Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 4711/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2746/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. bzw. des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II n. F. ist auf Erstattungsverlangen hinsichtlich bereits ausgezahlter, endgültig bewilligter Leistungen beschränkt. (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2017 - L 19 AS 2006/16 -)
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig bewilligte Leistungen nach dem SGB II und eine damit verbundene Erstattungsforderung streitig.
Die Klägerin bezog seit Mai 2015 bis April 2016 Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 02.12.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie zu 1/6 Erbin des Vermögens ihres am 22.10.2015 verstorbenen Vaters geworden sei. Sie wisse jedoch nicht, wann ihr die Erbschaft zufließe.
Am 31.03.2016 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.05.2016. Im Antrag führte sie aus, monatlichen Unterhalt in Höhe von 225,00 EUR zu erhalten. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung gab die Klägerin an, eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 425,00 EUR, Garagenmiete in Höhe von 60,00 EUR, Nebenkosten in Höhe von 41,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 220,00 EUR zu leisten.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 22.04.2016 für den Zeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 943,42 EUR. Als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung gab die Beklagte den im Bewilligungszeitraum zu erwartenden Zufluss der Erbschaft an.
Am 09.05.2016 floss der Klägerin aus der Erbschaft ein Betrag in Höhe von 8.902,21 EUR zu.
Durch Bescheid vom 13.06.2016 setzte die Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2016 wegen der Anrechnung der Erbschaft als Einkommen endgültig auf monatlich 0,00 EUR fest. Im Weiteren forderte die Beklagte von der Klägerin die bereits für Mai und Juni 2016 ausbezahlten Leistungen einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von jeweils 1.048,48 EUR zurück. Insgesamt betrug die Erstattungsforderung 2.096,96 EUR.
Der deswegen von der Klägerin erhobene Widerspruch richtete sich gegen die Berücksichtigung der Erbschaft bereits im Monat des Zuflusses und gegen die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte half dem Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.07.2016 insoweit ab, als von der Erstattung auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung umfasst waren. Die Erstattungsforderung reduzierte sich hierdurch auf insgesamt 1.886,58 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zutreffend habe sie die Erbschaft als einmalige Einnahme bei der endgültigen Leistungsfestsetzung bereits im Monat des Zuflusses, im Mai 2016, berücksichtigt.
Mit der deswegen zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, ihr für Mai 2016 Leistungen nach dem SGB II ohne die Berücksichtigung der Erbschaft als Einkommen zu bewilligen. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, die Beklagte habe ihr mitgeteilt, dass sie infolge der Erbschaft lediglich im Monat nach deren Zufluss keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Im Weiteren sei nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. die Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen, weil ihr zum Zeitpunkt des Zuflusses am 09.05.2016 bereits Leistungen für Mai 2016 erbracht worden waren. Der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. sei insoweit eindeutig.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid die Abweisung der Klage beantragt.
Das SG Stuttgart hat durch Urteil vom 18.06.2018 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei formell rechtmäßig, da die unterlassene Anhörung der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden sei. Zutreffend habe der Beklagte auch die der Klägerin zugeflossene Erbschaft bereits im Monat des Zuflusses, im Mai 2016, anteilig als Einkommen berücksichtigt. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F., wonach die Erbschaft erst ab Juni 2016 anzurechnen wäre, sei bei der zunächst vorläufigen und dann abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch nicht anzuwenden. Denn würden Leistungen zunächst lediglich vorläufig bewilligt, stünden sie unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F., welcher der Verwaltungsvereinfachung dienen solle, sei insofern kein Raum, da ohnehin eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch ergehen müsse.
Gegen das Urteil des SG Stuttgart hat die Klägerin am 01.08.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.
Zur Berufungsbegründung bekräftigt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt – wörtlich –:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2018 aufgehoben. 2. Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016 verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.05.2016 in gesetzlicher Höhe und ohne Berücksichtigung von Einkommen aus dem Erbschaftsanteil zu gewähren und die insoweit festgesetzte Erstattungsforderung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG Stuttgart für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte (§ 151 SGG) und auch statthafte (§§ 143, 144 SGG) Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 13.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016. Die Klägerin begehrt nach Auslegung ihrer im Berufungsverfahren gestellten Anträge (§ 123 SGG) im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, 56 SGG eine Korrektur der Entscheidung der Beklagten über die ihr für Mai 2016 abschließend zustehenden Leistungen. Das Klageziel richtet sich neben der Aufhebung des Erstattungsbescheides und der Änderung des Leistungsbescheides auch darauf, die Beklagte zu verpflichten, auszusprechen, dass ihr abschließend höhere Leistungen nach dem SGB II, als mit dem Bescheid vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016 festgesetzt, zustehen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 08.02.2017 – B 14 AS 22/16 R – juris, Rn. 10 f.).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG Stuttgart hat zu Recht die Klage abgewiesen, weil die zulässige Klage unbegründet ist.
1. Rechtsgrundlage für die abschließende Entscheidung der Beklagten über den allein streitgegenständlichen Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für Mai 2016 ist § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Demnach entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt.
a) § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist in der zum 01.08.2016 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden. Diese Fassung des § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist auch auf Bewilligungszeiträume anzuwenden, die wie vorliegend vor seinem Inkrafttreten begonnen haben, aber bei seinem Inkrafttreten noch nicht abgeschlossen waren (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 ¬¬– B 14 AS 44/18 – juris, Rn. 17; ausführlich BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 39/17 R – juris Rn. 22 ff.; Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., Stand: 01.03.2020, § 41a, Rn. 87).
b) Eine Anhörung war vor der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X nicht erforderlich, weil die Beklagte nicht von den tatsächlichen Angaben der Klägerin zu ihren Ungunsten abgewichen ist (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 13.07.2015 – S 31 AS 3733/13 – juris, Rn. 22). Im Übrigen wäre die unterlassene Anhörung im Widerspruchverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
c) Der endgültige Leistungsanspruch der Klägerin nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung, die das SGB II für den streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch Gesetz vom 24.6.2015 (BGBl I 974) erhalten hat, denn in Rechtsstreitigkeiten über abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip) (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 – B 14 AS 44/18 R – juris, Rn. 12), beträgt für Mai 2016 0,00 EUR.
aa) Die Klägerin hatte im Mai 2016 einen Bedarf in Höhe von insgesamt 1.159,29 EUR (404,00 EUR Regelleistung [§ 20 Abs. 1a Satz 1 und 2 Satz 1 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2016] + 9,29 EUR Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung [§ 21 Abs. 7 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II] + 746,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung [425,00 EUR Kaltmiete + 60,00 EUR Garagenmiete + 41,00 EUR Nebenkosten + 220,00 EUR Heizkosten] [§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II]).
bb) Auf den Gesamtbedarf der Klägerin ist nach §§ 9 Abs. 1, 11 SGB II Einkommen in Form des Unterhalts in Höhe von 225,00 EUR und 1/6 der im Mai 2016 zugeflossenen Erbschaft (vgl. zur Einkommensqualität einer während des Leistungsbezuges zugeflossenen Erbschaft: BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R – juris, Rn. 21) in Höhe von 1.483,70 EUR (8.902,21 EUR / 6) anzurechnen. Von diesem Gesamteinkommen in Höhe von 1.708,21 EUR ist die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V) in Abzug zu bringen. Das im Mai 2016 zu berücksichtigende Gesamteinkommen der Klägerin beträgt demnach 1.678,21 EUR und übersteigt damit ihren Bedarf (1.159,29 EUR).
cc) Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die Erbschaft als einmalige Einnahme auch bereits im Mai 2016 als Einkommen zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 13.05.2011 sind einmalige Einnahmen grundsätzlich im Zuflussmonat zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der maßgeblichen bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) – seit dem 01.08.2016 wortgleich nunmehr § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II – ist zwar, wenn bereits für den Monat des Zuflusses Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, die einmalige Einnahme im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen und der Klägerin waren nach § 42 Abs. 1 SGB II die Leistungen für Mai 2016 bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses der Erbschaft am 09.05.2016 erbracht worden. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. ist jedoch auf den vorliegenden Fall der abschließenden Entscheidung über zunächst vorläufig bewilligte Leistungen nicht anwendbar.
(1) Das BSG (Beschluss vom 27.07.2018 – B 14 AS 400/17 B – juris, Rn. 8) hat ausgeführt, dass nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs, außer in den in § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II genannten Fällen, in der Regel ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist und sich die Frage der Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. beziehungsweise des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II demnach nicht stellt.
§ 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II ist jedoch vorliegend wegen § 41 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht anwendbar. Nach § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ein monatliches Durchschnittseinkommen nicht zugrunde zu legen, soweit der Leistungsanspruch in mindestens einem Monat des Bewilligungszeitraums durch das zum Zeitpunkt der abschließenden Feststellung nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen entfällt. Im Monat Mai 2016 entfällt der Leistungsanspruch der Klägerin bei der Berücksichtigung der Erbschaft vollständig. Einem Bedarf in Höhe von 1.159,29 EUR steht bereinigtes Einkommen in Form der Erbschaft in Höhe von 8.872,21 EUR (8.902,21 EUR abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR [§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V]) gegenüber.
(2) Eine Anrechnung der Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses, im Juni 2016, nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. findet jedoch, wie das SG Stuttgart zutreffend ausgeführt hat, gleichwohl nicht statt.
Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.08.2017 – L 19 AS 2006/16 – juris, Rn. 25 ff.) an, wonach der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. auf Erstattungsverlangen hinsichtlich bereits ausgezahlter, endgültig bewilligter Leistungen beschränkt ist. Bei lediglich vorläufig bewilligten Leistungen werden diese Leistungen stets unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbracht. Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über die zunächst lediglich vorläufig bewilligten Leistungen (§ 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Der mit § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. verfolgte Zweck der Verwaltungsvereinfachung – die Vermeidung von Rückforderungen bei bereits ausbezahlten Leistungen durch die Anrechnung des einmaligen Einkommens erst im Folgemonat des Zuflusses – kann demnach bei einer zunächst vorläufigen Leistungsbewilligung nicht erreicht werden.
Dieser Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. steht auch nicht dessen Wortlaut entgegen (so aber SG Berlin, Urteil vom 18.01.2019 – S 37 AS 12211/18 – juris, Rn. 44). Denn vorläufigen Leistungen kommt allein der Zweck und auch allein eine Bindungswirkung solange zu, als sie eine Zwischenregelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage treffen. Die vorläufige Entscheidung erledigt sich mit der abschließenden Entscheidung. Vorläufige Leistungen sind ein "aliud" gegenüber den abschließenden Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R – juris, Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2017 – L 19 AS 2006/16 – juris, Rn. 27). Vorläufige Leistungen sind deshalb keine "erbrachten" Leistungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II.
Für diese Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II a. F. spricht letztlich auch die sich aus § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II ergebende Grundregelung, dass bei einer abschließenden Entscheidung ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist, auch wenn vorliegend wegen § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II dessen Abs. 4 Satz 1 nicht anwendbar ist.
dd) Soweit sich die Klägerin auf eine von der Rechtslage abweichende mündliche Auskunft der Beklagten hinsichtlich der Anrechnung der Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses beruft, führt diese Auskunft nicht zur einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung. Diese Auskunft der Beklagten entspricht nicht der Rechtslage und ist mangels Schriftform (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X) unbeachtlich.
2. Für den von der Beklagten für Mai 2016 geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von 923,29 EUR ergibt sich die Rechtsgrundlage aus § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II in der nach den obigen Ausführungen ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung. Wie bereits ausgeführt, wäre eine gegebenenfalls erforderliche Anhörung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Den Erstattungsbetrag hat die Beklagte zugunsten der Klägerin unzutreffend berechnet. Sie hat durch Bescheid vom 14.10.2015 der Klägerin vorläufige Leistungen für Mai 2016 in Höhe von 981,18 EUR bewilligt und fordert durch Bescheid vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2016 von der Klägerin lediglich 923,29 EUR (1.886,58 EUR / 2) zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) hierfür nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig bewilligte Leistungen nach dem SGB II und eine damit verbundene Erstattungsforderung streitig.
Die Klägerin bezog seit Mai 2015 bis April 2016 Leistungen nach dem SGB II.
Mit Schreiben vom 02.12.2015 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie zu 1/6 Erbin des Vermögens ihres am 22.10.2015 verstorbenen Vaters geworden sei. Sie wisse jedoch nicht, wann ihr die Erbschaft zufließe.
Am 31.03.2016 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.05.2016. Im Antrag führte sie aus, monatlichen Unterhalt in Höhe von 225,00 EUR zu erhalten. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft und Heizung gab die Klägerin an, eine monatliche Kaltmiete in Höhe von 425,00 EUR, Garagenmiete in Höhe von 60,00 EUR, Nebenkosten in Höhe von 41,00 EUR und Heizkosten in Höhe von 220,00 EUR zu leisten.
Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 22.04.2016 für den Zeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2016 vorläufig Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 943,42 EUR. Als Grund für die Vorläufigkeit der Bewilligung gab die Beklagte den im Bewilligungszeitraum zu erwartenden Zufluss der Erbschaft an.
Am 09.05.2016 floss der Klägerin aus der Erbschaft ein Betrag in Höhe von 8.902,21 EUR zu.
Durch Bescheid vom 13.06.2016 setzte die Beklagte den Leistungsanspruch der Klägerin für den Zeitraum von Mai 2016 bis Oktober 2016 wegen der Anrechnung der Erbschaft als Einkommen endgültig auf monatlich 0,00 EUR fest. Im Weiteren forderte die Beklagte von der Klägerin die bereits für Mai und Juni 2016 ausbezahlten Leistungen einschließlich der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von jeweils 1.048,48 EUR zurück. Insgesamt betrug die Erstattungsforderung 2.096,96 EUR.
Der deswegen von der Klägerin erhobene Widerspruch richtete sich gegen die Berücksichtigung der Erbschaft bereits im Monat des Zuflusses und gegen die Erstattung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung. Die Beklagte half dem Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 27.07.2016 insoweit ab, als von der Erstattung auch die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung umfasst waren. Die Erstattungsforderung reduzierte sich hierdurch auf insgesamt 1.886,58 EUR. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zutreffend habe sie die Erbschaft als einmalige Einnahme bei der endgültigen Leistungsfestsetzung bereits im Monat des Zuflusses, im Mai 2016, berücksichtigt.
Mit der deswegen zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhobenen Klage hat die Klägerin begehrt, ihr für Mai 2016 Leistungen nach dem SGB II ohne die Berücksichtigung der Erbschaft als Einkommen zu bewilligen. Zur Klagebegründung hat sie ausgeführt, die Beklagte habe ihr mitgeteilt, dass sie infolge der Erbschaft lediglich im Monat nach deren Zufluss keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II habe. Im Weiteren sei nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. die Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen, weil ihr zum Zeitpunkt des Zuflusses am 09.05.2016 bereits Leistungen für Mai 2016 erbracht worden waren. Der Wortlaut des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. sei insoweit eindeutig.
Die Beklagte hat unter Hinweis auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid die Abweisung der Klage beantragt.
Das SG Stuttgart hat durch Urteil vom 18.06.2018 die Klage abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei formell rechtmäßig, da die unterlassene Anhörung der Klägerin im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden sei. Zutreffend habe der Beklagte auch die der Klägerin zugeflossene Erbschaft bereits im Monat des Zuflusses, im Mai 2016, anteilig als Einkommen berücksichtigt. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F., wonach die Erbschaft erst ab Juni 2016 anzurechnen wäre, sei bei der zunächst vorläufigen und dann abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch nicht anzuwenden. Denn würden Leistungen zunächst lediglich vorläufig bewilligt, stünden sie unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Für die Anwendung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F., welcher der Verwaltungsvereinfachung dienen solle, sei insofern kein Raum, da ohnehin eine endgültige Entscheidung über den Leistungsanspruch ergehen müsse.
Gegen das Urteil des SG Stuttgart hat die Klägerin am 01.08.2018 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erhoben.
Zur Berufungsbegründung bekräftigt die Klägerin ihr Vorbringen aus dem erstinstanzlichen Verfahren.
Die Klägerin beantragt – wörtlich –:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 18.06.2018 aufgehoben. 2. Die Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016 verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.05.2016 in gesetzlicher Höhe und ohne Berücksichtigung von Einkommen aus dem Erbschaftsanteil zu gewähren und die insoweit festgesetzte Erstattungsforderung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des SG Stuttgart für zutreffend.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte (§ 151 SGG) und auch statthafte (§§ 143, 144 SGG) Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 13.06.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016. Die Klägerin begehrt nach Auslegung ihrer im Berufungsverfahren gestellten Anträge (§ 123 SGG) im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage nach §§ 54 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 und 2, 56 SGG eine Korrektur der Entscheidung der Beklagten über die ihr für Mai 2016 abschließend zustehenden Leistungen. Das Klageziel richtet sich neben der Aufhebung des Erstattungsbescheides und der Änderung des Leistungsbescheides auch darauf, die Beklagte zu verpflichten, auszusprechen, dass ihr abschließend höhere Leistungen nach dem SGB II, als mit dem Bescheid vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.2016 festgesetzt, zustehen (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 08.02.2017 – B 14 AS 22/16 R – juris, Rn. 10 f.).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG Stuttgart hat zu Recht die Klage abgewiesen, weil die zulässige Klage unbegründet ist.
1. Rechtsgrundlage für die abschließende Entscheidung der Beklagten über den allein streitgegenständlichen Anspruch der Klägerin auf Leistungen nach dem SGB II für Mai 2016 ist § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II. Demnach entscheiden die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt.
a) § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist in der zum 01.08.2016 in Kraft getretenen Fassung anzuwenden. Diese Fassung des § 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II ist auch auf Bewilligungszeiträume anzuwenden, die wie vorliegend vor seinem Inkrafttreten begonnen haben, aber bei seinem Inkrafttreten noch nicht abgeschlossen waren (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 ¬¬– B 14 AS 44/18 – juris, Rn. 17; ausführlich BSG, Urteil vom 12.09.2018 – B 4 AS 39/17 R – juris Rn. 22 ff.; Grote-Seifert in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., Stand: 01.03.2020, § 41a, Rn. 87).
b) Eine Anhörung war vor der abschließenden Entscheidung über den Leistungsanspruch nach § 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X nicht erforderlich, weil die Beklagte nicht von den tatsächlichen Angaben der Klägerin zu ihren Ungunsten abgewichen ist (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 13.07.2015 – S 31 AS 3733/13 – juris, Rn. 22). Im Übrigen wäre die unterlassene Anhörung im Widerspruchverfahren geheilt worden (§ 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X).
c) Der endgültige Leistungsanspruch der Klägerin nach §§ 19 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der Fassung, die das SGB II für den streitbefangenen Zeitraum zuletzt durch Gesetz vom 24.6.2015 (BGBl I 974) erhalten hat, denn in Rechtsstreitigkeiten über abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen Zeitpunkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip) (vgl. BSG, Urteil vom 11.07.2019 – B 14 AS 44/18 R – juris, Rn. 12), beträgt für Mai 2016 0,00 EUR.
aa) Die Klägerin hatte im Mai 2016 einen Bedarf in Höhe von insgesamt 1.159,29 EUR (404,00 EUR Regelleistung [§ 20 Abs. 1a Satz 1 und 2 Satz 1 SGB II in Verbindung mit der Bekanntmachung über die Höhe der Regelbedarfe nach § 20 Abs. 5 SGB II für die Zeit ab 1. Januar 2016] + 9,29 EUR Mehrbedarf für die Warmwassererzeugung [§ 21 Abs. 7 Satz 1 und 2 Nr. 1 SGB II] + 746,00 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung [425,00 EUR Kaltmiete + 60,00 EUR Garagenmiete + 41,00 EUR Nebenkosten + 220,00 EUR Heizkosten] [§ 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II]).
bb) Auf den Gesamtbedarf der Klägerin ist nach §§ 9 Abs. 1, 11 SGB II Einkommen in Form des Unterhalts in Höhe von 225,00 EUR und 1/6 der im Mai 2016 zugeflossenen Erbschaft (vgl. zur Einkommensqualität einer während des Leistungsbezuges zugeflossenen Erbschaft: BSG, Urteil vom 12.06.2013 – B 14 AS 73/12 R – juris, Rn. 21) in Höhe von 1.483,70 EUR (8.902,21 EUR / 6) anzurechnen. Von diesem Gesamteinkommen in Höhe von 1.708,21 EUR ist die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR (§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V) in Abzug zu bringen. Das im Mai 2016 zu berücksichtigende Gesamteinkommen der Klägerin beträgt demnach 1.678,21 EUR und übersteigt damit ihren Bedarf (1.159,29 EUR).
cc) Entgegen den Ausführungen der Klägerin ist die Erbschaft als einmalige Einnahme auch bereits im Mai 2016 als Einkommen zu berücksichtigen. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der für den streitgegenständlichen Zeitraum maßgeblichen Fassung vom 13.05.2011 sind einmalige Einnahmen grundsätzlich im Zuflussmonat zu berücksichtigen.
Nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II in der maßgeblichen bis zum 31.07.2016 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) – seit dem 01.08.2016 wortgleich nunmehr § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II – ist zwar, wenn bereits für den Monat des Zuflusses Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, die einmalige Einnahme im Folgemonat des Zuflusses zu berücksichtigen und der Klägerin waren nach § 42 Abs. 1 SGB II die Leistungen für Mai 2016 bereits zum Zeitpunkt des Zuflusses der Erbschaft am 09.05.2016 erbracht worden. § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. ist jedoch auf den vorliegenden Fall der abschließenden Entscheidung über zunächst vorläufig bewilligte Leistungen nicht anwendbar.
(1) Das BSG (Beschluss vom 27.07.2018 – B 14 AS 400/17 B – juris, Rn. 8) hat ausgeführt, dass nach § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs, außer in den in § 41a Abs. 4 Satz 2 SGB II genannten Fällen, in der Regel ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist und sich die Frage der Anwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. beziehungsweise des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II demnach nicht stellt.
§ 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II ist jedoch vorliegend wegen § 41 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II nicht anwendbar. Nach § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist bei der abschließenden Feststellung des Leistungsanspruchs ein monatliches Durchschnittseinkommen nicht zugrunde zu legen, soweit der Leistungsanspruch in mindestens einem Monat des Bewilligungszeitraums durch das zum Zeitpunkt der abschließenden Feststellung nachgewiesene zu berücksichtigende Einkommen entfällt. Im Monat Mai 2016 entfällt der Leistungsanspruch der Klägerin bei der Berücksichtigung der Erbschaft vollständig. Einem Bedarf in Höhe von 1.159,29 EUR steht bereinigtes Einkommen in Form der Erbschaft in Höhe von 8.872,21 EUR (8.902,21 EUR abzüglich der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 EUR [§ 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 Alg II-V]) gegenüber.
(2) Eine Anrechnung der Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses, im Juni 2016, nach § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. findet jedoch, wie das SG Stuttgart zutreffend ausgeführt hat, gleichwohl nicht statt.
Der Senat schließt sich insofern der Rechtsprechung des LSG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 24.08.2017 – L 19 AS 2006/16 – juris, Rn. 25 ff.) an, wonach der Anwendungsbereich des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. auf Erstattungsverlangen hinsichtlich bereits ausgezahlter, endgültig bewilligter Leistungen beschränkt ist. Bei lediglich vorläufig bewilligten Leistungen werden diese Leistungen stets unter dem Vorbehalt der Rückforderung erbracht. Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden abschließend über die zunächst lediglich vorläufig bewilligten Leistungen (§ 41a Abs. 3 Satz 1 SGB II). Der mit § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. verfolgte Zweck der Verwaltungsvereinfachung – die Vermeidung von Rückforderungen bei bereits ausbezahlten Leistungen durch die Anrechnung des einmaligen Einkommens erst im Folgemonat des Zuflusses – kann demnach bei einer zunächst vorläufigen Leistungsbewilligung nicht erreicht werden.
Dieser Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 2 SGB II a. F. steht auch nicht dessen Wortlaut entgegen (so aber SG Berlin, Urteil vom 18.01.2019 – S 37 AS 12211/18 – juris, Rn. 44). Denn vorläufigen Leistungen kommt allein der Zweck und auch allein eine Bindungswirkung solange zu, als sie eine Zwischenregelung bis zur endgültigen Klärung der Sach- und Rechtslage treffen. Die vorläufige Entscheidung erledigt sich mit der abschließenden Entscheidung. Vorläufige Leistungen sind ein "aliud" gegenüber den abschließenden Leistungen (vgl. BSG, Urteil vom 19.08.2015 – B 14 AS 13/14 R – juris, Rn. 16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.08.2017 – L 19 AS 2006/16 – juris, Rn. 27). Vorläufige Leistungen sind deshalb keine "erbrachten" Leistungen im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 SGB II.
Für diese Auslegung des § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II a. F. spricht letztlich auch die sich aus § 41a Abs. 4 Satz 1 SGB II ergebende Grundregelung, dass bei einer abschließenden Entscheidung ein monatliches Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist, auch wenn vorliegend wegen § 41a Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 SGB II dessen Abs. 4 Satz 1 nicht anwendbar ist.
dd) Soweit sich die Klägerin auf eine von der Rechtslage abweichende mündliche Auskunft der Beklagten hinsichtlich der Anrechnung der Erbschaft erst im Folgemonat des Zuflusses beruft, führt diese Auskunft nicht zur einer für die Klägerin günstigeren Entscheidung. Diese Auskunft der Beklagten entspricht nicht der Rechtslage und ist mangels Schriftform (§ 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X) unbeachtlich.
2. Für den von der Beklagten für Mai 2016 geltend gemachten Erstattungsanspruch in Höhe von 923,29 EUR ergibt sich die Rechtsgrundlage aus § 41a Abs. 6 Satz 3 SGB II in der nach den obigen Ausführungen ab dem 01.08.2016 geltenden Fassung. Wie bereits ausgeführt, wäre eine gegebenenfalls erforderliche Anhörung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geheilt worden. Den Erstattungsbetrag hat die Beklagte zugunsten der Klägerin unzutreffend berechnet. Sie hat durch Bescheid vom 14.10.2015 der Klägerin vorläufige Leistungen für Mai 2016 in Höhe von 981,18 EUR bewilligt und fordert durch Bescheid vom 13.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.02.2016 von der Klägerin lediglich 923,29 EUR (1.886,58 EUR / 2) zurück.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) hierfür nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved