L 4 AS 15/16

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 4 AS 1511/12
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 15/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2015 wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Beklagte und Berufungskläger (im Weiteren: Beklagter) wendet sich gegen seine Verurteilung zur Berücksichtigung einer Miete als Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) an den Kläger und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Kläger) im Zeitraum von März bis Oktober 2012.

Der 1971 geborene Kläger, der im väterlichen Betrieb den Beruf des Heizungsinstallateurs erlernt hatte, bezog von Mai 2004 bis Mai 2006 einen Existenzgründerzuschuss für eine selbstständige Tätigkeit mit einer "Preis- und Dienstleistungsagentur". Im März 2005 stellte er den ersten SGB II-Leistungsantrag. Im Juli 2005 versagte der Beklagte bestandskräftig die Leistungen, weil angeforderte Unterlagen nicht vollständig vorgelegt wurden.

Im Januar 2006 stellte der Kläger erneut einen Leistungsantrag und gab an, er sei zur Zeit ohne festen Wohnsitz, als Internetdienstleister selbstständig tätig und erziele voraussichtlich monatliche Einnahmen von 80 EUR. Sein Gewerbe "Preisagentur" meldete er zum 17. Januar 2006 ab. Im Februar 2006 teilte der Kläger mit, er sei am 1. Februar 2006 in eine 50 m² große, seit ca. 1970 bezugsfertige Wohnung in der Straße der O ... in M. eingezogen, die ihm sein Vater zu einer Gesamtmiete einschließlich Nebenkosten von 295 EUR vermietet habe. In einem Schreiben führte er ergänzend aus, das Mietverhältnis für die Wohnung bestehe bereits seit September 2005. Da dem Grundstück gerade erst eine Hausnummer zugewiesen worden sei, habe er sich erst jetzt beim Einwohnermeldeamt anmelden können. Er legte einen am 1. Februar 2006 unterschriebenen und seit September 2005 geltenden "Wohnungs-Mietvertrag" für zwei Zimmer und Bad (keine Küche) mit einer Wohnfläche von 50 m² vor. Der Mietvertrag enthält unter "Sonstige Vereinbarungen" den Vermerk: "Der Mieter wird bis zum 31.01.2006 von der Mietzahlung befreit." Daraufhin berücksichtigte der Beklagte ab Februar 2006 die Gesamtmiete von 295 EUR abzüglich eines Anteils für die Warmwasserbereitung bei der Leistungsgewährung. Ab November 2006 arbeitete der Kläger zeitweise als HLS-Monteur (Heizung-Lüftung-Sanitär) bei einer Verleihfirma in den Niederlanden und meldete sich nicht mehr beim Beklagten.

Auf einen Leistungsantrag im August 2007 bewilligte der Beklagte Leistungen. Am 10. September 2007 nahm der Kläger erneut eine Tätigkeit in den Niederlanden auf und meldete sich nicht mehr. Im April 2008 stellte der Kläger wieder einen Leistungsantrag und legte eine Mietbescheinigung vom 23. April 2008 vor, wonach nunmehr die Gesamtmiete 305 EUR betrug (Kaltmiete: 225 EUR [4,50 EUR/m²], Heizkosten: 45 EUR, Warmwasserkosten: 25 EUR, Umlagen: 10 EUR). Bevor eine Leistungsbewilligung erfolgte, meldete sich der Kläger wieder in Arbeit als Installationstechniker in den Niederlanden ab.

Am 12. März 2010 stellte der Kläger formlos einen Leistungsantrag und gab an, bis Juni 2009 in den Niederlanden gearbeitet zu haben und vom 6. Juni 2009 bis zum 5. April 2010 Arbeitslosengeld I bezogen zu haben (26,89 EUR täglich). Er legte eine Gewerbeanmeldung zum 1. Mai 2009 für die Tätigkeit "Dienstleistungsagentur für Preisrecherchen, Einkaufsmanagement und -Beratung sowie Internetdienstleistungen Organisation und Vermittlung günstigere Einkaufspreise für Handelswaren und handwerkliche Leistungen" vor und schätzte seine voraussichtlichen monatlichen Einnahmen auf 50 EUR. Nach der Mietbescheinigung vom 14. März 2010 waren monatlich 395 EUR zu zahlen (Kaltmiete: 290 EUR [5,80 EUR/m²], Betriebskosten:15 EUR, Stromkosten: 40 EUR, Heizkosten: 50 EUR). Dazu legte er einen mit seinem Vater geschlossenen "Wohnungsmietvertrag" vom 1. Januar 2009 mit einer entsprechenden Änderung der Kaltmiete und der Nebenkosten vor. Danach waren die Nebenkostenvorauszahlungen jährlich abzurechnen und die Miete war auf ein Konto des Vermieters bei der Kreissparkasse B. zu zahlen.

Mit Bescheid gewährte der Beklage dem Kläger vorläufig Leistungen für den Zeitraum vom 6. April bis zum 30. September 2010 und berücksichtigte KdUH von 348,53 EUR. Eine abschließende Bewilligung erfolge, sobald das tatsächliche Betriebsergebnis feststehe. Mit Schreiben vom selben Tag wies er auf die maximal angemessene Miete einschließlich Betriebs- und Heizkosten von 340 EUR für einen Einpersonenhaushalt hin. Höhere Kosten würden längstens für sechs Monate berücksichtigt. Auf den Weiterbewilligungsantrag gewährte der Beklagte erneut vorläufig Leistungen für den Bewilligungszeitraum von Oktober 2010 bis März 2011 unter Berücksichtigung von KdUH von 340 EUR.

Auf den Weiterbewilligungsantrag, in dem der Kläger sein voraussichtliches Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit auf 50 EUR monatlich schätzte, bewilligte der Beklagte vorläufig Leistungen auch für den Zeitraum von April bis September 2011 und berücksichtigte dabei KdUH von 346,47 EUR. Den Gesamtbetrag der Leistungen zahlte er – wie auch in den vorangegangenen Bewilligungszeiträumen – an den Kläger aus.

Auf Aufforderung des Beklagten im März 2011, eine aktuelle Mietbescheinigung sowie die Nebenkostenabrechnungen für die Jahre 2009 und 2010 vorzulegen, führte der Kläger im April 2011 schriftlich aus, Betriebskostenabrechnungen könne er nicht vorlegen, da er eine Pauschalmiete zahle. Nach der Mietbescheinigung vom 18. April 2011 betrug die Gesamtmiete unverändert 395 EUR. Der Kläger legte nunmehr eine veränderte Fassung des Mietvertrags vom 1. Januar 2009 vor, nach der die Nebenkosten als Pauschalen zu leisten sind.

Auf Anforderung legte der Kläger Kontoauszüge für den Zeitraum von Mai bis Juli 2011 für das Girokonto bei der W. Bank AG vor, auf das auch die SGB II-Leistungen flossen. Mietüberweisungen auf das Konto des Vermieters bei der Kreissparkasse B. waren den Kontoauszügen nicht zu entnehmen. Stattdessen waren mehrere Überweisungen mit dem Vermerk "Miete" auf ein (weiteres) Konto des Klägers bei der (niederländischen) R. Bank (10. Mai 2011: 40 EUR, 12. Mai: 10 EUR, am 3. Juni: 200 EUR, 1. Juli: 300 EUR) ersichtlich. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger am 29. September 2011 schriftlich und bei dessen Vorsprache mündlich auf, auch für das Girokonto in den Niederlanden Kontoauszüge der letzten drei Monate sowie Nachweise der PayPal-Bewegungen und über die Mietzahlungen an den Vermieter vorzulegen. Bei der Vorsprache erklärte der Kläger, er benötige dringend Geld, da er ab Oktober 2011 in den Niederlanden eine Beschäftigung aufnehmen wolle. Er überweise die Miete auf sein Konto in den Niederlanden, hebe diese Beträge ab und zahle sie bar an den Vermieter. Auf den Vorhalt, die monatlichen Überweisungen seien dafür zu gering, gab er an, er stocke sie mit dem Gewinn aus der selbstständigen Tätigkeit auf. Am selben Tag bewilligte der Beklagte vorläufige Leistungen von 150 EUR für Oktober 2011, die er mit Barscheck dem Kläger sofort auszahlte. Zudem beantragte der Kläger die Gewährung eines Darlehens von 3.000 EUR zum Kauf eines Kfz, was der Beklagte bestandskräftig ablehnte.

Am 30. November 2011 stellte der Kläger einen Weiterbewilligungsantrag und legte Unterlagen über seine Beschäftigung in den Niederlanden, Kontoauszüge zum Girokonto bei der R. Bank für die Zeit von Juni bis zum 12. November 2012 sowie von seinem Vater unterschriebene Quittungen über Mietzahlungen von 395 EUR für die Monate September bis November 2011 vor.

Unter dem 10. Dezember 2011 führte der Kläger zu den pauschalierten Nebenkosten ergänzend aus, bei dem Gebäude, in dem sich seine Wohnräume befänden, handele es sich um eine ehemalige Wohnbaracke, die in 19 Einzelräume und Gemeinschaftssanitärräume aufgeteilt sei. Er nutze davon zwei Einzelräume als Wohnraum sowie die Sanitäranlagen. Weitere Räume würden als Büroräume genutzt. Die dort Beschäftigten nutzten ebenfalls die Sanitäranlagen. Aufgrund der baulichen Gegebenheiten und Nutzung der Sanitäranlagen durch unterschiedliche Personenkreise seien Einzelabrechnungen der Betriebskosten nicht möglich. Bei einer Vorsprache im Dezember 2011 kündigte der Beklagte dem Kläger an, die KdUH-Leistungen künftig direkt an den Vermieter zu zahlen.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2011 bewilligte der Beklagte vorläufig Leistungen für den Zeitraum von Dezember 2011 bis April 2012 unter Berücksichtigung von KdUH von 345,47 EUR. Von den Gesamtleistungen wurden monatlich 395 EUR auf das Konto des Vermieters gezahlt. Für November 2011 lehnte er den Leistungsantrag wegen übersteigenden Einkommens ab. Mit Schreiben vom 14. Dezember 2011 wies der Beklagte den Kläger auf die Unangemessenheit der KdUH hin. Für einen Einpersonenhaushalt sei eine Bruttokaltmiete (BKM) von höchstens 280 EUR angemessen. Hinzu kämen Heizkosten von maximal 60 EUR, bzw. 68 EUR inklusive Warmwasserbereitung. Seine Wohnkosten überschritten die angemessene BKM um 25 EUR und würden nur noch bis März 2012 in voller Höhe übernommen. Gleichzeitig beauftragte der Beklagte einen Hausbesuch zur Ermittlung der Wohnfläche, des Wohnstandards, der Art der Warmwassererzeugung sowie des Nutzerkreises der Sanitäranlagen.

Im Vermerk über den am 4. Januar 2012 durchgeführten Hausbesuch ist u.a. ausgeführt, die Wohnräume befänden sich in einer ehemaligen Wohnbaracke auf dem Betriebsgelände der Sanitärfirma des Vaters. Im Eingangsbereich lägen Büroräume der Firma. Ansonsten werde die Baracke u.a. als Lager für Baumaterial und private Gegenstände genutzt. Dem Kläger seien zwei jeweils 25 m² große Zimmer zugeordnet. Eines sei als Wohn- und Schlafzimmer mit Küche eingerichtet; das andere diene ihm als Abstellraum. Um zu den spartanischen Sanitäranlagen zu gelangen, müsse man sich in den 15 bis 20 Meter entfernten hinteren Teil des Gebäudes begeben. Dort befänden sich lediglich eine Toilette und Waschbecken. Wanne oder Duschkabinen seien nicht vorhanden. An der Wand neben dem Waschbecken sei eine Duscharmatur angebracht. Die Anlage werde vom Kläger und diversen Mitarbeitern genutzt. Es handele es sich nicht um abgeschlossenen Wohnraum, eine Vermietung an Außenstehende sei nicht möglich. Die Räume und die Sanitäranlagen wiesen unteren Wohnstandard auf.

Mit Schreiben vom 20. Januar 2012 wandte sich der Beklagte an das Finanzamt A., legte eine Kopie des Mietvertrags vor und bat um Prüfung, ob das Mietverhältnis vom Vater angezeigt worden sei und ob es sich um ein Mietverhältnis wie zwischen Dritten handele. Dieses führte unter dem 23. Februar 2012 aus, ein seit September 2005 bestehendes Mietverhältnis sei bekannt, bei dem jedoch bis Ende 2011 keine Mietzahlungen erfolgt seien. Nach Angabe des Steuerberaters seien ab Dezember 2011 Mieten gezahlt worden.

Am 12. März 2012 legte der Kläger einen mit der Firma seines Vaters geschlossenen "EDV-Wartungsvertrag Flatrate für Software und Hardware" vom 15. Januar 2011 vor, nach dem er für die Wartung der EDV-Ausstattung monatlich 50 EUR erhält. Bei einer Vorsprache am 3. April 2012 erklärte der Kläger in Kenntnis der Angaben des Finanzamts, er habe im Jahr 2011 Miete gezahlt und werde dazu Nachweise vorlegen. Der Beklagte forderte ihn auf, auch Nachweise über die Mietzahlung für die Jahre 2005 bis 2010 vorzulegen. Dem kam der Kläger in der Folgezeit nicht nach. Die bewilligten vorläufigen Leistungen für April 2012 zahlte der Beklagte nicht aus.

Mit Schreiben vom 15. April 2012 übersandte der Kläger dem Beklagten eine am selben Tag gefertigte und von ihm und seinem Vater unterschriebene "Erklärung zur Zahlung des Mietzins" mit folgendem Wortlaut:

"Zwischen den Mietparteien wurde aufgrund der wirtschaftlichen Situation und bestehender Unterhaltsverpflichtungen des Mieters gegenüber der leiblichen Kinder, die zinsfreie Stundung der Zahlung des Mietzinses und der laufenden Nebenkosten vereinbart.

Die mündliche Vereinbarung besteht seit Januar 2006 bis zur Zahlungsfähigkeit des Mieters.

Durch die Stundungsvereinbarung bleiben die Zahlungsverpflichtungen aus dem Mietvertrag unberührt.

Geleistete Mietzahlungen werden laufend nach dem Zuflussprinzip steuerrechtlich erklärt".

Auf den Weiterbewilligungsantrag des Klägers bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 30. April 2012 für den Bewilligungszeitraum von Mai bis Oktober 2012 vorläufige SGB II-Leistungen in Höhe des Regelbedarfs. Im Bescheid führte er aus, nach Vorlage der Einkommensnachweise und der erforderlichen Unterlagen zu den KdUH werde der Leistungsanspruch endgültig geprüft. Der Mietvertrag könne nicht akzeptiert werden, da er nach Aktenlage seit September 2005 tatsächlich nie vollzogen worden sei. Auch die laufenden Betriebskosten könnten im Rahmen der KdUH nicht berücksichtigt werden, da auch diese zinsfrei gestundet seien.

Dagegen legte der Kläger am 6. Mai 2012 Widerspruch ein und führte aus, der Mietvertrag werde vollzogen, denn er habe den Wohnraum bezogen. Für den KdUH-Anspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II sei nicht relevant, ob die Miete tatsächlich gezahlt werde, sondern dass im Bedarfszeitraum eine wirksame Mietzahlungsverpflichtung bestehe. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Juni 2012 zurück. Es seien keine KdUH zu berücksichtigen. Erst im Jahr 2011 sei bekannt geworden, dass entgegen den Angaben im Mietvertrag keine abgeschlossene Wohnung angemietet worden sei. Zudem sei der Mietvertrag nie vollzogen worden, denn der Kläger habe in der Vergangenheit keine Mietzahlungen erbracht, was in der Erklärung vom 15. April 2012 bestätigt werde.

Auch für den Folgebewilligungszeitraum von November 2012 bis April 2013 erbrachte der Beklagte vorläufige Leistungen nur in Höhe des Regelbedarfs.

Am 19. Juni 2012 hat der Kläger beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben, mit der er zum einen die Auszahlung der für April 2012 bewilligten KdUH sowie die Bewilligung von KdUH-Leistungen für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2012 geltend macht. Zur Begründung hat er ausgeführt, der am 1. Februar 2006 erstellte und auf den Einzug im September 2005 rückdatierte Mietvertrag sei durch den Bezug des Wohnraums praktisch vollzogen worden. Der Vermieter habe lediglich die Zahlung des Mietzinses aufgrund seiner wirtschaftlichen Situation und wegen der Unterhaltsverpflichtungen für seine Kinder gestundet. Die Stundungsvereinbarung berühre jedoch die Zahlungsverpflichtung aus dem Mietvertrag nicht.

Im Erörterungstermin des SG hat der Kläger angegeben, im November 2011 sei die Kaltmiete noch gestundet gewesen, da er noch Unterhaltsverpflichtungen gehabt habe. Nach seinem Einzug seien im Jahr 2006 die Sanitäranlagen der Baracke umgebaut worden. Jetzt seien ein Waschbecken, ein WC, eine Dusche und eine Waschmaschine vorhanden. Die Mieterhöhung im Jahr 2009 habe er mit seinem Vater abgesprochen und im Mietvertrag umgesetzt. Versehentlich seien jährliche Betriebskostenabrechnungen niedergelegt worden, obwohl von Anfang an eine Pauschalmiete vereinbart gewesen sei. Diesen Fehler hätten sie später korrigiert. Mietzahlungen habe er ab Dezember 2011 aufgenommen, nachdem seine zuvor unterhaltsberechtigte Tochter eine Beschäftigung begonnen habe. Auf Vorhalt der Quittungen über Mietzahlungen hat er erklärt, es seien Barzahlungen erfolgt, um nicht zu hohe Mietschulden auflaufen zu lassen – vorrangig, um die Nebenkosten zu decken. Zuvor habe er mit den Leistungen für die KdUH seine Unterhaltsverpflichtungen erfüllt.

Auf den Hinweis des SG, dass ein Anspruch auf Auszahlung der bewilligten KdUH-Leistungen für April 2012 bestehe, hat der Beklagte ausgeführt, es handele sich nur um eine vorläufige Leistungsbewilligung. Nach dem derzeitigen Verfahrensstand seien bei endgültiger Festsetzung keine KdUH-Leistungen für April 2012 zu bewilligen.

Mit Urteil vom 2. Dezember 2015 hat das SG den Beklagten verurteilt, die für den Monat April 2012 bewilligten KdUH-Leistungen auszuzahlen und dem Kläger für die Monate Mai bis Oktober 2012 vorläufige Leistungen für die KdUH in Höhe von 395 EUR monatlich zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe nicht mietfrei bei seinem Vater gewohnt. Er habe im Rahmen seiner Möglichkeiten Mietzahlungen geleistet, insbesondere während seiner Tätigkeit in den Niederlanden in den Monaten September bis November 2011 sowie in der Folgezeit durch die Direktzahlungen des Beklagten an den Vermieter. Durch die Verwendung der KdUH-Leistungen zu Unterhaltszahlungen an die Kinder habe der Kläger seinen Vater von Unterhaltsverpflichtungen befreit. Denn dieser sei nach § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Großvater verpflichtet, seinen Enkeln Unterhalt zu gewähren. Aus der speziellen Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem Vater könne nicht abgeleitet werden, dass ersterer keiner ernsthaften Mietforderungen ausgesetzt gewesen sei. Er habe Anspruch auf die volle vertraglich vereinbarte Miete, auch wenn diese unangemessen hoch sei. Denn es sei dem Kläger nicht möglich gewesen, die Aufwendungen zu senken.

Gegen das ihm am 18. Dezember 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 8. Januar 2016 Berufung eingelegt.

Mit zwei Bescheiden vom 27. Mai 2016 hat der Beklagte über den Leistungsanspruch des Klägers gemäß § 40 SGB II in Verbindung mit § 328 Drittes Buch Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (SGB III) endgültig entschieden und die Leistungen auf monatlich 374 EUR für April 2012 sowie für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2012 festgesetzt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das nachgewiesene Einkommen aus selbständiger Tätigkeit führe nicht zu einer Reduzierung des Leistungsanspruchs. KdUH seien nicht zu berücksichtigen, da der Mietvertrag tatsächlich nicht vollzogen worden sei.

Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte ausgeführt: Obwohl der Kläger nach dem Mietvertrag vom 1. Februar 2006 lediglich bis zum 31. Januar 2006 von Mietzahlungen befreit gewesen sein, habe sich erst aus der Mitteilung des Finanzamtes B. ergeben, dass dieser bis Ende 2011 überhaupt keine Mietzahlungen erbracht habe. Erst danach habe der Kläger im April 2012 eine bereits seit Januar 2006 bestehende Stundungsvereinbarung mitgeteilt und schriftlich niedergelegt. Er zweifle an der Wirksamkeit des Mietvertrags. Zumindest sei jedoch die Mietzinsforderung dauerhaft gestundet gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass von Dezember 2011 bis März 2012 auf Veranlassung des Beklagten – in Unkenntnis der Stundung – Mietzahlungen an den Vater geflossen seien. Vorauszahlungen auf die Nebenkosten seien bereits im Mietvertrag von 2006 vereinbart gewesen. Dieselbe Regelung weise der Mietvertrag von 2009 auf. Erst nach Anforderung der Betriebskostenabrechnungen habe der Kläger den Mietvertrag von 2009 verändert. Soweit er behaupte, bereits zu Zeiten seiner Erwerbstätigkeit in den Niederlanden im Jahr 2011 Mieten (bar) bezahlt zu haben und dies mit den Kontoauszügen der W. Bank AG zu belegen versuche, sei ihm nicht zu glauben. Denn er habe lediglich in den Monaten Mai, Juni und Juli Zahlungen in unterschiedlicher Höhe von seinem deutschen Girokonto auf sein holländisches Konto veranlasst.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 2. Dezember 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des SG für zutreffend. Die Stundungsvereinbarung lasse seine Zahlungspflicht nicht entfallen; er schulde weiterhin die Miete. Diese werde wegen des Streits mit dem Beklagten vom Vermieter weiterhin gestundet.

Auf Nachfrage der Berichterstatterin hat der Kläger angegeben, die Miethöhe sei vom Vermieter festgelegt worden. Die Kaltmiete betrage 5,80 EUR/m², (290,00 EUR), die Nebenkosten 1,10 EUR/m² (55,00 EUR) und die Heizkosten 1,00 EUR/m² (50,00 EUR).

Im Erörterungstermin am 1. Februar 2018 hat der Kläger erklärt, er habe immer dann, wenn er Einkommen erzielt habe, Miete bezahlt. Daher könne man nicht von einer dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgehen. Er habe immer ganz oder gar nicht gezahlt. Er wisse aktuell nicht, wie hoch seine Mietschulden seien. Darüber führe er aber Buch in Form einer Excel Tabelle im Rechner, die er für das Gericht ausdrucken könne. Die Wohnbaracke befinde sich auf dem Grundstück neben dem Betriebsgelände der Firma des Vaters. Den Ausbau der beiden von ihm genutzten Räume, wie die Anbringung einer Wärmedämmung und den Anschluss an die Heizung, habe sein Vater vorgenommen. Als er in den Niederlanden gearbeitet habe, habe er nur in der letzten Zeit Mietzahlungen erbracht. Auf weiteres Befragen hat er erklärt, er sei bis November 2016 für seinen 1990 geborenen Sohn und seine 1994 geborene Tochter unterhaltsverpflichtet gewesen. Dazu existierten Unterhaltstitel, die er vorlegen könne. Außerdem habe er Schulden, weil die Kinder zeitweise Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezogen hätten. Aus seiner Sicht sei es nicht nötig gewesen, die Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Beklagten anzugeben. Denn wenn er SGB II-Leistungen bezogen habe, habe er ohnedies keinen Unterhalt zahlen können. Im Termin hat die Berichterstatterin darum gebeten, dass der Kläger seine Aufstellung über die Mietschulden, Belege über gezahlte Mieten und zu den Unterhaltsleistungen vorlegt. Nach mehrfacher Erinnerung sowie einer Betreibensaufforderung gemäß § 106a Abs. 3 in Verbindung mit § 157 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Kläger im Dezember 2018 über seinen Prozessbevollmächtigten erklärt, er besitze keine Buchführung über die Mietschulden mehr. Die Datei im Rechner sei durch einen Defekt beschädigt worden und nicht reparabel. Weitere Aufzeichnungen dazu habe er nicht. Der Kläger lasse weiter mitteilen, dass in den Jahren 2012 bis 2016 keine Unterhaltsverpflichtungen bestanden hätten, und dass er während des Bezugs von SGB II-Leistungen keine Zahlungen für Miete und Unterhalt erbracht habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Senats ergänzend Bezug genommen. Die genannten Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, denn der Gesamtbetrag der Verurteilung des SG zur Auszahlung (April 2012) bzw. Bewilligung (Mai bis Oktober 2012) von KdUH-Leistungen übersteigt im streitigen siebenmonatigen Zeitraum die Beschwerdewertgrenze von 750 EUR.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind neben dem Urteil des SG allein die Bescheide vom 27. Mai 2016, mit denen der Beklagte abschließend über den SGB II-Leistungsanspruch des Klägers für die streitbefangenen Monate von April bis Oktober 2012 entschieden und Leistungen für die KdUH abgelehnt hat. Diese endgültige Festsetzung hat die vorläufigen Entscheidungen einschließlich des Widerspruchsbescheids vom 7. Juni 2012 für den Zeitraum von Mai bis Oktober 2012 nach Klageerhebung ersetzt und erledigt (§ 96 Abs. 1 SGG, § 39 Abs. 2 SGB X; vgl. hierzu zuletzt: BSG, Urteil vom 14. Februar 2018, Az.: B 14 AS 17/17 R, juris RN 9 m. weit. Nachw.).

Der Sachentscheidung entgegenstehende prozessuale Hindernisse bestehen nicht. Zutreffende Klageart ist nunmehr eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von Leistungen für die KdUH dem Grunde nach (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) für den streitgegenständlichen Zeitraum von April bis Oktober 2012. Die erstinstanzliche isolierte Leistungsklage auf Auszahlung der für April 2012 vorläufig bewilligten Leistungen hat sich durch die endgültige Entscheidung über den Leistungsantrag erledigt. Soweit mit dem Antrag der Erlass eines Grundurteils begehrt wird, ist dies zulässig, da sich ein höherer Leistungsanspruch ergibt, wenn (auch) im Berufungsverfahren dem Klagebegehren zu folgen ist (vgl. nur: BSG, Urteil vom 16. April 2013, Az.: B 14 AS 81/12 R, juris RN 1), das auf die Bewilligung von KdUH unter Berücksichtigung einer monatlichen Gesamtmiete von 395 EUR gerichtet ist.

Die Berufung ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide erweisen sich als rechtens, sodass das Urteil des SG aufzuheben war.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs des Klägers ist § 19 in Verbindung mit §§ 7, 9, 11 ff., 20 ff. SGB II in der Fassung, die das SGB II zuletzt vor dem streitbefangenen Zeitraum durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl I 2854) erhalten hat. Denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungsabschnitte ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip, vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2016, Az.: B 14 AS 53/15 R, juris RN 15).

Nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen KdUH. Der Kläger ist im streitigen Zeitraum dem Grunde nach leistungsberechtigt nach §§ 7 ff. SGB II gewesen. Berechtigt, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erhalten, sind nach § 7 Abs. 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind sowie ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.

Der im streitigen Zeitraum 40- bzw. 41jährige Kläger hat die in seinem Fall maßgebliche Altersgrenze noch nicht erreicht und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Er war erwerbsfähig. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass die gesundheitlichen Probleme des Klägers zu einer dauerhaften Aufhebung der Erwerbsfähigkeit geführt haben könnten. Ein Verfahren nach § 44a SGB II ist nicht durchgeführt worden. Der Kläger verfügte im streitigen Zeitraum weder über anzurechnendes Einkommen gemäß § 11 SGB II noch über einzusetzendes Vermögen gemäß § 12 SGB II.

Der Kläger hat daher dem Grunde nach einen Anspruch auf SGB II-Leistungen. Da bereits erstinstanzlich allein die Leistungsgewährung für die KdUH streitgegenständlich war, ist die Leistungsbewilligung im Übrigen nicht zu überprüfen. Der Kläger macht tatsächliche Aufwendungen aus einem mit seinem Vater als Vermieter geschlossenen Mietvertrag geltend, nach dem er verpflichtet ist, für die Nutzung von zwei Räumen eine monatliche Gesamtmiete von 395 EUR monatlich zu zahlen.

Unter Würdigung aller Aspekte des Einzelfalls ist der Senat jedoch zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen dem Kläger und seinem Vater kein rechtswirksamer Mietvertrag geschlossen worden ist und keine rechtlich verbindliche Mietzahlungsverpflichtung des Klägers im streitbefangenen Zeitraum von April bis Oktober 2012 bestanden hat.

Gemäß § 22 Abs. 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Bereits aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, dass der Grundsicherungsträger nur solche Kosten zu übernehmen hat, die dem Hilfebedürftigen tatsächlich entstanden sind und für deren Deckung ein Bedarf entsteht. Dies sind in erster Linie Kosten, die durch einen Mietvertrag begründet sind, wie sie der Kläger geltend macht. Es reicht aus, dass der Leistungsempfänger im jeweiligen Bewilligungszeitraum einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. Mai 2009, Az.: B 14 AS 31/07 R, juris). Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung vorliegt, ist primär der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist. Entscheidend ist der entsprechende rechtliche Bindungswille der beteiligten Vertragsparteien. So ist ein Mietverhältnis auch dann anzunehmen, wenn nur eine geringfügige "Gefälligkeitsmiete" vereinbart ist, oder wenn der Mieter etwa lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen hat. Die Umstände des behaupteten Mietverhältnisses sind im Einzelnen zu ermitteln und zu würdigen. Bei dieser Gesamtwürdigung und bei der Auslegung der Vereinbarungen muss jedoch die tatsächliche Übung der Parteien, mithin der tatsächliche Vollzug des Vertragsinhalts, berücksichtigt werden. Im Übrigen sind die Kriterien, die der Bundesfinanzhof im Hinblick auf den so genannten Fremdvergleich entwickelt hat, nach der Rechtsprechung des BSG im Grundsicherungsrecht nicht anwendbar (BSG, a. a. O., RN 19).

Maßgeblich ist, ob die mietvertragliche Vereinbarung mit einem entsprechenden rechtlichen Bindungswillen der beteiligten Vertragsparteien (vgl. BSG, a.a.O., RN 17 f.) abgeschlossen worden ist. Ein sog. Rechtsbindungswille besteht, wenn die vertragsbegründenden Erklärungen beider Vertragsparteien aus Sicht eines verständigen Adressaten den Willen des Erklärenden erkennen lassen, mit der Erklärung jeweils eine rechtliche Bindung zu bewirken. Dies führt dazu, dass die Erklärung nicht mehr einseitig widerrufen oder geändert werden kann. Den Willenserklärungen muss ein solcher Geltungswille entnommen werden können. Sie sind abzugrenzen von der bloßen Erklärung der Vertragsbereitschaft, die als solche unverbindlich ist. Dabei ist bei einem Mietvertrag unter nahen Angehörigen im Grundsicherungsrecht zu berücksichtigen, dass einem Missbrauch auch dann vorgebeugt werden muss, wenn die Vertragsparteien Mieten unterhalb der Angemessenheitsgrenze vereinbaren oder diese in der vertraglichen Regelung ausschöpfen. Nach der Rechtsprechung des BSG (vgl. u.a.: Urteil vom 3. März 2009, Az. B 4 AS 37/08 R, juris RN 24 ff.) muss der Leistungsberechtigte einer ernsthaften, wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt sein. Denn bei Nichtzahlung der Miete droht regelmäßig die Kündigung und Räumung der Unterkunft. Zweck der Regelung über die Erstattung der KdUH im Grundsicherungsrecht ist es aber gerade, existentielle Notlagen zu beseitigen oder den Eintritt von Wohnungslosigkeit zu verhindern. Hilfebedürftige sind in der Regel nicht in der Lage, die Aufwendungen für die KdUH selbst zu tragen. Sie sind, solange sie im Leistungsbezug stehen, auf die Übernahme dieser Kosten angewiesen. Insoweit kann es für die Feststellung, ob tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft entstanden sind, nicht allein darauf ankommen, ob der Leistungsberechtigte einer Zahlungsverpflichtung in der Vergangenheit nachkommen konnte oder nachgekommen ist (BSG, a.a.O., RN 24).

Unstreitig hat der Kläger (jedenfalls) im streitigen Zeitraum von April bis Oktober 2012 auf die nach dem Vertragstext vereinbarte monatliche Gesamtmiete von 395 EUR keine Zahlungen an den Vermieter erbracht. Dies führte nicht zu Reaktionen des Vermieters (Mahnung, Kündigung). Die Nichtzahlung der Miete beruhte nach dem Vortrag des Klägers auch auf einer Stundungsvereinbarung mit dem Vermieter, die nach seinen Angaben bereits seit Januar 2006 bestand und bis zur "Zahlungsfähigkeit" fortbestehen sollte. Diese Vereinbarung wurde am 15. April 2012 schriftlich niedergelegt und nachfolgend dem Beklagten vorgelegt.

Legt man diese Erklärung – zunächst unabhängig von der rechtlichen Bewertung des geltend gemachten Mietvertrags – lebensnah aus, ergibt sich, dass der Vater des Klägers als Vermieter (zumindest) auf Mietzahlungen des Klägers verzichtete, solange dieser seinen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig und/oder wirtschaftlich nicht leistungsfähig war. Da der Kläger im streitigen Zeitraum seinen Bedarf nicht aus eigenen Kräften decken konnte und die im Jahr 1996 geborene Tochter des Klägers erst 16 Jahre alt war, ist trotz der möglicherweise entgegenstehenden Angaben des Klägers im Schriftsatz aus Dezember 2018 davon auszugehen, dass jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum noch eine Unterhaltsverpflichtung des Klägers bestand, sodass er keine Miete zahlen musste.

Unabhängig davon ist der Senat davon überzeugt, dass zwischen dem Kläger und seinem Vater kein rechtswirksames Mietverhältnis bestanden hat, aus dem sich verbindliche Zahlungspflichten des Klägers ergaben. Aus der Gesamtheit der Umstände des Einzelfalls und unter Würdigung der Angaben des Klägers ergibt sich, dass es intern im Verhältnis des Klägers zu seinem Vater keine wirksame vertragliche Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Miete für die genutzten Räumlichkeiten der Wohnbaracke gab. Vielmehr hat der Vater dem Kläger die Räume zu Wohnzwecken überlassen, ohne dafür eine Gegenleistung zu fordern oder eine ernsthafte Mietvertragsbeziehung begründen zu wollen.

Die dem Beklagten vorgelegten Mietverträge sind Scheinmietverträge im Sinne von § 117 BGB, denn den Mietvertragsparteien fehlte ersichtlich der Wille, die darin niedergelegten mietvertraglichen Rechtswirkungen herbeizuführen. Der Rechtsschein eines Mietvertrags sollte begründet werden, um den SGB II-Leistungsträger zu einer Gewährung von KdUH-Leistungen zu veranlassen und dadurch dem Kläger höhere Sozialleistungen zu verschaffen, aber nicht um eine Vertragsbeziehung mit einer eigenen Mietzahlungsverpflichtung des Klägers zu begründen.

Das ergibt sich aus Folgendem: Der Kläger bezog – nachdem der Mietvertrag für seine vormalige Wohnung beendet worden war, er in M. keine andere Mietwohnung gefunden hatte und Wohnungslosigkeit drohte – bereits im September 2005 die beiden Räume der Baracke, ohne dass zum damaligen Zeitpunkt ein Mietvertrag abgeschlossen worden war. Soweit der Kläger als Erklärung dafür gegenüber dem Beklagten angegeben hat, dem Anwesen sei erst jüngst eine Hausnummer zugewiesen worden und zuvor sei gegenüber der Meldebehörde eine Angabe als Wohnsitz nicht möglich gewesen, überzeugt dies nicht. Denn der Abschluss eines Mietvertrags wäre auch formfrei möglich gewesen, und das Mietobjekt hätte sich auch ohne Hausnummer eindeutig beschreiben lassen. Die Angabe des Klägers bei der Leistungsantragstellung im Januar 2016, er habe keinen festen Wohnsitz, war demnach falsch, weil er bereits seit Monaten die Barackenräume als Unterkunft nutzte.

Den vorliegenden schriftlichen Mietverträgen aus den Jahren 2006 und 2009 lässt sich angesichts zahlreicher inhaltlichen Unstimmigkeiten ebenfalls kein konkreter rechtlicher Bindungswillen oder ein zwischen Vertragsparteien verbindlich gewollter Kern – mit einer wirksamen Zahlungsverpflichtung des Klägers – entnehmen. Zunächst sind die Mietverträge jeweils mit "Wohnungsmietvertrag" überschrieben, obwohl es sich bei den vom Kläger als Unterkunft genutzten Räumen, dem potentiellen Vermietungsobjekt, nicht um eine (abgeschlossene) Wohnung handelte, sondern um zwei Einzelräume mit der Möglichkeit der Nutzung von Gemeinschaftssanitäranlagen in einer vormaligen Wohnbaracke, die im Übrigen gewerblichen Zwecken (Lager, Büroräume) dient. Die Unterkunft verfügte weder über eine Küche und Bad noch stellte sie eine von den übrigen Räumen des Gebäudes getrennte, für Dritte nicht zugängliche abgeschlossene Einheit dar. Die Darstellung im Mietvertrag, es handele sich um eine reguläre Wohnung, ist offensichtlich unrichtig.

Für dieses "Mietobjekt", das einer Unterkunft in einem Wohnheim mit Gemeinschaftssanitäranlage vergleichbar ist, sind die damals angeblich vereinbarten Mietbeträge deutlich zu hoch. Dies gilt insbesondere für den Mietvertrag von 2009 mit einer Kaltmiete von 5,80 EUR/m² (bei einer Gesamtmiete von 395 EUR), die deutlich über der 2012 vom Beklagten als angemessen erachteten Kaltmiete von 5,00 EUR/m² für eine Wohnung in der Kommune Muldestausee lag. Dabei verfügte die "Wohnung" des Klägers nicht über ein eigenes Bad und ist nach ihrer Ausstattung als unterste Wohnqualität zu bewerten. Der Bezug von solchen Substandard-Wohnungen ist SGB II-Leistungsberechtigten grundsätzlich nicht zuzumuten (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az.: B 14 AS 2/10 R, juris RN 24). Nach den unwidersprochenen Feststellungen des Beklagten beim Hausbesuch wiesen sowohl die Wohn- als auch die Sanitärräume einen unteren Wohnstandard auf. Daraus wird deutlich, dass auch der anfängliche Mietzins mit einer Kaltmiete von 4,60 EUR/m² (Gesamtmiete von 295 EUR in 2006) bzw. 4,50 EUR/m² (Gesamtmiete von 305 EUR nach der Mietbescheinigung aus April 2008) deutlich über den Mieten für Wohnungen mit geringem Komfort lag, obwohl die Unterkunft wegen der fehlenden Abgeschlossenheit nicht als reguläre Wohnung des allgemeinen Mietwohnungsmarkts anzusehen war.

Eine ernsthaft gewollte Vereinbarung eines solchen überhöhten Mietzinses zwischen den Vertragsparteien hätte bedeutet, dass der Vater als Vermieter die akute Zwangslage des Klägers (Kündigung des vorherigen Mietvertrags und drohende Obdachlosigkeit) zu seinem wirtschaftlichen Vorteil ausnutzt. Dann hätte es nahegelegen, dass der Kläger so bald wie möglich umzieht, um der überhöhten Miete zu entkommen und angemessenen Wohnraum zu erlangen. Tatsächlich wohnt er dort immer noch.

Der festgelegte Mietzins begründet den Verdacht eines Vertrags zu Lasten Dritter, weil der eigentlich Zahlungspflichtige der Beklagte sein sollte. Dafür spricht auch das Vortäuschen, es handele sich um einen regulären Wohnungsmietvertrag mit Nebenkostenvorauszahlungen. Der Senat ist vor diesem Hintergrund davon überzeugt, dass die "Mietvertragsparteien" sich einig waren, dass nicht der Kläger, sondern allein der Beklagte Zahlungen leisten sollte.

Die schriftlich vereinbarte Mietzahlung (auf das Konto des Vermieters) ist nach der Überzeugung des Senats vom Kläger im gesamten Zeitraum von September 2005 bis zum Jahr 2015 (mit Ausnahme der Direktzahlungen durch den Beklagten in der Zeit von November 2011 bis März 2012) niemals vorgenommen worden. Auch dies spricht dafür, dass die Miete vom Kläger nie geschuldet war. Gestützt wird diese Schlussfolgerung durch die (erst) im April 2012 schriftlich niedergelegte und beim Beklagten vorgelegte Stundungsvereinbarung. Diese hat der Kläger als Reaktion auf die vom Beklagten eingeholte Auskunft des Finanzamts aus dem Februar 2012 vorgelegt. Nach ihr waren bis Ende 2011 keine Mietzahlungen des Klägers an den Vater erfolgt. Dies ist als weiterer Versuch des Klägers zu verstehen, trotz Nichtzahlung der Miete eine rechtswirksame Zahlungsverpflichtung zu konstruieren.

Der Kläger hat im Übrigen im Verlauf des Verfahrens mehrfach wechselnde und widersprüchliche Angaben zu angeblichen Mietzahlungen gemacht, um den Beklagten und die Gerichte davon zu überzeugen, dass er dem Grunde nach zur Mietzahlung verpflichtet gewesen sei. So hat er beispielsweise, nachdem der Beklagte im März 2011 erstmalig Belege über die Mietzahlungen anforderte, von Mai bis Juli 2011 Überweisungen auf ein eigenes Konto mit dem Verwendungszweck "Miete" veranlasst. Als dem Beklagten auffiel, dass der Überweisungsempfänger der Kläger und nicht der Vermieter ist, hat der Kläger wortreich erläutert, er lasse sich die auf das niederländische Konto überwiesenen Beträge auszahlen und bezahle damit die Miete bar beim Vermieter. Als der Beklagte ihn darauf hinwies, dass die Überweisungsbeträge für eine volle Mietzahlung nicht ausreichten, hat er erklärt, er stocke sie mit den Einnahmen aus seiner selbstständigen Tätigkeit auf. Auf den weiteren Hinweis, dass auch mit diesen monatlichen Einnahmen von 50 EUR der vereinbarte Gesamtmietbetrag nicht erreicht werde, hat er dann im November 2011 die vom Vater unterschriebenen Mietzahlungsquittungen für die Monate September bis November 2011 vorgelegt.

Er hat zudem mehrfach erklärt, er habe immer dann, wenn es ihm wirtschaftlich besser gegangen sei, Miete gezahlt. Auch dafür sollen die drei von seinem Vater unterschriebenen Quittungen über Mietzahlungen in den Monaten September bis November 2011 einen Beleg darstellen. Indes glaubt der Senat nicht, dass die quittierten Zahlungen erfolgt sind. Vielmehr wird aus den vorangegangenen Darlegungen deutlich, dass der Kläger immer dann, wenn er nach Einzelheiten befragt oder Belege angefordert werden, ausweicht und neue Tatsachen behauptet, die er angeblich belegen kann, letztlich aber nicht belegt und damit einräumt, dass die vorangegangene Behauptung falsch war.

Im Erörterungstermin der Berichterstatterin am 1. Februar 2018 – mehr als fünf Jahre nach der Vorlage der Stundungsvereinbarung – hat er beispielsweise erneut angegeben, immer dann, wenn er eine Beschäftigung gehabt habe, auch Miete gezahlt zu haben. Darüber habe er Buch geführt in Form eine Excel-Tabelle, die er für das Gericht ausdrucken könne. Auf weitere Nachfrage ergab sich, dass er während der Beschäftigungszeiten in den Niederlanden (November 2006 bis Mai 2009), in denen er gut verdiente, tatsächlich keine Miete gezahlt hat. Daraufhin behauptete er, er habe anstelle der Miete Unterhalt an seine Kinder gezahlt. Auch darüber führe er Buch. Er hat auch behauptet, regelmäßig die zugeflossenen KdUH-Leistungen des Beklagten auf Unterhaltszahlungen verwandt zu haben. Auf Nachfrage im Termin hat er erklärt, aus den Leistungen manchmal Unterhaltszahlungen erbracht zu haben. In der Folgezeit hat er jedoch die angekündigten und ausdrücklich angeforderten Ausdrucke der Excel-Tabellen über Zahlungen und Schulden für Miete und Unterhalt nicht vorgelegt und nach mehreren Erinnerungen im Dezember 2018 schließlich vortragen lassen, er könne aufgrund eines Computerdefekts, der die Dateien irreparabel beschädigt habe, keine Aufzeichnungen mehr vorlegen. Außerdem hat er vortragen lassen, im (gesamten) Zeitraum des Bezugs von SGB II-Leistungen weder Miet- noch Unterhaltszahlungen erbracht zu haben.

Mit diesem Vorbringen rückt er nicht nur von seinem bisherigen Vortrag ab, sondern entwertet auch die im April 2012 vorgelegte Stundungsvereinbarung, nach der ihm wegen seiner angespannten wirtschaftlichen Situation und den bestehenden Unterhaltsverpflichtungen die Miete (seit Januar 2006 bis aktuell) gestundet gewesen sein soll. Angesichts dieses wechselhaften und im Kern durchgängig unplausiblen Vorbringens musste der Senat zu der Überzeugung gelangen, dass ein rechtswirksamer Mietvertrag nie bestand und der Kläger folglich nie zu Mietzahlungen verpflichtet war.

Diese Bewertung wird durch die Tatsache gestützt, dass im gesamten Verfahren ein ernsthaftes Zahlungsverlangen des Vermieters nicht aktenkundig geworden ist. Seit dem Bezug der Räume im September 2005 bis zum streitbefangenen Zeitraum von April bis Oktober 2012 gab es keine Zahlungsaufforderungen oder Mahnungen. Es gibt nicht einmal ein Schreiben des Vermieters mit einer Übersicht über den aktuellen Mietschuldenstand. Die Nichtzahlung der Miete hatte folglich nie Konsequenzen für den Kläger. Dies zeigt, dass er einem ernsthaften Zahlungsverlangen nicht ausgesetzt war.

Möglicherweise hat der Vater, der den Kläger bereits durch die (kostenfreie) Überlassung der Barackenräume zur Wohnnutzung unterstützt hat, ohne Rücksicht auf den Wahrheitsgehalt der verkörperten Erklärungen schlicht die Schriftstücke unterschrieben, die ihm der Kläger vorgelegt hat (Mietverträge, Mietbescheinigungen, Quittungen über Mietzahlungen). Möglicherweise wollte er damit dem Kläger wirtschaftlich beistehen. Gleichwohl konnte sich der Senat nicht vom Bestehen einer Mietzahlungsverpflichtung im streitbefangenen Zeitraum überzeugen.

Der Senat konnte sich im vorliegenden Fall auch keine Überzeugung davon verschaffen, dass intern zwischen dem Kläger und seinem Vater eine andere Vereinbarung bestand, nach der der Kläger in anderer Form einen Ausgleich für die Nutzung der Räume zu leisten hatte. Denn auch wenn im Einzelfall kein wirksamer Mietvertrag vorliegt, aus dem Mietzahlungen zu erbringen und als tatsächliche Aufwendungen zu beachten sind, besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass der Kläger gegenüber seinem Vater verpflichtet war, einen Betrag für die auf ihn entfallenden laufenden Betriebs- und Verbrauchskosten der von ihm genutzten Räume in dem Anwesen zu tragen. Dies setzt voraus, dass dem Kläger insoweit Kosten auch tatsächlich entstanden sind. Der Senat konnte sich jedoch weder vom Bestehen einer Zahlungsverpflichtung aus Miet- bzw. Nutzungsvertrag überzeugen noch von einer "daneben" stehenden Abrede über die Erbringung anderer eigener Beiträge des Klägers zur Finanzierung der von ihm verursachten Wohnkosten.

Mangels rechtlich verbindlicher Zahlungsverpflichtung des Klägers im streitgegenständlichen Zeitraum war auf die Berufung das angegriffene Urteil des SG aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision nach § 160 SGG liegt nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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