Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
38
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 535/17
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
I. Eine Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in überversorgten Regionen nach § 103 Abs. 3a SGB V i.V.m. § 103 Abs. 4 SGB V kommt nur dann in Betracht, wenn die Praxis fortführungsfähig ist und zudem Versorgungsgründe bestehen.
II. Auch für einen hälftigen Vertragsarztsitz ist eine Nachbesetzung nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V möglich.
III. Eine Fortführungsfähigkeit einer Praxis besteht nur dann, wenn ein Praxissubstrat vorhanden ist, d.h., in der abgebenden Praxis eine „Tätigkeit in nennenswertem Umfang“ stattgefunden hat (vgl. BSG, Beschluss vom 5.6.2013, Az B 6 KA 2/13 B).
IV. Wenn im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ein ganzer Vertragsarztsitz aufgeteilt werden soll, indem eine Hälfte beim abgebenden Arzt verbleibt, die andere Hälfte abgegeben werden soll, ist für eine Nachbesetzung zur Hälfte vorauszusetzen, dass die Fallzahlen und die wöchentlichen Arbeitsstunden jedenfalls nicht unter 50 % der der Fachgruppe liegen. Ansonsten ist für den hälftigen Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, überhaupt keine vertragsärztliche Tätigkeit bzw. keine vertragsärztliche Tätigkeit in „nennenswertem“ Umfang vorhanden, da dann die vertragsärztliche Tätigkeit, die stattfindet, der verbleibenden Hälfte zuzurechnen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der hälftige Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, nicht fortführungsfähig ist und die Nachbesetzung lediglich der Kommerzialisierung dienen soll, die vom Gesetzgeber nicht erwünscht ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az B 6 KA 49/12 R).
II. Auch für einen hälftigen Vertragsarztsitz ist eine Nachbesetzung nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V möglich.
III. Eine Fortführungsfähigkeit einer Praxis besteht nur dann, wenn ein Praxissubstrat vorhanden ist, d.h., in der abgebenden Praxis eine „Tätigkeit in nennenswertem Umfang“ stattgefunden hat (vgl. BSG, Beschluss vom 5.6.2013, Az B 6 KA 2/13 B).
IV. Wenn im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ein ganzer Vertragsarztsitz aufgeteilt werden soll, indem eine Hälfte beim abgebenden Arzt verbleibt, die andere Hälfte abgegeben werden soll, ist für eine Nachbesetzung zur Hälfte vorauszusetzen, dass die Fallzahlen und die wöchentlichen Arbeitsstunden jedenfalls nicht unter 50 % der der Fachgruppe liegen. Ansonsten ist für den hälftigen Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, überhaupt keine vertragsärztliche Tätigkeit bzw. keine vertragsärztliche Tätigkeit in „nennenswertem“ Umfang vorhanden, da dann die vertragsärztliche Tätigkeit, die stattfindet, der verbleibenden Hälfte zuzurechnen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der hälftige Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, nicht fortführungsfähig ist und die Nachbesetzung lediglich der Kommerzialisierung dienen soll, die vom Gesetzgeber nicht erwünscht ist (vgl. BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az B 6 KA 49/12 R).
I. Es wird festgestellt, dass der Bescheid des Zulassungsausschusses vom 06.09.2017 hinsichtlich der Stattgabe des Antrags von Dr. med. B. auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen hälftigen Versorgungsauftrag für den Vertragsarztsitz D-Stadt, D-Straße im Planungsbereich E-Stadt, rechtswidrig ist.
II. Die Kosten hat der Beklagte zu tragen.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid des beklagten Zulassungsausschusses aus der Sitzung vom 06.09.2017. Der Zulassungsausschuss entschied über den Antrag des Beigeladenen zu 1 vom 28.06.2017 auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen hälftigen Versorgungsauftrag im Planungsbereich E-Stadt. Dem Antrag wurde stattgegeben. Der Beigeladene zu 1 ist Facharzt für psychotherapeutische Medizin und hatte im Oktober 2013 antragsgemäß eine hälftige Zulassung erhalten. Von dritter Seite wurde dagegen Widerspruch eingelegt, so dass die Praxistätigkeit erst zum 01.12.2014 aufgenommen werden konnte. Auf Anregung der Klägerin hat der Beigeladene zu 1 im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens einen weiteren hälftigen Versorgungsauftrag im Februar 2015 erhalten. Ab Februar 2015 verfügte der Beigeladene zu 1 damit über einen vollen Versorgungsauftrag. Hintergrund für den weiteren hälftigen Versorgungsauftrag war, dass der Beigeladene zu 1 von einer Weiterbildungsermächtigung nur mit einem vollen Versorgungsauftrag Gebrauch machen konnte. Bereits zu Beginn der ersten hälftigen Zulassung litt der Beigeladene zu 1 an einem Bandscheibenvorfall. Zu einem Rezidiv kam es 2016/2017.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V lägen vor. Zwar habe der Landesausschuss bei einem Versorgungsgrad von 144,8 % eine entsprechende Feststellung getroffen. Die Fallzahl des Beigeladenen zu 1 (Durchschnitt in den Quartalen 2/16 bis 1/17) sei unterdurchschnittlich und betrage 38 % des Fachgruppendurchschnitts (23,3 Fälle im Quartal in der Praxis des Beigeladenen zu 1 zu 61 Fälle im Quartal in der Vergleichsgruppe). Auch habe der Beigeladene zu 1 weniger Stunden pro Woche zur Behandlung seiner gesetzlich versicherten Patienten aufgewandt, nämlich 9,9 Stunden pro Woche gegenüber 25,9 Stunden pro Woche (durchschnittliche Arbeitszeit der Psychotherapeuten in Bayern). Dieser geringe Tätigkeitsumfang erkläre sich aus der eingeschränkten und gesundheitlich bedingten Leistungsfähigkeit des Beigeladenen zu 1. Gleichwohl sei ein noch ausreichendes Praxissubstrat vorhanden. Denn die Versorgungstätigkeit des Beigeladenen zu 1 sei nicht so gering einzustufen, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit gar nicht mehr oder nicht in nennenswertem Umfang ausgeübt worden wäre. Damit sei die Praxis fortführungsfähig. Auch sei von einem entsprechenden Versorgungsbedarf auszugehen, wie sie auch aus den Ausführungen des Beigeladenen zu 1 ergebe.
Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.10.2017, bei Gericht eingegangen per Fax am 05.10.2017 Klage zum Sozialgericht München ein. Diese Klage wurde mit Schreiben vom 08.08.2018 begründet. Die Klägerin wies darauf hin, dass zwischenzeitlich das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt worden sei. Mit Beschluss des Beklagten vom 25.04.2018 habe die psychologische Psychotherapeutin F. einen hälftigen Versorgungsauftrag erhalten, während der Versorgungsauftrag des Beigeladenen zu 1 auf einen hälftigen Versorgungsauftrag reduziert worden sei. Diese Bescheide seien nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden.
Deshalb handle es sich jetzt um eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Wegen einer bestehenden Wiederholungsgefahr sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen. Die Entscheidung des Beklagten aus der Sitzung vom 06.09.2017 sei rechtswidrig gewesen. Denn es fehle an einem erforderlichen Praxissubstrat, das ausgeschrieben werden könnte. Für die weitere Hälfte des Versorgungsauftrags sei von Beginn an keine Tätigkeit in nennenswertem Umfang festzustellen.
Der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1 führte aus, die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens sei die Regel, auch wenn die Nachbesetzung für einen hälftigen Vertragsarztsitz beantragt worden sei. In dem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.03.2014 (Aktenzeichen S 1 KA 46/13) hinzuweisen. Die Praxis sei auch versorgungsrelevant. Denn es bestehe ein hoher Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen.
In der mündlichen Verhandlung am 09.07.2019 wiederholte der Beigeladene zu 1 seine Auffassung, es bestehe ein hoher Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die psychologische Psychotherapeutin, Frau F. mit ihrem hälftigen Versorgungsauftrag mittlerweile ca. 25 Patienten pro Woche a 50 Minuten behandle. Hinzu komme seine Tätigkeit im Umfang von bis zu 10 Patienten pro Woche. Insofern werde ein voller Versorgungsauftrag "gelebt".
Der Vertreter der Klägerin stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.08.2018.
Die anwesenden Beigeladenen stellten keine Anträge.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 09.07.2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.
Den Ausführungen der Klägerin ist zu entnehmen, dass zunächst gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG eingelegt wurde. Nachdem das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wurde (Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 25.04.2018) und die hierzu ergangenen Bescheide bestandskräftig wurden, ist eine Erledigung der Anfechtungsklage eingetreten. In diesem Fall sieht § 131 Abs. 1 S. 3 SGG vor, dass das Gericht auf Antrag ausspricht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Voraussetzung ist aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ein sogenanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Komment. zum SGG, Rn 10 zu § 131). Die Klägerin hat auf mehrere parallele Verfahren hingewiesen, die offensichtlich von den Zulassungsausschüssen entsprechend entschieden wurden. Insofern besteht eine Wiederholungsgefahr und damit für die Klägerin ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Zulassungsausschuss, der in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hat hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Rechtsgrundlage für das Nachbesetzungsverfahren ist § 103 Abs. 3a SGB V i.V.m. §103 Abs. 4 SGB V. Nach gefestigter Rechtsprechung steht den Zulassungsgremien zur Beurteilung der Versorgungsgründe ein gerichtlich nur eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob "der Verwaltungsentscheidung bezüglich des Vorliegens der Notwendigkeit einer Nachbesetzung aus Versorgungsgründen im Rahmen des § 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V unter anderem ein vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die durch die Auslegung des Begriffs "Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Substitutionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung des Beurteilungsmaßstabes erkennbar und nachvollziehbar ist" (vgl. SG Nürnberg, Urteil vom 20.03.2014, Az. S 1 KA 46/13). Ein solcher gerichtlich eingeschränkter Beurteilungsspielraum besteht auch hinsichtlich der Voraussetzung, ob eine Praxis fortführungsfähig ist.
Grundsätzlich ist ein Hinzutreten weiterer Ärzte in überversorgten Planungsbereichen ausgeschlossen. Indem der Gesetzgeber mit § 103 Abs. 3a SGB V i.V.m. §103 Abs. 4 SGB V die Möglichkeit geschaffen hat, dass bestehende Vertragsarztsitze in überversorgten Gebieten unter bestimmten Voraussetzungen nachbesetzt werden können, trägt er den finanziellen Interessen des abgebenden Vertragsarztes bzw. seiner Erben Rechnung (BSG, Urteil vom 11.12.2013, B 6 KA 49/12 R). Das Nachbesetzungsverfahren stellt aber eine Ausnahme dar. Da eine Kommerzialisierung des Vertragsarztsitzes vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, sind die Kriterien für eine Nachbesetzung eng zu fassen. Eine Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in überversorgten Regionen kommt nur dann in Betracht, wenn die Praxis fortführungsfähig ist und zudem Versorgungsgründe bestehen.
Nicht nur aufgrund der Einlassungen des Beigeladenen zu 1, sondern auch aufgrund der Einlassungen der Klägerin ist von bestehenden Versorgungsgründen auszugehen, so dass diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist.
Eine Fortführungsfähigkeit einer Praxis besteht nur dann, wenn ein Praxissubstrat vorhanden ist, d.h., in der abgebenden Praxis eine "Tätigkeit in nennenswertem Umfang" stattgefunden hat (BSG, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 2/13 B).
Im Zusammenhang mit Zulassungsentziehungsverfahren (Zulassungsentzug wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 6 SGB V, § 27 Ärzte-ZV) wurde die Ansicht vertreten, Fallzahlen eines Arztes unter 10 % der Fallzahlen der Vergleichsgruppe seien einer Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gleichzusetzen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2010, Az. L 5 KA 2155/09; SG München, Urteil vom 02.10.2018, Az. S 38 KA 58/18). Die Frage stellt sich allerdings, ob diese Kriterien, entwickelt im Zusammenhang mit Zulassungsentziehungsverfahren auch auf Nachbesetzungsverfahren zu übertragen sind. Sowohl Zulassungsentzug, als auch die Versagung einer Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes stellen Eingriffe in die Grundrechte dar. So handelt es sich bei einem Zulassungsentzug um einen erheblichen Eingriff in die Rechte aus Art. 12 Grundgesetz, so dass hier strenge Anforderungen an die Kriterien zu stellen sind, die einen Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV begründen können. Andererseits stellt die Versagung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens insbesondere einen Eingriff in Art. 14 Grundgesetz dar. Es spricht viel dafür, die Eingriffsintensität unterschiedlich zu beurteilen, was zu einer differenzierten Betrachtungsweise und gegen eine Übertragung der Grundsätze zum Zulassungsentzug auf das Nachbesetzungsverfahren veranlassen muss. Grundsätzlich kann bei Vertragsärzten aus den Fallzahlen der Praxis im Vergleich zum Durchschnitt der Fachgruppe geschlossen werden, ob ein "Praxissubstrat" noch besteht, das auf eine Fortführungsfähigkeit hinweist. Bei der Gruppe der Fachärzte für Psychotherapie und der psychologischen Psychotherapeuten bestehen gegen den Indikator "Fallzahl" ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, auch, wenn bei dieser Gruppe aufgrund des Aufgabengebiets die Fallzahl vergleichbar niedrig ist. Jedenfalls zusammen mit der Einbeziehung der geleisteten Wochenstundenzahl lässt sich die Frage der Fortführungsfähigkeit einer Praxis zutreffend beurteilen.
Auf die Festlegung konkreter Indikatoren (z.B. konkrete Fallzahlen, konkrete Arbeitsstunden), ab denen von einer Fortführungsfähigkeit auszugehen ist, kommt es hier aber letztendlich nicht an. Denn mit 38 % der Fallzahlen zusammen mit einem wöchentlichen Stundenumfang von 9,9 Stunden gegenüber 25,9 Stunden pro Woche (durchschnittliche Arbeitszeit der Psychotherapeuten Bayern) ist jedenfalls von einem "nennenswerten" Umfang vertragsärztlicher Tätigkeit insgesamt auszugehen.
Würde angesichts dieser "nennenswerten" vertragsärztlichen Tätigkeit ein Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen vollen Vertragsarztsitz gestellt, könnte nicht von einem unzureichenden Praxissubstrat gesprochen werden.
Im streitgegenständlichen Verfahren geht es aber darum, dass der Beigeladene zu 1 nicht die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für seinen vollen Vertragsarztsitz beantragt hat, sondern nur für einen hälftigen Vertragsarztsitz. Wenn im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ein ganzer Vertragsarztsitz aufgeteilt werden soll, indem eine Hälfte beim abgebenden Arzt verbleibt, die andere Hälfte abgegeben werden soll, ist für eine Nachbesetzung zur Hälfte vorauszusetzen, dass die Fallzahlen und die wöchentlichen Arbeitsstunden jedenfalls nicht unter 50 % der der Fachgruppe liegen. Ansonsten ist für den hälftigen Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, überhaupt keine vertragsärztliche Tätigkeit bzw. keine vertragsärztliche Tätigkeit in "nennenswertem" Umfang vorhanden, da dann die vertragsärztliche Tätigkeit, die stattfindet, der verbleibenden Hälfte zuzurechnen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der hälftige Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, nicht fortführungsfähig ist und die Nachbesetzung lediglich der Kommerzialisierung dienen soll, die vom Gesetzgeber nicht erwünscht ist (BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 49/12 R).
In Umsetzung der oben aufgestellten Grundsätze auf das streitgegenständliche Verfahren ist die Stattgabe des Antrags auf Nachbesetzung eines hälftigen Vertragsarztsitzes als rechtswidrig anzusehen. Denn mit den Fallzahlen des Beigeladenen zu 1 und den Wochenstunden entsprach der Tätigkeitsumfang des Beigeladenen zu 1 nicht einmal dem durchschnittlichen Tätigkeitsumfang eines Vertragsarztes der Fachgruppe mit einem halben Vertragsarztsitz. Hinzu kommt, dass der weitere hälftige Vertragsarztsitz rein tatsächlich nie gelebt wurde. Dass dies auf die Erkrankung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen ist, ist rechtlich ohne Bedeutung. Denn es handelt sich um ein der freiberuflichen und selbstständigen Tätigkeit innewohnendes Risiko.
Dagegen kann auch nicht das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG Nürnberg, Urteil vom 20.03.2014, Az. S 1 KA 46/13) angeführt werden. Ein Widerspruch hierzu ist nicht erkennbar. In diesem Verfahren war zwar auch Gegenstand ein Nachbesetzungsverfahren für einen hälftigen Vertragsarztsitz. Das Gericht befasste sich aber vor allem mit der Auslegung des Begriffs "Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen" und führte u.a. aus, die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei die Regel, auch wenn ein Antrag auf Nachbesetzung nur für einen hälftigen Vertragsarztsitz gestellt werde. Auch die hier erkennende Kammer bezweifelt nicht, dass ebenfalls für einen hälftigen Vertragsarztsitz eine Nachbesetzung nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V möglich ist, und, dass in einer Vielzahl von Fällen das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, es könne auf die Fortführungsfähigkeit einer Praxis verzichtet werden oder die Prüfung der Fortsetzungsfähigkeit einer Praxis sei großzügig zu handhaben. Vielmehr ist anzunehmen, dass in diesen Fällen eine Fortsetzungsfähigkeit der Praxis besteht.
Insgesamt ist daher die Fortsetzungsfeststellungsklage als begründet anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO sowie auf § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
II. Die Kosten hat der Beklagte zu tragen.
Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Gegenstand der zum Sozialgericht München eingelegten Klage ist der Bescheid des beklagten Zulassungsausschusses aus der Sitzung vom 06.09.2017. Der Zulassungsausschuss entschied über den Antrag des Beigeladenen zu 1 vom 28.06.2017 auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen hälftigen Versorgungsauftrag im Planungsbereich E-Stadt. Dem Antrag wurde stattgegeben. Der Beigeladene zu 1 ist Facharzt für psychotherapeutische Medizin und hatte im Oktober 2013 antragsgemäß eine hälftige Zulassung erhalten. Von dritter Seite wurde dagegen Widerspruch eingelegt, so dass die Praxistätigkeit erst zum 01.12.2014 aufgenommen werden konnte. Auf Anregung der Klägerin hat der Beigeladene zu 1 im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens einen weiteren hälftigen Versorgungsauftrag im Februar 2015 erhalten. Ab Februar 2015 verfügte der Beigeladene zu 1 damit über einen vollen Versorgungsauftrag. Hintergrund für den weiteren hälftigen Versorgungsauftrag war, dass der Beigeladene zu 1 von einer Weiterbildungsermächtigung nur mit einem vollen Versorgungsauftrag Gebrauch machen konnte. Bereits zu Beginn der ersten hälftigen Zulassung litt der Beigeladene zu 1 an einem Bandscheibenvorfall. Zu einem Rezidiv kam es 2016/2017.
Der Beklagte vertrat die Auffassung, die Voraussetzungen nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V lägen vor. Zwar habe der Landesausschuss bei einem Versorgungsgrad von 144,8 % eine entsprechende Feststellung getroffen. Die Fallzahl des Beigeladenen zu 1 (Durchschnitt in den Quartalen 2/16 bis 1/17) sei unterdurchschnittlich und betrage 38 % des Fachgruppendurchschnitts (23,3 Fälle im Quartal in der Praxis des Beigeladenen zu 1 zu 61 Fälle im Quartal in der Vergleichsgruppe). Auch habe der Beigeladene zu 1 weniger Stunden pro Woche zur Behandlung seiner gesetzlich versicherten Patienten aufgewandt, nämlich 9,9 Stunden pro Woche gegenüber 25,9 Stunden pro Woche (durchschnittliche Arbeitszeit der Psychotherapeuten in Bayern). Dieser geringe Tätigkeitsumfang erkläre sich aus der eingeschränkten und gesundheitlich bedingten Leistungsfähigkeit des Beigeladenen zu 1. Gleichwohl sei ein noch ausreichendes Praxissubstrat vorhanden. Denn die Versorgungstätigkeit des Beigeladenen zu 1 sei nicht so gering einzustufen, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit gar nicht mehr oder nicht in nennenswertem Umfang ausgeübt worden wäre. Damit sei die Praxis fortführungsfähig. Auch sei von einem entsprechenden Versorgungsbedarf auszugehen, wie sie auch aus den Ausführungen des Beigeladenen zu 1 ergebe.
Gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses legte die Klägerin mit Schreiben vom 04.10.2017, bei Gericht eingegangen per Fax am 05.10.2017 Klage zum Sozialgericht München ein. Diese Klage wurde mit Schreiben vom 08.08.2018 begründet. Die Klägerin wies darauf hin, dass zwischenzeitlich das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt worden sei. Mit Beschluss des Beklagten vom 25.04.2018 habe die psychologische Psychotherapeutin F. einen hälftigen Versorgungsauftrag erhalten, während der Versorgungsauftrag des Beigeladenen zu 1 auf einen hälftigen Versorgungsauftrag reduziert worden sei. Diese Bescheide seien nicht angefochten und daher bestandskräftig geworden.
Deshalb handle es sich jetzt um eine Fortsetzungsfeststellungsklage. Wegen einer bestehenden Wiederholungsgefahr sei ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse zu bejahen. Die Entscheidung des Beklagten aus der Sitzung vom 06.09.2017 sei rechtswidrig gewesen. Denn es fehle an einem erforderlichen Praxissubstrat, das ausgeschrieben werden könnte. Für die weitere Hälfte des Versorgungsauftrags sei von Beginn an keine Tätigkeit in nennenswertem Umfang festzustellen.
Der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen zu 1 führte aus, die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens sei die Regel, auch wenn die Nachbesetzung für einen hälftigen Vertragsarztsitz beantragt worden sei. In dem Zusammenhang sei auf die Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg vom 20.03.2014 (Aktenzeichen S 1 KA 46/13) hinzuweisen. Die Praxis sei auch versorgungsrelevant. Denn es bestehe ein hoher Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen.
In der mündlichen Verhandlung am 09.07.2019 wiederholte der Beigeladene zu 1 seine Auffassung, es bestehe ein hoher Bedarf an psychiatrischen und psychotherapeutischen Leistungen. Dies ergebe sich auch daraus, dass die psychologische Psychotherapeutin, Frau F. mit ihrem hälftigen Versorgungsauftrag mittlerweile ca. 25 Patienten pro Woche a 50 Minuten behandle. Hinzu komme seine Tätigkeit im Umfang von bis zu 10 Patienten pro Woche. Insofern werde ein voller Versorgungsauftrag "gelebt".
Der Vertreter der Klägerin stellte den Antrag aus dem Schriftsatz vom 08.08.2018.
Die anwesenden Beigeladenen stellten keine Anträge.
Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung war die Beklagtenakte. Im Übrigen wird auf den sonstigen Akteninhalt, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, sowie die Sitzungsniederschrift vom 09.07.2019 verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zum Sozialgericht München eingelegte Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.
Den Ausführungen der Klägerin ist zu entnehmen, dass zunächst gegen den Beschluss des Zulassungsausschusses eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG eingelegt wurde. Nachdem das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wurde (Beschlüsse des Zulassungsausschusses vom 25.04.2018) und die hierzu ergangenen Bescheide bestandskräftig wurden, ist eine Erledigung der Anfechtungsklage eingetreten. In diesem Fall sieht § 131 Abs. 1 S. 3 SGG vor, dass das Gericht auf Antrag ausspricht, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig war. Voraussetzung ist aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, ein sogenanntes Fortsetzungsfeststellungsinteresse (Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, Komment. zum SGG, Rn 10 zu § 131). Die Klägerin hat auf mehrere parallele Verfahren hingewiesen, die offensichtlich von den Zulassungsausschüssen entsprechend entschieden wurden. Insofern besteht eine Wiederholungsgefahr und damit für die Klägerin ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Der Zulassungsausschuss, der in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war, hat hierzu nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Rechtsgrundlage für das Nachbesetzungsverfahren ist § 103 Abs. 3a SGB V i.V.m. §103 Abs. 4 SGB V. Nach gefestigter Rechtsprechung steht den Zulassungsgremien zur Beurteilung der Versorgungsgründe ein gerichtlich nur eingeschränkter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob "der Verwaltungsentscheidung bezüglich des Vorliegens der Notwendigkeit einer Nachbesetzung aus Versorgungsgründen im Rahmen des § 103 Abs. 3a Satz 3 SGB V unter anderem ein vollständig ermittelter Sachverhalt zu Grunde liegt, ob die durch die Auslegung des Begriffs "Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen" zu ermittelnden Grenzen eingehalten und ob die Substitutionserwägungen so hinreichend in der Begründung der Entscheidung verdeutlicht wurden, dass im Rahmen des Möglichen die zu treffende Anwendung des Beurteilungsmaßstabes erkennbar und nachvollziehbar ist" (vgl. SG Nürnberg, Urteil vom 20.03.2014, Az. S 1 KA 46/13). Ein solcher gerichtlich eingeschränkter Beurteilungsspielraum besteht auch hinsichtlich der Voraussetzung, ob eine Praxis fortführungsfähig ist.
Grundsätzlich ist ein Hinzutreten weiterer Ärzte in überversorgten Planungsbereichen ausgeschlossen. Indem der Gesetzgeber mit § 103 Abs. 3a SGB V i.V.m. §103 Abs. 4 SGB V die Möglichkeit geschaffen hat, dass bestehende Vertragsarztsitze in überversorgten Gebieten unter bestimmten Voraussetzungen nachbesetzt werden können, trägt er den finanziellen Interessen des abgebenden Vertragsarztes bzw. seiner Erben Rechnung (BSG, Urteil vom 11.12.2013, B 6 KA 49/12 R). Das Nachbesetzungsverfahren stellt aber eine Ausnahme dar. Da eine Kommerzialisierung des Vertragsarztsitzes vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, sind die Kriterien für eine Nachbesetzung eng zu fassen. Eine Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes in überversorgten Regionen kommt nur dann in Betracht, wenn die Praxis fortführungsfähig ist und zudem Versorgungsgründe bestehen.
Nicht nur aufgrund der Einlassungen des Beigeladenen zu 1, sondern auch aufgrund der Einlassungen der Klägerin ist von bestehenden Versorgungsgründen auszugehen, so dass diese Voraussetzung als erfüllt anzusehen ist.
Eine Fortführungsfähigkeit einer Praxis besteht nur dann, wenn ein Praxissubstrat vorhanden ist, d.h., in der abgebenden Praxis eine "Tätigkeit in nennenswertem Umfang" stattgefunden hat (BSG, Beschluss vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 2/13 B).
Im Zusammenhang mit Zulassungsentziehungsverfahren (Zulassungsentzug wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit nach § 95 Abs. 6 SGB V, § 27 Ärzte-ZV) wurde die Ansicht vertreten, Fallzahlen eines Arztes unter 10 % der Fallzahlen der Vergleichsgruppe seien einer Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit gleichzusetzen (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2010, Az. L 5 KA 2155/09; SG München, Urteil vom 02.10.2018, Az. S 38 KA 58/18). Die Frage stellt sich allerdings, ob diese Kriterien, entwickelt im Zusammenhang mit Zulassungsentziehungsverfahren auch auf Nachbesetzungsverfahren zu übertragen sind. Sowohl Zulassungsentzug, als auch die Versagung einer Nachbesetzung eines Vertragsarztsitzes stellen Eingriffe in die Grundrechte dar. So handelt es sich bei einem Zulassungsentzug um einen erheblichen Eingriff in die Rechte aus Art. 12 Grundgesetz, so dass hier strenge Anforderungen an die Kriterien zu stellen sind, die einen Zulassungsentzug nach § 95 Abs. 6 SGB V i.V.m. § 27 Ärzte-ZV begründen können. Andererseits stellt die Versagung der Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens insbesondere einen Eingriff in Art. 14 Grundgesetz dar. Es spricht viel dafür, die Eingriffsintensität unterschiedlich zu beurteilen, was zu einer differenzierten Betrachtungsweise und gegen eine Übertragung der Grundsätze zum Zulassungsentzug auf das Nachbesetzungsverfahren veranlassen muss. Grundsätzlich kann bei Vertragsärzten aus den Fallzahlen der Praxis im Vergleich zum Durchschnitt der Fachgruppe geschlossen werden, ob ein "Praxissubstrat" noch besteht, das auf eine Fortführungsfähigkeit hinweist. Bei der Gruppe der Fachärzte für Psychotherapie und der psychologischen Psychotherapeuten bestehen gegen den Indikator "Fallzahl" ebenfalls keine rechtlichen Bedenken, auch, wenn bei dieser Gruppe aufgrund des Aufgabengebiets die Fallzahl vergleichbar niedrig ist. Jedenfalls zusammen mit der Einbeziehung der geleisteten Wochenstundenzahl lässt sich die Frage der Fortführungsfähigkeit einer Praxis zutreffend beurteilen.
Auf die Festlegung konkreter Indikatoren (z.B. konkrete Fallzahlen, konkrete Arbeitsstunden), ab denen von einer Fortführungsfähigkeit auszugehen ist, kommt es hier aber letztendlich nicht an. Denn mit 38 % der Fallzahlen zusammen mit einem wöchentlichen Stundenumfang von 9,9 Stunden gegenüber 25,9 Stunden pro Woche (durchschnittliche Arbeitszeit der Psychotherapeuten Bayern) ist jedenfalls von einem "nennenswerten" Umfang vertragsärztlicher Tätigkeit insgesamt auszugehen.
Würde angesichts dieser "nennenswerten" vertragsärztlichen Tätigkeit ein Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens für einen vollen Vertragsarztsitz gestellt, könnte nicht von einem unzureichenden Praxissubstrat gesprochen werden.
Im streitgegenständlichen Verfahren geht es aber darum, dass der Beigeladene zu 1 nicht die Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens für seinen vollen Vertragsarztsitz beantragt hat, sondern nur für einen hälftigen Vertragsarztsitz. Wenn im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V ein ganzer Vertragsarztsitz aufgeteilt werden soll, indem eine Hälfte beim abgebenden Arzt verbleibt, die andere Hälfte abgegeben werden soll, ist für eine Nachbesetzung zur Hälfte vorauszusetzen, dass die Fallzahlen und die wöchentlichen Arbeitsstunden jedenfalls nicht unter 50 % der der Fachgruppe liegen. Ansonsten ist für den hälftigen Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, überhaupt keine vertragsärztliche Tätigkeit bzw. keine vertragsärztliche Tätigkeit in "nennenswertem" Umfang vorhanden, da dann die vertragsärztliche Tätigkeit, die stattfindet, der verbleibenden Hälfte zuzurechnen ist. In diesem Fall ist davon auszugehen, dass der hälftige Vertragsarztsitz, der nachbesetzt werden soll, nicht fortführungsfähig ist und die Nachbesetzung lediglich der Kommerzialisierung dienen soll, die vom Gesetzgeber nicht erwünscht ist (BSG, Urteil vom 11.12.2013, Az. B 6 KA 49/12 R).
In Umsetzung der oben aufgestellten Grundsätze auf das streitgegenständliche Verfahren ist die Stattgabe des Antrags auf Nachbesetzung eines hälftigen Vertragsarztsitzes als rechtswidrig anzusehen. Denn mit den Fallzahlen des Beigeladenen zu 1 und den Wochenstunden entsprach der Tätigkeitsumfang des Beigeladenen zu 1 nicht einmal dem durchschnittlichen Tätigkeitsumfang eines Vertragsarztes der Fachgruppe mit einem halben Vertragsarztsitz. Hinzu kommt, dass der weitere hälftige Vertragsarztsitz rein tatsächlich nie gelebt wurde. Dass dies auf die Erkrankung des Beigeladenen zu 1 zurückzuführen ist, ist rechtlich ohne Bedeutung. Denn es handelt sich um ein der freiberuflichen und selbstständigen Tätigkeit innewohnendes Risiko.
Dagegen kann auch nicht das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg (SG Nürnberg, Urteil vom 20.03.2014, Az. S 1 KA 46/13) angeführt werden. Ein Widerspruch hierzu ist nicht erkennbar. In diesem Verfahren war zwar auch Gegenstand ein Nachbesetzungsverfahren für einen hälftigen Vertragsarztsitz. Das Gericht befasste sich aber vor allem mit der Auslegung des Begriffs "Erforderlichkeit aus Versorgungsgründen" und führte u.a. aus, die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens sei die Regel, auch wenn ein Antrag auf Nachbesetzung nur für einen hälftigen Vertragsarztsitz gestellt werde. Auch die hier erkennende Kammer bezweifelt nicht, dass ebenfalls für einen hälftigen Vertragsarztsitz eine Nachbesetzung nach § 103 Abs. 3a, 4 SGB V möglich ist, und, dass in einer Vielzahl von Fällen das Nachbesetzungsverfahren durchgeführt wird. Daraus kann aber nicht der Schluss gezogen werden, es könne auf die Fortführungsfähigkeit einer Praxis verzichtet werden oder die Prüfung der Fortsetzungsfähigkeit einer Praxis sei großzügig zu handhaben. Vielmehr ist anzunehmen, dass in diesen Fällen eine Fortsetzungsfähigkeit der Praxis besteht.
Insgesamt ist daher die Fortsetzungsfeststellungsklage als begründet anzusehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO sowie auf § 197a SGG i.V.m. § 162 Abs. 3 VwGO.
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