Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
18
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 8 SO 179/18 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SO 320/18 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Besteht die gute Möglichkeit (sog. überwiegende Wahrscheinlichkeit) für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs - hier Übernahme der Kosten eines Hausgebärdensprachkurses im Wege der Eingliederungshilfe - und droht ohne Eilrechtsschutz ein wesentlicher Nachteil, liegen die (einfachgesetzlichen) Voraussetzungen des § 86 b Abs. 2 SGG vor, so dass Eilrechtsschutz zu gewähren ist. Eine Güter- und Folgenabwägung muss dann nicht mehr durchgeführt werden.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. November 2018 wird aufgehoben.
II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten eines Hausgebärdensprachkurses im Umfang von vier Stunden wöchentlich zu höchstens 50,00 Euro je Stunde für die Zeit ab 01.02.2019 bis längstens zur Bekanntgabe der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung gegenüber dem Antragsteller zu übernehmen.
III. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Eilverfahren - Beschwerdeverfahren - geht es um die Frage, ob der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, die Kosten des Antragstellers für das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) im Rahmen eines Hausgebärdensprachkurses zu übernehmen.
Der 2015 geborene Antragsteller ist von Geburt an beidseitig hörgemindert. Wegen der diagnostizierten sensorineuralen Schwerhörigkeit beidseits mit Sprachentwicklungsstörungen sind ihm ein Grad der Behinderung von 80 und die Merkzeichen G, B und RF zuerkannt (Bescheid des Zentrums Bayern für Familie und Soziales vom 09.05.2018).
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller für den Zeitraum 15.01.2016 bis 14.01.2019 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von interdisziplinärer Frühförderung als Komplexleistung im Umfang von 72 psychologischen/heilpädagogischen Behandlungseinheiten in den Räumen der interdisziplinären Frühförderstelle am Zentrum für Hörgeschädigte und durch den mobilen Frühförderdienst (Bescheide vom 01.02.2016, 20.01.2017 und 18.01.2018). Darüber hinaus erhält der Antragsteller logopädische Therapie in Kostenträgerschaft der zuständigen Krankenkasse. Mit Bescheid vom 12.10.2017 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe im Umfang der Regelleistungen in der Kindertageseinrichtung für den Zeitraum 15.09.2017 bis 31.08.2019. Der Einrichtung werde eine Erhöhung der Personalausstattung finanziert. Hierbei handele es sich um mindestens zwei Betreuungsstunden pro Wochen. Darüber hinaus müsse die Einrichtung einen Fachdienst (z.B.: Heilpädagogen) im Umfang von mindestens 50 Stunden jährlich für die heilpädagogische Förderung des Antragstellers bereitstellen.
Mit Schreiben vom 25.10.2017 beantragte der Antragsteller einen Hausgebärdensprachkurs als persönliches Budget für vier Stunden pro Woche zu jeweils 50,00 Euro bis zum Erlernen einer guten Sprachkompetenz. Der Antragsteller verstehe fast keine gesprochene Sprache. Eine Kommunikation sei nur über die DGS möglich. Der Antragsteller brauche eine professionelle Unterstützung, da er gerne altersentsprechend kommunizieren würde und einen starken Wissensdrang habe, den seine Eltern nicht mehr befriedigen können.
Mit Bescheid vom 08.01.2018 (Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 29.03.2018) lehnte der Antragsgegner nach entsprechender Anhörung den Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs ab. Der Antragsteller habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB X. Der bestehende Eingliederungsbedarf sei jedoch bereits abgedeckt. Ein darüberhinausgehender Bedarf nicht gegeben. Neben der Eingliederungshilfe in der Kindertagesstätte und der Frühförderung am Zentrum für Hörgeschädigte könne im Therapiebereich des Cochlea-Implantat-Centrums C. an der Universitätsklinik in E-Stadt weitere medizinische Förderung in Anspruch genommen werden.
Dagegen erhob der Antragsteller am 03.05.2018 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG).
Am 09.10.2018 hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellte und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der alleinige Erwerb der Lautsprache für die Entwicklung des Antragstellers nicht ausreichend sei, wissenschaftliche Studien einen bilingualen Spracherwerb bezüglich Lautsprache und deutsche Gebärdensprache im Hinblick auf eine umfassende kindgerechte Förderung für notwendig erachten würden und es nicht absehbar sei, ob der Antragsteller durch die Cochlea-Implantat (CI) - Versorgung später gesichert die Lautsprache vollständig erlernen könne, zumal diesbezüglich gesicherte fachliche Erkenntnisse erst nach einer Therapiezeit von drei Jahren erlangt werden könnten.
Mit Beschluss vom 14. November 2018 hat das SG den Antrag abgelehnt und ausgeführt, das Ergebnis der Hauptsache sei offen und werde ggf. durch das Einholen eines fachärztlichen Gutachtens zu klären sein. Nach der derzeitigen Aktenlage erschienen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Schwerhörigkeit sei beim Antragsteller bereits sehr früh festgestellt worden. Es habe eine engmaschige medizinische Betreuung und Frühförderung stattgefunden. Hinzu komme ein starkes Engagement der Eltern bei der Unterstützung der Entwicklung des Antragstellers. Der Antragsteller erhalte im Rahmen der Frühförderung bereits eine - vom Antragsgegner im Rahmen der vorbezeichneten Rechtsvorschriften bewilligte - behinderungsspezifische Förderung über die Frühförderstelle am Zentrum für Hörgeschädigte mit dem Förderschwerpunkt der Hör- und Sprachentwicklungsförderung; der bewilligte Umfang umfasse aktuell 72 Behandlungseinheiten in einem Zeitraum von zwölf Monaten. Zudem erhalte er weitere Förderung im Rahmen des Besuches der Kindertagesstätte. Damit stehe fest, dass der Antragsgegner bereits Leistungen erbringe, die es dem Antragsteller ermöglichen, sich künftig besser mit der Umwelt zu verständigen. Das Bedürfnis des Antragstellers und der Eltern des Antragstellers, möglichst bald eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, sei nachvollziehbar und anzuerkennen; welche wesentlichen Nachteile durch eine einstweilige Regelung abgewendet werden sollen, sei aber nicht ausreichend dargelegt. Ausweislich der in der Akte befindlichen Befund- und Entwicklungsberichte habe der Antragsteller bereits Hör- und Sprachvermögen erworben, welches jedoch nicht altersgerecht sei. Er sei in der Lage, einzelne Worte zu sprechen und Zwei- bis Dreiwortsätze zu bilden. Es spreche daher viel dafür, dass dem Antragsteller der Erwerb der Lautsprache möglich sei. Es fehle zudem an einem Anordnungsgrund. Nicht einmal der Antragsteller behaupte (substantiiert), dass ihm bei Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens nicht wiedergutzumachende, unzumutbare Nachteile entstehen würden. Welche das sein könnten, sei für das Gericht auch nicht zu erkennen. Dass der Antragsteller ohne umgehendes Erlernen der Gebärdensprache in seiner Lautsprache dauerhaft benachteiligt bleiben würde, werde ebenfalls nicht behauptet und liege auch nicht nahe. Die Gebärdensprache helfe dem Antragsteller nicht, besser zu hören und seine Aussprache verbessere sie ebenfalls nicht. Entsprechend habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) den therapeutischen Nutzen eines Gebärdensprachkurses bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit nicht in den Heilmittelkatalog aufgenommen (Ziffer 2.3 Heilmittelkatalog).
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt, die CI-Versorgung sei risikobehaftet und nicht ausreichend. Mit der Frühförderung und der im Kindergarten vorgehaltenen institutionellen Förderung könnten die Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe nicht erreicht werden. Der Antragsteller brauche in der Lautsprache Unterstützung durch Gebärden. Nur so könne er gut Lautsprache erlernen und verstehen. Er lerne erst die Gebärde, dann das Wort. Die Gebärdenkenntnisse der Lehrer würden nicht mehr ausreichen, um dem Antragsteller ausreichend Gebärden für seinen Lautspracherwerb beizubringen. Der Antragsteller könne Zusammenhänge nicht lautsprachlich ausdrücken. Er verstehe vieles in Lautsprache nicht. Die rein lautsprachlich orientierte Förderung entspräche nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Die gebärdensprachliche Förderung sei im Sinne der Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe erforderlich und geeignet. Bei den bisher erbrachten Eingliederungshilfen handele es sich um Leistungen, die die Eingliederung in eine hörende Welt unterstützten und keine Gebärdensprachkurse. Der Antragsteller brauche eine Sprache, in welcher er aktuell kommunizieren könne. Der Einsatz der Cochlea-Implantate gewährleiste nicht, dass der Antragsteller Lautsprache erlernen werde. Der Antragsteller sei sprachlich und vom Hörverständnis entwicklungsverzögert. Der Antragsteller müsse, wenn er krank oder im Schwimmbecken sei sowie nachts, seine Prozessoren ablegen. In solchen Situationen sei eine Kommunikation in Gebärden unerlässlich.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. November 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zur Finanzierung eines Hausgebärdensprachkurses eine (vorläufige) Kostenübernahmeerklärung gemäß der §§ 53, 54 SGB XII unter Berücksichtigung des Kostenvoranschlages der A. vom 14.09.2017 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner trägt vor, in der Frühförderung würden lautsprachbegleitende Gebärden, abhängig vom individuellen Hör- und Sprachstand des Kindes, in die Förderung einbezogen. Daneben erhalte der Antragsteller die Förderung während des Kindertagesstättenbesuchs sowie Rehamaßnahmen des Cochlea Implantat Zentrums Süd. Auch wenn aus Sicht der Eltern des Antragstellers ein bilinguales Aufwachsen wünschenswert erscheine, sei aber im Rahmen der Eingliederungshilfe immer zuerst zu prüfen, ob die beantragte Leistung erforderlich, geeignet und angemessen sei, um die bestehende Behinderung zu mildern. In der Stellungnahme des Fachdienstes der Kindertagesstätte vom 30.07.2018 werde der Antragsteller als ein sprechfreudiges Kind beschrieben, welches ein Jahr nach der Versorgung mit CIs mittlerweile Zwei- bis Dreiwortsätze produziere. Der Kreis der mittels DGS kommunizierenden Menschen sei sehr klein und würde aus Sicht des Antragsgegners auch keine umfangreiche Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bieten. Dass es Situationen gäbe, in denen das CI seine Grenzen habe, werde nicht bestritten. Es stelle sich die Frage, inwieweit der Antragsgegner auf die Gebärden seiner Eltern schaue, wenn er in der Badewanne wild und übermütig sei. Der Bedarf des Antragstellers sei durch die bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe gedeckt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Antragsgegners und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das SG legt einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde. Insbesondere vermischt es bei der Formulierung und Anwendung seines Prüfungsmaßstabs die einfachgesetzlichen Voraussetzungen (Anordnungsanspruch und -grund) und die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Eilrechtsschutzes (zum zutreffenden Prüfungsmaßstab sogleich unter 1.). Der Eilantrag hat bereits nach den einfachgesetzlichen Maßgaben Erfolg; hilfsweise fiele auch eine Güter- und Folgenabwägung zugunsten des Antragstellers aus (dazu unter 2.).
1.Der zutreffende Prüfungsmaßstab stellt sich wie folgt dar: Gemäß dem hier grundsätzlich einschlägigen § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Hauptsacheerfolgs) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Eilbedürftigkeit). Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad verweist § 86b Abs. 2 S. 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach (Hauptsache-)Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen sind. Allerdings gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Aus den genannten Vorschriften stellt sich die in § 920 Abs. 2 ZPO genannte Glaubhaftmachung als Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne eines objektiven Beweismaßes (ohne subjektive Beweisführungslast) dar. Der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet (BSG, Urteile vom 08.08.2001 - B 9 U 23/01 B, juris Rn. 4 f. und vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R, juris Rn. 116). Anders als bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, bei der absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache, etwa in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang, sprechen muss (vgl. dazu BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), reicht bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer guten Möglichkeit aus, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (allgemeine Auffassung; vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 41, 16b, § 128 Rn. 3d). Die Glaubhaftmachung kennzeichnet dabei im Bereich der Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften - soweit ersichtlich unbestrittenerweise - keinen variablen, von Fall zu Fall neu festzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern eben die im vorgenannten Sinn überwiegende Wahrscheinlichkeit, also das Vorliegen der guten Möglichkeit (zur verfassungsrechtlichen Sicht sogleich unten).
Zusammenfassend stellt sich der einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab wie folgt dar: § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, § 103 SGG (Untersuchungsgrundsatz) und § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung als Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne subjektive Beweisführungslast) regeln im Zusammenspiel, dass der Erfolg eines Eilantrags voraussetzt, dass der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (sogenannter Anordnungsanspruch), und dass dem Antragsteller im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, also ein wesentlicher Nachteil, droht (sogenannter Anordnungsgrund; vgl. zum Ganzen Krodel in Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2017, Rn. 356 - 358, 347, 337 f., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dieser einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab ist für den Richter grundsätzlich bindend (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG). Liegen mithin Anordnungsanspruch und- grund im oben genannten Sinne vor, hat der Eilantrag. Für eine Güter- und Folgenabwägung ist dann kein Raum.
Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung jedoch fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind (vgl. etwa BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06 Orientierungssatz 2 - Verhinderung von schweren und unzumutbaren Nachteilen, speziell für den Leistungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung; vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 juris Rn. 10: Folgenabwägung möglich, wenn eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist), ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 86b Abs. 2 SGG geboten. Die Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall ist dann durch offene (Güter- und Folgen-) Abwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade zu gewährleisten.
Auch im Falle der Güter- und Folgenabwägung sind im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen unter Beachtung der Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, 97 I GG) die Regelungen des § 86b SGG zur Anwendung zu bringen. Ob der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hat, ist daher nach Feststellung (zumindest) der Möglichkeit eines prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen (als aus § 86b Abs. 2 SGG abgeleitete und daher wegen der Gesetzesbindung zwingend zu beachtende Abwägungselemente) nach offener Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles, insbesondere der bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags jeweils drohenden Folgen, zu entscheiden. Von der in Vornahmesachen als objektives Beweismaß gesetzlich vorgegebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im oben dargestellten Sinn) darf in diesen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zur Vermeidung einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu Gunsten des Antragstellers abgewichen werden. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Beeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs werden vom Gericht ohne Bindung an das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in Relation gesetzt zur Schwere der drohenden Beeinträchtigung. Auf diese Weise kann eine über den einfachgesetzlich geforderten wesentlichen Nachteil hinaus drohende Beeinträchtigung im konkreten Fall in angemessener Weise Berücksichtigung finden.
Zusammenfassend bedeutet dies für den Fall, dass eine Güter- und Folgenabwägung durchzuführen ist, dass die in die Eilentscheidung einzubeziehenden Abwägungselemente des (jedenfalls möglichen) prospektiven Hauptsacheerfolgs und der (jedenfalls möglicherweise) ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen nach Beeinträchtigungs- und Wahrscheinlichkeitsgraden im Rahmen einer offenen Abwägung vom Richter zu gewichten sind (vgl. dazu BVerfG vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96: eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage bei entsprechendem Anlass; BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02, juris LS 4 und Rn. 9: besonders intensive und nicht nur summarische Prüfung bei mittelbarer Lebensgefahr; BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25: abschließende Prüfung bei möglicher Verletzung der Menschenwürde; BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 u. vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12, juris Rn. 10: Pflicht, "desto intensiver (zu) prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist"). Um dem Eilantrag stattzugeben, kann so bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs ausreichen. Um den Eilantrag unter Orientierung an der Hauptsache abzulehnen, ist bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz möglichen Beeinträchtigung gegebenenfalls schon im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25; vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 juris Rn. 20).
Der Richter hat mithin zunächst zu prüfen, ob Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im oben dargestellten Sinn vorliegen. Ist dies der Fall, hat der Eilantrag dem Grunde nach Erfolg. Ist dies nicht der Fall - und nur dann - ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, wenn ein Hauptsacheerfolg und der Eintritt einer schweren Beeinträchtigung im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zumindest möglich sind; dabei sind die (hypothetischen) Folgen bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags, insbesondere die Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der ohne Eilrechtsschutz für den Antragsteller drohenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.
2. Vorliegend hat der Eilantrag bereits nach den einfachgesetzlichen Maßgaben Erfolg, weil ein Anordnungsanspruch (dazu unter a) und ein Anordnungsgrund (dazu unter b) gegeben sind. Eine Güter- und Folgenabwägung ist daher nicht durchzuführen; auch sie fiel aber zugunsten des Antragstellers aus (s. hilfsweise unter c).
a. Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Wie bereits ausgeführt liegt ein Anordnungsanspruch vor, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Hauptsacheanspruch des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs ist - im Sinne der oben dargestellten Definition - überwiegend wahrscheinlich, weil die gute Möglichkeit besteht, dass der Antragsgegner zur Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs verpflichtet ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen.
Der Antragsteller hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 16 Nr. 2 EinglhV. Fraglich ist allein, ob der bestehende Eingliederungsbedarf durch die vom Antragsgegner bereits bewilligten Leistungen abgedeckt ist. Im vorliegenden Eilverfahren kann und muss nicht abschließend entschieden werden, ob nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass mit dem angestrebten Hausgebärdensprachkurs im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt wird. Es reicht aus, wenn hierfür die gute Möglichkeit besteht, was nach Auffassung des Senats der Fall ist. Denn es besteht - auch unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner bereits gewährten Leistungen - eine entsprechende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kurs geeignet und erforderlich (und dann auch angemessen) ist, die Fähigkeit des Antragstellers, an der Gesellschaft teilzuhaben, maßgeblich zu verbessern. Für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs spricht nach dem Bericht der Dipl.Soz.Päd (FH) E. (E) vom 30.07.2018, dass mit dem Antragsteller in der Familie von Anfang an lautsprachunterstützend unter Verwendung einzelner Gebärden kommuniziert wurde, dass beide Elternteile Kurse in DGS besuchen und dass auch die Schwester des Antragstellers an dem bereits stattfindenden Hausgebärdensprachkurs teilnimmt. Der Bericht der E führt ferner aus, dass sprachunterstützende Gebärden für das Verständnis von Erzählungen und Erklärungen notwendig seien, vor allem mit steigender Geräuschkulisse. Der Antragsteller habe von Anfang an auf Gebärden, die er auch schon von zu Hause gekannt habe, geachtet und diese schon vor der eigenen Sprachproduktion zur Kommunikation genutzt. Bei neuen Wörtern oder kleinen Sätzen verknüpfe der Antragsteller Wort und Gebärde. Durch die Anwendung sprachunterstützender Gebärden erlebe er weniger Frustration und seine Motivation zu sprechen steige. Für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs spricht ferner, dass - wie sich aus den Entwicklungsberichten des Zentrums für Hörgeschädigte ergibt - der Antragsteller noch am Beginn seiner Hörentwicklung steht, erst langsam beginnt, auf Töne, Geräusche und Stimmen zu reagieren, und durch Blickkontakt, Gesten und kleinkindliche Gebärden kommuniziert. Der Entwicklungsrückstand in der aktiven Sprachentwicklung und im Sprachverstehen sei noch sehr groß, besonders in der Hör- und Sprachentwicklung sei noch kein altersentsprechender Entwicklungsstand gegeben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antragsteller Im Mai 2017 mit einem CI links und im Juli 2017 rechts versorgt wurde, dass er seither durch das Cochlea-Implantat-Centrum in W-Stadt versorgt wird und seit dem 01.09.2017 die Kindergrippe der N. gGmbH besucht. Ebenfalls nicht verkannt wird, dass berichtet wird, dass der Ast beginne, kleine Lautmalereien zu imitieren und sprachliche Informationen - wenn auch begrenzt - zu verstehen, dass er gute Fortschritte mache, dass die aktuell ermittelten Hörschwellen im altersgerechten Bereich und dass er seine Hörgeräte sehr gerne trage und einzelne Wörter zu sprechen beginne. Dies alles schließt - jedenfalls nach der im Eilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung - die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs nach Auffassung des Senats nicht aus. Insbesondere bestehen die oben beschriebenen Entwicklungsrückstände des Antragstellers trotz der vom Antragsgegner bewilligten Eingliederungsmaßnahmen fort, was auf die Erforderlichkeit einer weiteren Förderung hindeutet. Für die Geeignetheit der Maßnahme spricht insbesondere das oben beschriebene familiäre Engagement. Klarheit über Geeignetheit und Erforderlichkeit der begehrten Leistungen kann aber erst eine weitere Aufklärung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren erbringen.
b. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Dem Antragsteller droht im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil, d.h. eine über Randbereiche hinausgehende Beeinträchtigung. Es besteht nach Einschätzung des Senats die gute Möglichkeit, dass ohne die Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs irreversible Entwicklungsverzögerungen des Antragstellers entstehen, die seine Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, erheblich beeinträchtigen. Von bestehenden Entwicklungsrückständen des Antragstellers geht offenbar auch das SG aus, wenn es ausführt, das Bedürfnis des Antragstellers und der Eltern des Antragstellers, möglichst bald eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, sei nachvollziehbar und anzuerkennen, das bereits erworbene Hör- und Sprachvermögen des Antragstellers sei nicht altersgerecht. Welchen therapeutischen Nutzen ein Gebärdensprachkurs letztlich für den Ast mit sich bringt, wird das Hauptsacheverfahren erweisen. Es ist dem Antragsteller nach alledem wegen der in der Interimszeitzeit möglichen Beeinträchtigungen nicht zuzumuten, das Ergebnis einer erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
c. Auch eine Güter und Folgenabwägung fiele im Übrigen zugunsten des Antragstellers aus. Das Bestehen des geltend gemachten Hauptsacheanspruchs ist überwiegend wahrscheinlich, jedenfalls ist ein Hauptsacheanspruch möglich (Abwägungselement des prospektiven Hauptsacheerfolgs). Der Eintritt von schweren Beeinträchtigungen bei Nichtgewährung des begehrten Eilrechtsschutzes ist jedenfalls denkbar. Die Eltern des Antragstellers beschreiben glaubhaft Gefährdungssituationen, in denen eine Verständigung mit dem Antragsteller nur durch Gebärdensprache möglich ist, um Gefahren zu vermeiden (Abwägungselement der Schwere und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Beeinträchtigung des Antragstellers). Die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechender Situationen mag nicht allzu hoch sein. Realisieren sich aber entsprechende Gefahren, sind auch schwere Beeinträchtigungen möglich. Im Übrigen hält es der Senat nicht für unwahrscheinlich, dass das Erlernen der Gebärdensprache die Teilhabe des Antragstellers am gesellschaftlichen Leben in nicht unerheblichem Maße verbessert. Auch die Folgenabwägung im Sinne der so genannten Doppelhypothese (Folgen bei Unterliegen im Eilverfahren / Obsiegen in der Hauptsache einerseits und bei Obsiegen im Eilverfahren / Unterliegen in der Hauptsache andererseits) spricht für die vorläufige Kostenverpflichtung des Antragsgegners: Im erstgenannten Fall ist der Eintritt der oben genannten Beeinträchtigungen möglich. Im letztgenannten Fall kommt es lediglich zur Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers, wobei der Senat das Risiko eines Anspruchsverlusts des Antragsgegners für gering erachtet. Die Folgenabwägung spricht mithin eindeutig für die vom Senat getroffene Entscheidung.
3. Den Inhalt der einstweiligen Anordnung bestimmt der Senat nach seinem Ermessen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG, § 938 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Im Hinblick auf die Rechtsschutzfunktion des § 86 b SGG und unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz war es geboten, den Antragsgegner für einen begrenzten Zeitraum zur Kostenübernahme für den begehrten Unterricht in DGS zu verpflichten. Hinsichtlich des Umfangs des Unterrichts erscheinen dem Senat die geltend gemachten vier Stunden wöchentlich zu (höchstens) 50,00 Euro je Stunde plausibel. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der einstweiligen Anordnung war die Verpflichtung des Antragsgegners (aus der Sicht der Beschwerdeentscheidung) zukunftsgerichtet auszusprechen und bis zur Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu befristen, da bis dahin weitere Erkenntnisse zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme durch weitere Sachverhaltsaufklärung zu erwarten sind.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass Sozialleistungen, die per gerichtlicher Eilentscheidung zugesprochen werden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen, und dass, sollte sich in einem Hauptsacheverfahren erweisen, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, der Antragsteller verpflichtet ist, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht, §§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, 945 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eilantrag Erfolg hatte.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
II. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Kosten eines Hausgebärdensprachkurses im Umfang von vier Stunden wöchentlich zu höchstens 50,00 Euro je Stunde für die Zeit ab 01.02.2019 bis längstens zur Bekanntgabe der erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung gegenüber dem Antragsteller zu übernehmen.
III. Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.
Gründe:
I.
Im vorliegenden Eilverfahren - Beschwerdeverfahren - geht es um die Frage, ob der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten ist, die Kosten des Antragstellers für das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) im Rahmen eines Hausgebärdensprachkurses zu übernehmen.
Der 2015 geborene Antragsteller ist von Geburt an beidseitig hörgemindert. Wegen der diagnostizierten sensorineuralen Schwerhörigkeit beidseits mit Sprachentwicklungsstörungen sind ihm ein Grad der Behinderung von 80 und die Merkzeichen G, B und RF zuerkannt (Bescheid des Zentrums Bayern für Familie und Soziales vom 09.05.2018).
Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller für den Zeitraum 15.01.2016 bis 14.01.2019 Leistungen der Eingliederungshilfe in Form von interdisziplinärer Frühförderung als Komplexleistung im Umfang von 72 psychologischen/heilpädagogischen Behandlungseinheiten in den Räumen der interdisziplinären Frühförderstelle am Zentrum für Hörgeschädigte und durch den mobilen Frühförderdienst (Bescheide vom 01.02.2016, 20.01.2017 und 18.01.2018). Darüber hinaus erhält der Antragsteller logopädische Therapie in Kostenträgerschaft der zuständigen Krankenkasse. Mit Bescheid vom 12.10.2017 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen der Eingliederungshilfe im Umfang der Regelleistungen in der Kindertageseinrichtung für den Zeitraum 15.09.2017 bis 31.08.2019. Der Einrichtung werde eine Erhöhung der Personalausstattung finanziert. Hierbei handele es sich um mindestens zwei Betreuungsstunden pro Wochen. Darüber hinaus müsse die Einrichtung einen Fachdienst (z.B.: Heilpädagogen) im Umfang von mindestens 50 Stunden jährlich für die heilpädagogische Förderung des Antragstellers bereitstellen.
Mit Schreiben vom 25.10.2017 beantragte der Antragsteller einen Hausgebärdensprachkurs als persönliches Budget für vier Stunden pro Woche zu jeweils 50,00 Euro bis zum Erlernen einer guten Sprachkompetenz. Der Antragsteller verstehe fast keine gesprochene Sprache. Eine Kommunikation sei nur über die DGS möglich. Der Antragsteller brauche eine professionelle Unterstützung, da er gerne altersentsprechend kommunizieren würde und einen starken Wissensdrang habe, den seine Eltern nicht mehr befriedigen können.
Mit Bescheid vom 08.01.2018 (Widerspruchsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 29.03.2018) lehnte der Antragsgegner nach entsprechender Anhörung den Antrag auf Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs ab. Der Antragsteller habe dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 SGB X. Der bestehende Eingliederungsbedarf sei jedoch bereits abgedeckt. Ein darüberhinausgehender Bedarf nicht gegeben. Neben der Eingliederungshilfe in der Kindertagesstätte und der Frühförderung am Zentrum für Hörgeschädigte könne im Therapiebereich des Cochlea-Implantat-Centrums C. an der Universitätsklinik in E-Stadt weitere medizinische Förderung in Anspruch genommen werden.
Dagegen erhob der Antragsteller am 03.05.2018 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG).
Am 09.10.2018 hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellte und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass der alleinige Erwerb der Lautsprache für die Entwicklung des Antragstellers nicht ausreichend sei, wissenschaftliche Studien einen bilingualen Spracherwerb bezüglich Lautsprache und deutsche Gebärdensprache im Hinblick auf eine umfassende kindgerechte Förderung für notwendig erachten würden und es nicht absehbar sei, ob der Antragsteller durch die Cochlea-Implantat (CI) - Versorgung später gesichert die Lautsprache vollständig erlernen könne, zumal diesbezüglich gesicherte fachliche Erkenntnisse erst nach einer Therapiezeit von drei Jahren erlangt werden könnten.
Mit Beschluss vom 14. November 2018 hat das SG den Antrag abgelehnt und ausgeführt, das Ergebnis der Hauptsache sei offen und werde ggf. durch das Einholen eines fachärztlichen Gutachtens zu klären sein. Nach der derzeitigen Aktenlage erschienen die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens jedoch nicht überwiegend wahrscheinlich. Die Schwerhörigkeit sei beim Antragsteller bereits sehr früh festgestellt worden. Es habe eine engmaschige medizinische Betreuung und Frühförderung stattgefunden. Hinzu komme ein starkes Engagement der Eltern bei der Unterstützung der Entwicklung des Antragstellers. Der Antragsteller erhalte im Rahmen der Frühförderung bereits eine - vom Antragsgegner im Rahmen der vorbezeichneten Rechtsvorschriften bewilligte - behinderungsspezifische Förderung über die Frühförderstelle am Zentrum für Hörgeschädigte mit dem Förderschwerpunkt der Hör- und Sprachentwicklungsförderung; der bewilligte Umfang umfasse aktuell 72 Behandlungseinheiten in einem Zeitraum von zwölf Monaten. Zudem erhalte er weitere Förderung im Rahmen des Besuches der Kindertagesstätte. Damit stehe fest, dass der Antragsgegner bereits Leistungen erbringe, die es dem Antragsteller ermöglichen, sich künftig besser mit der Umwelt zu verständigen. Das Bedürfnis des Antragstellers und der Eltern des Antragstellers, möglichst bald eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, sei nachvollziehbar und anzuerkennen; welche wesentlichen Nachteile durch eine einstweilige Regelung abgewendet werden sollen, sei aber nicht ausreichend dargelegt. Ausweislich der in der Akte befindlichen Befund- und Entwicklungsberichte habe der Antragsteller bereits Hör- und Sprachvermögen erworben, welches jedoch nicht altersgerecht sei. Er sei in der Lage, einzelne Worte zu sprechen und Zwei- bis Dreiwortsätze zu bilden. Es spreche daher viel dafür, dass dem Antragsteller der Erwerb der Lautsprache möglich sei. Es fehle zudem an einem Anordnungsgrund. Nicht einmal der Antragsteller behaupte (substantiiert), dass ihm bei Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens nicht wiedergutzumachende, unzumutbare Nachteile entstehen würden. Welche das sein könnten, sei für das Gericht auch nicht zu erkennen. Dass der Antragsteller ohne umgehendes Erlernen der Gebärdensprache in seiner Lautsprache dauerhaft benachteiligt bleiben würde, werde ebenfalls nicht behauptet und liege auch nicht nahe. Die Gebärdensprache helfe dem Antragsteller nicht, besser zu hören und seine Aussprache verbessere sie ebenfalls nicht. Entsprechend habe der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) den therapeutischen Nutzen eines Gebärdensprachkurses bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit nicht in den Heilmittelkatalog aufgenommen (Ziffer 2.3 Heilmittelkatalog).
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und ausgeführt, die CI-Versorgung sei risikobehaftet und nicht ausreichend. Mit der Frühförderung und der im Kindergarten vorgehaltenen institutionellen Förderung könnten die Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe nicht erreicht werden. Der Antragsteller brauche in der Lautsprache Unterstützung durch Gebärden. Nur so könne er gut Lautsprache erlernen und verstehen. Er lerne erst die Gebärde, dann das Wort. Die Gebärdenkenntnisse der Lehrer würden nicht mehr ausreichen, um dem Antragsteller ausreichend Gebärden für seinen Lautspracherwerb beizubringen. Der Antragsteller könne Zusammenhänge nicht lautsprachlich ausdrücken. Er verstehe vieles in Lautsprache nicht. Die rein lautsprachlich orientierte Förderung entspräche nicht mehr dem Stand der Wissenschaft. Die gebärdensprachliche Förderung sei im Sinne der Ziele und Aufgaben der Eingliederungshilfe erforderlich und geeignet. Bei den bisher erbrachten Eingliederungshilfen handele es sich um Leistungen, die die Eingliederung in eine hörende Welt unterstützten und keine Gebärdensprachkurse. Der Antragsteller brauche eine Sprache, in welcher er aktuell kommunizieren könne. Der Einsatz der Cochlea-Implantate gewährleiste nicht, dass der Antragsteller Lautsprache erlernen werde. Der Antragsteller sei sprachlich und vom Hörverständnis entwicklungsverzögert. Der Antragsteller müsse, wenn er krank oder im Schwimmbecken sei sowie nachts, seine Prozessoren ablegen. In solchen Situationen sei eine Kommunikation in Gebärden unerlässlich.
Der Antragsteller beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 14. November 2018 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller zur Finanzierung eines Hausgebärdensprachkurses eine (vorläufige) Kostenübernahmeerklärung gemäß der §§ 53, 54 SGB XII unter Berücksichtigung des Kostenvoranschlages der A. vom 14.09.2017 in gesetzlicher Höhe zu bewilligen.
Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner trägt vor, in der Frühförderung würden lautsprachbegleitende Gebärden, abhängig vom individuellen Hör- und Sprachstand des Kindes, in die Förderung einbezogen. Daneben erhalte der Antragsteller die Förderung während des Kindertagesstättenbesuchs sowie Rehamaßnahmen des Cochlea Implantat Zentrums Süd. Auch wenn aus Sicht der Eltern des Antragstellers ein bilinguales Aufwachsen wünschenswert erscheine, sei aber im Rahmen der Eingliederungshilfe immer zuerst zu prüfen, ob die beantragte Leistung erforderlich, geeignet und angemessen sei, um die bestehende Behinderung zu mildern. In der Stellungnahme des Fachdienstes der Kindertagesstätte vom 30.07.2018 werde der Antragsteller als ein sprechfreudiges Kind beschrieben, welches ein Jahr nach der Versorgung mit CIs mittlerweile Zwei- bis Dreiwortsätze produziere. Der Kreis der mittels DGS kommunizierenden Menschen sei sehr klein und würde aus Sicht des Antragsgegners auch keine umfangreiche Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft bieten. Dass es Situationen gäbe, in denen das CI seine Grenzen habe, werde nicht bestritten. Es stelle sich die Frage, inwieweit der Antragsgegner auf die Gebärden seiner Eltern schaue, wenn er in der Badewanne wild und übermütig sei. Der Bedarf des Antragstellers sei durch die bewilligten Leistungen der Eingliederungshilfe gedeckt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der beigezogenen Akten des Antragsgegners und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Das SG legt einen unzutreffenden Prüfungsmaßstab zugrunde. Insbesondere vermischt es bei der Formulierung und Anwendung seines Prüfungsmaßstabs die einfachgesetzlichen Voraussetzungen (Anordnungsanspruch und -grund) und die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Eilrechtsschutzes (zum zutreffenden Prüfungsmaßstab sogleich unter 1.). Der Eilantrag hat bereits nach den einfachgesetzlichen Maßgaben Erfolg; hilfsweise fiele auch eine Güter- und Folgenabwägung zugunsten des Antragstellers aus (dazu unter 2.).
1.Der zutreffende Prüfungsmaßstab stellt sich wie folgt dar: Gemäß dem hier grundsätzlich einschlägigen § 86b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung des Hauptsacheerfolgs) zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (= tatbestandlicher Anknüpfungspunkt für die Prüfung der Eilbedürftigkeit). Im Hinblick auf den zu fordernden Überzeugungsgrad verweist § 86b Abs. 2 S. 4 SGG unter anderem auf § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO), wonach (Hauptsache-)Anspruch und Anordnungsgrund glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich zu machen sind. Allerdings gilt auch im sozialgerichtlichen Eilverfahren der Amtsermittlungsgrundsatz des § 103 SGG. Aus den genannten Vorschriften stellt sich die in § 920 Abs. 2 ZPO genannte Glaubhaftmachung als Überzeugungsgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit im Sinne eines objektiven Beweismaßes (ohne subjektive Beweisführungslast) dar. Der Beweismaßstab der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist durch seine Relativität gekennzeichnet (BSG, Urteile vom 08.08.2001 - B 9 U 23/01 B, juris Rn. 4 f. und vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R, juris Rn. 116). Anders als bei der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, bei der absolut mehr für als gegen die jeweilige Tatsache, etwa in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang, sprechen muss (vgl. dazu BSG, Urteile vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R, SozR 4-2700 § 9 Nr. 7 und vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), reicht bei der überwiegenden Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer guten Möglichkeit aus, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (allgemeine Auffassung; vgl. z.B. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Schmidt, 12. Aufl. 2017, § 86b Rn. 41, 16b, § 128 Rn. 3d). Die Glaubhaftmachung kennzeichnet dabei im Bereich der Anwendung einfachgesetzlicher Vorschriften - soweit ersichtlich unbestrittenerweise - keinen variablen, von Fall zu Fall neu festzulegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab, sondern eben die im vorgenannten Sinn überwiegende Wahrscheinlichkeit, also das Vorliegen der guten Möglichkeit (zur verfassungsrechtlichen Sicht sogleich unten).
Zusammenfassend stellt sich der einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab wie folgt dar: § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG, § 103 SGG (Untersuchungsgrundsatz) und § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO (Glaubhaftmachung als Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ohne subjektive Beweisführungslast) regeln im Zusammenspiel, dass der Erfolg eines Eilantrags voraussetzt, dass der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht (sogenannter Anordnungsanspruch), und dass dem Antragsteller im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit eine über Randbereiche hinausgehende Rechtsverletzung, also ein wesentlicher Nachteil, droht (sogenannter Anordnungsgrund; vgl. zum Ganzen Krodel in Krodel/Feldbaum, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 4. Aufl. 2017, Rn. 356 - 358, 347, 337 f., jeweils mit weiteren Nachweisen).
Dieser einfachgesetzliche Prüfungsmaßstab ist für den Richter grundsätzlich bindend (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG). Liegen mithin Anordnungsanspruch und- grund im oben genannten Sinne vor, hat der Eilantrag. Für eine Güter- und Folgenabwägung ist dann kein Raum.
Werden die einfachgesetzlich vorgeschriebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeiten nicht erreicht, ist die Prüfung jedoch fortzusetzen: Droht bei Ablehnung des Eilantrags unter Berücksichtigung des Rechtsschutzziels eine Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, weil schwere, über den wesentlichen Nachteil hinausgehende Beeinträchtigungen möglich sind (vgl. etwa BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Leitsatz 2 a und Rn. 25 - 28; vom 06.02.2007, 1 BvR 3101/06 Orientierungssatz 2 - Verhinderung von schweren und unzumutbaren Nachteilen, speziell für den Leistungsanspruch der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung; vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12 juris Rn. 10: Folgenabwägung möglich, wenn eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist), ist eine verfassungskonforme Auslegung des § 86b Abs. 2 SGG geboten. Die Verhältnismäßigkeit im konkreten Fall ist dann durch offene (Güter- und Folgen-) Abwägung unter Berücksichtigung der festgestellten Wahrscheinlichkeits- und Beeinträchtigungsgrade zu gewährleisten.
Auch im Falle der Güter- und Folgenabwägung sind im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen unter Beachtung der Gesetzesbindung der Gerichte (Art. 20 Abs. 3, 97 I GG) die Regelungen des § 86b SGG zur Anwendung zu bringen. Ob der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hat, ist daher nach Feststellung (zumindest) der Möglichkeit eines prospektiven Hauptsacheerfolgs und der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen (als aus § 86b Abs. 2 SGG abgeleitete und daher wegen der Gesetzesbindung zwingend zu beachtende Abwägungselemente) nach offener Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles, insbesondere der bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags jeweils drohenden Folgen, zu entscheiden. Von der in Vornahmesachen als objektives Beweismaß gesetzlich vorgegebenen überwiegenden Wahrscheinlichkeit (Glaubhaftmachung im oben dargestellten Sinn) darf in diesen Fällen aus verfassungsrechtlichen Gründen, nämlich zur Vermeidung einer Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, zu Gunsten des Antragstellers abgewichen werden. Die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Beeinträchtigung und die Wahrscheinlichkeit des Hauptsacheerfolgs werden vom Gericht ohne Bindung an das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit in Relation gesetzt zur Schwere der drohenden Beeinträchtigung. Auf diese Weise kann eine über den einfachgesetzlich geforderten wesentlichen Nachteil hinaus drohende Beeinträchtigung im konkreten Fall in angemessener Weise Berücksichtigung finden.
Zusammenfassend bedeutet dies für den Fall, dass eine Güter- und Folgenabwägung durchzuführen ist, dass die in die Eilentscheidung einzubeziehenden Abwägungselemente des (jedenfalls möglichen) prospektiven Hauptsacheerfolgs und der (jedenfalls möglicherweise) ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen nach Beeinträchtigungs- und Wahrscheinlichkeitsgraden im Rahmen einer offenen Abwägung vom Richter zu gewichten sind (vgl. dazu BVerfG vom 25.07.1996 - 1 BvR 638/96: eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage bei entsprechendem Anlass; BVerfG vom 22.11.2002 - 1 BvR 1586/02, juris LS 4 und Rn. 9: besonders intensive und nicht nur summarische Prüfung bei mittelbarer Lebensgefahr; BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25: abschließende Prüfung bei möglicher Verletzung der Menschenwürde; BVerfG vom 06.02.2013 - 1 BvR 2366/12, juris Rn. 3 u. vom 06.08.2014 - 1 BvR 1453/12, juris Rn. 10: Pflicht, "desto intensiver (zu) prüfen, je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist"). Um dem Eilantrag stattzugeben, kann so bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz drohenden Beeinträchtigungen bereits die Möglichkeit des Bestehens eines Hauptsacheanspruchs ausreichen. Um den Eilantrag unter Orientierung an der Hauptsache abzulehnen, ist bei entsprechender Schwere der ohne Eilrechtsschutz möglichen Beeinträchtigung gegebenenfalls schon im Eilverfahren eine abschließende Prüfung der Hauptsache durchzuführen (BVerfG vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05, juris Rn. 25; vom 14.09.2016 - 1 BvR 1335/13 juris Rn. 20).
Der Richter hat mithin zunächst zu prüfen, ob Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im oben dargestellten Sinn vorliegen. Ist dies der Fall, hat der Eilantrag dem Grunde nach Erfolg. Ist dies nicht der Fall - und nur dann - ist eine umfassende Güter- und Folgenabwägung durchzuführen, wenn ein Hauptsacheerfolg und der Eintritt einer schweren Beeinträchtigung im Sinne der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zumindest möglich sind; dabei sind die (hypothetischen) Folgen bei Stattgabe und Ablehnung des Eilantrags, insbesondere die Schwere und Eintrittswahrscheinlichkeit der ohne Eilrechtsschutz für den Antragsteller drohenden Beeinträchtigungen zu berücksichtigen.
2. Vorliegend hat der Eilantrag bereits nach den einfachgesetzlichen Maßgaben Erfolg, weil ein Anordnungsanspruch (dazu unter a) und ein Anordnungsgrund (dazu unter b) gegeben sind. Eine Güter- und Folgenabwägung ist daher nicht durchzuführen; auch sie fiel aber zugunsten des Antragstellers aus (s. hilfsweise unter c).
a. Ein Anordnungsanspruch liegt vor. Wie bereits ausgeführt liegt ein Anordnungsanspruch vor, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht. Ein Hauptsacheanspruch des Antragstellers auf Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs ist - im Sinne der oben dargestellten Definition - überwiegend wahrscheinlich, weil die gute Möglichkeit besteht, dass der Antragsgegner zur Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs verpflichtet ist. Dies ergibt sich aus folgenden Überlegungen.
Der Antragsteller hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach §§ 53, 54 SGB XII i.V.m. § 16 Nr. 2 EinglhV. Fraglich ist allein, ob der bestehende Eingliederungsbedarf durch die vom Antragsgegner bereits bewilligten Leistungen abgedeckt ist. Im vorliegenden Eilverfahren kann und muss nicht abschließend entschieden werden, ob nach der Besonderheit des Einzelfalles die Aussicht bestand, dass mit dem angestrebten Hausgebärdensprachkurs im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII die Aufgabe der Eingliederungshilfe erfüllt wird. Es reicht aus, wenn hierfür die gute Möglichkeit besteht, was nach Auffassung des Senats der Fall ist. Denn es besteht - auch unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner bereits gewährten Leistungen - eine entsprechende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kurs geeignet und erforderlich (und dann auch angemessen) ist, die Fähigkeit des Antragstellers, an der Gesellschaft teilzuhaben, maßgeblich zu verbessern. Für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs spricht nach dem Bericht der Dipl.Soz.Päd (FH) E. (E) vom 30.07.2018, dass mit dem Antragsteller in der Familie von Anfang an lautsprachunterstützend unter Verwendung einzelner Gebärden kommuniziert wurde, dass beide Elternteile Kurse in DGS besuchen und dass auch die Schwester des Antragstellers an dem bereits stattfindenden Hausgebärdensprachkurs teilnimmt. Der Bericht der E führt ferner aus, dass sprachunterstützende Gebärden für das Verständnis von Erzählungen und Erklärungen notwendig seien, vor allem mit steigender Geräuschkulisse. Der Antragsteller habe von Anfang an auf Gebärden, die er auch schon von zu Hause gekannt habe, geachtet und diese schon vor der eigenen Sprachproduktion zur Kommunikation genutzt. Bei neuen Wörtern oder kleinen Sätzen verknüpfe der Antragsteller Wort und Gebärde. Durch die Anwendung sprachunterstützender Gebärden erlebe er weniger Frustration und seine Motivation zu sprechen steige. Für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs spricht ferner, dass - wie sich aus den Entwicklungsberichten des Zentrums für Hörgeschädigte ergibt - der Antragsteller noch am Beginn seiner Hörentwicklung steht, erst langsam beginnt, auf Töne, Geräusche und Stimmen zu reagieren, und durch Blickkontakt, Gesten und kleinkindliche Gebärden kommuniziert. Der Entwicklungsrückstand in der aktiven Sprachentwicklung und im Sprachverstehen sei noch sehr groß, besonders in der Hör- und Sprachentwicklung sei noch kein altersentsprechender Entwicklungsstand gegeben. Dabei verkennt der Senat nicht, dass der Antragsteller Im Mai 2017 mit einem CI links und im Juli 2017 rechts versorgt wurde, dass er seither durch das Cochlea-Implantat-Centrum in W-Stadt versorgt wird und seit dem 01.09.2017 die Kindergrippe der N. gGmbH besucht. Ebenfalls nicht verkannt wird, dass berichtet wird, dass der Ast beginne, kleine Lautmalereien zu imitieren und sprachliche Informationen - wenn auch begrenzt - zu verstehen, dass er gute Fortschritte mache, dass die aktuell ermittelten Hörschwellen im altersgerechten Bereich und dass er seine Hörgeräte sehr gerne trage und einzelne Wörter zu sprechen beginne. Dies alles schließt - jedenfalls nach der im Eilverfahren nur gebotenen summarischen Prüfung - die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für das Bestehen des Hauptsacheanspruchs nach Auffassung des Senats nicht aus. Insbesondere bestehen die oben beschriebenen Entwicklungsrückstände des Antragstellers trotz der vom Antragsgegner bewilligten Eingliederungsmaßnahmen fort, was auf die Erforderlichkeit einer weiteren Förderung hindeutet. Für die Geeignetheit der Maßnahme spricht insbesondere das oben beschriebene familiäre Engagement. Klarheit über Geeignetheit und Erforderlichkeit der begehrten Leistungen kann aber erst eine weitere Aufklärung des Sachverhalts im Hauptsacheverfahren erbringen.
b. Auch ein Anordnungsgrund ist gegeben. Dem Antragsteller droht im Interimszeitraum bis zur Hauptsacheentscheidung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein wesentlicher Nachteil, d.h. eine über Randbereiche hinausgehende Beeinträchtigung. Es besteht nach Einschätzung des Senats die gute Möglichkeit, dass ohne die Übernahme der Kosten für einen Hausgebärdensprachkurs irreversible Entwicklungsverzögerungen des Antragstellers entstehen, die seine Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, erheblich beeinträchtigen. Von bestehenden Entwicklungsrückständen des Antragstellers geht offenbar auch das SG aus, wenn es ausführt, das Bedürfnis des Antragstellers und der Eltern des Antragstellers, möglichst bald eine gemeinsame Kommunikationsebene zu schaffen, sei nachvollziehbar und anzuerkennen, das bereits erworbene Hör- und Sprachvermögen des Antragstellers sei nicht altersgerecht. Welchen therapeutischen Nutzen ein Gebärdensprachkurs letztlich für den Ast mit sich bringt, wird das Hauptsacheverfahren erweisen. Es ist dem Antragsteller nach alledem wegen der in der Interimszeitzeit möglichen Beeinträchtigungen nicht zuzumuten, das Ergebnis einer erstinstanzlichen Hauptsacheentscheidung abzuwarten.
c. Auch eine Güter und Folgenabwägung fiele im Übrigen zugunsten des Antragstellers aus. Das Bestehen des geltend gemachten Hauptsacheanspruchs ist überwiegend wahrscheinlich, jedenfalls ist ein Hauptsacheanspruch möglich (Abwägungselement des prospektiven Hauptsacheerfolgs). Der Eintritt von schweren Beeinträchtigungen bei Nichtgewährung des begehrten Eilrechtsschutzes ist jedenfalls denkbar. Die Eltern des Antragstellers beschreiben glaubhaft Gefährdungssituationen, in denen eine Verständigung mit dem Antragsteller nur durch Gebärdensprache möglich ist, um Gefahren zu vermeiden (Abwägungselement der Schwere und der Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Beeinträchtigung des Antragstellers). Die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechender Situationen mag nicht allzu hoch sein. Realisieren sich aber entsprechende Gefahren, sind auch schwere Beeinträchtigungen möglich. Im Übrigen hält es der Senat nicht für unwahrscheinlich, dass das Erlernen der Gebärdensprache die Teilhabe des Antragstellers am gesellschaftlichen Leben in nicht unerheblichem Maße verbessert. Auch die Folgenabwägung im Sinne der so genannten Doppelhypothese (Folgen bei Unterliegen im Eilverfahren / Obsiegen in der Hauptsache einerseits und bei Obsiegen im Eilverfahren / Unterliegen in der Hauptsache andererseits) spricht für die vorläufige Kostenverpflichtung des Antragsgegners: Im erstgenannten Fall ist der Eintritt der oben genannten Beeinträchtigungen möglich. Im letztgenannten Fall kommt es lediglich zur Rückzahlungsverpflichtung des Antragstellers, wobei der Senat das Risiko eines Anspruchsverlusts des Antragsgegners für gering erachtet. Die Folgenabwägung spricht mithin eindeutig für die vom Senat getroffene Entscheidung.
3. Den Inhalt der einstweiligen Anordnung bestimmt der Senat nach seinem Ermessen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG, § 938 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Im Hinblick auf die Rechtsschutzfunktion des § 86 b SGG und unter Berücksichtigung der grundgesetzlichen Gewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz war es geboten, den Antragsgegner für einen begrenzten Zeitraum zur Kostenübernahme für den begehrten Unterricht in DGS zu verpflichten. Hinsichtlich des Umfangs des Unterrichts erscheinen dem Senat die geltend gemachten vier Stunden wöchentlich zu (höchstens) 50,00 Euro je Stunde plausibel. Mit Blick auf die Vorläufigkeit der einstweiligen Anordnung war die Verpflichtung des Antragsgegners (aus der Sicht der Beschwerdeentscheidung) zukunftsgerichtet auszusprechen und bis zur Bekanntgabe der erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache zu befristen, da bis dahin weitere Erkenntnisse zur Geeignetheit und Erforderlichkeit der Maßnahme durch weitere Sachverhaltsaufklärung zu erwarten sind.
Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, dass Sozialleistungen, die per gerichtlicher Eilentscheidung zugesprochen werden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen, und dass, sollte sich in einem Hauptsacheverfahren erweisen, dass die einstweilige Anordnung von Anfang an ganz oder teilweise ungerechtfertigt war, der Antragsteller verpflichtet ist, dem Antragsgegner den Schaden zu ersetzen, der aus der Vollziehung dieser Anordnung entsteht, §§ 86 b Abs. 2 S. 4 SGG, 945 ZPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass der Eilantrag Erfolg hatte.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
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