl. SG Berlin v. 9.7.2018 – S 135 AS 9615/17; SG Frankfurt v. 16.11.2018 – L 7 AS 330/17, SG Berlin 29.3.2016 – S 190 AS 3757/15), so greift dieser Einwand im hiesigen Fall des gewillkürten Forderungsübergangs nicht ein; im vorliegenden Fall waren es nach der schriftlichen Erklärung der RW auch gerade die Kläger, die die Abtretung initiiert und damit die Aufrechnungslage herbeigeführt haben.
Soweit ferner teilweise in der Aufrechnung ein möglicher Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB gesehen wird, weil es für den hier infrage stehenden Personenkreis der Arbeitslosengeld II-Bezieher jedenfalls ohne Geltendmachung von Beratungshilfe nach dem BerHG schwieriger sein dürfte einen zur Vertretung bereiten Rechtsanwalt zu finden, bevor nicht geklärt ist, ob einem eventuellen Kostenerstattungsanspruch nach § 63 SGB X etwaige Erstattungsforderungen der Jobcenter gegenüberstehen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16, RdNr. 33; juris), so greifen diese Bedenken im Hinblick auf die vorliegende Fallkonstellation nicht. Denn in Fällen – wie dem vorliegenden – ohne die Inanspruchnahme von Beratungshilfe (mit der gesetzlichen Folge des Forderungsübergangs) steht einer wirksamen Aufrechnung durch den Leistungsträger entgegen, dass es sich bei dem Kostenerstattungsanspruch ursprünglich um einen Freistellungsanspruch handelt, so dass keine Aufrechnungslage mangels Gleichartigkeit der Forderungen besteht (so auf der Grundlage der eindeutigen höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung [BGH v. 28.1.2016 – VII ZR 266/14, RdNr. 26 mwN] einhellige Meinung, vgl. etwa vgl. LSG Berlin-Brandenburg v. 31.5.2018 – L 29 AS 1928/17; LSG Berlin-Brandenburg v. 13.10.2016 – L 31 AS 1774/16; LSG Sachsen-Anhalt v. 15.3.2018 – L 2 AS 496/17; LSG Rheinland-Pfalz v. 6.5.2015 – L 6 AS 288/13; Becker in Hauck/Noftz, SGB X, Stand 05/17, § 63 RdNr. 114a). Der Kostenerstattungsanspruch kann folglich als Freistellungsanspruch gegenüber der Gebührenforderung der Bevollmächtigten ohne die Gefahr einer Aufrechnung mit einer Erstattungsforderung durch das Jobcenter geltend gemacht werden. Es liegt sodann in der Hand der Leistungsberechtigten und deren Bevollmächtigter, ob es dabei bleibt; nehmen diese indes aus freien Stücken – wie im vorliegenden Fall – eine Abtretung vor und schaffen damit erst die Aufrechnungslage, so sind sie nicht schutzbedürftig, weil sie diese Situation selbst und eigenverantwortlich herbeigeführt haben.
Nach alledem war die Klage abzuweisen.
Die Kostengrundentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG, denn weder die Kläger noch der Beklagte gehören zu den in § 183 SGG genannten Personen. Sie folgt dem Ergebnis der Hauptsache, denn gemäß § 197a Abs. 1 S. 1 letzter HS SGG iVm § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Beschwerdegegenstands der Kläger übersteigt unter Berücksichtigung der von ihnen geltend gemachten Kosten in Höhe von 148,75 EUR den Betrag 750,00 EUR nicht, so dass es gemäß § 144 Abs. 1 SGG einer Entscheidung über die Zulassung der Berufung bedurfte. Gründe für die Zulassung der Berufung gemäß § 144 Abs. 2 SGG lagen indes zur Überzeugung der Kammer nicht vor, weil die Kammer weder von einer obergerichtlichen Entscheidung abweicht noch die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn die zu treffende Entscheidung sich über den Einzelfall hinaus auswirkt, mithin über den Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung in unbestimmt vielen Fällen hat und von der Antwort auf eine klärungsbedürftige Rechtsfrage abhängt. Die Kammer hat bereits Zweifel, ob die hiesige Rechtsproblematik in einer Mehrzahl weiterer Fälle Bedeutung hat, denn zumindest in der Rechtssprechungsdatenbank "juris" konnte die Kammer keinen vergleichbarer Fall (Aufrechnung des Leistungsträger mit einer Erstattungsforderung gegen einen Leistungsberechtigten, nachdem dessen Bevollmächtigter im Wege des gewillkürten Forderungsübergangs Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs geworden ist) finden. Die Kammer ist indes davon überzeugt, dass die streitentscheidende Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist. Geklärt ist eine Rechtsfrage nicht erst, wenn dazu gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt; es genügt vielmehr, wenn sich für die Antwort aus anderen höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben, wenn die Antwort von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder wenn sie so gut wie unbestritten ist. Die Kammer ist zum einen unter bloßer Anwendung der gesetzlichen Regelungen zur Aufrechnung, deren Anwendung im Bereich des Sozialrechts höchstrichterlich geklärt ist, und der dazu ergangenen höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung zum ausgeurteilten Ergebnis gekommen; im Übrigen ist weder von den Klägern Rechtsprechung oder Kommentarliteratur vorgebracht oder aber sonst ersichtlich, die die Rechtsauffassung der Kläger in der hiesigen Fallkonstellation stützen würden. Bei dieser Sachlage vermochte die Kammer keine Klärungsbedürftigkeit der streitentscheidenden Frage zu erkennen.
Rechtskraft
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