Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 10 SO 115/16
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 8 SO 6/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 SO 13/20 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zum Anspruch auf Erstattung von Kosten für eine Begleitperson bei einer Kreuzfahrtreise
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 5. Dezember 2017 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Reisekosten für eine Begleitperson für eine Urlaubsreise auf einem Kreuzfahrtschiff im Rahmen der Eingliederungshilfe streitig.
Der 1968 geborene schwerbehinderte Kläger leidet an einer spinalen Muskelatrophie mit schweren Wirbelsäulenverbiegungen, infolge der er auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Er bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungen der sozialen Pflegeversicherung sowie Hilfe zur Pflege. Seit 2002 beschäftigt der Kläger, der eigenen Wohnraum (Mietwohnung) bewohnt, im Arbeitgebermodell drei Assistenten; die hierfür anfallenden Kosten trägt der Beklagte im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz-buch (§§ 53, 54 SGB XII).
In der Zeit vom 02.07.2016 bis 09.07.2016 befand sich der Kläger auf einer Urlaubsreise mit dem Kreuzfahrtschiff "K ..." (Kreuzfahrt ab L ..., Meerblickkabine, zwei Landausflüge [M ... und N ...]). Begleitet wurde er hierbei von einem seiner Assistenten.
Mit Schreiben vom 23.04.2016 beantragte der Kläger am 26.04.2016 bei dem Beklagten die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson für eine Kreuzfahrt mit zwei Landausflü-gen im Zeitraum 02.07.2016 bis 09.07.2016 in Höhe von insgesamt 2.015,50 EUR. Die Kosten für den notwendigen Assistenten als Begleitperson würden zunächst von seinem Vater vorausgelegt.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Reisekosten für den Assistenten lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 ab. Es handele sich bei der Urlaubsreise nicht um eine Eingliederungs-, son-dern um eine Erholungsmaßnahme. Die Reise unterfalle den Bedürfnissen der allgemei-nen Lebensführung. Erforderlich im Sinne der Vorschriften der Eingliederungshilfe – etwa zur Förderung von Sozialkontakten, der Begegnung mit nichtbehinderten Menschen, Sta-bilisierung des Selbstwertgefühls oder Aktivierung zur besseren Tagesstrukturierung – sei sie nicht. Der Kläger lebe in einer eigenen Wohnung, werde durch persönliche Assistenten betreut und verfüge über ein Freizeitbudget sowie einen steuerbefreiten Pkw. Zudem könne er den öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostenlos nutzen, sei von der Rundfunk-gebührenpflicht befreit und habe (auch mit Begleitperson) kostenfreien bzw. kostenver-minderten Zugang zu kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen. Darüber hinaus be-teilige sich der Beklagte regelmäßig an der Finanzierung verschiedenster weiterer Ein-gliederungsleistungen anlässlich der Wahrnehmung der Tätigkeit des Klägers als Behin-dertenbeauftragter des Landkreises. Die angemessene Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft sei damit gewährleistet. Der Zweck der Eingliederungshilfe liege nicht darin, sozial schwachen Personen einen Erholungsurlaub zu verschaffen. In Anbetracht dessen, dass sich weite Teile der (nichtbehinderten) Bevölkerung einen auch nur einwö-chigen Urlaub nicht leisten könnten, stelle die vom Kläger unternommene Reise weder eine erforderliche noch eine angemessene Teilhabemaßnahme dar.
Hiergegen hat sich die am 20.10.2016 zum Sozialgericht Leipzig erhobene Klage gerichtet. Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass er Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen habe. Die Reise sei neben seinen sonstigen Aktivitäten zur Begegnung auch mit nichtbehinderten Menschen erforderlich. Auch einem behinderten Menschen müsse die Gelegenheit gewährt werden, auf einer Urlaubsreise für einige Tage dem gewohnten Umfeld zu entfliehen. Die ihm selbst betreffenden Reisekosten habe der Kläger aus eigenen Mitteln angespart. Ein Ansparen auch der Mittel für den zwingend benötigten Assistenten wäre aufgrund der bis dato geltenden Vermögensfreibeträge nicht möglich gewesen. Eine Gleichstellung habe nicht nur mit Sozialhilfeempfängern, sondern auch mit der nicht auf Transferleistungen angewiesenen Bevölkerung zu erfolgen.
Das Sozialgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2017 die Klage mit Urteil abgewiesen und zur Begründung nach Darstellung der entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kreuzfahrtreise zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für den Kläger nicht erforderlich sei. Der Kläger nehme bereits in hohem Umfang am Leben in der Gemeinschaft teil. Er sei Mitglied in verschiedenen Verbänden und Vereinigungen sowie Behindertenbeauftragter des Landkreises. Als solcher nehme er bereits häufig auch an mehrtägigen auswärtigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet teil. Damit sei der Kläger bereits besser in das Leben in der Gemeinschaft eingebunden als viele auf Sozialleistungen angewiesene Nichtbehinderte. Es sei nicht davon auszugehen, dass durch die Teilnahme an einer Kreuzfahrt hierüber hinausgehende Teilhabeziele erreicht werden könnten. Die vom Kläger absolvierte Kreuzfahrt sei in keiner Weise auf Teilhabeziele wie etwa die Verbesserung sozialer Kontakte, insbesondere auch mit nichtbehinderten Menschen, ausgerichtet. Im Vordergrund stünden vielmehr die Erholung und das entspannte Aufsuchen von fernen Orten und Sehenswürdigkeiten mit einem Schiff.
Gegen das am 27.12.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.01.2018 zum Sächsi-schen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzli-ches Begehren weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass klagegegenständlich lediglich die Kosten für die Begleitperson seien, welche sein Vater vorfinanziert habe. Seine eigenen Reisekosten habe er aus seinem angesparten Vermögen bestritten. Im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Vermögensobergrenzen sei dies in Bezug auf die Reisekosten für den Assistenten nicht möglich gewesen. Das SG verkenne, dass auch das Reisen einem wesentlich behinderten Menschen zur Verwirklichung der Teilhabe dienen könne. Dies gelte auch für eine Kreuzfahrt. Die Vorschriften der Eingliederungshilfe seien im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention auszulegen. Wenn er den selbst finanzierten Urlaub nicht antreten könne, weil er sich die Kosten für die Begleitperson nicht leisten könne, stelle dies eine Diskriminierung dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 05.12.2017 aufzuheben und den Beklag-ten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2016 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27.09.2016 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Begleitperson anlässlich einer Urlaubsreise vom 02.07.2016 bis 09.07.2016 in Höhe von 2.015,50 EUR zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Bei der Urlaubsreise handele es sich nicht um eine Eingliederungsmaßnahme, sondern um eine Erholungsmaßnahme, so dass eine Anspruchsgrundlage für die Übernahme des angezeigten Bedarfs nicht gegeben sei. Im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gebe es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft. Hilfe nach § 58 SGB IX werde nur in dem Maße gewährt, indem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. Bei der durchgeführten Reise handele es sich nicht um einen Urlaub, den nichtbehinderte hilfsbedürftige Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII als Vergleichsgruppe beanspruchen können. Unter Geltung des Grundgesetzes beschränke sich die Aufgabe der Sozialhilfe darauf, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspreche. Dies umfasse zwar Mittel, die der Art und dem Umfang nach ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Leben ermöglichen, wobei eine Steigerung der Lebensqualität darüber hinaus nicht zu den Aufgaben der Sozialhilfe gehöre.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zuge-stimmt (Schreiben des Beklagten vom 04.06.2019, Schreiben des Prozessbevollmächtig-ten des Klägers vom 07.06.2019).
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist unbegründet. Mit Recht und zutreffender Begründung hat das Sozialge-richt die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 26.05.2016 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 27.09.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Begleitperson, die anlässlich der Urlaubsreise mit dem Kreuzfahrtschiff "K ..." in der Zeit vom 02.07.2016 bis zum 09.07.2016 entstanden sind, als Leistungen der Eingliederungs-hilfe nach dem SGB XII.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch So-zialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbeson-dere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass hierdurch die Auf-gabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungs-hilfe gehören nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a. F. – zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Entstehung der Kosten für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage siehe Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R – juris RdNr. 20) auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sollen den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Hierzu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX a. F. insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Als Leistung zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben können im Einzel-fall auch Kosten für Urlaubsreisen und Ferienfreizeiten übernommen werden. Vorausset-zung hierfür ist allerdings, dass durch den Urlaub oder die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und der Urlaub oder die Ferienfreizeit dazu beiträgt, den Anspruchssteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern (§ 58 Nr. 1 SGB IX a. F.), wo-bei auch zu berücksichtigen ist, ob der behinderte Mensch nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (siehe nur Landessozialgericht [LSG] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.08.2016 – L 9 SO 15/15 – juris RdNr. 28; Hessisches LSG, Urteil vom 24.02.2016 – L 4 SO 27/14 – juris RdNr. 74 ff.; LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014 – L 4 SO 31/12 – juris RdNr. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.08.2012 – L 7 SO 1525/10 – Leitsatz 1; Thüringer LSG, Urteil vom 23.05.2012 – L 8 SO 640/09 – juris RdNr. 27; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 163/10 – juris RdNr. 32; SG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2010 – S 17 SO 109/09 – juris RdNr. 32; Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 54 RdNr. 51; Scheider, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 54 RdNr. 65.2; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 54 RdNr. 46).
Nicht jede Urlaubsreise verwirklicht damit bereits den Teilhabegedanken und verpflichtet damit den Sozialhilfeträger zur Übernahme der hierfür anfallenden Kosten. Zutreffend verweisen Beklagter und SG darauf, dass die vom Kläger durchgeführte Kreuzfahrt nicht Teilhabezielen im Sinne der Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Behinderung dient (§ 53 Abs. 3 SGB XII), sondern, wie bei nichtbehinderten Menschen auch, der Zweck der Erholung und des Erlebnisses im Vordergrund stehen. Allenfalls als Nebeneffekt können sich hierbei Kontakte zu nichtbehinderten Menschen ergeben, wobei dies nicht zwingend und auch nicht Intention einer derartigen Reise ist.
Hinzu tritt vorliegend, dass die Reise im Falle des Klägers auch nicht erforderlich zur Er-reichung des Ziels der Eingliederung in die Gesellschaft (§ 53 Abs. 3 SGB XII) war. Wie oben dargelegt, scheidet die Übernahme der Kosten für eine Urlaubsreise aus, wenn der behinderte Mensch bereits hinreichend in die Gesellschaft eingegliedert ist. Dies ist in Bezug auf den Kläger, wie vom Beklagten und SG zutreffend erkannt, der Fall. Der Kläger lebt in einer eigenen Wohnung, wird dort durch mehrere Assistenzkräfte betreut und ver-fügt über ein Freizeitbudget sowie einen steuerbefreiten Pkw. Er ist Mitglied in verschie-denen Verbänden und Vereinigungen sowie Behindertenbeauftragter des Landkreises. Als solcher nimmt er häufig auch an mehrtägigen auswärtigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet teil. Darüber hinaus nutzt er kostenfrei bzw. kostenvermindert öffentliche Einrichtungen und Veranstaltungen einschließlich des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Die angemessene Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft ist damit bereits gewährleistet, ohne dass durch die Kreuzfahrt noch ein hierüber hinausreichendes Teilhabeziel erreicht werden könnte.
Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger nicht die Übernahme der ihm selbst entstan-denen Reisekosten, sondern nur die für die Begleitung durch seinen Assistenten angefal-lenen Kosten begehrt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe setzen stets unmittelbar am behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen an (Wehrhahn, in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 22 EinglHV RdNr. 4). Die Übernahme von Kosten für eine Begleitperson (§ 22 Eingliederungshilfe-Verordnung) setzt daher voraus, dass diese als Folge einer notwendigen Maßnahme der Eingliederungshilfe entstanden sind. Daran fehlt es hier.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Reisekosten für eine Begleitperson für eine Urlaubsreise auf einem Kreuzfahrtschiff im Rahmen der Eingliederungshilfe streitig.
Der 1968 geborene schwerbehinderte Kläger leidet an einer spinalen Muskelatrophie mit schweren Wirbelsäulenverbiegungen, infolge der er auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Er bezieht eine Erwerbsunfähigkeitsrente, Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungen der sozialen Pflegeversicherung sowie Hilfe zur Pflege. Seit 2002 beschäftigt der Kläger, der eigenen Wohnraum (Mietwohnung) bewohnt, im Arbeitgebermodell drei Assistenten; die hierfür anfallenden Kosten trägt der Beklagte im Rahmen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetz-buch (§§ 53, 54 SGB XII).
In der Zeit vom 02.07.2016 bis 09.07.2016 befand sich der Kläger auf einer Urlaubsreise mit dem Kreuzfahrtschiff "K ..." (Kreuzfahrt ab L ..., Meerblickkabine, zwei Landausflüge [M ... und N ...]). Begleitet wurde er hierbei von einem seiner Assistenten.
Mit Schreiben vom 23.04.2016 beantragte der Kläger am 26.04.2016 bei dem Beklagten die Erstattung der Kosten für eine Begleitperson für eine Kreuzfahrt mit zwei Landausflü-gen im Zeitraum 02.07.2016 bis 09.07.2016 in Höhe von insgesamt 2.015,50 EUR. Die Kosten für den notwendigen Assistenten als Begleitperson würden zunächst von seinem Vater vorausgelegt.
Den Antrag des Klägers auf Übernahme der Reisekosten für den Assistenten lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 26.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2016 ab. Es handele sich bei der Urlaubsreise nicht um eine Eingliederungs-, son-dern um eine Erholungsmaßnahme. Die Reise unterfalle den Bedürfnissen der allgemei-nen Lebensführung. Erforderlich im Sinne der Vorschriften der Eingliederungshilfe – etwa zur Förderung von Sozialkontakten, der Begegnung mit nichtbehinderten Menschen, Sta-bilisierung des Selbstwertgefühls oder Aktivierung zur besseren Tagesstrukturierung – sei sie nicht. Der Kläger lebe in einer eigenen Wohnung, werde durch persönliche Assistenten betreut und verfüge über ein Freizeitbudget sowie einen steuerbefreiten Pkw. Zudem könne er den öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostenlos nutzen, sei von der Rundfunk-gebührenpflicht befreit und habe (auch mit Begleitperson) kostenfreien bzw. kostenver-minderten Zugang zu kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen. Darüber hinaus be-teilige sich der Beklagte regelmäßig an der Finanzierung verschiedenster weiterer Ein-gliederungsleistungen anlässlich der Wahrnehmung der Tätigkeit des Klägers als Behin-dertenbeauftragter des Landkreises. Die angemessene Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft sei damit gewährleistet. Der Zweck der Eingliederungshilfe liege nicht darin, sozial schwachen Personen einen Erholungsurlaub zu verschaffen. In Anbetracht dessen, dass sich weite Teile der (nichtbehinderten) Bevölkerung einen auch nur einwö-chigen Urlaub nicht leisten könnten, stelle die vom Kläger unternommene Reise weder eine erforderliche noch eine angemessene Teilhabemaßnahme dar.
Hiergegen hat sich die am 20.10.2016 zum Sozialgericht Leipzig erhobene Klage gerichtet. Der Kläger hat im Wesentlichen vorgetragen, dass er Anspruch auf gleichberechtigte Teilhabe in allen Lebensbereichen habe. Die Reise sei neben seinen sonstigen Aktivitäten zur Begegnung auch mit nichtbehinderten Menschen erforderlich. Auch einem behinderten Menschen müsse die Gelegenheit gewährt werden, auf einer Urlaubsreise für einige Tage dem gewohnten Umfeld zu entfliehen. Die ihm selbst betreffenden Reisekosten habe der Kläger aus eigenen Mitteln angespart. Ein Ansparen auch der Mittel für den zwingend benötigten Assistenten wäre aufgrund der bis dato geltenden Vermögensfreibeträge nicht möglich gewesen. Eine Gleichstellung habe nicht nur mit Sozialhilfeempfängern, sondern auch mit der nicht auf Transferleistungen angewiesenen Bevölkerung zu erfolgen.
Das Sozialgericht hat auf die mündliche Verhandlung vom 05.12.2017 die Klage mit Urteil abgewiesen und zur Begründung nach Darstellung der entscheidungserheblichen Rechtsgrundlagen im Wesentlichen ausgeführt, dass die Kreuzfahrtreise zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft für den Kläger nicht erforderlich sei. Der Kläger nehme bereits in hohem Umfang am Leben in der Gemeinschaft teil. Er sei Mitglied in verschiedenen Verbänden und Vereinigungen sowie Behindertenbeauftragter des Landkreises. Als solcher nehme er bereits häufig auch an mehrtägigen auswärtigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet teil. Damit sei der Kläger bereits besser in das Leben in der Gemeinschaft eingebunden als viele auf Sozialleistungen angewiesene Nichtbehinderte. Es sei nicht davon auszugehen, dass durch die Teilnahme an einer Kreuzfahrt hierüber hinausgehende Teilhabeziele erreicht werden könnten. Die vom Kläger absolvierte Kreuzfahrt sei in keiner Weise auf Teilhabeziele wie etwa die Verbesserung sozialer Kontakte, insbesondere auch mit nichtbehinderten Menschen, ausgerichtet. Im Vordergrund stünden vielmehr die Erholung und das entspannte Aufsuchen von fernen Orten und Sehenswürdigkeiten mit einem Schiff.
Gegen das am 27.12.2017 zugestellte Urteil richtet sich die am 22.01.2018 zum Sächsi-schen Landessozialgericht eingelegte Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzli-ches Begehren weiterverfolgt. Er verweist darauf, dass klagegegenständlich lediglich die Kosten für die Begleitperson seien, welche sein Vater vorfinanziert habe. Seine eigenen Reisekosten habe er aus seinem angesparten Vermögen bestritten. Im Hinblick auf die zum damaligen Zeitpunkt geltenden Vermögensobergrenzen sei dies in Bezug auf die Reisekosten für den Assistenten nicht möglich gewesen. Das SG verkenne, dass auch das Reisen einem wesentlich behinderten Menschen zur Verwirklichung der Teilhabe dienen könne. Dies gelte auch für eine Kreuzfahrt. Die Vorschriften der Eingliederungshilfe seien im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention auszulegen. Wenn er den selbst finanzierten Urlaub nicht antreten könne, weil er sich die Kosten für die Begleitperson nicht leisten könne, stelle dies eine Diskriminierung dar.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 05.12.2017 aufzuheben und den Beklag-ten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.05.2016 in Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 27.09.2016 zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Begleitperson anlässlich einer Urlaubsreise vom 02.07.2016 bis 09.07.2016 in Höhe von 2.015,50 EUR zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Bei der Urlaubsreise handele es sich nicht um eine Eingliederungsmaßnahme, sondern um eine Erholungsmaßnahme, so dass eine Anspruchsgrundlage für die Übernahme des angezeigten Bedarfs nicht gegeben sei. Im Rahmen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gebe es keine unbegrenzte Sozialisierung der Kosten der Teilnahme am Leben in der Gesellschaft. Hilfe nach § 58 SGB IX werde nur in dem Maße gewährt, indem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen können. Bei der durchgeführten Reise handele es sich nicht um einen Urlaub, den nichtbehinderte hilfsbedürftige Bezieher von Leistungen nach dem SGB XII als Vergleichsgruppe beanspruchen können. Unter Geltung des Grundgesetzes beschränke sich die Aufgabe der Sozialhilfe darauf, dem Leistungsempfänger ein Leben zu ermöglichen, das der Würde des Menschen entspreche. Dies umfasse zwar Mittel, die der Art und dem Umfang nach ein an den herrschenden Lebensgewohnheiten orientiertes Leben ermöglichen, wobei eine Steigerung der Lebensqualität darüber hinaus nicht zu den Aufgaben der Sozialhilfe gehöre.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung zuge-stimmt (Schreiben des Beklagten vom 04.06.2019, Schreiben des Prozessbevollmächtig-ten des Klägers vom 07.06.2019).
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und die Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand des Verfahrens gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die Berufung ist unbegründet. Mit Recht und zutreffender Begründung hat das Sozialge-richt die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 26.05.2016 in Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 27.09.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die Begleitperson, die anlässlich der Urlaubsreise mit dem Kreuzfahrtschiff "K ..." in der Zeit vom 02.07.2016 bis zum 09.07.2016 entstanden sind, als Leistungen der Eingliederungs-hilfe nach dem SGB XII.
Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten nach §§ 19 Abs. 3, 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII Personen, die durch eine Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Neuntes Buch So-zialgesetzbuch (SGB IX) wesentlich in ihrer Fähigkeit, an der Gesellschaft teilzuhaben, eingeschränkt sind, wenn und solange nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbeson-dere nach Art oder Schwere der Behinderung, Aussicht besteht, dass hierdurch die Auf-gabe der Eingliederungshilfe erfüllt werden kann. Zu den Leistungen der Eingliederungs-hilfe gehören nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i. V. m. § 55 SGB IX in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung (a. F. – zur Maßgeblichkeit des Zeitpunkts der Entstehung der Kosten für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage siehe Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 23.08.2013 – B 8 SO 24/11 R – juris RdNr. 20) auch Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft sollen den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern. Hierzu gehören nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX a. F. insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben.
Als Leistung zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben können im Einzel-fall auch Kosten für Urlaubsreisen und Ferienfreizeiten übernommen werden. Vorausset-zung hierfür ist allerdings, dass durch den Urlaub oder die Ferienfreizeit die Folgen der Behinderung mindestens gemildert werden und der Urlaub oder die Ferienfreizeit dazu beiträgt, den Anspruchssteller in die Gesellschaft einzugliedern und hierbei insbesondere die Begegnung mit nicht behinderten Menschen zu fördern (§ 58 Nr. 1 SGB IX a. F.), wo-bei auch zu berücksichtigen ist, ob der behinderte Mensch nicht schon auf andere Weise in die Gesellschaft eingegliedert ist (siehe nur Landessozialgericht [LSG] Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 17.08.2016 – L 9 SO 15/15 – juris RdNr. 28; Hessisches LSG, Urteil vom 24.02.2016 – L 4 SO 27/14 – juris RdNr. 74 ff.; LSG Hamburg, Urteil vom 20.11.2014 – L 4 SO 31/12 – juris RdNr. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 30.08.2012 – L 7 SO 1525/10 – Leitsatz 1; Thüringer LSG, Urteil vom 23.05.2012 – L 8 SO 640/09 – juris RdNr. 27; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.06.2010 – L 9 SO 163/10 – juris RdNr. 32; SG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.2010 – S 17 SO 109/09 – juris RdNr. 32; Wehrhahn, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 54 RdNr. 51; Scheider, in: Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 54 RdNr. 65.2; Bieback, in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 6. Aufl. 2018, § 54 RdNr. 46).
Nicht jede Urlaubsreise verwirklicht damit bereits den Teilhabegedanken und verpflichtet damit den Sozialhilfeträger zur Übernahme der hierfür anfallenden Kosten. Zutreffend verweisen Beklagter und SG darauf, dass die vom Kläger durchgeführte Kreuzfahrt nicht Teilhabezielen im Sinne der Beseitigung oder Milderung der Folgen einer Behinderung dient (§ 53 Abs. 3 SGB XII), sondern, wie bei nichtbehinderten Menschen auch, der Zweck der Erholung und des Erlebnisses im Vordergrund stehen. Allenfalls als Nebeneffekt können sich hierbei Kontakte zu nichtbehinderten Menschen ergeben, wobei dies nicht zwingend und auch nicht Intention einer derartigen Reise ist.
Hinzu tritt vorliegend, dass die Reise im Falle des Klägers auch nicht erforderlich zur Er-reichung des Ziels der Eingliederung in die Gesellschaft (§ 53 Abs. 3 SGB XII) war. Wie oben dargelegt, scheidet die Übernahme der Kosten für eine Urlaubsreise aus, wenn der behinderte Mensch bereits hinreichend in die Gesellschaft eingegliedert ist. Dies ist in Bezug auf den Kläger, wie vom Beklagten und SG zutreffend erkannt, der Fall. Der Kläger lebt in einer eigenen Wohnung, wird dort durch mehrere Assistenzkräfte betreut und ver-fügt über ein Freizeitbudget sowie einen steuerbefreiten Pkw. Er ist Mitglied in verschie-denen Verbänden und Vereinigungen sowie Behindertenbeauftragter des Landkreises. Als solcher nimmt er häufig auch an mehrtägigen auswärtigen Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet teil. Darüber hinaus nutzt er kostenfrei bzw. kostenvermindert öffentliche Einrichtungen und Veranstaltungen einschließlich des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs. Die angemessene Teilhabe des Klägers am Leben in der Gesellschaft ist damit bereits gewährleistet, ohne dass durch die Kreuzfahrt noch ein hierüber hinausreichendes Teilhabeziel erreicht werden könnte.
Nichts anderes folgt daraus, dass der Kläger nicht die Übernahme der ihm selbst entstan-denen Reisekosten, sondern nur die für die Begleitung durch seinen Assistenten angefal-lenen Kosten begehrt. Die Leistungen der Eingliederungshilfe setzen stets unmittelbar am behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen an (Wehrhahn, in: Schle-gel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 22 EinglHV RdNr. 4). Die Übernahme von Kosten für eine Begleitperson (§ 22 Eingliederungshilfe-Verordnung) setzt daher voraus, dass diese als Folge einer notwendigen Maßnahme der Eingliederungshilfe entstanden sind. Daran fehlt es hier.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
FSS
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