S 37 AS 3080/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 3080/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 24.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2019 verurteilt, der Klägerin ab 01.06.2018 die Regelleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II unter Anrechnung ihres Einkommens zu gewähren. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Regelleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen für die Zeit ab 01.06.2018.

Die am 00.00.1966 geborene Klägerin verbrachte mit dem Zeugen D1 und den volljährigen gemeinsamen Kindern, dem Zeugen Q X1 und der Tochter M X2 mehrere Jahre auf Mallorca. Nachdem der Zeuge Q X1 vorzeitig nach Deutschland in den Haushalt seiner Großmutter, der Zeugin D1, zurückgekehrt war, beendeten auch die Klägerin, der Zeuge D1 und die Zeugin M X1 ein Jahr später ihren Auslandsaufenthalt, kehrten etwa 2011 nach Deutschland zurück und wohnten anschließend im Haus der Zeugin D1.

Vom 01.01.2012 bis 31.11.2014 arbeitete die Klägerin als Küchenhilfe in einer Schulküche. Vom 01.12.2014 bis 30.06.2015 arbeitete sie in Vollzeit als Verkäuferin in einer Metzgerei bei Rewe. Ihr monatliches Verdiensteinkommen betrug etwa 1500 EUR Brutto. Nach Beendigung dieses Arbeitsverhältnisses bezog sie Arbeitslosengeld I. Für ihre Tochter M X1 bezog die Klägerin Kindergeld. Aufgrund eines Antrags vom 01.09.2014 (von der Klägerin persönlich gestellt) bezog die Klägerin mit dem Zeugen D1und ihrer Tochter, der Zeugin M X1, zwei Monate lang aufstockende Leistungen nach dem SGB II.

Noch im Jahre 2014 zog die Klägerin zu ihrer Mutter nach Hueckelhoven. Ein erneuter Zuzug der Klägerin in das Haus der Zeugin D1 erfolgte am 26.05.2015.

Am 09.09.2016 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Im Rahmen der Antragstellung trug die Klägerin vor, kein Einkommen zu haben und mietfrei alleine zu leben. Sie reichte eine Schlafstellenbescheinigung des Zeugen D1 vom 12.09.2016 ein, wonach sie- die Klägerin- in E1 aufhält und es sich um eine kostenlose Schlafstelle mit Selbstversorgung handelt. Es bestehe keine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 SGB II.

Mit Schreiben vom 06.09.2016 wurde die Klägerin zur Mitwirkung aufgefordert. Mit Bescheid vom 04.10.2016 versagte der Beklagte die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ab dem 01.09.2016 ganz, da die Klägerin trotz Aufforderung Unterlagen nicht eingereicht habe.

In einem Telefonat vom 30.01.2017 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass der Zeuge D1 ihr aus Mitleid ein Zimmer zur Verfügung gestellt habe, sie aber zeitnah auszuziehen müsse. In einem handschriftlichen Schreiben vom 07.02.2017 gab die Klägerin an, sie habe lediglich eine Matratze im Keller, auf der sie schlafe. Daraufhin schaltete der Beklagte den Außendienst ein, um den Aufenthaltsort der Klägerin zu ermitteln. Bei dem Besichtigungstermin vom 17.02.2017 untersagte der Zeuge D1 den Zutritt zu dem Haus. Bei einem weiteren angekündigten Außendiensttermin am 24.04.2017 trug die Klägerin vor, dass sich ihr Schlafplatz nicht im Keller, sondern in einem Anbau (Wintergarten) des Hauses befände; sie nächtige in dem stark unterkühlten Raum auf 3 Auflagen. Die Mitarbeiter des Außendienstes konnten ausweislich des Besichtigungsprotokolls dabei persönliche und private Dinge nicht vorfinden, sondern lediglich wenige Kleidungsstücke in Augenschein nehmen. Weiterhin wurde festgestellt, dass der Raum als Hauswirtschaftsraum sowie als Arbeits-und Lagerraum für die Tätigkeit des Zeugen D1 genutzt wurde.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 14.06.2018 zum Verfahren S 41 AS 4200/17 bezüglich eines Überprüfungsantrags zum Versagungsbescheid vom 04.10.2016 stellte die Klägerin erneut zu Protokoll einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Sie trug vor, seit 2017 in einem Fahrzeug des Zeugen D zu übernachten.

Ausweislich eines Ausdruckes der T1 D2 Bank-AG vom 23.01.2018 wurde der Klägerin eine Pfändung der FL1L2 D3 am 23.01.2018 bezüglich einer Forderung der Krankenkasse i.H.v. 4480,09 EUR zugestellt. Eine Teilzahlung i.H.v. 600 EUR wurde am 21.02.2018 gebucht. Die Pfändung wurde demzufolge auf 3880,09 EUR eingeschränkt.

Bei einer Vorsprache der Klägerin beim Beklagten am 10.07.2018 trug die Klägerin vor, dass sie seit Herbst 2017 in einem Pkw des Zeugen D1 schlafe (Mercedes Vito- Amtliches Kennzeichen: E2-HK1 00)); dieser brauche den Pkw nur 2-3 mal im Monat, wenn er zu Motorradclubtreffen fahre. In dieser Zeit schlafe sie bei einer Freundin. Kleidung und persönliche Sachen seien im Bettkasten unter dem Bett im Mercedes Vito. Von dem Zeugen D1 bekommen sie den Schlüssel zur den sanitären Einrichtungen im Haus, ansonsten benutze sie zur Verrichtung der Notdurft einen Eimer. Der Lebensunterhalt sei in der Vergangenheit weitgehend durch Kindergeld der Tochter sichergestellt worden. Seit der aktenkundigen Kontenpfändung Anfang 2018 gehe das Geld auf das Konto des Zeugen D1, der das Geld für die Tochter verwende. Ihr Lebensunterhalt sei durch Pfandflaschensammeln sichergestellt worden. Alle zwei Tage könne sie etwa Flaschen im Wert von fünf Euro sammeln. Manchmal können sie bei einer Freundin mitessen. Von dem Zeugen D1 erhalte ich sie keine weitere Unterstützung.

Bei einem spontanen Besuch des Außendienstes des Beklagten am selben Tag (10.07.2018) konnte der Beklagte im Mercedes Vito keine persönlichen Gegenstände der Klägerin vorfinden. Auch erschien die Klägerin entgegen ihrer Angaben bei der persönlichen Vorsprache nicht erst zwei Stunden später als Fußgängerin, sondern fand sich auch unmittelbar, gemeinsam mit dem Zeugen D1, mit dem Auto ankommend, am Wohnort des Zeugen D1 ein.

Mit Bescheid vom 24.07.2018 lehnte der Beklagte die Gewährung von Leistungen ab, weil die wirtschaftliche und persönliche Situation und damit die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht glaubhaft und nachvollziehbar sei.

Dagegen legte die Klägerin unter dem 22.08.2018 Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass nach ihrer Auffassung die Hilfebedürftigkeit voll bewiesen sei. Dass in dem Mercedes Vito keine persönlichen Gegenstände von ihr gefunden worden seien, lasse sich damit erklären, dass sie ihre Kleidungsstücke und sonstigen persönlichen Gegenstände in dem Anhänger auf dem Grundstück des Zeugen D1 lagere, sofern der Zeuge D1 den Vito auch über Nacht benötige.

Unter dem 24.08.2018 stellte die Klägerin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung bei der erkennenden Kammer (Aktenzeichen S 37 AS 3332/18 ER). Nach Durchführung eines Erörterungstermins vom 22.11.2018 und Vernehmung des Herrn D1 und der Tochter M X1 als Zeugen sowie nach Inaugenscheinnahme der Schlafstätte der Klägerin seitens der erkennenden Kammer verpflichtete die Kammer mit Beschluss vom 26.11.2018 "die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung , der Antragstellerin vorläufig die Regelleistung nach dem SGB II i.H.v. 416 EUR monatlich ab dem 24.08.2018 bis einschließlich dem 31.12.2018 zu gewähren." Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Klägerin sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht habe. Nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei es überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin hilfebedürftig im Sinne des §§ 9 Abs. 1 SGB II sei. Sie habe eidesstattlich versichert, seit September 2016 mittellos zu sein, über kein Einkommen und Vermögen zu verfügen und ohne Hilfe dazustehen. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte Finanzstatus weise die Kontenpfändung im Januar 2018 aus. Die Hilfebedürftigkeit entfalle nach summarischer Prüfung auch nicht durch das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Zeugen D1 oder den gemeinsamen Kindern, denn nach der Beweisaufnahme sei es überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin mit dem Zeugen D1 und den gemeinsamen Kindern nicht in einem gemeinsamen Haushalt lebe. Die Güter- und Folgenabwägung falle vorliegend zugunsten der Klägerin aus. Aufgrund des besonderen Gewichts der Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens sei der Klägerin Arbeitslosengeld II in Höhe des gesetzlichen Regelbedarfs zu gewähren, da sie über keine feststellbaren Einnahmen verfüge.

Im Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht NRW (Az: L 2AS 613/19 B ER) wurde auf den Antrag des Beklagten mit Beschluss vom 05.02.2019 die Vollstreckung aus dem Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.11.2018 gemäß § 199 Abs. 2 SGG ausgesetzt. Das LSG NRW vertrat die Auffassung, dass der Aussetzungsantrag zulässig und begründet sei. Der Leistungszeitraum liege inzwischen vollständig in der Vergangenheit. Es sei in keiner Weise ersichtlich, geschweige denn seitens der Klägerin vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht worden, dass dennoch ein Anordnungsgrund im Sinne des Vorliegens besonderer Eilbedürftigkeit, die ein Abwarten des Ausgangs des Hauptsacheverfahrens unzumutbar machen könnte, anzunehmen sei. Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs im Sinne des Vorliegens eines materiell-rechtlichen Leistungsanspruches komme es vorliegend gar nicht mehr an.

Mit weiterem Beschluss vom 28.02.2019 lehnte das LSG NRW den Antrag der Klägerin auf Aufhebung des Beschlusses des Senats vom 05.02.2019 ab (Az.: L 2 SF 387/18 ER).

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2019 wurde der Widerspruch der Klägerin bezüglich der Leistungsablehnung ab 01.06.2018 zurückgewiesen. Die Klägerin habe ihre Hilfebedürftigkeit nicht im Ansatz glaubhaft gemacht. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben habe der Sachverhalt zu den Wohn-und Wirtschaftsverhältnissen trotz entsprechender Bemühungen nicht aufgeklärt geklärt werden können. Im Rahmen eines Außentermins vom 10.07.2018 seien keine persönlichen Gegenstände der Klägerin im Mercedes Vito vorgefunden worden.

In der am 15.04.2019 erhobenen Klage meint die Klägerin, dass die Hilfebedürftigkeit gemäß § 9 SGB II voll bewiesen sei. Sie sei seit September 2016 ohne jegliche Hilfe und stehe völlig mittellos da. Auch sei bei einem Außendienstbesuch des Beklagten festgestellt worden, dass ihre Kleidungsstücke sich in einem Anhänger auf dem Grundstück von Herrn D1 befänden. Der Zeuge D1 überlasse ihr seinen Mercedes Vito zu Schlafzwecken. Allerdings benötige er dieses Fahrzeug hin und wieder für seine berufliche Tätigkeit. Sofern der Zeuge D1 den Vito auch über Nacht benötige, bestünde für sie die Gelegenheit, bei einer anderen Freundin, Frau T2 X2 aus Düsseldorf, zu übernachten. Sie lebe nicht in einer Bedarfsgemeinschaft mit dem Zeugen Clemens.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 24.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2019 zu verurteilen, ihr ab dem 01.06.2018 die Regelleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II unter Anrechnung des erzielten Einkommens zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 01.04.2019. Die Klägerin habe weder im Verwaltungsverfahren noch in den sozialgerichtlichen Verfahren S 37 AS 3332 / 18 ER und L 2 AS 2149 / 18 B ER ihre Hilfebedürftigkeit ansatzweise glaubhaft gemacht, geschweige denn nachgewiesen. Aufgrund der widersprüchlichen Angaben der Klägerin habe der Sachverhalt zu den Wohn-und Wirtschaftsverhältnissen der Klägerin trotz entsprechender Bemühungen nicht aufgeklärt werden können. Entgegen dem Vortrag der Klägerin habe der Außendienst im Rahmen des Termins vom 10.07.2018 auch nicht festgestellt, dass Kleidungsstücke der Klägerin in einem Anhänger auf dem Grundstück des Zeugen D1 untergestellt waren. Trotz intensiver Bemühungen habe der Sachverhalt bezüglich der tatsächlichen Lebensumstände der Klägerin aufgrund ihrer widersprüchlichen und zumindest in weiten Teilen unzutreffenden Angaben nicht aufgeklärt werden. Die Klägerin habe trotz Aufforderung die tatsächlichen und wirtschaftlichen Lebensumstände weder substantiiert dargelegt noch nachgewiesen. Hilfebedürftigkeit sei somit nicht nachgewiesen.

Mit Beschluss das LSG NRW vom 29.05.2019 ist auf die Beschwerde des Beklagten der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 26.11.2018 aufgehoben worden. Der Antrag der Klägerin auf Verpflichtung des Beklagten zur vorläufigen Gewährung der Regelleistung nach dem SGB II i.H.v. 416 EUR monatlich ab dem 24.08.2018 bis einschließlich 31.12.2018 ist abgelehnt worden (Az: L 2 AS 613/19 B ER). Das LSG NRW hat die Auffassung vertreten, dass ein Anordnungsgrund seitens der Klägerin nicht glaubhaft gemacht worden sei. Sie habe in keiner Weise substantiiert vorgetragen, geschweige denn glaubhaft gemacht, dass trotz des Umstandes, dass das anhängige Eilverfahren ausschließlich den inzwischen längst vergangenen Zeitraum bis zum 31.12.2018 betreffe, gegenwärtig eine besondere Eilbedürftigkeit vorliege. Im Hinblick auf die aus dem Rahmen des gewöhnlichen fallenden behaupteten Lebensumstände sei in einem Hauptsacheverfahren Gelegenheit, die Leistungsvoraussetzungen zu klären. Auch die erneute Behauptung der Klägerin, dass sie verhungere und auf der Straße leben müsse, sei in keiner Weise nachvollziehbar, geschweige denn belegt. Eine aktuelle Notlage sei über einen aktuell zu stellenden Leistungsantrag zu beheben. Auf das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs komme es damit gar nicht mehr an.

Am 31.10.2019 ist ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Auf den Inhalt des Protokolls vom 31.10.2019 wird Bezug genommen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhaltes hat die Klägerin nach Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung zu Einkommens-und Vermögenslosigkeit erneut einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der vorläufigen Gewährung der Regelleistung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen des SGB II gestellt.

Im Verfahren S 37 AS 4238 / 19 ER ist der Beklagte mit Beschluss vom 13.11.2019 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig die Regelleistung nach dem SGB II i.H.v. 424 EUR monatlich ab dem 31.10.2019 bis einschließlich dem 30.11.2019 zu gewähren. Nach Auffassung der Kammer seien sowohl der Anordnungsgrund als auch der Anordnungsanspruch für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinsichtlich der vorläufigen Gewährung der Regelleistung glaubhaft gemacht worden. Die Klägerin habe im Erörterungstermin zum Verfahren S 37 AS 3080/19 an Eidesstatt versichert, über keinerlei Vermögenswerte oder Einnahmen zur Verfügung und seit über drei Jahren mittellos zu sein, wobei sie nur durch Flaschensammeln ihren Lebensunterhalt sicherstellen könne. Sie habe auch keine andere Unterkunft als den ihr zur Verfügung gestellten Anhänger. Die Hilfebedürftigkeit entfalle nach summarischer Prüfung auch nicht durch das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft mit ihrem ehemaligen Lebensgefährten, dem Zeugen D1 oder der gemeinsamen Tochter, der Zeugin M X1. Diesbezüglich sei auf die Ermittlungen im vorangegangenen Eilverfahren S 37 AS 3332/18 ER, in dem der Zeuge D1 und die Zeugin M X1 als Zeugen vernommen worden waren und im Rahmen eines Außendiensttermins die Schlafstätte der Klägerin besichtigt worden war, zu verweisen. Soweit der Beklagte die Klägerin für unglaubwürdig halte, da diese in der Vergangenheit unterschiedliche Angaben zum Schlafplatz gemacht habe, so führe das nicht zur Annahme der fehlenden Bedürftigkeit hinsichtlich der Regelleistung. Gleiches gelte hinsichtlich des Vortrags, dass immer noch nicht klar sei, wie über einen so langen Zeitraum in dieser Form gelebt wurde. Für die Kammer gebe es keinerlei Anhaltspunkte für ein etwaiges Einkommen, Zuwendungen oder Vermögen, die vorliegend die Bedürftigkeit der Klägerin ausschließen würden. Die Versicherung an Eidesstatt, vom Flaschensammeln gelebt zu haben, sei deshalb für die Kammer nachvollziehbar und ausreichend, um eine Glaubhaftmachung des Anordnungsanspruches vorzunehmen. Ein weiterer Beweis der Hilfebedürftigkeit könne von der Antragstellerin bei Beachtung der Menschenwürde nicht verlangt werden. Zur Abwendung der gegenwärtigen Notlage hatte die Kammer den tenorierten Leistungszeitraum auf den Monat November 2019 begrenzt. Damit habe der Beklagte genug Zeit, etwaige Einkommensquellen zu prüfen, die die Bedürftigkeit der Klägerin ausschließen könnten. Sollte es bei der geltend gemachten Bedürftigkeit der Klägerin verbleiben, gehe die Kammer davon aus, dass der Beklagte der Klägerin weiterhin die Regelleistung gewähre. Anderenfalls verbleibe der Klägerin die Möglichkeit, weitere Leistungen ab 01.12.2019 im Rahmen eines neuen Eilantrages geltend zu machen.

Da eine Leistungsgewährung seitens des Beklagten nicht erfolgte ist, ist am 02.12.2019 ein weiteres Eilverfahren seitens der Klägerin angestrengt worden(Az: S 37 AS 4551/19 ER). Mit Beschluss vom 12.12.2019 ist der Beklagte im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden, der Klägerin vorläufig die Regelleistung nach dem SGB II i.H.v. 424 EUR monatlich ab dem 02.12.2019 bis einschließlich dem 31.12.2019 zu gewähren. Es seien seitens des Beklagten keine Einlassungen zu etwaigen Einkommensquellen/Vermögen der Klägerin erfolgt. Es sei lediglich darauf abgestellt worden, dass die Klägerin unglaubwürdig sei und bis zuletzt unklar geblieben sei, wo sie sich tatsächlich aufhalte und wovon sie ihren Lebensunterhalt seit Mitte 2016 bestreite. Die Klägerin habe einen Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Angesichts der Terminierung des Hauptsacheverfahrens auf den 08.01.2020 sei die vorläufige Leistungsgewährung auf den Monat Dezember 2019 begrenzt worden. Der Beklagte hat gegen die Eilbeschlüsse der erkennenden Kammer vom 13.11.2019 und 12.12.2019 Beschwerde eingelegt und den Antrag gestellt, die Vollstreckung der einstweiligen Anordnung aus den Beschlüssen vom 13.11.2019 und 12.12.2019 auszusetzen.

Das LSG NRW hat am 20.12.2019 die Anträge des Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung abgelehnt, da die Entscheidungen des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2019 und 12.12.2019 nicht beschwerdefähig waren (Az: L 12 SF 452/19 ER und L 12 SF 453/19 ER). Daraufhin hat der Beklagte die Beschwerden gegen die Beschlüsse des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.11.2019 und 12.12.2019 in den Verfahren L 12 AS 2085/19 B ER und L 12 AS 2086/19 B ER) am 23.12.2019 zurückgenommen.

Im Verhandlungstermin hat die Kammer Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N D1, K2 D1, M und Q X1. Auf den Inhalt des Protokolls vom 08.01.2020 wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten S 37 AS 3332/18 ER ( L 2 AS 613/19 B), S 37 AS 4238/19 ER ( L 12 AS 2085/19 B ER) sowie S 37 AS 4551 / 19 ER ( L 12 AS 2086/19 B ER) Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin ist durch den Bescheid vom 24.07.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2019 beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Der Bescheid ist rechtswidrig. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung der Regelleistung nach dem SGB II unter Berücksichtigung ihres erzielten Einkommens.

Die Passivlegitimation des Beklagten ist vorliegend gegeben, da die Klägerin zur Überzeugung der Kammer im streitigen Zeitraum ihren gewöhnlichen Aufenthalt unter der im Rubrum genannten Adresse und damit im Zuständigkeitsbereich des Beklagten (§ 36 SGB II) hatte. Stichhaltige Anhaltspunkte dafür, dass dies im streitigen Zeitraum nicht der Fall gewesen sein sollte, finden sich nicht.

Die Klägerin ist nach dem SGB II leistungsberechtigt. Leistungen nach dem SGB II erhalten Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Leistungsberechtigte) (§ 7 Abs. 1 S. 1 SGB II).

Die 1966 geborene Klägerin erfüllte im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 4 SGB II hinsichtlich des Alters; Anhaltspunkte für das Fehlen ihrer Erwerbsfähigkeit bestehen nicht, und sie hatte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland; ein Ausschlusstatbestand nach § 7 Abs. 4 und 5 SGB II lag nicht vor. Zudem konnte sich die Kammer von der Hilfebedürftigkeit der Klägerin im Hinblick auf die geltend gemachte Regelleistung für die Zeit ab 01.06.2018 überzeugen.

Hilfebedürftig i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB II ist, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II).

Die Voraussetzungen im Hinblick auf die Gewährung der Regelleistung nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen unter Berücksichtigung des erzielten Einkommens sind dem Grunde nach gegeben.

Dabei kann das Gericht offenlassen, ob die Hilfebedürftigkeit nach § 9 Abs. 2 SGB II bei Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft gegeben wäre. Nach Überzeugung der Kammer liegt nämlich keine Bedarfsgemeinschaft mit den Bewohnern des Hauses P X3 00 vor.

Nach umfangreicher Beweisaufnahme konnte sich die Kammer davon überzeugen, dass eine Bedarfsgemeinschaft der Klägerin mit dem Zeugen D1 nicht vorliegt. Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner des erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Person, die mit der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen. Die zwei objektiven Tatbestandsmerkmale Partnerschaft und Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt müssen kumulativ zur subjektiven Komponente (wechselseitiger Wille Verantwortung für einander zu tragen und füreinander einzustehen) vorliegen. Nur letztere Komponente ist Gegenstand der Vermutungsregelung des §§ 7 Abs. 3a SGB II. Die gesetzliche Vermutung greift mithin nur, wenn die zwei oben genannten objektiven Kriterien positiv feststehen, vergleiche Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 23.08.2012, Az: B 4 AS 24/12 R, Rn.14) Die Kammer ist davon überzeugt, dass der Zeuge D1 kein Partner der Klägerin ist. Von dem Bestehen einer Partnerschaft im Sinne des §§ 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II ist auszugehen, wenn eine gewisse Ausschließlichkeit der Beziehung gegeben ist, die keine vergleichbare Lebensgemeinschaft daneben zulässt, wobei rechtlich die Möglichkeit der Begründung einer Ehe oder Lebenspartnerschaft nach dem LPartG gegeben sein muss. Die Würdigung der Umstände hat ohne gleichzeitige Einbeziehung des subjektiven Merkmals des Einstehens- und Verantwortungswillens zu erfolgen, vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2012 Az: B 4 AS 24/12 R, Rn.20. Eine solche exklusive Beziehung zwischen der Klägerin und dem Zeugen D1 ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben. Die Klägerin hat angegeben, dass sie sich bereits 2012 von dem Zeugen D1 getrennt habe. Dies stimmt mit der Aussage des Zeugen D1 überein, der ausgesagt hat, seit 2012 keine Liebesbeziehung mit der Klägerin mehr zu führen. Dass die Klägerin und der Zeuge D1 sich getrennt haben ist auch dadurch nachvollziehbar dokumentiert, dass die Klägerin nach einer Zeit des Getrenntlebens in einem Haushalt zu ihrer Mutter nach I gezogen ist und dort etwa ein dreiviertel Jahr gelebt hat. Sowohl die Klägerin als auch der Zeuge D1 haben nachvollziehbar und übereinstimmend dargelegt, dass der erneute Zuzug der Klägerin im Jahre 2015 erfolgte, weil die gemeinsame Tochter, die Zeugin M X1, mit schulischen Problemen zu kämpfen hatte. Die Trennung der Klägerin von dem Zeugen D1 wurde des Weiteren nachvollziehbar von der gemeinsamen Tochter, der Zeugin M X1, bestätigt. Auch die Mutter des Zeugen D1 die Zeugin D1 hat im Rahmen ihrer Zeugenaussage zumindest den Auszug der Klägerin bestätigt und mitgeteilt, dass sie oft im Wintergarten geschlafen habe. Seit zwei Jahren würde sie die Klägerin überhaupt nicht mehr sehen.

Zudem ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin mit dem Zeugen D1 im streitigen Zeitraum ab 01.06.2018 nicht in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat bzw. lebt. Das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts setzt das Bestehen einer gemeinsamen "Wohn-und Wirtschaftsgemeinschaft" voraus. Dabei ist unter Zusammenleben in einer Wohnung mehr als bloßes Zusammenwohnen zu verstehen, vgl. BSG, Urteil vom 23.08. 2012 Az: B 4 AS 24/12 R, Rn.21 f.

Nach der durchgeführten Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Klägerin im streitigen Zeitraum unterschiedliche Schlafplätze auf dem Grundstück P X3 00 gehabt hat. So haben die Klägerin, die Zeugen D1 und auch die Zeugin M X1 übereinstimmend glaubhaft bekundet, dass die Klägerin eine Zeit lang im Wintergarten des Hauses geschlafen hat. Dass die Klägerin manchmal im Mercedes Vito übernachtet hat wurde von der Klägerin, dem Zeugen D1 und der Zeugin X1 ebenfalls bestätigt. Gleiches gilt auch für die Übernachtung der Klägerin im Bauwagen. Bei einer Inaugenscheinnahme des Bauwagens im Anschluss an den Erörterungstermin vom 22.11.2018 im Verfahren S 37 AS 3332/18 ER konnte die Kammer sich davon überzeugen, dass in dem Bauwagen eine Matratze, Schlafsäcke und Kleidungsstücke der Klägerin in einem Wäschekorb vorhanden waren. Eine grundsätzliche Eignung des Bauwagens zu Übernachtung konnte somit festgestellt werden. Soweit die Zeugin D1 keine Kenntnis über etwaige Übernachtungen der Klägerin im Bauwagen hatte, so ist dies nach Auffassung der Kammer unschädlich, da aufgrund der unterschiedlichen Schlafgewohnheiten der Klägerin und der Zeugin D1 es durchaus möglich erscheint, dass die Zeugin D1 den Aufenthalt der Klägerin im Bauwagen nicht bemerkt hat. Insbesondere die Zeugin Wiese, die als Tochter die emotionalste Beziehung zu der Klägerin hat, hat nachvollziehbar und für die Kammer glaubhaft ausgesagt, dass sie etwa 2-3 mal in der Woche an den Bauwagen klopfe und ihrer Mutter gute Nacht sage. Sowohl die Klägerin als auch alle Zeugen haben übereinstimmend ausgesagt, dass die Klägerin nur in begrenztem Umfang Zutritt zum Wohnhaus habe und keinen eigenen Schlüssel besitze.

Jedenfalls steht für die Kammer nach der Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin nicht mit dem Zeugen D1 wirtschaftet. Die Anforderungen an die Wirtschaftsgemeinschaft gehen über die bloße gemeinsame Nutzung von Bad, Küche und anderen Gemeinschaftsräumen hinaus. Auch der in Wohngemeinschaften häufig anzutreffende gemeinsame Einkauf von Grundnahrungsmitteln, Reinigung-und Sanitärartikel aus einer von allen Mitbewohnern zu gleichen Teilen gespeisten Gemeinschaftskasse begründet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts noch keine Wirtschaftsgemeinschaft. Erforderlich ist danach vielmehr, dass die Partner die Haushaltsführung an sich und das Bestreiten der Kosten des Haushalts gemeinschaftlich, also zum Wohle des partnerschaftlichen Zusammenlebens abgesprochen, führen, vgl. BSG, Urteil vom 23.08.2012 Az.: B 4 AS 24/12,Rn. 23. Die Klägerin hat angegeben, dass der Zeuge D1 sie lediglich das Bad und in eingeschränktem Umfang die Küche nutzen ließe. Auch dürfe sie gelegentlich die Waschmaschine benutzen. Das Kindergeld, das sie bis zur Kontopfändung im Jahre 2018 erhalten habe, stelle der Zeuge D1 ihr nicht mehr zur Verfügung. Geld für Lebensmittel würde sie durch Flaschensammeln bekommen. Auch den Aussagen der vernommenen Zeugen vermochte das Gericht keine konkreten Anhaltspunkte zur positiven Feststellung des gemeinsamen Wirtschaftens mit der Klägerin zu entnehmen. Vielmehr hat der Zeuge D1 glaubhaft bestätigt, dass sich seine Unterstützung gegenüber der Klägerin in der Nutzung der Sanitäranlagen und der Zurverfügungstellung eines Schlafplatzes erschöpfe. Einen eigenen Schlüssel für das Wohnhaus habe die Klägerin hingegen nicht, sondern müsse ihn - den Zeugen D1- danach fragen. Das Kindergeld erhalte die Klägerin von ihm nicht. Auch die Zeugin X1 bestätigte insofern den Vortrag der Klägerin und die Aussage des Zeugen D1, dass die Klägerin das Haus zum Toilettenbesuch oder zum Wäschewaschen aufsuche. An den Wochenenden koche sie auch mal mit ihr zusammen. Die Eigentümerin des Wohnhauses, die Zeugin D1, hat nachvollziehbar dargelegt, dass sie mit ihrem Sohn vereinbart habe, dass die Klägerin keinen Schlüssel zu dem Wohnhaus haben solle. Lediglich soll sie die Möglichkeit haben, mal Wäsche zu waschen oder sich selbst zu waschen. Sie habe das ein oder andere Mal mitbekommen, dass die Klägerin Wäsche gewaschen habe. Insgesamt vertritt die Kammer die Auffassung, dass selbst bei gelegentlicher Nutzung der Küche oder der Sanitäranlagen eine Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Zeugen D1 nicht angenommen werden kann. Ebenso besteht nach Auffassung der Kammer keine Bedarfsgemeinschaft zwischen der Klägerin und ihren Kindern. Für das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II ist bei volljährigen Kindern auf das Bestehen einer Familiengemeinschaft abzustellen, die eine Schnittstelle von Merkmalen örtlicher (Familienwohnung), materieller (Vorsorge, Unterhalt) und immaterieller Art (Zuwendung, Fürsorge, Begründung eines familienähnlichen Bandes) darstellt. Die Herstellung einer lediglich räumlichen Verbindung im Sinne einer Duldung der Anwesenheit in der Wohnung genügt dagegen nicht, vgl. BSG, Urteil vom 14.03.2012 Az: B 14 AS 17/11 R, Rn.26. Eine solche Familiengemeinschaft besteht nach Auffassung der Kammer nicht. Die Kammer sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin ihren Kindern materielle Zuwendungen zukommen lässt oder ein familienähnliches Band mit ihnen pflegt. Die Zeugin X1hat ausgesagt, dass ihre Mutter in der Vergangenheit nach der Schule für sie gekocht habe. Seit Anfang des Jahres 2018 halte sie sich selbst aber nur noch ein bis zwei Tage pro Monat in dem Haus auf. In der Vergangenheit sei sie gelegentlich mit ihrer Mutter zum gemeinsamen Kochen einkaufen gewesen. Seit einigen Monaten wohne sie wieder zu Hause und koche manchmal am Wochenende mit der Klägerin. Der Zeuge Q X1, der selber die Aussage verweigert hat, hat nach Aussage der Zeugin D1 mit der Klägerin keinen Kontakt. Dies wird auch von der Klägerin so bestätigt.

Die Klägerin hat einen Anspruch auf Gewährung der Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 20 SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen, denn die Klägerin ist hilfebedürftig im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB II. Bereits im Verwaltungsverfahren wurde der Finanzstatus der T1 D2 Bank AG E1 vorgelegt, aus der sich eine Kontopfändung vom 23.01.2018 ergibt. Seit der Kontopfändung Anfang 2018 wird nach Einlassung der Klägerin das Kindergeld für die Tochter, die Zeugin M X1, von der Familienkasse auf das Konto des Zeugen K2 D1 überwiesen. Im Termin zur Erörterung des Sachverhalts vom 31.10.2019 hat die Klägerin an Eidesstatt erklärt, dass sie über keinerlei Vermögenswerte oder Einnahmen verfüge und seit drei Jahren mittellos sei. Sie könne ihren Lebensunterhalt nur durch regelmäßiges Flaschensammeln sicherstellen. Anhaltspunkte für weitere Einkommens- bzw. Vermögensquellen sind nicht gegeben. Soweit der Beklagte darauf abstellt, dass die Klägerin dennoch ihre Hilfebedürftigkeit nicht nachgewiesen habe, so folgt die Kammer dieser Auffassung nicht. Trotz mehrfacher Nachfrage konnte der Beklagte nicht darlegen, in welcher Form ein weiterer Nachweis der Hilfebedürftigkeit seitens der Klägerin erfolgen könne. Auch der Hinweis des Beklagten auf die fehlende Glaubwürdigkeit der Klägerin unter Bezugnahme auf widersprüchliche Angaben der Klägerin in der Vergangenheit vermochte die Kammer nicht von der fehlenden Hilfebedürftigkeit zu überzeugen.

Bei der Bemessung der Höhe der Regelleistung ist das erzielte Einkommen der Klägerin in Abzug zu bringen. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen. Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehnsweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen. Der Kinderzuschlag nach § 6a des Bundeskindergeldgesetzes ist als Einkommen dem jeweiligen Kind zuzurechnen. Dies gilt auch für das Kindergeld für zur Bedarfsgemeinschaft gehörende Kinder, soweit es bei dem jeweiligen Kind zur Sicherung des Lebensunterhalts, mit Ausnahme der Bedarfe nach § 28, benötigt wird.

Soweit die Klägerin Kindergeldberechtigte bezüglich der Kindergeldzahlung für die in Ausbildung befindliche Tochter, der Zeugin M X1, ist und lediglich die Zahlung des Kindergeldes mit ihrem Einverständnis auf das Konto des Zeugen D1 erfolgt, ist das Kindergeld als Einkommen der Klägerin bei ihrem Leistungsanspruch anzurechnen.

Lebt das Kind nicht in der Haushaltsgemeinschaft mit den Eltern oder weiteren Angehörigen im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1-3 SGB II oder hat es das 25.Lebensjahr vollendet, ist das Kindergeld als Einkommen gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II bei dem Kindergeldberechtigten zu berücksichtigen, sofern keine Abzweigung des Kindergeldanspruchs an das Kind vorliegt. Anspruch auf das Kindergeld haben nur die in § 62 EStG genannten Anspruchsberechtigten und nicht die Kinder. An die Kinder wird das Kindergeld nur unter den Voraussetzungen einer Abzweigung nach § 74 Abs. 1 S. 1 EStG bzw. § 48 Abs. 1 SGB I ausgezahlt, ohne dass sie in die Stellung des Berechtigten eintreten. Wird die Abzweigung tatsächlich durchgeführt, haben einzig und allein die hiervon begünstigten Kinder Einnahmen. Eine nachweisbare Weiterleitung "des Kindergeldes" an die außerhalb der Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder führt nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 Alg II-V (Arbeitslosengeld II/Sozialgeldverordnung) dazu, dass das Kindergeld nicht mehr bei dem Leistungsberechtigten als Einkommen zu berücksichtigen ist. Eine Zahlung in Höhe des Kindergeldes durch einen Berechtigten (keine Abzweigung) an ein erwachsenes Kind, das mit ihm in Haushaltsgemeinschaft, aber nicht in Bedarfsgemeinschaft lebt, mindert die Einnahme des Berechtigten hingegen nicht (BSG Urteil vom 06.12.2007 Az: B 14/7b AS 54/06 R).

Für die Kinder, die Teil einer Bedarfsgemeinschaft sind, regeln § 11 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB II eine Berücksichtigung von Kinderzuschlag und-geld bei den (jeweiligen) Kindern. Inhaltlich handelt es sich nicht um eine nähere Definition des Einkommens, sondern um eine besondere Zuordnungsregelung für diese Leistungen (Schmidt in: Eicher/Luik SGB II 4.Aufl. § 11 Rn. 29).

Nach der Beweisaufnahme steht für die Kammer fest, dass die mittlerweile 20-jährige Zeugin M X1 mit der Klägerin weder in einer Bedarfs- noch in einer Haushaltsgemeinschaft lebt. Deswegen kann das Kindergeld auch nicht der Zeugin M X1 im Rahmen von § 11 Abs. 1 S. 5 SGB II als Einkommen angerechnet werden, soweit es bei ihr zur Sicherung des Lebensunterhaltes, mit Ausnahme der Bedarf nach § 28, benötigt wird.

Nach Aussage der Klägerin hat sie als Kindergeldberechtigte bei Pfändung ihres Kontos im Januar 2018 der Familienkasse die Kontonummer des Zeugen D1 mitgeteilt, auf dessen Konto das Kindergeld überwiesen werden sollte. Bei dieser Fallgestaltung ist eine nachweisbare Weiterleitung des Kindergeldes an die Tochter M X1 i.S.v. § 1 Abs.1 Nr.8 Alg II-VO nicht gegeben, auch wenn der Zeuge D1 nach seiner Aussage das Kindergeld unter anderem auch für die Zeugin X1 verwandt hat. Auch kann sich die Klägerin diesbezüglich nicht auf fehlende "bereite Mittel" berufen, weil sie es selbst in der Hand hatte, die Leistungen der Familienkasse als Kindergeldberechtigte auf ihr Konto überwiesen zu bekommen.

Soweit die glaubwürdige Klägerin nach ihren glaubhaften Aussagen ihren Lebensunterhalt seit 01.06.2018 durch Flaschensammeln mit geschätzten monatlichen Erlösen i.H.v. 100 EUR bestritten hat, sind diese Einnahmen nicht auf den Leistungsanspruch anzurechnen.

Für monatliche Einnahmen bis zehn Euro regelt § 1 Abs. 1 Nr. 1 AlgII-V, dass in dieser Höhe die Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Aber auch die darüber hinausgehenden Einnahmen von geschätzten 90 EUR/Monat wirken sich auf den Leistungsanspruch nicht aus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Erlösen aus dem Sammeln von Pfandflaschen um nicht zu berücksichtigendes Einkommen i. S. v. § 11a Abs. 5 SGB II handelt.

§ 11a Abs. 5 SGB II regelt Folgendes: "Zuwendungen, die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben, sind nicht als Einkommen zu berücksichtigen, soweit

1. ihre Berücksichtigung für die Leistungsberechtigten grob unbillig wäre oder 2. sie die Lage der Leistungsberechtigten nicht so günstig beeinflussen, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären."

Im Unterschied zu § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II a.F. kommt es für die Privilegierung privater Zuwendungen nicht mehr darauf an, ob diese "zweckbestimmt" geleistet werden. Wenn man die Zurverfügungstellung von Pfandflaschen im öffentlichen Raum als "private Zuwendung" der Spender ohne rechtliche oder sittliche Verpflichtung ansieht, so fällt zumindest die "Gerechtfertigkeitsprüfung" nach § 11a Abs. 5 Nr. 2 SGB II zugunsten der Klägerin aus. Eine Berücksichtigung als Einkommen kommt nämlich nur in Betracht, wenn daneben Leistungen nach dem SGB II "ungerechtfertigt" sind. Im Rahmen dieser "Gerechtfertigkeitsprüfung" sind Art, Wert, Umfang und Häufigkeit der Zuwendungen zu betrachten. Die Beweislast für diese Umstände liegt beim Grundsicherung (BT-Drucksache 17/3404 S.94; Schmidt in Eicher/Luik, SGB II 4. Aufl. § 11a Rn. 39).

Eine Überkompensation bei Erlösen von 100 EUR monatlich aus dem Sammeln von Pfandflaschen tritt nach Auffassung der Kammer nicht ein.

Sowohl aus § 11 Abs. 4 SGB II (Zuwendungen der freien Wohlfahrtspflege) als auch aus § 11 Abs. 5 SGB II (Zuwendungen die ein anderer erbringt, ohne hierzu eine rechtliche oder sittliche Pflicht zu haben) lässt sich die Wertentscheidung des Gesetzgebers entnehmen, dass die Betroffenen grundsätzlich die Leistungen sowohl der Grundsicherung als auch der freien Wohlfahrt/Zuwendungen Dritter unter gewissen Voraussetzungen behalten können sollen. Insofern kommt eine Berücksichtigung erst dann in Betracht, wenn durch die Zuwendungen der materielle und sonstige Lebensunterhalt in ganz erheblichem Umfang sichergestellt ist (Schmidt in Eicher/Luik SGB II 4. Aufl. § 11a Rn. 39; GK-SGB II/Klaus 12/2011 Rn. 146). Im Rahmen des SGB II sieht das Gesetz an verschiedenen Stellen Regelungen vor, nach denen bestimmte Einnahmen bei der Bemessung von existenzsichernden Leistungen unberücksichtigt bleiben. So wird ein Grundfreibetrag i.H.v. 100 EUR bei Erwerbstätigkeit gemäß § 11b Abs. 2 SGB II und bei einem Einkommen von über 100,00 EUR ein weiterer Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II in Höhe von bis zu 200 EUR, je nach Höhe des Einkommens bei einem kinderlosen Erwerbstätigen gewährt. Nach § 11b Abs. 2 Nr. 2 SGB II wird von dem Taschengeld des Bundesfreiwilligendienstes/Jugendfreiwilligendienstes ein Betrag von insgesamt 200 EUR monatlich abgesetzt. Soweit bei Berücksichtigung dieser Freibeträge ungekürzte Leistungen gewährt werden, kann daraus geschlossen werden, dass eine Überkompensation der Grundsicherung und der sonstigen Einnahme bei Einnahmen in diesem Umfang nicht angenommen werden kann (so auch LSG FSB Urteil vom 21.03.2019 Az. L7 AS 114/16, wo im Rahmen von § 11 Abs. 4 SGB II 200 EUR Zahlungen des Caritasverbandes im Rahmen eines Projektes mit psychisch kranken Menschen privilegiertes Einkommen darstellt).

Auch wenn man den Erlös aus Flaschenpfand in Höhe von geschätzten monatlichen 100 EUR nicht als privilegiertes Einkommen im Sinne von § 11 a Abs. 5 SGB II ansieht, sondern als anrechenbares Einkommen gemäß § 11 Abs.1 S. 1 SGB II, so wäre von diesem Einkommen gemäß § 11b Abs. 2 S. 1 SGB II analog (sofern man den Erlös aus Flaschenpfand nicht als "Erwerbseinkommen" ansieht) ein Betrag von monatlich 100 EUR abzusetzen, sodass kein Einkommen aus dem Erlös von Flaschenpfand zu berücksichtigen wäre. Durch die analoge Anwendung wird sichergestellt, dass die Klägerin im Rahmen der Freibeträge nicht schlechter gestellt wird als wenn sie einer regelrechten Erwerbstätigkeit nachgehen würde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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