L 4 SO 11/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 SO 312/16
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 11/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte die Kosten der stationären Behandlung des m. Patienten A. in der Zeit vom 20. März bis 27. März 2015 in Höhe von 7.607,27 EUR aus Mittel der Sozialhilfe zu übernehmen hat.

Die Klägerin betreibt in H. das Krankenhaus G ... Am Vormittag des 20. März 2015 (Freitag) gelangte der genannte Patient mit einem Knochenbruch in die Notaufnahme der Kläge¬rin. Mit Telefax vom selben Tag, 13:15 h, meldete die Klägerin den Fall "zur Wah¬rung der Fris¬ten nach § 25 SGB XII" bei der Beklagten an. Am Nachmittag wurde der Patient im Krankenhaus der Klägerin operiert.

Die Beklagte forderte mit Schreiben vom 23. März 2015 bei der Klägerin diverse Unterlagen an und lehnte mit Bescheid vom 12. Mai 2015 die Übernahme der Kosten der Behandlung ab: Die zur Antragsbearbeitung erforderlichen Nachweise seien nicht vorgelegt worden.

Der Widerspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der ablehnende Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2016 nimmt Bezug auf ein Schreiben vom 23. März 2016, in dem es heißt, die Klinik habe ihrer Mitwirkungspflicht nicht entsprochen, denn sie habe weder die Identität des Patienten nachgewiesen noch seine wirtschaftliche Lage dargelegt.

Gegen den ihr am 26. Mai 2016 zugestellten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 24. Juni 2016 vor dem Sozialgericht Hamburg Klage erhoben.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. Dezember 2016 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. In den Gründen heißt es, ein medizinischer Eilfall im Sinne von § 25 Satz 1 SGB XII dürfte zwar vorgelegen haben. Es fehle jedoch an einem sozialhilferechtlichen Eilfall. Mit der Mel¬dung des Behandlungsfalls bei der Beklagten am 20. März 2015 ergebe sich kein Anspruch der Klägerin als Nothelfer. Denn die Kenntnis der Beklagten bilde die zeitliche und rechtliche Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden Ansprüche des Nothelfers und eines Hil¬febe-dürftigen, wobei eine tageweise Betrachtung zu erfolgen habe. Auf die Frage der Hilfe-bedürftigkeit des Patienten komme es danach nicht mehr an.

Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 20. Dezember 2016 zugestellt worden. Am 19. Januar 2017 hat sie Berufung eingelegt: Die Entscheidung des Sozialgericht missachte den Zweck des Gesetzes, die berechtigten Interessen derjenigen Personen zu schützen, die in dringenden Notfällen die erforderliche Hilfe leisten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 14. Dezember 2016 aufzu-heben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. Mai 2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. Mai 2016 zu verurteilen, an die Klägerin 7.607,27 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Die Sachakten der Beklagten sowie die Krankenakten des Patienten haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sach¬ver-halts ergänzend Bezug genommen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch den Bericht¬erstat-ter als Einzelrichter einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die hier allein als Anspruchsgrundlage in Betracht zu ziehende Vorschrift des § 25 SGB XII der Klägerin hier keinen Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen als Nothelferkosten vermittelt, selbst für die am ersten Tag der Behandlung des Patienten entstandenen Kosten nicht. Es entspricht der den Beteiligten bekannten Rechtsprechung des Senats, dass der Tag der Kenntniserlangung durch den Träger der Sozialhilfe jedenfalls dann dem Sozialhilfe-anspruch des Patienten zuzuordnen und nicht mehr im Rahmen des Nothelferanspruchs erstattungsfähig ist, wenn – wie hier – alle Rettungs- und Behandlungsmaßnahmen innerhalb der Dienstbereitschaft der Beklagten stattfanden und die Meldung des Hilfefalls vor oder unmittelbar mit der Aufnahme des Patienten erfolgt. Ab diesem Tag kommt allein ein Anspruch des Leistungsberechtigten und nicht mehr des Nothelfers in Betracht. (Urt. v. 30.8.2018, L 4 SO 41/17). Hierauf wird Bezug genommen. Das gilt hier umso mehr, als die eigentliche Behandlung des Patienten (Operation) erst nach der Meldung stattfand.

Die Berufung der Klägerin war danach zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war gem. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen. Die Frage eines Nothelferanspruchs für den ersten Tag einer Kranken¬haus-behand¬lung ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht eindeutig geklärt. Zwar heißt es im Beschluss vom 1. März 2018 (B 8 SO 63/17), dass es schon am Tag der Aufnahme eines Hilfebedürftigen in einem Krankenhaus am sozialhilferechtlichen Moment eines Eilfalls im Sinne von § 25 Satz 1 SGB XII fehle, wenn Zeit zur Unterrichtung des Sozialhilfeträgers verbleibe, um zunächst dessen Entschließung über eine Gewährung der erforderlichen Hilfe abzuwarten. Gleichzeitig aber betont das Bundessozialgericht die Kennt¬nis des Sozialhilfeträgers als Zäsur für die sich gegenseitig ausschließenden An¬sprü¬che des Nothelfers und des Leistungsberechtigten, so dass offen bleibt, wie zu ver¬fahren ist, wenn der Träger zwar Kenntnis hat, jedoch seine Entscheidung aus medizinischen Gründen nicht abgewartet werden kann.
Rechtskraft
Aus
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