Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
11
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 11 AY 162/18
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I.Die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 29.08.2017 für den Zeitraum Januar bis März 2016 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 24.10.2018 in Form des Änderungsbescheides vom 26.02.2020 werden aufgehoben.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger die vom Beklagten für Januar, Februar und März 2016 erhaltenen Sachleistungen (Unterkunft und Heizung sowie Haushaltsenergie) erstatten muss. Der 1989 geborene Kläger ist senegalesischer Staatsangehöriger. Er reist am 17.03.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20.04.2015 einen Asylantrag. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 25.10.2017 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Der Kläger war seit März 2015 einer dezentralen Unterkunft des Landkreises Landshut zugewiesen. Dort teilte er sich mit vier weiteren Geflüchteten ein Fünf-Bett-Zimmer in einem Haus mit zwei Stockwerken, auf denen jeweils zehn Personen untergebracht waren, die sich eine Küche, ein Bad und ein Esszimmer teilten. Er erhielt zunächst Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Landkreis Landshut. Mit Schreiben vom 02.12.2015 beantragte der Kläger die Gestattung der privaten Wohnsitznahme in einer angebotenen, leerstehenden Einliegerwohnung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aus einer Erwerbstätigkeit monatliche Einkünfte iHv ca. 2.100 EUR brutto und ca. 1.500 EUR netto. Mit Bescheid des Landkreises Landshut vom 11.04.2016 wurde entschieden, dass der Kläger für die Zeit ab 01.01.2016 bis auf Weiteres keine Leistungen gem. den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG erhalte. Mit Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 17.05.2016 wurde dem Kläger die private Wohnsitznahme ab 01.06.2016 gestattet. Mit drei Bescheiden vom 29.08.2017 forderte der Beklagte die Erstattung für die im Zeitraum Januar bis März 2016 erhaltenen Leistungen, namentlich Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Stromkosten. Der Beklagte forderte insgesamt monatlich 192,67 EUR. Mit drei Widersprüchen vom 10.09.2017 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen die Bescheide vom 29.08.2017 erheben. Der Kläger wohne bereits seit dem 01.01.2016 nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft. Er habe die Einliegerwohnung bereits vor der Gestattung bezogen. Der Kläger habe folglich keine Leistungen erhalten.
Die Widersprüche wurden mit einem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24.10.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Es sei nicht substantiiert nachgewiesen worden, dass der Kläger bereits zum 01.01.2016 ausgezogen sei. Ein schriftlicher Nachweis zum Einzug in die neue Wohnung sei nicht vorgelegt worden. Ein schriftlicher Mietvertrag sei nicht vorgelegt worden. Auch eine Bestätigung der Hauseigentümerin fehle. Die Höhe des Erstattungsbetrages richte sich hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung nach der Asyldurchführungsverordnung vom 04.06.2002 (DVAsyl 2002), mit deren § 22 der Freistaat Bayern von seinem gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HS 2 AsylbLG bestehenden Recht, für die Kosten der Unterkunft und Heizung Pauschalbeträge festzusetzen,Gebrauch gemacht habe. Der Pauschalbetrag betrage für alleinstehende Personen bis zum 31.08.2016 mtl. 185 EUR. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Teile der DVAsyl für unwirksam erklärt habe, betreffe dies einen anderen Zeitraum. Die Kosten für den Strom seien mit 7,67 EUR eigentlich zu niedrig angesetzt worden. Korrekt sei eigentlich der Anteil am Regelbedarf iHv mtl. 33,86 EUR.
Mit seinen Klagen vom 26.11.2018, die am selben Tag eingegangen sind und die das Gericht mit Beschluss vom 13.02.2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat sich der Kläger an das Sozialgericht Landshut gewandt. Der Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Zeugenaussagen seien nicht angefordert worden. Der Kläger habe im fraglichen Zeitpunkt nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft gewohnt. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die verlangten Erstattungsbeträge überhöht seien. Der Wert der Sachleistung liege deutlich unter den geforderten Werten. § 22 der DVAsyl enthalte entgegen der Auffassung des Beklagten keine Pauschalbeträge i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 3 HS 2 AsylbLG. Ein entsprechender Verweis sei in der DVAsyl 2002 nicht vorhanden. Der Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte keine Ermittlungen zur angemessenen Erstattungshöhe vorgenommen habe. Die Unterbringung in einem Fünf-Bett-Zimmer mit mangelhafter Infrastruktur habe einen Geldwert, der deutlich unter 185 EUR liege.
Der Kläger beantragt zuletzt, die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 29.08.2017 für den Zeitraum Januar bis März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 in Form des Änderungsbescheides vom 26.02.2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat zunächst auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2018 Bezug genommen. Er hat ergänzend vorgetragen: "Nachweise seien angefordert, aber nicht vorgelegt worden. Die Länder könnten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG Pauschalbeträge festlegen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Es werde auf die Verordnungsbegründung der DVAsyl verwiesen. Hier heiße es wörtlich: Die Ausweisung der Haushaltsenergie erfolgt aus dem Grund gesondert, da eine landesrechtliche Bestimmung einer Pauschale für die Kostenerstattung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG nur hinsichtlich Unterkunft und Heizung zulässig ist. Der Betrag für Haushaltsenergie ist bereits in der Wertbemessungsgrundlage nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG enthalten und wird insoweit bei der Kostenerstattung nach § 7 AsylbLG auch ohne eine entsprechende Regelung in der DVAsyl berücksichtigt." Der Verordnungsgeber habe bewusst gewollt, die in § 22 DVAsyl festgelegte Pauschalgebühr für Kosten der Unterkunft und Heizung auch als Pauschale für § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG festzusetzen. Eine andere Auffassung würde zu einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Ungleichbehandlung im Vergleich zu Analogleistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG führen. Die Nutzer einer Unterkunft hätten dann unterschiedliche Kosten zu tragen. Wegen der Stromkosten habe der Beklagte auf die Abteilung 4 zurückgreifen können.
Mit Bescheid vom 26.02.2020 hat der Beklagte die monatliche Erstattungssumme auf 142,14 EUR reduziert. Die neue Höhe beruhe auf der Änderung der DVAsyl in der Fassung vom 01.10.2019, die auch rückwirkend abwendbar sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese hat das Gericht seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Sie ist auch begründet.
1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 29.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.02.2020. Die genannten Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger ist zutreffend im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG vorgegangen. Der Bescheid vom 26.02.2020 wurde nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens, nachdem dieser die ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheide abänderte.
2. Grundlage für die Erstattungsforderung ist § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG. Danach haben Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, für die erhaltenen Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten, soweit Einkommen oder Vermögen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden ist; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Im Rahmen der Erstattungsregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG sind die Vorschriften des Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Aufhebung und Erstattung von Verwaltungsakten (§§ 45 ff. SGB X) nicht entsprechend heranzuziehen. Es ist für die Erstattung nicht relevant, ob der Leistung überhaupt ein Verwaltungsakt zugrunde liegt und es spielt keine Rolle, ob die Leistungen ursprünglich rechtmäßig bzw. rechtswidrig erbracht wurden und inwieweit Vertrauensschutz bestand. Die Erstattung ist in Form eines Verwaltungsakts zu regeln (vgl. Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 7 AsylbLG (Stand: 01.02.2020), Rn. 60).
a. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Leistungen tatsächlich erhalten hat oder bereits ausgezogen war. Die vorgenommene Pauschalierung der Erstattungsbeträge ist rechtswidrig. Für den Zeitraum Januar bis März 2016 existiert keine gesetzliche Grundlage dafür, eine Pauschalierung vorzunehmen. Die §§ 21, 22 DVAsyl 2002 in der bis zum 31.08.2016 gültigen Fassung regeln eine Gebührenpflicht. Sie stellen keine Regelungen zur Pauschalierung von Kostenerstattungen dar. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der §§ 21, 22 DVAsyl 2002, der sich alleine auf Gebühren bezieht. Auch inhaltlich werden ausgerechnet Leistungsbezieher nach § 3 AsylbLG - wie der Kläger - von der Gebührenpflicht grundsätzlich ausgenommen. Eine Gebührenpflicht ist nicht gleichbedeutend mit einer Erstattung von erbrachten Leistungen. Auch aus der vom Beklagten angeführten Begründung der Verordnung zur DVAsyl 2002 folgt nichts anderes. Soweit dort überhaupt eine Pauschalierung der Erstattungskosten beabsichtigt war, hat die Absicht keinen Niederschlag in der Verordnung gefunden. Überdies wird die Absicht nicht ausdrücklich genannt. Vielmehr war im Rahmen der Gebührenerhebung ein Gleichlauf mit der Kostenerstattung beabsichtigt. Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage des Landesgesetzgebers zur Regelung der Pauschalierung durch die Regierung bestanden hätte.
b. Soweit mit dem Änderungsbescheid vom 26.02.2020 nunmehr auf die DVAsyl vom 16. August 2016 verwiesen wird, kann diese auch nicht als Rechtsgrundlage dienen. Eine Rückwirkungsregelung für den hier maßgeblichen Zeitraum findet sich alleine in § 29a Abs. 2 DVAsyl in der Fassung vom 01.10.2019. Auch dort wird ausschließlich auf noch nicht bestandskräftige Gebührenbescheide und nicht auf eine Kosterstattung Bezug genommen. Eine Rückwirkungsregelung für Erstattungsforderungen iSd § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG existiert für den Zeitraum Januar bis März 2016 nicht.
c. Nachdem eine Pauschalierung der Kosten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG nach der derzeitigen Rechtslage für den Zeitraum Januar bis März 2016 für Unterbringungen in Bayern ausscheidet, ist es dem Beklagten grundsätzlich unbenommen, eine konkrete Berechnung der Kosten vorzunehmen. Das Sozialgericht war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG indes nicht verpflichtet, die vom Beklagten unterlassene Ermittlung der konkret entstandenen Kosten als Voraussetzung für seinen Erstattungsbescheid nachzuholen. Die Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Der Beklagte kann grundsätzlich auch im Laufe des Gerichtsverfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe "nachschieben". Hinsichtlich eines solchen Nachschiebens von Gründen gibt es jedoch bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, Einschränkungen, wenn die Verwaltungsakte dadurch in ihrem Wesen verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann. Da die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts mit einer völlig neuen tatsächlichen Begründung dem Erlass eines neuen Verwaltungsakts gleichkommt, würde das Gericht andernfalls entgegen dem Grundsatz der Gewaltentrennung selbst aktiv in das Verwaltungsgeschehen eingreifen. Eine solche Änderung des "Wesens" eines Verwaltungsakts, das in Anlehnung an den Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens bestimmt werden kann, ist unter anderem angenommen worden, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird oder wenn auf eine andere Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden soll, die einem anderen Zweck dient. Neben dieser Entwicklung der Rechtsprechung hat der Gesetzgeber einerseits in § 41 Abs. 2 SGB X die Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler der Behörde bei Erlass eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens erleichtert und andererseits die Möglichkeit der Zurückverweisung vom Gericht an die Behörde eingeführt, wenn diese Ermittlungen unterlässt (§ 131 Abs. 5 SGG), sowie dem Gericht das Recht eingeräumt, der Behörde die Kosten einer von ihr unterlassenen und vom Gericht nachgeholten Ermittlung aufzuerlegen (§ 192 Abs. 4 SGG). Hierdurch sind die Heilungs- und Nachbesserungsmöglichkeiten der Behörde in formeller Hinsicht erweitert worden, während sie auf der anderen Seite ihre Ermittlungsarbeit nicht auf die Gerichte verlagern soll, weil diese für die materielle Entscheidung von zentraler Bedeutung ist und deren Kern und damit das Wesen des erlassenden Verwaltungsakts bestimmt. Ausgehend von diesen Konkretisierungen des Gesetzgebers und der zuvor dargestellten Rechtsprechung ist in reinen Anfechtungssachen das Nachschieben eines Grundes durch die Behörde regelmäßig unzulässig, wenn dieser umfassende Ermittlungen seitens des Gerichts erfordert, die Behörde ihrerseits insofern keine Ermittlungen angestellt hat und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhält, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt - bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen - mit einer wesentlich anderen Begründung Bestand hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R -, Rn. 22ff m. w. N.). Eine erstmalige Ermittlung der konkreten Kosten wäre nicht nur eine Ergänzung des Sachverhalts, sondern die umfassende Prüfung der Voraussetzungen für den angefochtenen Erstattungsbescheid, die der Beklagte bisher nicht beabsichtigt hatte und deren Prüfung und Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie von ihm durchzuführen war. Außerdem wären hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten des Klägers erheblich erschwert worden. Im Rahmen einer Anfechtungsklage der vorliegenden Art ist es Aufgabe des Gerichts, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen.
3. Die Berufung war zuzulassen. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie vorliegend - 750,00 EUR nicht übersteigt. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 9). Zur Rechtmäßigkeit der Pauschalierung von Kosten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG hat weder das Bayerische Landessozialgericht noch das Bundessozialgericht bisher entschieden. Nachdem viele Personen von Erstattungsbescheiden betroffen sind, besteht ein Klärungsbedürfnis, das über das Individualinteresse des Klägers hinausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
II. Der Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
III. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist umstritten, ob der Kläger die vom Beklagten für Januar, Februar und März 2016 erhaltenen Sachleistungen (Unterkunft und Heizung sowie Haushaltsenergie) erstatten muss. Der 1989 geborene Kläger ist senegalesischer Staatsangehöriger. Er reist am 17.03.2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 20.04.2015 einen Asylantrag. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 25.10.2017 des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge abgelehnt. Der Kläger war seit März 2015 einer dezentralen Unterkunft des Landkreises Landshut zugewiesen. Dort teilte er sich mit vier weiteren Geflüchteten ein Fünf-Bett-Zimmer in einem Haus mit zwei Stockwerken, auf denen jeweils zehn Personen untergebracht waren, die sich eine Küche, ein Bad und ein Esszimmer teilten. Er erhielt zunächst Leistungen nach § 3 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) vom Landkreis Landshut. Mit Schreiben vom 02.12.2015 beantragte der Kläger die Gestattung der privaten Wohnsitznahme in einer angebotenen, leerstehenden Einliegerwohnung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger aus einer Erwerbstätigkeit monatliche Einkünfte iHv ca. 2.100 EUR brutto und ca. 1.500 EUR netto. Mit Bescheid des Landkreises Landshut vom 11.04.2016 wurde entschieden, dass der Kläger für die Zeit ab 01.01.2016 bis auf Weiteres keine Leistungen gem. den §§ 3, 4 und 6 AsylbLG erhalte. Mit Bescheid der Regierung von Niederbayern vom 17.05.2016 wurde dem Kläger die private Wohnsitznahme ab 01.06.2016 gestattet. Mit drei Bescheiden vom 29.08.2017 forderte der Beklagte die Erstattung für die im Zeitraum Januar bis März 2016 erhaltenen Leistungen, namentlich Kosten der Unterkunft und Heizung sowie Stromkosten. Der Beklagte forderte insgesamt monatlich 192,67 EUR. Mit drei Widersprüchen vom 10.09.2017 ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Widerspruch gegen die Bescheide vom 29.08.2017 erheben. Der Kläger wohne bereits seit dem 01.01.2016 nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft. Er habe die Einliegerwohnung bereits vor der Gestattung bezogen. Der Kläger habe folglich keine Leistungen erhalten.
Die Widersprüche wurden mit einem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 24.10.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Es sei nicht substantiiert nachgewiesen worden, dass der Kläger bereits zum 01.01.2016 ausgezogen sei. Ein schriftlicher Nachweis zum Einzug in die neue Wohnung sei nicht vorgelegt worden. Ein schriftlicher Mietvertrag sei nicht vorgelegt worden. Auch eine Bestätigung der Hauseigentümerin fehle. Die Höhe des Erstattungsbetrages richte sich hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung nach der Asyldurchführungsverordnung vom 04.06.2002 (DVAsyl 2002), mit deren § 22 der Freistaat Bayern von seinem gem. § 7 Abs. 1 S. 1 HS 2 AsylbLG bestehenden Recht, für die Kosten der Unterkunft und Heizung Pauschalbeträge festzusetzen,Gebrauch gemacht habe. Der Pauschalbetrag betrage für alleinstehende Personen bis zum 31.08.2016 mtl. 185 EUR. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof Teile der DVAsyl für unwirksam erklärt habe, betreffe dies einen anderen Zeitraum. Die Kosten für den Strom seien mit 7,67 EUR eigentlich zu niedrig angesetzt worden. Korrekt sei eigentlich der Anteil am Regelbedarf iHv mtl. 33,86 EUR.
Mit seinen Klagen vom 26.11.2018, die am selben Tag eingegangen sind und die das Gericht mit Beschluss vom 13.02.2019 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat, hat sich der Kläger an das Sozialgericht Landshut gewandt. Der Beklagte habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Zeugenaussagen seien nicht angefordert worden. Der Kläger habe im fraglichen Zeitpunkt nicht mehr in der Gemeinschaftsunterkunft gewohnt. Hilfsweise werde vorgetragen, dass die verlangten Erstattungsbeträge überhöht seien. Der Wert der Sachleistung liege deutlich unter den geforderten Werten. § 22 der DVAsyl enthalte entgegen der Auffassung des Beklagten keine Pauschalbeträge i.S.d. § 7 Abs. 1 S. 3 HS 2 AsylbLG. Ein entsprechender Verweis sei in der DVAsyl 2002 nicht vorhanden. Der Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig, weil der Beklagte keine Ermittlungen zur angemessenen Erstattungshöhe vorgenommen habe. Die Unterbringung in einem Fünf-Bett-Zimmer mit mangelhafter Infrastruktur habe einen Geldwert, der deutlich unter 185 EUR liege.
Der Kläger beantragt zuletzt, die Erstattungsbescheide des Beklagten vom 29.08.2017 für den Zeitraum Januar bis März 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 in Form des Änderungsbescheides vom 26.02.2020 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat zunächst auf seine Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 24.10.2018 Bezug genommen. Er hat ergänzend vorgetragen: "Nachweise seien angefordert, aber nicht vorgelegt worden. Die Länder könnten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG Pauschalbeträge festlegen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Es werde auf die Verordnungsbegründung der DVAsyl verwiesen. Hier heiße es wörtlich: Die Ausweisung der Haushaltsenergie erfolgt aus dem Grund gesondert, da eine landesrechtliche Bestimmung einer Pauschale für die Kostenerstattung nach § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG nur hinsichtlich Unterkunft und Heizung zulässig ist. Der Betrag für Haushaltsenergie ist bereits in der Wertbemessungsgrundlage nach § 3 Abs. 2 Satz 2 AsylbLG enthalten und wird insoweit bei der Kostenerstattung nach § 7 AsylbLG auch ohne eine entsprechende Regelung in der DVAsyl berücksichtigt." Der Verordnungsgeber habe bewusst gewollt, die in § 22 DVAsyl festgelegte Pauschalgebühr für Kosten der Unterkunft und Heizung auch als Pauschale für § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG festzusetzen. Eine andere Auffassung würde zu einer mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbaren Ungleichbehandlung im Vergleich zu Analogleistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG führen. Die Nutzer einer Unterkunft hätten dann unterschiedliche Kosten zu tragen. Wegen der Stromkosten habe der Beklagte auf die Abteilung 4 zurückgreifen können.
Mit Bescheid vom 26.02.2020 hat der Beklagte die monatliche Erstattungssumme auf 142,14 EUR reduziert. Die neue Höhe beruhe auf der Änderung der DVAsyl in der Fassung vom 01.10.2019, die auch rückwirkend abwendbar sei.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands, insbesondere wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten, wird auf die Gerichtsakten und auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Diese hat das Gericht seiner Entscheidungsfindung zugrunde gelegt.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG)). Sie ist auch begründet.
1. Gegenstand des Verfahrens sind die Bescheide des Beklagten vom 29.08.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.10.2018 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.02.2020. Die genannten Bescheide erweisen sich als rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG. Der Kläger ist zutreffend im Wege der Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 SGG vorgegangen. Der Bescheid vom 26.02.2020 wurde nach § 96 Abs. 1 SGG Gegenstand des Klageverfahrens, nachdem dieser die ursprünglich mit der Klage angefochtenen Bescheide abänderte.
2. Grundlage für die Erstattungsforderung ist § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG. Danach haben Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG bei der Unterbringung in einer Einrichtung, in der Sachleistungen gewährt werden, für die erhaltenen Leistungen dem Kostenträger für sich und ihre Familienangehörigen die Kosten in entsprechender Höhe der in § 3 Abs. 2 Satz 2 genannten Leistungen sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung zu erstatten, soweit Einkommen oder Vermögen im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG vorhanden ist; für die Kosten der Unterkunft und Heizung können die Länder Pauschalbeträge festsetzen oder die zuständige Behörde dazu ermächtigen. Im Rahmen der Erstattungsregelung des § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG sind die Vorschriften des Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) über die Aufhebung und Erstattung von Verwaltungsakten (§§ 45 ff. SGB X) nicht entsprechend heranzuziehen. Es ist für die Erstattung nicht relevant, ob der Leistung überhaupt ein Verwaltungsakt zugrunde liegt und es spielt keine Rolle, ob die Leistungen ursprünglich rechtmäßig bzw. rechtswidrig erbracht wurden und inwieweit Vertrauensschutz bestand. Die Erstattung ist in Form eines Verwaltungsakts zu regeln (vgl. Schmidt in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., § 7 AsylbLG (Stand: 01.02.2020), Rn. 60).
a. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Leistungen tatsächlich erhalten hat oder bereits ausgezogen war. Die vorgenommene Pauschalierung der Erstattungsbeträge ist rechtswidrig. Für den Zeitraum Januar bis März 2016 existiert keine gesetzliche Grundlage dafür, eine Pauschalierung vorzunehmen. Die §§ 21, 22 DVAsyl 2002 in der bis zum 31.08.2016 gültigen Fassung regeln eine Gebührenpflicht. Sie stellen keine Regelungen zur Pauschalierung von Kostenerstattungen dar. Dies folgt bereits aus dem eindeutigen Wortlaut der §§ 21, 22 DVAsyl 2002, der sich alleine auf Gebühren bezieht. Auch inhaltlich werden ausgerechnet Leistungsbezieher nach § 3 AsylbLG - wie der Kläger - von der Gebührenpflicht grundsätzlich ausgenommen. Eine Gebührenpflicht ist nicht gleichbedeutend mit einer Erstattung von erbrachten Leistungen. Auch aus der vom Beklagten angeführten Begründung der Verordnung zur DVAsyl 2002 folgt nichts anderes. Soweit dort überhaupt eine Pauschalierung der Erstattungskosten beabsichtigt war, hat die Absicht keinen Niederschlag in der Verordnung gefunden. Überdies wird die Absicht nicht ausdrücklich genannt. Vielmehr war im Rahmen der Gebührenerhebung ein Gleichlauf mit der Kostenerstattung beabsichtigt. Es kann vorliegend auch dahinstehen, ob überhaupt eine Ermächtigungsgrundlage des Landesgesetzgebers zur Regelung der Pauschalierung durch die Regierung bestanden hätte.
b. Soweit mit dem Änderungsbescheid vom 26.02.2020 nunmehr auf die DVAsyl vom 16. August 2016 verwiesen wird, kann diese auch nicht als Rechtsgrundlage dienen. Eine Rückwirkungsregelung für den hier maßgeblichen Zeitraum findet sich alleine in § 29a Abs. 2 DVAsyl in der Fassung vom 01.10.2019. Auch dort wird ausschließlich auf noch nicht bestandskräftige Gebührenbescheide und nicht auf eine Kosterstattung Bezug genommen. Eine Rückwirkungsregelung für Erstattungsforderungen iSd § 7 Abs. 1 Satz 3 AsylbLG existiert für den Zeitraum Januar bis März 2016 nicht.
c. Nachdem eine Pauschalierung der Kosten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG nach der derzeitigen Rechtslage für den Zeitraum Januar bis März 2016 für Unterbringungen in Bayern ausscheidet, ist es dem Beklagten grundsätzlich unbenommen, eine konkrete Berechnung der Kosten vorzunehmen. Das Sozialgericht war aufgrund seiner Amtsermittlungspflicht nach § 103 SGG indes nicht verpflichtet, die vom Beklagten unterlassene Ermittlung der konkret entstandenen Kosten als Voraussetzung für seinen Erstattungsbescheid nachzuholen. Die Gerichte sind grundsätzlich verpflichtet, den angefochtenen Verwaltungsakt in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Der Beklagte kann grundsätzlich auch im Laufe des Gerichtsverfahrens neue Tatsachen und Rechtsgründe "nachschieben". Hinsichtlich eines solchen Nachschiebens von Gründen gibt es jedoch bei belastenden Verwaltungsakten, die im Wege der reinen Anfechtungsklage angefochten werden, Einschränkungen, wenn die Verwaltungsakte dadurch in ihrem Wesen verändert werden und der Betroffene infolgedessen in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt werden kann. Da die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts mit einer völlig neuen tatsächlichen Begründung dem Erlass eines neuen Verwaltungsakts gleichkommt, würde das Gericht andernfalls entgegen dem Grundsatz der Gewaltentrennung selbst aktiv in das Verwaltungsgeschehen eingreifen. Eine solche Änderung des "Wesens" eines Verwaltungsakts, das in Anlehnung an den Streitgegenstand eines Gerichtsverfahrens bestimmt werden kann, ist unter anderem angenommen worden, wenn die Regelung auf einen anderen Lebenssachverhalt gestützt wird oder wenn auf eine andere Rechtsgrundlage zurückgegriffen werden soll, die einem anderen Zweck dient. Neben dieser Entwicklung der Rechtsprechung hat der Gesetzgeber einerseits in § 41 Abs. 2 SGB X die Heilungsmöglichkeiten für Verfahrens- und Formfehler der Behörde bei Erlass eines Verwaltungsakts bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines gerichtlichen Verfahrens erleichtert und andererseits die Möglichkeit der Zurückverweisung vom Gericht an die Behörde eingeführt, wenn diese Ermittlungen unterlässt (§ 131 Abs. 5 SGG), sowie dem Gericht das Recht eingeräumt, der Behörde die Kosten einer von ihr unterlassenen und vom Gericht nachgeholten Ermittlung aufzuerlegen (§ 192 Abs. 4 SGG). Hierdurch sind die Heilungs- und Nachbesserungsmöglichkeiten der Behörde in formeller Hinsicht erweitert worden, während sie auf der anderen Seite ihre Ermittlungsarbeit nicht auf die Gerichte verlagern soll, weil diese für die materielle Entscheidung von zentraler Bedeutung ist und deren Kern und damit das Wesen des erlassenden Verwaltungsakts bestimmt. Ausgehend von diesen Konkretisierungen des Gesetzgebers und der zuvor dargestellten Rechtsprechung ist in reinen Anfechtungssachen das Nachschieben eines Grundes durch die Behörde regelmäßig unzulässig, wenn dieser umfassende Ermittlungen seitens des Gerichts erfordert, die Behörde ihrerseits insofern keine Ermittlungen angestellt hat und der Verwaltungsakt hierdurch einen anderen Wesenskern erhält, weil dann der angefochtene Verwaltungsakt - bei einem entsprechenden Ergebnis der Ermittlungen - mit einer wesentlich anderen Begründung Bestand hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 2015 - B 14 AS 30/14 R -, Rn. 22ff m. w. N.). Eine erstmalige Ermittlung der konkreten Kosten wäre nicht nur eine Ergänzung des Sachverhalts, sondern die umfassende Prüfung der Voraussetzungen für den angefochtenen Erstattungsbescheid, die der Beklagte bisher nicht beabsichtigt hatte und deren Prüfung und Aufklärung in tatsächlicher Hinsicht in erster Linie von ihm durchzuführen war. Außerdem wären hierdurch die Verteidigungsmöglichkeiten des Klägers erheblich erschwert worden. Im Rahmen einer Anfechtungsklage der vorliegenden Art ist es Aufgabe des Gerichts, die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu überprüfen, nicht aber die Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts erst zu schaffen.
3. Die Berufung war zuzulassen. Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung im Urteil, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes - wie vorliegend - 750,00 EUR nicht übersteigt. Gemäß § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern. Ein Individualinteresse allein genügt nicht (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144 Rn. 28). Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage, wenn sie für den vorliegenden Fall entscheidungserheblich ist (Leitherer, a.a.O., § 160 Rn. 9). Zur Rechtmäßigkeit der Pauschalierung von Kosten nach § 7 Abs. 1 S. 3 AsylbLG hat weder das Bayerische Landessozialgericht noch das Bundessozialgericht bisher entschieden. Nachdem viele Personen von Erstattungsbescheiden betroffen sind, besteht ein Klärungsbedürfnis, das über das Individualinteresse des Klägers hinausgeht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Verfahrens.
Rechtsmittelbelehrung:
Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Bayer. Landessozialgericht, Ludwigstraße 15, 80539 München, oder bei der Zweigstelle des Bayer. Landessozialgerichts, Rusterberg 2, 97421 Schweinfurt, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Bayer. Landessozialgericht in elektronischer Form einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Sozialgericht Landshut, Seligenthaler Straße 10, 84034 Landshut, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder beim Sozialgericht Landshut in elektronischer Form eingelegt wird. Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und - von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder - von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden; dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs.
Rechtskraft
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