Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 133/20 EK AS WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die in § 198 Abs. 2 GVG normierte Vermutung des Eintritts eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, wenn ein Verfahren unangemessen lange gedauert hat, ist als widerlegt anzusehen, wenn unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, namentlich des Gegenstands des streitgegenständlichen Ausgangsverfahrens sowie des Vorgehens der Beteiligten in diesem Verfahren nicht zu erkennen ist, dass der spätere Entschädigungskläger in irgendeiner Form einer seelischen Unbill ausgesetzt gewesen sein könnte.
Eine Verzögerungsrüge ist i.d.R. als verspätet erhoben und damit bedeutungslos anzusehen, wenn sie erst zu einem Zeitpunkt bei Gericht eingeht, zu dem dieses bereits die Ladungen zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung bzw. entsprechende Terminsmitteilungen abgesandt hat.
Die Erhebung einer Verzögerungsrüge kann sich im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich und damit bedeutungslos erweisen.
Individueller Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Dabei orientiert sich der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs am Schutzbereich der Norm. Ein Missbrauchseinwand kommt in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übersehen hat, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zeigen, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hätte (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R–, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.).
Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der §§ 198 ff. GVG zum Ausdruck gebracht, dass weder die Geduld eines Verfahrensbeteiligten "bestraft" noch einem "Dulde und Liquidiere" Vorschub geleistet werden soll. Letzteres ist aber der Fall, wenn Verzögerungsrügen beliebig spät erhoben werden können. Der Verdacht, der Erwerb eines Entschädigungsanspruchs stehe im Vordergrund, drängt sich in der Sozialgerichtsbarkeit insbesondere dann auf, wenn der Streitgegenstand (z.B. Klagen gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide angesichts des damit verbundenen Suspensiv-effekts) und/oder weitere rechtliche oder tatsächliche Entwicklungen im Laufe des Verfahrens dafür sprechen, dass der spätere Entschädigungskläger kein wirkliches Interesse an dem Verfahren hatte oder durch dessen Dauer sogar in gewisser Weise profitierte, und seine eigene Verfahrensführung keinerlei Bemühen, auf einen zügigen Verfahrensabschluss hinzuwirken, erkennen ließ.
Erkundigt sich ein anwaltlich vertretener Kläger in einem Verfahren, an dem er unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts kein wirkliches Interesse (mehr) hat, fast drei Jahre lang nicht ein einziges Mal nach dem Sachstand und unterlässt er es selbst, das Gericht über maßgebliche Entwicklungen in der Sache zu informieren, dann ist davon auszugehen, dass mit einer Verzögerungsrüge, die erst nach Absendung der Ladung durch das Gericht erhoben wird, kein schutzwürdiges Interesse verfolgt wird und keinerlei Anlass besteht, einen vermeintlichen Grundrechts-verstoß zu kompensieren. Erst recht hat dies dann zu gelten, wenn die Verzögerungsrüge erst nach Zustellung der Ladung erfolgt.
Eine Verzögerungsrüge ist i.d.R. als verspätet erhoben und damit bedeutungslos anzusehen, wenn sie erst zu einem Zeitpunkt bei Gericht eingeht, zu dem dieses bereits die Ladungen zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung bzw. entsprechende Terminsmitteilungen abgesandt hat.
Die Erhebung einer Verzögerungsrüge kann sich im Einzelfall als rechtsmissbräuchlich und damit bedeutungslos erweisen.
Individueller Rechtsmissbrauch wird angenommen, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpartei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Dabei orientiert sich der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs am Schutzbereich der Norm. Ein Missbrauchseinwand kommt in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten übersehen hat, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zeigen, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hätte (Anschluss an BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R–, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.).
Der Gesetzgeber hat bei der Einführung der §§ 198 ff. GVG zum Ausdruck gebracht, dass weder die Geduld eines Verfahrensbeteiligten "bestraft" noch einem "Dulde und Liquidiere" Vorschub geleistet werden soll. Letzteres ist aber der Fall, wenn Verzögerungsrügen beliebig spät erhoben werden können. Der Verdacht, der Erwerb eines Entschädigungsanspruchs stehe im Vordergrund, drängt sich in der Sozialgerichtsbarkeit insbesondere dann auf, wenn der Streitgegenstand (z.B. Klagen gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide angesichts des damit verbundenen Suspensiv-effekts) und/oder weitere rechtliche oder tatsächliche Entwicklungen im Laufe des Verfahrens dafür sprechen, dass der spätere Entschädigungskläger kein wirkliches Interesse an dem Verfahren hatte oder durch dessen Dauer sogar in gewisser Weise profitierte, und seine eigene Verfahrensführung keinerlei Bemühen, auf einen zügigen Verfahrensabschluss hinzuwirken, erkennen ließ.
Erkundigt sich ein anwaltlich vertretener Kläger in einem Verfahren, an dem er unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts kein wirkliches Interesse (mehr) hat, fast drei Jahre lang nicht ein einziges Mal nach dem Sachstand und unterlässt er es selbst, das Gericht über maßgebliche Entwicklungen in der Sache zu informieren, dann ist davon auszugehen, dass mit einer Verzögerungsrüge, die erst nach Absendung der Ladung durch das Gericht erhoben wird, kein schutzwürdiges Interesse verfolgt wird und keinerlei Anlass besteht, einen vermeintlichen Grundrechts-verstoß zu kompensieren. Erst recht hat dies dann zu gelten, wenn die Verzögerungsrüge erst nach Zustellung der Ladung erfolgt.
Bemerkung
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozi-algericht P unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit seiner durch seinen jetzigen Bevollmächtigten für ihn am 23. März 2016 erhobe-nen Klage wandte der seinerzeit Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch beziehende Kläger sich gegen den Bescheid des beklagten Jobcenters vom 05. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 23. Februar 2016, mit dem dieses ihn aufgefordert hatte, einen Ren-tenantrag zu stellen. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Nachdem in dem unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 registrierten Verfahren am 20. April 2016 die Erwiderung des damaligen Beklagten beim Sozialgericht ein-gegangen war, gewährte dieses dem Kläger mit Beschluss vom 22. April 2016 Pro-zesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten, übersandte letzterem die Klageerwiderung zur freigestellten Stellungnahme und verfügte den Vorgang in das Sitzungsfach.
Anfang Oktober 2016 übersandte das Sozialgericht die Gerichts- und die Verwal-tungsakten antragsgemäß dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zum Akten-zeichen L 14 AS 670/16 B ER. In diesem Verfahren hatte der 14. Senat bereits mit Beschluss vom 04. April 2016 unter Aufhebung einer anderslautenden erstinstanzli-chen Entscheidung den Antrag des hiesigen Klägers auf Anordnung der aufschie-benden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 05. Januar 2016 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2016 abgewiesen. Die Akten gelangten am 18. November 2016 an das Sozialgericht zurück und wurden dort er-neut in das Sitzungsfach verfügt.
Mit richterlicher Verfügung vom 14. Februar 2019 beraumte das Sozialgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. März 2019 an. Unter dem 18. Februar 2019 wurden das Jobcenter sowie der Kläger zum Termin geladen und dessen Bevoll-mächtigter vom Termin benachrichtigt. Während das Jobcenter den Empfang mit Datum vom 19. Februar 2019 bestätigte und dem Kläger die Ladung am 20. Februar 2019 zugestellt wurde, gab dessen Bevollmächtigter auf seinem am 28. Februar 2019 beim Sozialgericht eingegangenen Empfangsbekenntnis als Zeitpunkt des Empfangs den 21. Februar 2019 an. Am 20. Februar 2019 erhob er beim Sozialge-richt Verzögerungsrüge.
In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung richtete das Sozialgericht unter dem 12. März 2019 Anfragen an die dortigen Beteiligten. Der Bevollmächtigte des Klägers sowie das Jobcenter informierten daraufhin das Gericht erstmals, dass das Jobcen-ter bereits am 15. April 2016 den Ersetzungsantrag gestellt hatte, dem Kläger - nach Anerkennung eines Grades der Behinderung von 70 mit Bescheid des Versorgungs-amtes vom 10. Mai 2016 - auf seinen entsprechenden Antrag vom 17. Mai 2016 vom Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 06. Juni 2016 eine Altersrente für Schwerbehinderte bewilligt worden war und das Jobcenter seine Akten in dem Ver-fahren bereits im Juli 2016 "geschlossen" hatte. Der Kläger erklärte schließlich am 15. März 2019 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Am 13. September 2019 hat sein Bevollmächtigter für ihn Entschädigungsklage er-hoben und die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 2.634,75 EUR nebst Zinsen sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe be-gehrt. Der Kläger meint, ihm stehe zum einen eine Entschädigung in Höhe von 2.300,00 EUR zu, da das Verfahren bei einer Gesamtdauer von 35 Monaten eine ent-schädigungspflichtige Verzögerung im Umfang von 23 Monaten aufweise. Zum ande-ren habe er Anspruch auf Entschädigung seines materiellen Nachteils in Form der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 EUR.
Nachdem der Senat die Entschädigungsklage mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2020 abgewiesen hatte, hat der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Er macht nunmehr geltend, sein Rechtsschutzinteresse sei im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren nicht dadurch entfallen, dass ihm eine Altersrente für Schwerbe-hinderte gewährt worden war. Das Jobcenter hätte es in der Hand gehabt, eine Be-scheidung des Ersetzungsantrags zu verlangen. Insbesondere sei die Verzögerungs-rüge nicht verspätet erhoben worden. Es gebe keinen Endtermin, bis zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben sein müsse; letztlich könne dies noch bis zur Zustellung des Urteils geschehen. Auch seien die Verfahrensbeteiligten nicht verpflichtet, aktiv darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss bringe. Passivität könne ihnen daher bei der Prüfung, ob sie durch ihr Verhalten eine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hätten, nicht angelastet wer-den. Zum Zeitpunkt der Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung ha-be im Übrigen objektiv nicht festgestanden, dass das Verfahren auch tatsächlich be-endet werden würde. Geboten sei insoweit eine ex-ante-Betrachtung. Im Übrigen sei damals weder dem Gericht noch dem Kläger bekannt gewesen, dass das Jobcenter einen Ersetzungsantrag gestellt hatte. Der Kläger habe damit allerdings angesichts der Ausführungen in dem Bescheid, mit dem er zur Rentenantragstellung aufgefor-dert worden sei, gerechnet.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozial-gericht P unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.634,75 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte, der außergerichtlich die Zahlung einer Entschädigung abgelehnt hat, meint, es sei davon auszugehen, dass der Bevollmächtigte des Klägers Verzöge-rungsrüge erst nach Kenntnis von der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhoben habe. Da dieser seine Kanzlei im selben Postleitzahlenbezirk wie das Jobcenter als damaliger Beklagter habe, sei davon auszugehen, dass auch er am 19. Februar 2019 vom Termin zur mündlichen Verhandlung unterrichtet worden sei. Die Verzöge-rungsrüge sei daher verspätet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsver-fassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgeset-zes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei über-langen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung wei-terer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargeset-zes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG ist in sozialgerichtlichen Verfahren für die Entscheidung über die Entschädigungsklage das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zustän-dig.
Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete, als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage hat keinen Erfolg. Zwar ist sie zulässig; insbesondere bestehen we-der an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schrift-form noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu wahrenden Kla-gefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens Zweifel. Die Ent-schädigungsklage ist jedoch unbegründet.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unange-messener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergut-machung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Vorliegend kann dahinstehen, ob das sich ab Klageeingang am 23. März 2016 bis zur Rücknahme der Klage am 15. März 2019 über etwa drei Jahre hinziehende Ver-fahren eine unangemessene Dauer aufwies (hierzu im Folgenden zu I.). Denn jeden-falls sieht der Senat die gesetzliche Vermutung, dass durch die ggf. überlange Ver-fahrensdauer ein immaterieller Nachteil bei dem Kläger eingetreten ist, als widerlegt an (hierzu im Folgenden zu II.). Weiter steht zu seiner Überzeugung einem Entschä-digungsanspruch das Fehlen einer ordnungsgemäßen Verzögerungsrüge entgegen (hierzu im Folgenden zu III.).
I. Der Senat hat bereits Zweifel, ob das streitgegenständliche Ausgangsverfahren, in dessen Verlauf es zu Phasen der gerichtlichen Inaktivität im Umfang von 31 Kalendermonaten, nämlich in der Zeit von Mai 2016 (Monat nach Eingang der Klageerwiderung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe) bis September 2016 (Mo-nat vor Übersendung der Akten an das Landessozialgericht) sowie von Dezember 2016 (Monat nach Aktenrücklauf) bis Januar 2019 (Monat vor Ladung) gekommen ist, tatsächlich – unter Berücksichtigung der den Gerichten in der Regel zuzugeste-henden zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit – als im Umfang von 19 Kalendermonaten verzögert anzusehen und dementsprechend von einer unan-gemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist. Denn maßgebend für die Beurteilung der Verfahrensdauer sind gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Ein-zelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens, wobei nicht nur die Be-deutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit (BSG, Urteil vom 12.02.2015, B 10 ÜG 11/13 R, Rn. 34, vgl. BSG, Ur-teil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 3/16 R – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris). Schließlich ergibt erst eine wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstän-de, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich über-schritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Vor diesem Hinter-grund wäre vorliegend – auch wenn reine Passivität der Beteiligten nicht den Vorwurf der Verzögerung des Verfahrens durch sie rechtfertigen mag - sehr wohl zu beach-ten, dass das Verfahren zwar tatsächlich seitens des Gerichts über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gefördert wurde, es allerdings auch weder seitens des hiesi-gen Klägers noch des damals beklagten Jobcenters für nötig erachtet wurde, das Sozialgericht über offensichtlich wesentliche Entwicklungen in der Sache zu informie-ren. So wurde diesem weder mitgeteilt, dass das Jobcenter bereits am 15. April 2016 den Ersetzungsantrag gestellt hatte, noch erfolgte ein Hinweis, dass dem Kläger auf seinen entsprechenden Antrag vom 17. Mai 2016 vom Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 06. Juni 2016 eine Altersrente für Schwerbehinderte bewilligt wor-den war. Es spricht hier indes alles dafür, dass das Verfahren – wären denn diese Informationen zeitnah erfolgt – innerhalb kürzester Zeit zum Abschluss gebracht worden wäre. Damit einher geht, dass der Kläger jedenfalls ab Bewilligung der Al-tersrente für Schwerbehinderte - und damit bereits knapp drei Monate nach Klageer-hebung – zur Überzeugung des Senats kein echtes Interesse am Verfahren mehr gehabt hat, wofür auch spricht, dass seinerseits nicht eine einzige Sachstandsanfra-ge erfolgte. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob hier bei der gebotenen Gesamtbe-trachtung von einer unangemessen Verfahrensdauer auszugehen ist.
II. Denn jedenfalls sieht der Senat die gesetzliche Vermutung des Eintritts eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, wenn ein Gerichtsverfahren unangemes-sen lange gedauert hat (§ 198 Abs. 2 GVG), als widerlegt an. Denn nach den Vor-stellungen des Gesetzgebers zu den von einem Kläger geltend gemachten immateri-ellen Folgen eines überlangen Verfahrens gehört insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 19). Wei-ter hat der Gesetzgeber im Rahmen der Einführung der §§ 198 ff. GVG deutlich her-vorgehoben, dass einem "Dulde und Liquidiere" vorgebeugt werden solle (Geset-zesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 20). Vorliegend vermag der Senat jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des Gegenstands des streitgegenständli-chen Ausgangsverfahrens sowie des Vorgehens der Beteiligten in diesem Verfahren nicht zu erkennen, dass der Kläger in irgendeiner Form einer seelischen Unbill aus-gesetzt gewesen sein sollte. Der Kläger hat, nachdem sein dem hier streitgegen-ständlichen Verfahren vorangegangenes bzw. zuletzt noch parallel zu diesem geführ-tes einstweiliges Rechtsschutzverfahren erfolglos geblieben war, zwar tatsächlich damit rechnen müssen, dass das Jobcenter für ihn einen Rentenantrag stellen wür-de. Dass dies tatsächlich geschehen ist, hat er jedoch nach eigenem Vortrag nicht gewusst. Wohl aber hat er selbst nach Zuerkennung der Schwerbehinderteneigen-schaft bereits am 17. Mai 2016 die Gewährung einer entsprechenden Altersrente beantragt und diese mit Bescheid vom 06. Juni 2016 auch zugesprochen bekom-men. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Sache für den Kläger damit erledigt war. Soweit sein Bevollmächtigter jetzt behauptet, der Kläger habe die ganze Zeit befürchten müssen, das Jobcenter werde noch auf eine Bescheidung seines Erset-zungsantrages drängen, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Abgesehen da-von, dass der Kläger von eben diesem Antrag gerade nichts gewusst haben soll, wä-re es auch absolut nicht nachvollziehbar, warum das Jobcenter bei Gewährung einer ungekürzten Rente auf einen Antrag vom Mai 2016 auf eine Bewilligung einer Rente mit Abschlägen auf einen nur einen Monat zuvor gestellten Antrag drängen sollte. Ungeachtet dessen aber wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger zumindest ver-sucht hätte, sei es allein oder über seinen Bevollmächtigten, sei es direkt beim Job-center oder über das Gericht auf eine Klärung hinzuwirken, wenn ihn denn tatsäch-lich die Frage in irgendeiner Form belastet hätte, ob bei zwischenzeitlich erfolgter Rentengewährung die - ihm allein bekannte – Androhung des Jobcenters, einen Er-setzungsantrag zu stellen, noch irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen wür-de. Dass dies geschehen wäre, macht er jedoch weder selbst geltend, noch ist es sonst ersichtlich. All dies belegt zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger selbst dem Verfahren überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr entgegen gebracht hat, ja sich im Zweifel dessen weiterer Anhängigkeit nicht einmal bewusst und sicher keiner seelischen Unbill ausgesetzt war.
III. Im Übrigen fehlt es hier zur Überzeugung des Senats auch an einer ord-nungsgemäßen Verzögerungsrüge. Nicht nur sieht er die nach erfolgter Terminierung des Rechtsstreits zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2019 erhobene Rüge als verspätet an (hierzu im Folgenden zu 1.), vielmehr bewertet er diese auch als rechtsmissbräuchlich (hierzu im Folgenden zu 2.).
1. Der Senat sieht die am 20. Februar 2019 erhobene Verzögerungsrüge bereits als verspätet an. Denn auch wenn § 198 Absatz 3 GVG - anders als in Satz 1 und 2 1. Halbsatz bzgl. des frühestmöglichen Zeitpunkts, zu dem eine Verzögerungsrüge wirksam erhoben werden kann - keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, bis wann diese spätestens bei Gericht eingegangen sein muss, bedeutet dies zur Über-zeugung des Senats nicht, dass eine Verzögerungsrüge beliebig spät an das Gericht herangetragen werden kann. Im Gegenteil ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. insoweit BT-Drucksache 17/3802, Seite 20 zu Absatz 3 Satz 1), dass ebenso wie das gänzliche Fehlen einer Verzögerungsrüge auch deren Verspätung von Amts wegen zu berücksichtigen ist, was nahe legt, dass Verzögerungsrügen – und nicht nur solche, die ausnahmsweise unverzüglich erhoben werden müssen - verspätet eingelegt sein können. Weiter lässt sich der Zeitpunkt, ab dem eine Verzögerungsrü-ge als verspätet anzusehen ist, anhand des sich ebenfalls aus der Gesetzesbegrün-dung ergebenden, mit der Rüge verbundenen Zwecks bestimmen. Denn dort (BT-Drucksache 17/3802, Seite 20 zu Absatz 3 Satz 1) heißt es:
"Die Koppelung des Entschädigungsanspruchs an eine Rügeobliegenheit im Ausgangsverfahren verfolgt eine doppelte Intention: Zum einen soll die Verzö-gerungsrüge dem bearbeitenden Richter - soweit erforderlich - die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwar-nung dienen, ohne allerdings ein eigenständiges Verfahren einzuleiten oder eine Pflicht zur förmlichen Entscheidung auszulösen. Sie muss mit Blick auf diese "Warnfunktion" bei dem Gericht erhoben werden, bei dem das Verfahren an-hängig ist. Zum zweiten bewirkt die Obliegenheit der Verzögerungsrüge im Ausgangsverfahren gegenüber dem Betroffenen einen Ausschluss der Möglich-keit zum "Dulde und Liquidiere". Insgesamt dient die Rügeobliegenheit daher präventiv sowohl der Verfahrensbeschleunigung als auch der Missbrauchsab-wehr".
Gemessen daran sieht der Senat die am 20. Februar 2019 bei Gericht eingegangene Verzögerungsrüge vom selben Tag als verspätet an. Die Verzögerungsrüge wurde nach fast dreijähriger Verfahrensdauer erhoben, als das Sozialgericht bereits mit richterlicher Verfügung vom 14. Februar 2019 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. März 2019 anberaumt, den damaligen Beklagten und den Kläger mit – diesen am 19. bzw. 20. Februar 2019 – zugestellten Schreiben vom 18. Februar 2019 zum Termin geladen und dem Bevollmächtigten den Termin mit Schreiben vom selben Tage mitgeteilt hatte. Das Gericht hatte mit dem Absenden der Ladungen zur mündlichen Verhandlung bzw. der Terminsmitteilung alles dafür getan, das Verfahren nunmehr am 19. März 2019 abzuschließen. Am 20. Februar 2019 konnte die Verzö-gerungsrüge das Gericht daher nicht mehr zur Verfahrensbeschleunigung veranlas-sen. Soweit der Kläger meint, es sei eine ex-ante-Betrachtung erforderlich und gera-de nicht klar gewesen, ob der Rechtsstreit tatsächlich in dem anberaumten Termin zum Abschluss gebracht würde, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Gerade eine ex-ante-Betrachtung lässt bei einer Ladung zum Termin zur mündlichen Ver-handlung zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass der Spruchkörper davon ausgeht, den Rechtsstreit (spätestens) in dem anberaumten Termin zu erledi-gen, was vorliegend auch der Fall war. Irgendwelche Besonderheiten, die über all-gemeine Risiken wie z.B. Vertagungsanträge des Verfahrensgegners oder eine Er-krankung des zuständigen Richters hinaus die Besorgnis hätten begründen können, das Verfahren werde nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung zum Ab-schluss gebracht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger fundiert dargetan. Weder bedarf es daher hier einer Klärung, ob eine konkret begründete Sorge, das Verfah-ren werde in einem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Erledigung ge-bracht werden, eine andere Bewertung erfordert, noch kommt es darauf an, ob an-deres zu gelten hat, wenn der Rechtsstreit in der anberaumten Sitzung wider Erwar-ten nicht zum Abschluss gebracht wird.
Der Senat sieht sich insoweit nicht in Widerspruch mit der Entscheidung des Bun-dessozialgerichts vom 07. September 2017 (B 10 ÜG 3/16 R), sondern geht davon aus, dass diese eine abweichende Fallkonstellation betrifft.
2. Abgesehen davon aber hält er das klägerische Vorgehen vorliegend auch für rechtsmissbräuchlich.
Die Rechtsfigur des Rechtsmissbrauchs ist eine Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden, in § 242 Bürgerliches Gesetzbuch für das Verhalten des Schuldners im Rahmen zivilrechtlicher Schuldverhältnisse geregelten Grundsat-zes von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz enthält einen allgemeinen Rechtsge-danken mit umfassendem Anwendungsbereich; Rechtsgebiete, in denen er generell ausgeschlossen wäre, gibt es nicht. Im Gegenteil ist rechtsmissbräuchliches Verhal-ten in allen Rechtsgebieten unzulässig. Individueller Rechtsmissbrauch wird nach gebräuchlicher Definition angenommen, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpar-tei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Da-bei orientiert sich der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs am Schutzbereich der Norm, der ebenso wie Sinn und Zweck des Rechts und damit auch seine rechtsethi-sche Funktion in erster Linie durch den Gesetzgeber selbst bestimmt wird. Hierbei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich einer Norm sowie ihr Sinn und Zweck ge-rade auch aus dem Fehlen einer - bestimmten - Regelung erschließen kann, sofern der Gesetzgeber diese bewusst unterlässt. Ein Missbrauchseinwand kommt daher in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglich-keiten übersehen hat, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zei-gen, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hät-te (BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R–, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.). Hiervon aber ist zur Überzeugung des Senats vorliegend auszugehen.
Der Gesetzgeber hat sich bei Inkraftsetzen der §§ 198 ff. GVG entschieden, auf überlange gerichtliche Verfahrensdauer mit einer nachträglichen Kompensation statt mit einem auf Beschleunigung gerichteten Rechtsbehelf zu reagieren. Ergänzt hat er diese Kompensationslösung allerdings durch das präventive Element der Verzöge-rungsrüge. Dabei hat er in seiner Gesetzesbegründung – worauf seitens des Klägers zu Recht hingewiesen wird – zum Ausdruck gebracht, dass es grundsätzlich un-schädlich sein soll, wenn die Verzögerungsrüge nach dem in Satz 2 des § 198 Abs. 3 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird, weil die Geduld eines Verfahrensbeteilig-ten nicht "bestraft" werden soll (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 21 zu Ab-satz 3 Satz 2). Ebenso aber hat er – wie oben aufgezeigt – auch deutlich zum Aus-druck gebracht, dass einem "Dulde und Liquidiere" entgegengewirkt werden soll. Wollte man es einem Kläger hingegen regelmäßig ermöglichen, die Verzögerungsrü-ge mangels ausdrücklicher Normierung, bis wann sie an das Gericht herangetragen sein muss, beliebig spät zu erheben, würde gerade dieses Ziel – wie der vorliegende Sachverhalt eindrücklich belegt – gänzlich ausgehöhlt. Es wird dann nicht mehr die Geduld eines Verfahrensbeteiligten belohnt, sondern ein deutlicher Anreiz dafür ge-schaffen, Verfahren gleichsam in der Hoffnung, das Gericht werde möglichst lange nicht aktiv werden, anzustrengen oder jedenfalls überflüssigerweise fortzusetzen, um just dann, wenn das Gericht – namentlich durch Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung - zum Ausdruck bringt, dass es den Rechtsstreit nunmehr zum Ab-schluss zu bringen gedenkt, eine Verzögerungsrüge als Voraussetzung dafür zu er-heben, im Folgenden einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. Der Verdacht, es gehe irgendwann im Wesentlichen darum, möglichst einen Ent-schädigungsanspruch zu erwerben, drängt sich zur Überzeugung des Senats na-mentlich in der von der Gerichtskostenfreiheit und dem Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Sozialgerichtsbarkeit insbesondere dann auf, wenn der Streitgegenstand (z.B. Klagen gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide angesichts des damit verbundenen Suspensiveffekts) und/oder weitere rechtliche oder tatsächliche Ent-wicklungen im Laufe des Verfahrens dafür sprechen, dass der spätere Entschädi-gungskläger kein wirkliches Interesse an dem Verfahren hat oder durch dessen Dau-er sogar in gewisser Weise profitiert, und seine eigene Verfahrensführung keinerlei Bemühen, auf einen zügigen Verfahrensabschluss hinzuwirken, erkennen lässt. Eben dies aber ist hier – wie oben dargelegt – der Fall. Der Senat erwartet von einem Klä-ger nicht, dass dieser in kurzen Abständen mit Sachstandsanfragen an das Gericht herantritt, ist sich im Gegenteil wohl bewusst, dass dies weder erwünscht noch – an-gesichts der Überlastung der Gerichtsbarkeit - letztlich immer erfolgversprechend ist. Wenn sich aber insbesondere ein anwaltlich vertretener Kläger in einem Verfahren, an dem er unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts kein wirkliches Interesse (mehr) hat, fast drei Jahre lang nicht ein einziges Mal nach dem Sachstand erkundigt und es selbst unterlässt, das Gericht seinerseits über maßgebliche Ent-wicklungen in der Sache zu informieren, dann geht der Senat davon aus, dass mit der Erhebung der Verzögerungsrüge erst nach abgesandter Ladung kein schutzwür-diges Interesse verfolgt wird und keinerlei Anlass besteht, einen vermeintlichen Grundrechtsverstoß zu kompensieren. Erst recht hat dies dann zu gelten, wenn die Verzögerungsrüge erst nach Zustellung der Ladung erfolgt. Dies aber ist hier der Fall. Denn auch wenn der Zeitpunkt des Ladungsempfangs bei dem Bevollmächtig-ten des Klägers letztlich nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, so wurde die Verzögerungsrüge durch diesen am 20. Februar 2019 um 12.47 Uhr erhoben und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem jedenfalls dem Kläger die Ladung bereits zuge-stellt (um 10.20 Uhr) war.
Ist damit hier die Verzögerungsrüge als rechtsmissbräuchlich und damit nicht wirk-sam erhoben anzusehen, hat dies zur Folge, dass dem Kläger auch bezüglich des geltend gemachten Vermögensschadens keine Entschädigung zuzusprechen ist.
IV. Soweit § 198 Abs. 4 Satz 3 letzter Halbsatz GVG die Möglichkeit einräumt, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, wenn eine oder mehrere Vo-raussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind, sieht der Senat dazu aufgrund der aufgezeigten Gesamtumstände keine Veranlassung. Es ist nicht ersichtlich, dass den Kläger das gerichtliche Verfahren in irgend einer Form belastet haben könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht. Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde an-gefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozess-bevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schrift-lich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf dieser Frist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die ange-fochtene Entscheidung bezeichnen.
Die Beschwerde in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte). Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermitt-lungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen: 1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule ei-nes Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspoliti-scher Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammen-schlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Inte-ressenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ih-rer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum ei-ner der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die ju-ristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zu-sammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder ent-sprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tä-tigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüs-se vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertre-tung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
· die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder · die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundesso-zialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bun-des oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abwei-chung beruht oder · ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Be-gründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Betei-ligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantra-gen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundes-sozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen deutschen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bun-dessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtig-ten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht ein-gegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
III. Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechts-verkehrs.
Gorgels Jucknat Braun
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozi-algericht P unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 geführten Verfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit seiner durch seinen jetzigen Bevollmächtigten für ihn am 23. März 2016 erhobe-nen Klage wandte der seinerzeit Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch beziehende Kläger sich gegen den Bescheid des beklagten Jobcenters vom 05. Januar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheides vom 23. Februar 2016, mit dem dieses ihn aufgefordert hatte, einen Ren-tenantrag zu stellen. Zugleich beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe.
Nachdem in dem unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 registrierten Verfahren am 20. April 2016 die Erwiderung des damaligen Beklagten beim Sozialgericht ein-gegangen war, gewährte dieses dem Kläger mit Beschluss vom 22. April 2016 Pro-zesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten, übersandte letzterem die Klageerwiderung zur freigestellten Stellungnahme und verfügte den Vorgang in das Sitzungsfach.
Anfang Oktober 2016 übersandte das Sozialgericht die Gerichts- und die Verwal-tungsakten antragsgemäß dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zum Akten-zeichen L 14 AS 670/16 B ER. In diesem Verfahren hatte der 14. Senat bereits mit Beschluss vom 04. April 2016 unter Aufhebung einer anderslautenden erstinstanzli-chen Entscheidung den Antrag des hiesigen Klägers auf Anordnung der aufschie-benden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid vom 05. Januar 2016 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 23. Februar 2016 abgewiesen. Die Akten gelangten am 18. November 2016 an das Sozialgericht zurück und wurden dort er-neut in das Sitzungsfach verfügt.
Mit richterlicher Verfügung vom 14. Februar 2019 beraumte das Sozialgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. März 2019 an. Unter dem 18. Februar 2019 wurden das Jobcenter sowie der Kläger zum Termin geladen und dessen Bevoll-mächtigter vom Termin benachrichtigt. Während das Jobcenter den Empfang mit Datum vom 19. Februar 2019 bestätigte und dem Kläger die Ladung am 20. Februar 2019 zugestellt wurde, gab dessen Bevollmächtigter auf seinem am 28. Februar 2019 beim Sozialgericht eingegangenen Empfangsbekenntnis als Zeitpunkt des Empfangs den 21. Februar 2019 an. Am 20. Februar 2019 erhob er beim Sozialge-richt Verzögerungsrüge.
In Vorbereitung der mündlichen Verhandlung richtete das Sozialgericht unter dem 12. März 2019 Anfragen an die dortigen Beteiligten. Der Bevollmächtigte des Klägers sowie das Jobcenter informierten daraufhin das Gericht erstmals, dass das Jobcen-ter bereits am 15. April 2016 den Ersetzungsantrag gestellt hatte, dem Kläger - nach Anerkennung eines Grades der Behinderung von 70 mit Bescheid des Versorgungs-amtes vom 10. Mai 2016 - auf seinen entsprechenden Antrag vom 17. Mai 2016 vom Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 06. Juni 2016 eine Altersrente für Schwerbehinderte bewilligt worden war und das Jobcenter seine Akten in dem Ver-fahren bereits im Juli 2016 "geschlossen" hatte. Der Kläger erklärte schließlich am 15. März 2019 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt.
Am 13. September 2019 hat sein Bevollmächtigter für ihn Entschädigungsklage er-hoben und die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Entschädigung in Höhe von 2.634,75 EUR nebst Zinsen sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe be-gehrt. Der Kläger meint, ihm stehe zum einen eine Entschädigung in Höhe von 2.300,00 EUR zu, da das Verfahren bei einer Gesamtdauer von 35 Monaten eine ent-schädigungspflichtige Verzögerung im Umfang von 23 Monaten aufweise. Zum ande-ren habe er Anspruch auf Entschädigung seines materiellen Nachteils in Form der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 334,75 EUR.
Nachdem der Senat die Entschädigungsklage mit Gerichtsbescheid vom 26. März 2020 abgewiesen hatte, hat der Kläger Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt. Er macht nunmehr geltend, sein Rechtsschutzinteresse sei im streitgegenständlichen Ausgangsverfahren nicht dadurch entfallen, dass ihm eine Altersrente für Schwerbe-hinderte gewährt worden war. Das Jobcenter hätte es in der Hand gehabt, eine Be-scheidung des Ersetzungsantrags zu verlangen. Insbesondere sei die Verzögerungs-rüge nicht verspätet erhoben worden. Es gebe keinen Endtermin, bis zu dem eine Verzögerungsrüge erhoben sein müsse; letztlich könne dies noch bis zur Zustellung des Urteils geschehen. Auch seien die Verfahrensbeteiligten nicht verpflichtet, aktiv darauf hinzuarbeiten, dass das Gericht das Verfahren in angemessener Zeit zum Abschluss bringe. Passivität könne ihnen daher bei der Prüfung, ob sie durch ihr Verhalten eine Verzögerung des Rechtsstreits bewirkt hätten, nicht angelastet wer-den. Zum Zeitpunkt der Anberaumung des Termins zur mündlichen Verhandlung ha-be im Übrigen objektiv nicht festgestanden, dass das Verfahren auch tatsächlich be-endet werden würde. Geboten sei insoweit eine ex-ante-Betrachtung. Im Übrigen sei damals weder dem Gericht noch dem Kläger bekannt gewesen, dass das Jobcenter einen Ersetzungsantrag gestellt hatte. Der Kläger habe damit allerdings angesichts der Ausführungen in dem Bescheid, mit dem er zur Rentenantragstellung aufgefor-dert worden sei, gerechnet.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihm wegen überlanger Dauer des vor dem Sozial-gericht P unter dem Aktenzeichen S 45 AS 535/16 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.634,75 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte, der außergerichtlich die Zahlung einer Entschädigung abgelehnt hat, meint, es sei davon auszugehen, dass der Bevollmächtigte des Klägers Verzöge-rungsrüge erst nach Kenntnis von der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhoben habe. Da dieser seine Kanzlei im selben Postleitzahlenbezirk wie das Jobcenter als damaliger Beklagter habe, sei davon auszugehen, dass auch er am 19. Februar 2019 vom Termin zur mündlichen Verhandlung unterrichtet worden sei. Die Verzöge-rungsrüge sei daher verspätet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akten des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. des Gerichtsver-fassungsgesetzes (GVG) sowie die §§ 183, 197a und 202 des Sozialgerichtsgeset-zes (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei über-langen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung wei-terer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargeset-zes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Gemäß § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG ist in sozialgerichtlichen Verfahren für die Entscheidung über die Entschädigungsklage das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg zustän-dig.
Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete, als allgemeine Leistungsklage statthafte Klage hat keinen Erfolg. Zwar ist sie zulässig; insbesondere bestehen we-der an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schrift-form noch an der Einhaltung der nach § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG zu wahrenden Kla-gefrist von sechs Monaten nach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung, die das Verfahren beendet, oder einer anderen Erledigung des Verfahrens Zweifel. Die Ent-schädigungsklage ist jedoch unbegründet.
Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unange-messener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergut-machung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG).
Vorliegend kann dahinstehen, ob das sich ab Klageeingang am 23. März 2016 bis zur Rücknahme der Klage am 15. März 2019 über etwa drei Jahre hinziehende Ver-fahren eine unangemessene Dauer aufwies (hierzu im Folgenden zu I.). Denn jeden-falls sieht der Senat die gesetzliche Vermutung, dass durch die ggf. überlange Ver-fahrensdauer ein immaterieller Nachteil bei dem Kläger eingetreten ist, als widerlegt an (hierzu im Folgenden zu II.). Weiter steht zu seiner Überzeugung einem Entschä-digungsanspruch das Fehlen einer ordnungsgemäßen Verzögerungsrüge entgegen (hierzu im Folgenden zu III.).
I. Der Senat hat bereits Zweifel, ob das streitgegenständliche Ausgangsverfahren, in dessen Verlauf es zu Phasen der gerichtlichen Inaktivität im Umfang von 31 Kalendermonaten, nämlich in der Zeit von Mai 2016 (Monat nach Eingang der Klageerwiderung und Bewilligung von Prozesskostenhilfe) bis September 2016 (Mo-nat vor Übersendung der Akten an das Landessozialgericht) sowie von Dezember 2016 (Monat nach Aktenrücklauf) bis Januar 2019 (Monat vor Ladung) gekommen ist, tatsächlich – unter Berücksichtigung der den Gerichten in der Regel zuzugeste-henden zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit – als im Umfang von 19 Kalendermonaten verzögert anzusehen und dementsprechend von einer unan-gemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist. Denn maßgebend für die Beurteilung der Verfahrensdauer sind gemäß § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG die Umstände des Ein-zelfalls, insbesondere das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten sowie die Schwierigkeit, Komplexität und Bedeutung des Verfahrens, wobei nicht nur die Be-deutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit (BSG, Urteil vom 12.02.2015, B 10 ÜG 11/13 R, Rn. 34, vgl. BSG, Ur-teil vom 07.09.2017 – B 10 ÜG 3/16 R – Rn. 24, jeweils zitiert nach juris). Schließlich ergibt erst eine wertende Gesamtbetrachtung und Abwägung aller Einzelfallumstän-de, ob die Verfahrensdauer die äußerste Grenze des Angemessenen deutlich über-schritten und deshalb das Recht auf Rechtsschutz in angemessener Zeit verletzt hat (BSG, Urteil vom 07.09.2017 - B 10 ÜG 1/16 R - juris, Rn. 33). Vor diesem Hinter-grund wäre vorliegend – auch wenn reine Passivität der Beteiligten nicht den Vorwurf der Verzögerung des Verfahrens durch sie rechtfertigen mag - sehr wohl zu beach-ten, dass das Verfahren zwar tatsächlich seitens des Gerichts über einen längeren Zeitraum hinweg nicht gefördert wurde, es allerdings auch weder seitens des hiesi-gen Klägers noch des damals beklagten Jobcenters für nötig erachtet wurde, das Sozialgericht über offensichtlich wesentliche Entwicklungen in der Sache zu informie-ren. So wurde diesem weder mitgeteilt, dass das Jobcenter bereits am 15. April 2016 den Ersetzungsantrag gestellt hatte, noch erfolgte ein Hinweis, dass dem Kläger auf seinen entsprechenden Antrag vom 17. Mai 2016 vom Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 06. Juni 2016 eine Altersrente für Schwerbehinderte bewilligt wor-den war. Es spricht hier indes alles dafür, dass das Verfahren – wären denn diese Informationen zeitnah erfolgt – innerhalb kürzester Zeit zum Abschluss gebracht worden wäre. Damit einher geht, dass der Kläger jedenfalls ab Bewilligung der Al-tersrente für Schwerbehinderte - und damit bereits knapp drei Monate nach Klageer-hebung – zur Überzeugung des Senats kein echtes Interesse am Verfahren mehr gehabt hat, wofür auch spricht, dass seinerseits nicht eine einzige Sachstandsanfra-ge erfolgte. Letztlich kann jedoch dahinstehen, ob hier bei der gebotenen Gesamtbe-trachtung von einer unangemessen Verfahrensdauer auszugehen ist.
II. Denn jedenfalls sieht der Senat die gesetzliche Vermutung des Eintritts eines Nachteils, der nicht Vermögensnachteil ist, wenn ein Gerichtsverfahren unangemes-sen lange gedauert hat (§ 198 Abs. 2 GVG), als widerlegt an. Denn nach den Vor-stellungen des Gesetzgebers zu den von einem Kläger geltend gemachten immateri-ellen Folgen eines überlangen Verfahrens gehört insbesondere die seelische Unbill durch die lange Verfahrensdauer (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 19). Wei-ter hat der Gesetzgeber im Rahmen der Einführung der §§ 198 ff. GVG deutlich her-vorgehoben, dass einem "Dulde und Liquidiere" vorgebeugt werden solle (Geset-zesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 20). Vorliegend vermag der Senat jedoch unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des Gegenstands des streitgegenständli-chen Ausgangsverfahrens sowie des Vorgehens der Beteiligten in diesem Verfahren nicht zu erkennen, dass der Kläger in irgendeiner Form einer seelischen Unbill aus-gesetzt gewesen sein sollte. Der Kläger hat, nachdem sein dem hier streitgegen-ständlichen Verfahren vorangegangenes bzw. zuletzt noch parallel zu diesem geführ-tes einstweiliges Rechtsschutzverfahren erfolglos geblieben war, zwar tatsächlich damit rechnen müssen, dass das Jobcenter für ihn einen Rentenantrag stellen wür-de. Dass dies tatsächlich geschehen ist, hat er jedoch nach eigenem Vortrag nicht gewusst. Wohl aber hat er selbst nach Zuerkennung der Schwerbehinderteneigen-schaft bereits am 17. Mai 2016 die Gewährung einer entsprechenden Altersrente beantragt und diese mit Bescheid vom 06. Juni 2016 auch zugesprochen bekom-men. Der Senat hat keinen Zweifel, dass die Sache für den Kläger damit erledigt war. Soweit sein Bevollmächtigter jetzt behauptet, der Kläger habe die ganze Zeit befürchten müssen, das Jobcenter werde noch auf eine Bescheidung seines Erset-zungsantrages drängen, hält der Senat dies für nicht überzeugend. Abgesehen da-von, dass der Kläger von eben diesem Antrag gerade nichts gewusst haben soll, wä-re es auch absolut nicht nachvollziehbar, warum das Jobcenter bei Gewährung einer ungekürzten Rente auf einen Antrag vom Mai 2016 auf eine Bewilligung einer Rente mit Abschlägen auf einen nur einen Monat zuvor gestellten Antrag drängen sollte. Ungeachtet dessen aber wäre zu erwarten gewesen, dass der Kläger zumindest ver-sucht hätte, sei es allein oder über seinen Bevollmächtigten, sei es direkt beim Job-center oder über das Gericht auf eine Klärung hinzuwirken, wenn ihn denn tatsäch-lich die Frage in irgendeiner Form belastet hätte, ob bei zwischenzeitlich erfolgter Rentengewährung die - ihm allein bekannte – Androhung des Jobcenters, einen Er-setzungsantrag zu stellen, noch irgendwelche Konsequenzen nach sich ziehen wür-de. Dass dies geschehen wäre, macht er jedoch weder selbst geltend, noch ist es sonst ersichtlich. All dies belegt zur Überzeugung des Senats, dass der Kläger selbst dem Verfahren überhaupt keine Aufmerksamkeit mehr entgegen gebracht hat, ja sich im Zweifel dessen weiterer Anhängigkeit nicht einmal bewusst und sicher keiner seelischen Unbill ausgesetzt war.
III. Im Übrigen fehlt es hier zur Überzeugung des Senats auch an einer ord-nungsgemäßen Verzögerungsrüge. Nicht nur sieht er die nach erfolgter Terminierung des Rechtsstreits zur mündlichen Verhandlung am 20. Februar 2019 erhobene Rüge als verspätet an (hierzu im Folgenden zu 1.), vielmehr bewertet er diese auch als rechtsmissbräuchlich (hierzu im Folgenden zu 2.).
1. Der Senat sieht die am 20. Februar 2019 erhobene Verzögerungsrüge bereits als verspätet an. Denn auch wenn § 198 Absatz 3 GVG - anders als in Satz 1 und 2 1. Halbsatz bzgl. des frühestmöglichen Zeitpunkts, zu dem eine Verzögerungsrüge wirksam erhoben werden kann - keine ausdrückliche Regelung dazu enthält, bis wann diese spätestens bei Gericht eingegangen sein muss, bedeutet dies zur Über-zeugung des Senats nicht, dass eine Verzögerungsrüge beliebig spät an das Gericht herangetragen werden kann. Im Gegenteil ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (vgl. insoweit BT-Drucksache 17/3802, Seite 20 zu Absatz 3 Satz 1), dass ebenso wie das gänzliche Fehlen einer Verzögerungsrüge auch deren Verspätung von Amts wegen zu berücksichtigen ist, was nahe legt, dass Verzögerungsrügen – und nicht nur solche, die ausnahmsweise unverzüglich erhoben werden müssen - verspätet eingelegt sein können. Weiter lässt sich der Zeitpunkt, ab dem eine Verzögerungsrü-ge als verspätet anzusehen ist, anhand des sich ebenfalls aus der Gesetzesbegrün-dung ergebenden, mit der Rüge verbundenen Zwecks bestimmen. Denn dort (BT-Drucksache 17/3802, Seite 20 zu Absatz 3 Satz 1) heißt es:
"Die Koppelung des Entschädigungsanspruchs an eine Rügeobliegenheit im Ausgangsverfahren verfolgt eine doppelte Intention: Zum einen soll die Verzö-gerungsrüge dem bearbeitenden Richter - soweit erforderlich - die Möglichkeit zu einer beschleunigten Verfahrensförderung eröffnen und insofern als Vorwar-nung dienen, ohne allerdings ein eigenständiges Verfahren einzuleiten oder eine Pflicht zur förmlichen Entscheidung auszulösen. Sie muss mit Blick auf diese "Warnfunktion" bei dem Gericht erhoben werden, bei dem das Verfahren an-hängig ist. Zum zweiten bewirkt die Obliegenheit der Verzögerungsrüge im Ausgangsverfahren gegenüber dem Betroffenen einen Ausschluss der Möglich-keit zum "Dulde und Liquidiere". Insgesamt dient die Rügeobliegenheit daher präventiv sowohl der Verfahrensbeschleunigung als auch der Missbrauchsab-wehr".
Gemessen daran sieht der Senat die am 20. Februar 2019 bei Gericht eingegangene Verzögerungsrüge vom selben Tag als verspätet an. Die Verzögerungsrüge wurde nach fast dreijähriger Verfahrensdauer erhoben, als das Sozialgericht bereits mit richterlicher Verfügung vom 14. Februar 2019 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. März 2019 anberaumt, den damaligen Beklagten und den Kläger mit – diesen am 19. bzw. 20. Februar 2019 – zugestellten Schreiben vom 18. Februar 2019 zum Termin geladen und dem Bevollmächtigten den Termin mit Schreiben vom selben Tage mitgeteilt hatte. Das Gericht hatte mit dem Absenden der Ladungen zur mündlichen Verhandlung bzw. der Terminsmitteilung alles dafür getan, das Verfahren nunmehr am 19. März 2019 abzuschließen. Am 20. Februar 2019 konnte die Verzö-gerungsrüge das Gericht daher nicht mehr zur Verfahrensbeschleunigung veranlas-sen. Soweit der Kläger meint, es sei eine ex-ante-Betrachtung erforderlich und gera-de nicht klar gewesen, ob der Rechtsstreit tatsächlich in dem anberaumten Termin zum Abschluss gebracht würde, rechtfertigt dies keine andere Entscheidung. Gerade eine ex-ante-Betrachtung lässt bei einer Ladung zum Termin zur mündlichen Ver-handlung zur Überzeugung des Senats nur den Schluss zu, dass der Spruchkörper davon ausgeht, den Rechtsstreit (spätestens) in dem anberaumten Termin zu erledi-gen, was vorliegend auch der Fall war. Irgendwelche Besonderheiten, die über all-gemeine Risiken wie z.B. Vertagungsanträge des Verfahrensgegners oder eine Er-krankung des zuständigen Richters hinaus die Besorgnis hätten begründen können, das Verfahren werde nicht spätestens in der mündlichen Verhandlung zum Ab-schluss gebracht, sind weder ersichtlich noch vom Kläger fundiert dargetan. Weder bedarf es daher hier einer Klärung, ob eine konkret begründete Sorge, das Verfah-ren werde in einem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht zur Erledigung ge-bracht werden, eine andere Bewertung erfordert, noch kommt es darauf an, ob an-deres zu gelten hat, wenn der Rechtsstreit in der anberaumten Sitzung wider Erwar-ten nicht zum Abschluss gebracht wird.
Der Senat sieht sich insoweit nicht in Widerspruch mit der Entscheidung des Bun-dessozialgerichts vom 07. September 2017 (B 10 ÜG 3/16 R), sondern geht davon aus, dass diese eine abweichende Fallkonstellation betrifft.
2. Abgesehen davon aber hält er das klägerische Vorgehen vorliegend auch für rechtsmissbräuchlich.
Die Rechtsfigur des Rechtsmissbrauchs ist eine Ausprägung des die gesamte Rechtsordnung beherrschenden, in § 242 Bürgerliches Gesetzbuch für das Verhalten des Schuldners im Rahmen zivilrechtlicher Schuldverhältnisse geregelten Grundsat-zes von Treu und Glauben. Dieser Grundsatz enthält einen allgemeinen Rechtsge-danken mit umfassendem Anwendungsbereich; Rechtsgebiete, in denen er generell ausgeschlossen wäre, gibt es nicht. Im Gegenteil ist rechtsmissbräuchliches Verhal-ten in allen Rechtsgebieten unzulässig. Individueller Rechtsmissbrauch wird nach gebräuchlicher Definition angenommen, wenn der Berechtigte kein schutzwürdiges Eigeninteresse verfolgt oder überwiegende schutzwürdige Interessen der Gegenpar-tei entgegenstehen und die Rechtsausübung im Einzelfall zu einem grob unbilligen und mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde. Da-bei orientiert sich der Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs am Schutzbereich der Norm, der ebenso wie Sinn und Zweck des Rechts und damit auch seine rechtsethi-sche Funktion in erster Linie durch den Gesetzgeber selbst bestimmt wird. Hierbei ist zu beachten, dass sich der Schutzbereich einer Norm sowie ihr Sinn und Zweck ge-rade auch aus dem Fehlen einer - bestimmten - Regelung erschließen kann, sofern der Gesetzgeber diese bewusst unterlässt. Ein Missbrauchseinwand kommt daher in erster Linie dann in Betracht, wenn der Gesetzgeber rechtliche Gestaltungsmöglich-keiten übersehen hat, die sich erst bei der späteren Anwendung des Gesetzes zei-gen, und er diese nach seiner sonstigen Zielsetzung mit Sicherheit unterbunden hät-te (BSG, Urteil vom 25.06.2009 – B 10 EG 3/08 R–, juris, Rn. 25 ff. m.w.N.). Hiervon aber ist zur Überzeugung des Senats vorliegend auszugehen.
Der Gesetzgeber hat sich bei Inkraftsetzen der §§ 198 ff. GVG entschieden, auf überlange gerichtliche Verfahrensdauer mit einer nachträglichen Kompensation statt mit einem auf Beschleunigung gerichteten Rechtsbehelf zu reagieren. Ergänzt hat er diese Kompensationslösung allerdings durch das präventive Element der Verzöge-rungsrüge. Dabei hat er in seiner Gesetzesbegründung – worauf seitens des Klägers zu Recht hingewiesen wird – zum Ausdruck gebracht, dass es grundsätzlich un-schädlich sein soll, wenn die Verzögerungsrüge nach dem in Satz 2 des § 198 Abs. 3 GVG bestimmten Zeitpunkt eingelegt wird, weil die Geduld eines Verfahrensbeteilig-ten nicht "bestraft" werden soll (Gesetzesentwurf BT-Drucks 17/3802, S. 21 zu Ab-satz 3 Satz 2). Ebenso aber hat er – wie oben aufgezeigt – auch deutlich zum Aus-druck gebracht, dass einem "Dulde und Liquidiere" entgegengewirkt werden soll. Wollte man es einem Kläger hingegen regelmäßig ermöglichen, die Verzögerungsrü-ge mangels ausdrücklicher Normierung, bis wann sie an das Gericht herangetragen sein muss, beliebig spät zu erheben, würde gerade dieses Ziel – wie der vorliegende Sachverhalt eindrücklich belegt – gänzlich ausgehöhlt. Es wird dann nicht mehr die Geduld eines Verfahrensbeteiligten belohnt, sondern ein deutlicher Anreiz dafür ge-schaffen, Verfahren gleichsam in der Hoffnung, das Gericht werde möglichst lange nicht aktiv werden, anzustrengen oder jedenfalls überflüssigerweise fortzusetzen, um just dann, wenn das Gericht – namentlich durch Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung - zum Ausdruck bringt, dass es den Rechtsstreit nunmehr zum Ab-schluss zu bringen gedenkt, eine Verzögerungsrüge als Voraussetzung dafür zu er-heben, im Folgenden einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. Der Verdacht, es gehe irgendwann im Wesentlichen darum, möglichst einen Ent-schädigungsanspruch zu erwerben, drängt sich zur Überzeugung des Senats na-mentlich in der von der Gerichtskostenfreiheit und dem Amtsermittlungsgrundsatz geprägten Sozialgerichtsbarkeit insbesondere dann auf, wenn der Streitgegenstand (z.B. Klagen gegen Aufhebungs- und Erstattungsbescheide angesichts des damit verbundenen Suspensiveffekts) und/oder weitere rechtliche oder tatsächliche Ent-wicklungen im Laufe des Verfahrens dafür sprechen, dass der spätere Entschädi-gungskläger kein wirkliches Interesse an dem Verfahren hat oder durch dessen Dau-er sogar in gewisser Weise profitiert, und seine eigene Verfahrensführung keinerlei Bemühen, auf einen zügigen Verfahrensabschluss hinzuwirken, erkennen lässt. Eben dies aber ist hier – wie oben dargelegt – der Fall. Der Senat erwartet von einem Klä-ger nicht, dass dieser in kurzen Abständen mit Sachstandsanfragen an das Gericht herantritt, ist sich im Gegenteil wohl bewusst, dass dies weder erwünscht noch – an-gesichts der Überlastung der Gerichtsbarkeit - letztlich immer erfolgversprechend ist. Wenn sich aber insbesondere ein anwaltlich vertretener Kläger in einem Verfahren, an dem er unter Zugrundelegung des objektiven Empfängerhorizonts kein wirkliches Interesse (mehr) hat, fast drei Jahre lang nicht ein einziges Mal nach dem Sachstand erkundigt und es selbst unterlässt, das Gericht seinerseits über maßgebliche Ent-wicklungen in der Sache zu informieren, dann geht der Senat davon aus, dass mit der Erhebung der Verzögerungsrüge erst nach abgesandter Ladung kein schutzwür-diges Interesse verfolgt wird und keinerlei Anlass besteht, einen vermeintlichen Grundrechtsverstoß zu kompensieren. Erst recht hat dies dann zu gelten, wenn die Verzögerungsrüge erst nach Zustellung der Ladung erfolgt. Dies aber ist hier der Fall. Denn auch wenn der Zeitpunkt des Ladungsempfangs bei dem Bevollmächtig-ten des Klägers letztlich nicht mit Sicherheit bestimmt werden kann, so wurde die Verzögerungsrüge durch diesen am 20. Februar 2019 um 12.47 Uhr erhoben und damit zu einem Zeitpunkt, zu dem jedenfalls dem Kläger die Ladung bereits zuge-stellt (um 10.20 Uhr) war.
Ist damit hier die Verzögerungsrüge als rechtsmissbräuchlich und damit nicht wirk-sam erhoben anzusehen, hat dies zur Folge, dass dem Kläger auch bezüglich des geltend gemachten Vermögensschadens keine Entschädigung zuzusprechen ist.
IV. Soweit § 198 Abs. 4 Satz 3 letzter Halbsatz GVG die Möglichkeit einräumt, die Unangemessenheit der Verfahrensdauer festzustellen, wenn eine oder mehrere Vo-raussetzungen des Absatzes 3 nicht erfüllt sind, sieht der Senat dazu aufgrund der aufgezeigten Gesamtumstände keine Veranlassung. Es ist nicht ersichtlich, dass den Kläger das gerichtliche Verfahren in irgend einer Form belastet haben könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung.
Anlass, die Revision nach §§ 160 Abs. 2, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen, bestand nicht. Rechtsmittelbelehrung und Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
I. Rechtsmittelbelehrung
Diese Entscheidung kann nur dann mit der Revision angefochten werden, wenn sie nachträglich vom Bundessozialgericht zugelassen wird. Zu diesem Zweck kann die Nichtzulassung der Revision durch das Landessozialgericht mit der Beschwerde an-gefochten werden.
Die Beschwerde ist von einem bei dem Bundessozialgericht zugelassenen Prozess-bevollmächtigten innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung schrift-lich oder in elektronischer Form beim Bundessozialgericht einzulegen. Sie muss bis zum Ablauf dieser Frist beim Bundessozialgericht eingegangen sein und die ange-fochtene Entscheidung bezeichnen.
Die Beschwerde in schriftlicher Form ist zu richten an das Bundessozialgericht, Graf-Bernadotte-Platz 5, 34119 Kassel bzw. das Bundessozialgericht, 34114 Kassel (nur Brief und Postkarte). Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und
- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist oder
- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermitt-lungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.
Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Informationen hierzu können über das Internetportal des Bundessozialgerichts (www.bsg.bund.de) abgerufen werden.
Als Prozessbevollmächtigte sind nur zugelassen: 1. Rechtsanwälte, 2. Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule ei-nes Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, 3. selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspoliti-scher Zwecksetzung für ihre Mitglieder, 4. berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder, 5. Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammen-schlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder, 6. Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Inte-ressenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ih-rer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder, 7. juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum ei-ner der in den Nrn. 3 bis 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die ju-ristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zu-sammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder ent-sprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tä-tigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Die Organisationen zu Nrn. 3 bis 7 müssen durch Personen mit Befähigung zum Richteramt handeln.
Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie private Pflegeversicherungsunternehmen können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüs-se vertreten lassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Nrn. 1 bis 7 zur Vertre-tung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.
Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung von einem zugelassenen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form zu begründen.
In der Begründung muss dargelegt werden, dass
· die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder · die Entscheidung von einer zu bezeichnenden Entscheidung des Bundesso-zialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bun-des oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abwei-chung beruht oder · ein zu bezeichnender Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.
Als Verfahrensmangel kann eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht und eine Verletzung des § 103 SGG nur gerügt werden, soweit das Landessozialgericht einem Beweisantrag ohne hinreichende Be-gründung nicht gefolgt ist.
II. Erläuterungen zur Prozesskostenhilfe
Für das Beschwerdeverfahren gegen die Nichtzulassung der Revision kann ein Betei-ligter Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Beiordnung eines Rechtsanwalts beantra-gen.
Der Antrag kann von dem Beteiligten persönlich gestellt werden; er ist beim Bundes-sozialgericht schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen oder mündlich vor dessen Geschäftsstelle zu Protokoll zu erklären.
Dem Antrag sind eine Erklärung des Beteiligten über seine persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Lasten) sowie entsprechende Belege beizufügen; hierzu ist der für die Abgabe der Erklärung vorgeschriebene Vordruck zu benutzen. Der Vordruck ist kostenfrei bei allen deutschen Gerichten erhältlich. Er kann auch über das Internetportal des Bun-dessozialgerichts (www.bsg.bund.de) heruntergeladen und ausgedruckt werden.
Falls die Beschwerde nicht schon durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtig-ten eingelegt ist, müssen der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und die Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst den Belegen innerhalb der Frist für die Einlegung der Beschwerde beim Bundessozialgericht ein-gegangen sein.
Ist dem Beteiligten Prozesskostenhilfe bewilligt worden und macht er von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, keinen Gebrauch, wird auf seinen Antrag der beizuordnende Rechtsanwalt vom Bundessozialgericht ausgewählt.
III. Ergänzende Hinweise
Der Beschwerdeschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Das Bundessozialgericht bittet darüber hinaus um zwei weitere Abschriften. Dies gilt nicht im Rahmen des elektronischen Rechts-verkehrs.
Gorgels Jucknat Braun
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
Saved