Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 3456/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 AS 13/20
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob dem Kläger Leistungen für Genossenschaftsanteile als Darlehen oder als Zuschuss zu gewähren waren und ob der Beklagte zur Aufrechnung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen den Anspruch auf Regelbedarfsleistungen berechtigt ist.
Der 1982 geborene, erwerbsfähige Kläger bezog und bezieht seit 2014 bis heute ohne Unterbrechung laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Schreiben vom 15. Januar 2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe eine neue Wohnung in der W. in gefunden und beantrage unter anderem ein Darlehen über 2.450,- Euro für den Erwerb der hierfür notwendigen Genossenschaftsanteile. Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 sicherte der Beklagte dem Kläger die Gewährung eines Darlehens in beantragter Höhe zu. Der Kläger unterzeichnete am 2. Februar 2015 einen Dauernutzungsvertrag über die Wohnung. Zudem trat der Kläger der B. bei und verpflichtete sich, Geschäftsanteile in Höhe von 2.450,- Euro zu leisten.
Am 13. Februar 2015 unterschrieb der Kläger einen auf den 11. Februar 2015 datierten Abtretungsvertrag mit dem Beklagten. Darin wurde vereinbart, dass der Kläger zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs seinen Anspruch auf Rückzahlung der im Fall des Auszugs gekündigten Genossenschaftsanteile gegen die B. an den Beklagten abtrete. Ferner heißt es, der Inhalt des Darlehensbescheides vom 11. Februar 2015 werde zum Inhalt des Vertrages gemacht.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 2.450,- Euro für Genossenschaftsanteile. In den dem Bescheid beigefügten Darlehensbedingungen heißt es, der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens werde ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folge, gegen den Anspruch des Darlehensnehmers auf den Regelbedarf in Höhe von 10 % dieses Bedarfs aufgerechnet. Es werde ein gesonderter Aufrechnungsbescheid erteilt. Das Darlehen werde grundsätzlich zinslos gewährt, nur Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz würden berechnet. Werde das Darlehen von dritter Seite verzinst, wie beispielsweise bei Genossenschaftsanteilen und Dividenden, würden Zinsen in Höhe dieses Anspruchs erhoben. Das Darlehen wurde ausweislich einer Kassenanordnung des Beklagten am 19. Februar 2015 ausgezahlt.
Am 17. März 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015 ein. Zur Begründung führte er aus, dass er bisher keinen separaten Aufrechnungsbescheid erhalten habe, der Beklagte jedoch bereits mit der Aufrechnung der Darlehenstilgungsraten begonnen und trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine rechtswidrige Verrechnung mit dem Regelsatz in den Monaten März, April und Mai 2015 vorgenommen habe. Der Kläger bat darum, die bislang einbehaltenen Beträge in Höhe von dreimal 39,90 Euro an ihn auszuzahlen. Ferner führte er aus, im Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 werde ein Darlehensbescheid vom selben Tag zum Inhalt des Vertrags erklärt. Es gebe jedoch keinen Darlehensbescheid, der auf diesen Tag datiere. Der Darlehensbescheid sei erst nach Unterzeichnung des Abtretungsvertrags ausgestellt worden, sodass er nicht Gegenstand des Abtretungsvertrages sei. Es sei somit nicht wirksam vereinbart worden, dass eine Rückzahlung des Darlehens eine Auswirkung auf den Abtretungsvertrag habe. Insgesamt sei unklar, welche Auswirkungen die ratenweise Tilgung des Darlehens auf die Abtretungsvereinbarung habe, insbesondere ob die Abtretung in der Höhe auf die jeweilige Restschuld beschränkt sei. Zudem wandte sich der Kläger gegen die Verzinsung des Darlehens in Höhe der Dividenden auf die Genossenschaftsanteile. Das Darlehen sei zinslos zu gewähren. Der Darlehensbescheid lasse offen, auf welcher rechtlichen Grundlage Zinsen erhoben würden.
In seinem Schreiben vom 6. Mai 2015 zur Widerspruchsbegründung beantragte der Kläger zudem die Umwandlung des Darlehens in eine einmalige Beihilfe, hilfsweise den Erlass der Darlehensschuld. Aus einer zehnprozentigen Kürzung des aktuellen Regelsatzes ergebe sich eine Tilgungszeit von mehr als fünf Jahren. Nach der Fachanweisung des Beklagten sei die Gewährung in Form eines Darlehens nur zulässig, wenn die Möglichkeit bestehe, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in einem absehbaren Zeitraum verbessern. Andernfalls sei die Leistung als Beihilfe zu gewähren. Dies sei bei ihm nicht der Fall, eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation sei nicht in Sicht. Es lägen Vermittlungshemmnisse vor, da er über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und nicht kurzfristig in den Arbeitsmarkt integrierbar sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei lediglich eine vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung nicht zu beanstanden. Ein Darlehen könne daher nur gewährt werden, wenn die Rückzahlung innerhalb von nicht länger als sechs Monaten möglich sei, andernfalls seien Leistungen als Zuschuss zu erbringen.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2015 hob der Beklagte den Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015 auf. Zugleich lehnte er den Antrag des Klägers auf Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe ab. Zur Begründung führte er aus, nach § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II sollten Mietkautionen und Genossenschaftsanteile als Darlehen erbracht werden. Die Gewährung als Beihilfe komme nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht, die dann anzunehmen seien, wenn die Gewährung eines Darlehens den Abbau von Integrationshemmnissen gefährde. Ein solcher Fall liege beim Kläger nicht vor. Seine Integration in den Arbeitsmarkt werde nicht durch das Darlehen erschwert, sondern durch das Fehlen einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Auch der hilfsweise beantragte Erlass der Darlehensschuld werde abgelehnt, da eine Unbilligkeit der Einziehung nicht zu erkennen sei.
Gleichzeitig übersandte der Beklagte dem Kläger einen auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid sowie einen ebenfalls auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid, die ausweislich eines Vermerks des Beklagten am 20. Mai 2015 erlassen worden waren. In dem auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid heißt es, es werde ein Darlehen für "die Mietkaution" gewährt, im Übrigen ist er – auch in den beigefügten Darlehensbedingungen – identisch mit dem Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015. In dem auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid heißt es: "Gem. § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfes getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen. Der für Sie maßgebende Regelbedarf beträgt 399,00 EUR. Somit werden ab 01.03.2015 39,90 EUR gegen Ihre laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgerechnet".
Mit Schreiben vom 22. Mai 2015 legte der Kläger gegen die Ablehnung der Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe und gegen die Ablehnung des Erlasses der Darlehensschulden Widerspruch ein. Ferner erhob er mit Schreiben vom 23. Mai 2015 Widerspruch gegen den auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid und mit Schreiben vom 26. Mai 2015 gegen den auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid. Er führte aus, die von dem Beklagten durchgeführte Aufrechnung ab März 2015 sei rechtswidrig gewesen. Da der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe, müssten die bisher einbehaltenen Tilgungsraten für die Monate März bis Mai 2015 an ihn erstattet werden. Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die einbehaltenen Tilgungsraten für die Monate März bis Juni 2015 wieder an ihn ausgezahlt würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8635/15) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Darlehensbescheid vom 11. Mai 2015 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen als Zuschuss. Nach § 22 Abs. 6 SGB II solle die Leistung als Darlehen erbracht werden. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles, bei dessen Vorliegen das Regelermessen hinsichtlich der Art und Weise der Gewährung der Leistungen zum Erwerb der Genossenschaftsanteile eingeschränkt sein könnte, seien nicht ersichtlich. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8637/15) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 zurück. Nach der Regelung in § 42a SGB II müsse eine Aufrechnung erfolgen, der Beklagte habe insoweit kein Ermessen. Eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung sei auch im Übrigen nicht zu erkennen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Tilgung des Darlehens in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelbedarfes das soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr gedeckt wäre. Der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass erst bei einer Unterschreitung des Regelbedarfs um 30 % von einer Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums auszugehen sei. Mit einem dritten Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8638/15) wurde auch der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20. Mai 2015 zurückgewiesen. Nach der Fachanweisung des Beklagten könne ein Darlehen wie das streitgegenständliche nicht in eine Beihilfe umgewandelt werden.
Am 11. September 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er die Gewährung einer Beihilfe statt eines Darlehens, hilfsweise die Aufhebung der Aufrechnung und der Verzinsung des Darlehens geltend gemacht hat. Konkret hat er folgende Anträge formuliert: • den Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 aufzuheben, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass das Darlehen für die Genossenschaftsanteile in eine Beihilfe umgewandelt wird, hilfsweise, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der darlehensweisen Gewährung zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen keine Aufrechnung vorgenommen wird, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der Gewährung des Darlehens keine Verzinsung vorgenommen wird, äußerst hilfsweise, • das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz vorzulegen.
Er hat vorgetragen, der Beklagte habe bei der Entscheidung zwischen Darlehen und Zuschuss durchaus Ermessen. Nach § 22 Abs. 6 SGB II solle die Leistung als Darlehen erbracht werden, ein Abweichen in atypischen Fällen sei daher möglich. Der Beklagte habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Rückzahlung des Darlehens länger als fünf Jahre dauern würde. Der Darlehensbescheid sei ferner rechtswidrig, soweit darin Zinsen verlangt würden. Der Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 sei vom Kläger nicht aus freiem Willen unterzeichnet worden. Zudem sei durch den Abtretungsvertrag eine Übersicherung eingetreten. Selbst nach vollständiger Rückzahlung der Darlehensschulden behalte der Beklagte den Auszahlungsanspruch der Genossenschaftsanteile. Hinsichtlich der Aufrechnung sei die Vorschrift des § 42a Abs. 2 SGB II verfassungswidrig. Ausgaben für eine Mietkaution seien nicht in die Berechnung des Regelbedarfs einbezogen worden. Es sei verfassungswidrig, die Regelleistung über einen derart langen Zeitraum zu kürzen.
Das Sozialgericht hat am 29. Juli 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Dort hat der Kläger erklärt, dass der Beklagte im Oktober und November 2015 aufgerechnet haben. Die Dividenden, die die Genossenschaft für die Jahre 2016, 2017 und 2018 gezahlt habe, seien von dem Beklagten einbehalten worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2019 hat das Sozialgericht den Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 insoweit aufgehoben, als dieser eine Verzinsung des Darlehens bestimmt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Verzinsung eines vom Leistungsträger gewährten Darlehens sei im SGB II nicht vorgesehen. Im Übrigen sei der Darlehensbescheid aber rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Kosten für die Genossenschaftsanteile als Beihilfe. Es liege kein atypischer Fall vor. Auch der Aufrechnungsbescheid sei rechtmäßig. § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II sehe eine Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs zwingend vor. Die Aufrechnung begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wie auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28. November 2018 (B 14 AS 31/17 R) entschieden habe.
Am 9. Januar 2020 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, der Aufrechnungsbescheid sei mangels vorheriger Anhörung bereits formell rechtswidrig.
Der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. August 2020 nicht erschienen ist, beantragt seinem schriftsätzlichen Vorbringen nach sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2019 aufzuheben und • den Beklagten unter Aufhebung des Darlehensbescheids vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 zu verpflichten, ihm Leistungen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen als Zuschuss zu gewähren, • den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 aufzuheben sowie • festzustellen, dass der Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 nichtig ist, • hilfsweise, den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 dahingehend abzuändern, dass die Aufrechnung zumindest teilweise erlassen bzw. zeitlich begrenzt wird,
höchst hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 16. März 2020 die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Schreiben vom 11. August 2020 hat der Kläger mitgeteilt, er erweitere seine Klage um folgende Anträge (wörtlich): • Der Berufungsbeklagte wird mit 14-tägiger Zahlungsfrist auf Auszahlung der vorgenommenen Aufrechnungen für die Monate Oktober 2015 und November 2015 in Höhe von jeweils EUR 39,90 zzgl. Verzugszinsen verurteilt. • Der Berufungsbeklagte wird mit 14-tätiger Zahlungsfrist auf Auszahlung der einbehaltenen Dividenden der Jahre 2016 und 2017 in Höhe von jeweils EUR 98,00 zzgl. Verzugszinsen verurteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Nach § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger zu dem Verhandlungstermin am 20. August 2020 nicht erschienen war. Der Kläger war zu dem Termin mit Schreiben vom 3. Juli 2020, zugestellt am 8. Juli 2020, geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
II. Die Berufung ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Hinsichtlich der erstmals mit Schreiben vom 11. August 2020 formulierten Anträge des Klägers ist die Berufung bereits unzulässig. Die Berufung dient als Rechtsmittel der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit der Kläger die Auszahlung der einbehaltenen Dividenden der Jahre 2016 und 2017 begehrt, greift er nicht den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid an, sondern begehrt vielmehr dessen Umsetzung. Hierfür ist eine Berufung nicht der richtige Weg. Sollte der Beklagte entgegen seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 28. Juli 2020 die Dividenden noch immer nicht ausgezahlt haben, so wäre dies zunächst gegenüber dem Beklagten geltend zu machen bzw. mit Hilfe von Vollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Soweit der Kläger die Auszahlung der in den Monaten Oktober und November 2015 im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Beträge begehrt, kann dies ebenfalls nicht im Rahmen der Berufung geltend gemacht werden, da dieses Begehren nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war. Hier müsste vielmehr zunächst eine Leistungsklage beim Sozialgericht erhoben werden. Bereits in der mündlichen Verhandlung am 20. August 2020 hat der Senat diesbezüglich allerdings darauf hingewiesen, dass der Einbehalt im Wege der Aufrechnung wegen des aufschiebenden Widerspruchs der am 11. September 2015 erhobenen Klage rechtswidrig gewesen sein dürfte. Insofern täte der Beklagte gut daran, zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits die Auszahlung zu veranlassen.
2. Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass ihm Leistungen für die Genossenschaftsanteile als Darlehen und nicht als Zuschuss gewährt wurden, ist die Berufung zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage insoweit abgewiesen. Der Darlehensbescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dass der erkennbar erst am 20. Mai 2015 erlassene Darlehensbescheid vom Beklagten auf den 11. Februar 2015 rückdatiert wurde, mag befremdlich erscheinen, führt jedoch als solches nicht zur Rechtswidrigkeit der in dem Bescheid getroffenen inhaltlichen Regelungen. Ein Verwaltungsakt wird gem. § 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit seiner Bekanntgabe wirksam, unabhängig davon, welches Datum er ausweist. Allerdings waren die Leistungen bereits am 19. Februar 2015 ausgezahlt worden, wobei allen Beteiligten aufgrund der vorherigen Gespräche, des Abtretungsvertrags und des später wieder aufgehobenen Darlehensbescheids vom 19. Februar 2015 klar war, dass es sich hierbei um ein Darlehen handelte. Damit war die Darlehensgewährung als solche bereits am 19. Februar 2015 erfolgt. Für die hier streitgegenständliche Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe hatte oder aber die Leistungen zu Recht lediglich als Darlehen gewährt worden waren, spielt der Zeitpunkt des Erlasses des förmlichen Darlehensbescheids keine Rolle.
Wie das Sozialgericht, so vermag auch der Senat nicht zu erkennen, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für die Genossenschaftsanteile als Zuschuss statt als Darlehen hatte. § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung geltenden Fassung lautete: "Eine Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden". Genossenschaftsanteile waren damals zwar noch nicht ausdrücklich erwähnt (sie werden erst mit der ab 1.8.2016 geltenden Fassung vom 26.7.2016 in § 22 Abs. 6 SGB II explizit genannt), doch war die Vorschrift auf sie analog anwendbar. Der Gesetzeswortlaut sieht damit eindeutig eine darlehensweise Gewährung als Regelfall vor. Ein Ermessen des Leistungsträgers hinsichtlich der Form der Leistungsgewährung und damit die Möglichkeit eines Zuschusses besteht nur dann, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Dabei ist ein atypischer Fall dann anzunehmen, wenn sich die Situation des Betroffenen deutlich von derjenigen anderer Leistungsberechtigter unterscheidet und es deshalb nicht gerechtfertigt erscheint, ihn mit den typischen Folgen eines Darlehens zu belasten. Dass hier ein atypischer Fall in diesem Sinne vorliegt, ist nicht erkennbar. Besondere Umstände der konkreten Lebenssituation des Klägers, die dazu führen würden, dass er von einer monatlichen Leistungskürzung um 10 % des Regelbedarfs deutlich stärker getroffen wäre als andere Leistungsbezieher, sind weder vorgetragen worden noch erkennbar. Das Nichtvorhandensein eigener Mittel ist bereits Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen für Genossenschaftsanteile und damit der typische Fall, vermag also die Annahme eines atypischen Einzelfalls nicht zu begründen. Auch das Fehlen einer abgeschlossenen Ausbildung und die dadurch bedingten Schwierigkeiten bei der Vermittlung in eine Erwerbstätigkeit sind keine atypische Situation für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die darlehensweise Gewährung von Leistungen für Genossenschaftsanteile hat der Senat nicht. Ein Darlehen ist sachgerecht, weil die Genossenschaftsanteile in das (nicht verwertbare) Vermögen der leistungsberechtigten Person übergehen und die steuerfinanzierten Mittel der Grundsicherung nicht der Vermögensbildung dienen sollen.
3. Auch mit dem Begehren, den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 aufzuheben bzw. abzuändern, ist die Berufung zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beklagte ist zur Aufrechnung berechtigt.
a. Der Aufrechnungsbescheid hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt. Es handelt sich um einen Grundlagenverwaltungsakt, mit dem die Aufrechnung nicht nur für den bei seinem Erlass laufenden Bewilligungszeitraum, sondern darüber hinaus für die Dauer des Leistungsbezugs erklärt wurde (vgl. zur Aufrechnung durch Grundlagenverwaltungsakt Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018 – B 14 AS 31/17 R, Rn 33 ff.). Der Aufrechnungsbescheid nimmt ausdrücklich Bezug auf die Regelung des § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II und führt aus, dass das Darlehen für die Dauer des Leistungsbezugs durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfes getilgt wird. Der Kläger steht seit dem Erlass des Bescheids durchgehend im Leistungsbezug.
b. Fehlerhaft war der Aufrechnungsbescheid insoweit, als dass die vor seinem Erlass nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung hier zunächst nicht durchgeführt worden war. Dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X (zur Möglichkeit der Heilung eines Verstoßes gegen § 24 SGB X im Widerspruchsverfahren vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 37/09 R). Der Kläger hat durch die angefochtenen Bescheide Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen erlangt und sich zu diesen im Widerspruchsverfahren auch geäußert.
c. Der Umstand, dass der Aufrechnungsbescheid zwar auf den 11. Februar 2015 datiert ist, tatsächlich jedoch erst am 20. Mai 2015 erlassen wurde, mag Bedeutung für die Frage des rechtmäßigen Beginns einer Aufrechnung haben, was sich hier im Ergebnis allerdings nicht auswirkt, da wegen des Widerspruchs des Klägers eine Aufrechnung jedenfalls zunächst unterblieb und die ursprünglich einbehaltenen Aufrechnungsraten für die Monate März bis Juni 2015 wieder ausgezahlt wurden. Die Rückdatierung führt jedoch nicht dazu, dass die verfügte Aufrechnung insgesamt, also auch für die Zukunft, rechtswidrig wäre.
d. Die Aufrechnung ist materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 42a Abs. 2 SGB II, der bestimmt, dass Rückzahlungsansprüche aus Darlehen für die Dauer des Leistungsbezugs durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt werden. Dies gilt grundsätzlich für alle Darlehen mit Ausnahme der – hier nicht einschlägigen – Konstellation, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts selbst als Darlehen erbracht werden (§ 42a Abs. 2 Satz 4 SGB II).
Nachdem die Frage der Anwendbarkeit des § 42a SGB II auf Mietkautionsdarlehen lange Zeit kontrovers diskutiert worden war, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28. November 2018 (B 14 AS 31/17 R) entschieden, dass § 42a SGB II auch auf Mietkautionsdarlehen Anwendung finde und der Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüberstünden. Auf die Ausführungen in den dortigen Urteilsgründen wird Bezug genommen. Das Urteil bezieht sich zwar explizit auf Darlehen für eine Mietkaution, die Erwägungen des Bundessozialgerichts lassen sich jedoch auf Darlehen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen übertragen, da diese einer Mietkaution vergleichbar sind bzw. keine derartigen strukturellen Unterschiede bestehen, dass sie anders zu behandeln wären. Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im Berufungsverfahren keinen Anlass, von der Entscheidung des Bundessozialgerichts abzuweichen. Fehler bei der Anwendung des § 42a Abs. 2 SGB II auf den konkreten Fall des Klägers oder sonstige Gründe für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sind nicht erkennbar.
Die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 28. November 2018 (aaO, Rn. 35) erwähnte Pflicht des Leistungsträgers, die Aufrechnung unter Kontrolle zu halten, sowie die dort benannten "Korrekturmöglichkeiten" (aaO, Rn. 45 ff.) zur Vermeidung einer zu langen Aufrechnungsdauer bzw. einer zu hohen Belastung infolge der gleichzeitigen Aufrechnung mehrerer Darlehen sind auch im Falle des Klägers zu beachten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich hieraus jedoch nichts ableiten, da eine Aufrechnung – mit Ausnahme der Monate Oktober und November 2015 – bisher wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage noch nicht umgesetzt wurde, es also weder zu einer übermäßig langen noch zu einer über 10 % des Regelsatzes hinausgehenden Kürzung der Auszahlung gekommen ist. Angesichts dessen kann auch der Hilfsantrag des Klägers, die Aufrechnung teilweise zu erlassen bzw. zeitlich zu begrenzen, jedenfalls derzeit keinen Erfolg haben. Insbesondere sind keine Gründe ersichtlich, die derzeit für einen Erlass des Darlehens sprechen würden, besondere Lebensumstände, die eine Einziehung unbillig erscheinen ließen (§ 44 SGB II), sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Es bleibt jedoch Aufgabe des Beklagten, die zeitliche und betragsmäßige Belastung durch eine Aufrechnung – wenn sie denn tatsächlich durchgeführt wird – im Blick zu behalten und ggf. entsprechend zu reagieren. Ebenso bleibt es dem Kläger unbenommen, nach einer gewissen Dauer der Aufrechnung (das Bundessozialgericht zieht in dem genannten Urteil drei Jahre in Erwägung, aaO, Rn. 46) bzw. bei einer relevanten Änderung seiner Lebensumstände deren zeitliche Begrenzung bzw. den Erlass oder Teilerlass der Darlehensrückzahlungsforderung beim Beklagten zu beantragen.
4. Soweit der Kläger mit der Berufung auch die Feststellung beantragt, dass der Abtretungsvertrag nichtig sei, dürfte dies bereits unzulässig sein. Diese Frage war nämlich – zu Recht – nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung. Zwar hatte der Kläger in seiner Klagschrift ausgeführt, er wolle Klage auch gegen den Abtretungsvertrag erheben. In den konkreten Anträgen im erstinstanzlichen Verfahren war eine Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags aber nicht begehrt worden, vielmehr nur dessen Abänderung im Zusammenhang mit den sonstigen Begehren, d.h. der Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe, dem Unterlassen einer Aufrechnung bzw. der Aufhebung der Verzinsung des Darlehens, gefordert worden.
Im Übrigen wären die Berufung bzw. eine Klage insoweit aber auch nicht begründet. Es ist nicht erkennbar, dass der Abtretungsvertrag nichtig oder auch nur rechtswidrig wäre. Der Kläger kann insbesondere nicht geltend machen, er habe den Vertrag nur unter dem Einfluss von Drohungen bzw. Zwang abgeschlossen. Aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten ergibt sich, dass der Kläger selbst mit Schreiben vom 2. Februar 2015 beim Beklagten nach der Erforderlichkeit einer Abtretungserklärung gefragt und um Zusendung gebeten hatte und damit vor jedem diesbezüglichen Tätigwerden des Beklagten bereits seine Bereitschaft zur Abtretung zum Ausdruck gebracht hatte. Ferner ist entgegen der Auffassung des Klägers eine Übersicherung nicht zu befürchten. Der Vertrag bestimmt eindeutig, dass die Abtretung zum Zweck der Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs erfolgt. Bereits daraus ergibt sich, dass die Abtretung nur solange und nur in einer solchen Höhe Bestand haben soll, wie ein Sicherungsbedürfnis besteht.
Auch aus der Bezugnahme auf einen nichtexistierenden Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 ergibt sich keine Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Abtretungsvertrags. Zwar wird ein solcher Bescheid nicht durch den Erlass eines entsprechend rückdatierten Darlehensbescheids im Mai 2015 geschaffen, doch war für beide Vertragspartner aus den Gesamtumständen der Darlehensvergabe und der Abtretungsvereinbarung hinreichend klar erkennbar, welches konkrete Darlehen hier gesichert werden sollte. Eine Falschbezeichnung des Bescheids schadet insoweit nicht.
Weitere Gründe für die Annahme von Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der Abtretungsvereinbarung sind nicht erkennbar.
5. Dem höchst hilfsweise gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht war nicht nachzukommen. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass das Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält (Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, der Senat hält die für seine Entscheidung maßgeblichen Vorschriften aus den oben genannten Gründen nicht für verfassungswidrig.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Wesentlichen darum, ob dem Kläger Leistungen für Genossenschaftsanteile als Darlehen oder als Zuschuss zu gewähren waren und ob der Beklagte zur Aufrechnung des Darlehensrückzahlungsanspruchs gegen den Anspruch auf Regelbedarfsleistungen berechtigt ist.
Der 1982 geborene, erwerbsfähige Kläger bezog und bezieht seit 2014 bis heute ohne Unterbrechung laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Beklagten. Mit Schreiben vom 15. Januar 2015 teilte der Kläger dem Beklagten mit, er habe eine neue Wohnung in der W. in gefunden und beantrage unter anderem ein Darlehen über 2.450,- Euro für den Erwerb der hierfür notwendigen Genossenschaftsanteile. Mit Schreiben vom 19. Januar 2015 sicherte der Beklagte dem Kläger die Gewährung eines Darlehens in beantragter Höhe zu. Der Kläger unterzeichnete am 2. Februar 2015 einen Dauernutzungsvertrag über die Wohnung. Zudem trat der Kläger der B. bei und verpflichtete sich, Geschäftsanteile in Höhe von 2.450,- Euro zu leisten.
Am 13. Februar 2015 unterschrieb der Kläger einen auf den 11. Februar 2015 datierten Abtretungsvertrag mit dem Beklagten. Darin wurde vereinbart, dass der Kläger zur Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs seinen Anspruch auf Rückzahlung der im Fall des Auszugs gekündigten Genossenschaftsanteile gegen die B. an den Beklagten abtrete. Ferner heißt es, der Inhalt des Darlehensbescheides vom 11. Februar 2015 werde zum Inhalt des Vertrages gemacht.
Mit Bescheid vom 19. Februar 2015 bewilligte der Beklagte dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 2.450,- Euro für Genossenschaftsanteile. In den dem Bescheid beigefügten Darlehensbedingungen heißt es, der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens werde ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folge, gegen den Anspruch des Darlehensnehmers auf den Regelbedarf in Höhe von 10 % dieses Bedarfs aufgerechnet. Es werde ein gesonderter Aufrechnungsbescheid erteilt. Das Darlehen werde grundsätzlich zinslos gewährt, nur Verzugszinsen in Höhe von 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz würden berechnet. Werde das Darlehen von dritter Seite verzinst, wie beispielsweise bei Genossenschaftsanteilen und Dividenden, würden Zinsen in Höhe dieses Anspruchs erhoben. Das Darlehen wurde ausweislich einer Kassenanordnung des Beklagten am 19. Februar 2015 ausgezahlt.
Am 17. März 2015 legte der Kläger Widerspruch gegen den Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015 ein. Zur Begründung führte er aus, dass er bisher keinen separaten Aufrechnungsbescheid erhalten habe, der Beklagte jedoch bereits mit der Aufrechnung der Darlehenstilgungsraten begonnen und trotz der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs eine rechtswidrige Verrechnung mit dem Regelsatz in den Monaten März, April und Mai 2015 vorgenommen habe. Der Kläger bat darum, die bislang einbehaltenen Beträge in Höhe von dreimal 39,90 Euro an ihn auszuzahlen. Ferner führte er aus, im Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 werde ein Darlehensbescheid vom selben Tag zum Inhalt des Vertrags erklärt. Es gebe jedoch keinen Darlehensbescheid, der auf diesen Tag datiere. Der Darlehensbescheid sei erst nach Unterzeichnung des Abtretungsvertrags ausgestellt worden, sodass er nicht Gegenstand des Abtretungsvertrages sei. Es sei somit nicht wirksam vereinbart worden, dass eine Rückzahlung des Darlehens eine Auswirkung auf den Abtretungsvertrag habe. Insgesamt sei unklar, welche Auswirkungen die ratenweise Tilgung des Darlehens auf die Abtretungsvereinbarung habe, insbesondere ob die Abtretung in der Höhe auf die jeweilige Restschuld beschränkt sei. Zudem wandte sich der Kläger gegen die Verzinsung des Darlehens in Höhe der Dividenden auf die Genossenschaftsanteile. Das Darlehen sei zinslos zu gewähren. Der Darlehensbescheid lasse offen, auf welcher rechtlichen Grundlage Zinsen erhoben würden.
In seinem Schreiben vom 6. Mai 2015 zur Widerspruchsbegründung beantragte der Kläger zudem die Umwandlung des Darlehens in eine einmalige Beihilfe, hilfsweise den Erlass der Darlehensschuld. Aus einer zehnprozentigen Kürzung des aktuellen Regelsatzes ergebe sich eine Tilgungszeit von mehr als fünf Jahren. Nach der Fachanweisung des Beklagten sei die Gewährung in Form eines Darlehens nur zulässig, wenn die Möglichkeit bestehe, dass sich die wirtschaftlichen Verhältnisse in einem absehbaren Zeitraum verbessern. Andernfalls sei die Leistung als Beihilfe zu gewähren. Dies sei bei ihm nicht der Fall, eine Verbesserung seiner wirtschaftlichen Situation sei nicht in Sicht. Es lägen Vermittlungshemmnisse vor, da er über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und nicht kurzfristig in den Arbeitsmarkt integrierbar sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei lediglich eine vorübergehende monatliche Kürzung der Regelleistung nicht zu beanstanden. Ein Darlehen könne daher nur gewährt werden, wenn die Rückzahlung innerhalb von nicht länger als sechs Monaten möglich sei, andernfalls seien Leistungen als Zuschuss zu erbringen.
Mit Bescheid vom 20. Mai 2015 hob der Beklagte den Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015 auf. Zugleich lehnte er den Antrag des Klägers auf Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe ab. Zur Begründung führte er aus, nach § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II sollten Mietkautionen und Genossenschaftsanteile als Darlehen erbracht werden. Die Gewährung als Beihilfe komme nur in atypischen Ausnahmefällen in Betracht, die dann anzunehmen seien, wenn die Gewährung eines Darlehens den Abbau von Integrationshemmnissen gefährde. Ein solcher Fall liege beim Kläger nicht vor. Seine Integration in den Arbeitsmarkt werde nicht durch das Darlehen erschwert, sondern durch das Fehlen einer abgeschlossenen Berufsausbildung. Auch der hilfsweise beantragte Erlass der Darlehensschuld werde abgelehnt, da eine Unbilligkeit der Einziehung nicht zu erkennen sei.
Gleichzeitig übersandte der Beklagte dem Kläger einen auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid sowie einen ebenfalls auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid, die ausweislich eines Vermerks des Beklagten am 20. Mai 2015 erlassen worden waren. In dem auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid heißt es, es werde ein Darlehen für "die Mietkaution" gewährt, im Übrigen ist er – auch in den beigefügten Darlehensbedingungen – identisch mit dem Darlehensbescheid vom 19. Februar 2015. In dem auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid heißt es: "Gem. § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II werden Rückzahlungsansprüche aus Darlehen ab dem Monat, der auf die Auszahlung des Darlehens folgt, durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfes getilgt, solange Darlehensnehmer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen. Der für Sie maßgebende Regelbedarf beträgt 399,00 EUR. Somit werden ab 01.03.2015 39,90 EUR gegen Ihre laufenden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes aufgerechnet".
Mit Schreiben vom 22. Mai 2015 legte der Kläger gegen die Ablehnung der Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe und gegen die Ablehnung des Erlasses der Darlehensschulden Widerspruch ein. Ferner erhob er mit Schreiben vom 23. Mai 2015 Widerspruch gegen den auf den 11. Februar 2015 datierten Darlehensbescheid und mit Schreiben vom 26. Mai 2015 gegen den auf den 11. Februar 2015 datierten Aufrechnungsbescheid. Er führte aus, die von dem Beklagten durchgeführte Aufrechnung ab März 2015 sei rechtswidrig gewesen. Da der Widerspruch aufschiebende Wirkung habe, müssten die bisher einbehaltenen Tilgungsraten für die Monate März bis Mai 2015 an ihn erstattet werden. Mit Schreiben vom 2. Juni 2015 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die einbehaltenen Tilgungsraten für die Monate März bis Juni 2015 wieder an ihn ausgezahlt würden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8635/15) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Darlehensbescheid vom 11. Mai 2015 zurück. Zur Begründung führte der Beklagte aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Gewährung von Leistungen als Zuschuss. Nach § 22 Abs. 6 SGB II solle die Leistung als Darlehen erbracht werden. Anhaltspunkte für das Vorliegen eines atypischen Falles, bei dessen Vorliegen das Regelermessen hinsichtlich der Art und Weise der Gewährung der Leistungen zum Erwerb der Genossenschaftsanteile eingeschränkt sein könnte, seien nicht ersichtlich. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8637/15) wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 zurück. Nach der Regelung in § 42a SGB II müsse eine Aufrechnung erfolgen, der Beklagte habe insoweit kein Ermessen. Eine Rechtswidrigkeit der Entscheidung sei auch im Übrigen nicht zu erkennen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass durch die Tilgung des Darlehens in Höhe von 10 % des maßgeblichen Regelbedarfes das soziokulturelle Existenzminimum nicht mehr gedeckt wäre. Der Gesetzgeber habe zum Ausdruck gebracht, dass erst bei einer Unterschreitung des Regelbedarfs um 30 % von einer Unterschreitung des soziokulturellen Existenzminimums auszugehen sei. Mit einem dritten Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 (W 8638/15) wurde auch der Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 20. Mai 2015 zurückgewiesen. Nach der Fachanweisung des Beklagten könne ein Darlehen wie das streitgegenständliche nicht in eine Beihilfe umgewandelt werden.
Am 11. September 2015 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Hamburg erhoben, mit der er die Gewährung einer Beihilfe statt eines Darlehens, hilfsweise die Aufhebung der Aufrechnung und der Verzinsung des Darlehens geltend gemacht hat. Konkret hat er folgende Anträge formuliert: • den Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 aufzuheben, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass das Darlehen für die Genossenschaftsanteile in eine Beihilfe umgewandelt wird, hilfsweise, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der darlehensweisen Gewährung zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen keine Aufrechnung vorgenommen wird, • den Bescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den dazugehörigen Abtretungsvertrag dahingehend abzuändern, dass hinsichtlich der Gewährung des Darlehens keine Verzinsung vorgenommen wird, äußerst hilfsweise, • das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Grundgesetz vorzulegen.
Er hat vorgetragen, der Beklagte habe bei der Entscheidung zwischen Darlehen und Zuschuss durchaus Ermessen. Nach § 22 Abs. 6 SGB II solle die Leistung als Darlehen erbracht werden, ein Abweichen in atypischen Fällen sei daher möglich. Der Beklagte habe zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Rückzahlung des Darlehens länger als fünf Jahre dauern würde. Der Darlehensbescheid sei ferner rechtswidrig, soweit darin Zinsen verlangt würden. Der Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 sei vom Kläger nicht aus freiem Willen unterzeichnet worden. Zudem sei durch den Abtretungsvertrag eine Übersicherung eingetreten. Selbst nach vollständiger Rückzahlung der Darlehensschulden behalte der Beklagte den Auszahlungsanspruch der Genossenschaftsanteile. Hinsichtlich der Aufrechnung sei die Vorschrift des § 42a Abs. 2 SGB II verfassungswidrig. Ausgaben für eine Mietkaution seien nicht in die Berechnung des Regelbedarfs einbezogen worden. Es sei verfassungswidrig, die Regelleistung über einen derart langen Zeitraum zu kürzen.
Das Sozialgericht hat am 29. Juli 2019 einen Erörterungstermin durchgeführt. Dort hat der Kläger erklärt, dass der Beklagte im Oktober und November 2015 aufgerechnet haben. Die Dividenden, die die Genossenschaft für die Jahre 2016, 2017 und 2018 gezahlt habe, seien von dem Beklagten einbehalten worden.
Mit Gerichtsbescheid vom 10. Dezember 2019 hat das Sozialgericht den Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 insoweit aufgehoben, als dieser eine Verzinsung des Darlehens bestimmt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Verzinsung eines vom Leistungsträger gewährten Darlehens sei im SGB II nicht vorgesehen. Im Übrigen sei der Darlehensbescheid aber rechtmäßig. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung der Kosten für die Genossenschaftsanteile als Beihilfe. Es liege kein atypischer Fall vor. Auch der Aufrechnungsbescheid sei rechtmäßig. § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II sehe eine Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs zwingend vor. Die Aufrechnung begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, wie auch das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 28. November 2018 (B 14 AS 31/17 R) entschieden habe.
Am 9. Januar 2020 hat der Kläger Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, der Aufrechnungsbescheid sei mangels vorheriger Anhörung bereits formell rechtswidrig.
Der Kläger, der zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 14. August 2020 nicht erschienen ist, beantragt seinem schriftsätzlichen Vorbringen nach sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 10. Dezember 2019 aufzuheben und • den Beklagten unter Aufhebung des Darlehensbescheids vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 zu verpflichten, ihm Leistungen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen als Zuschuss zu gewähren, • den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 aufzuheben sowie • festzustellen, dass der Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 nichtig ist, • hilfsweise, den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 und den Abtretungsvertrag vom 11. Februar 2015 dahingehend abzuändern, dass die Aufrechnung zumindest teilweise erlassen bzw. zeitlich begrenzt wird,
höchst hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG vorzulegen.
Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Gerichtsbescheid.
Nach Anhörung der Beteiligten hat der Senat mit Beschluss vom 16. März 2020 die Berufung nach § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin zur Entscheidung mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen.
Mit Schreiben vom 11. August 2020 hat der Kläger mitgeteilt, er erweitere seine Klage um folgende Anträge (wörtlich): • Der Berufungsbeklagte wird mit 14-tägiger Zahlungsfrist auf Auszahlung der vorgenommenen Aufrechnungen für die Monate Oktober 2015 und November 2015 in Höhe von jeweils EUR 39,90 zzgl. Verzugszinsen verurteilt. • Der Berufungsbeklagte wird mit 14-tätiger Zahlungsfrist auf Auszahlung der einbehaltenen Dividenden der Jahre 2016 und 2017 in Höhe von jeweils EUR 98,00 zzgl. Verzugszinsen verurteilt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
I. Nach § 153 Abs. 5 SGG entscheidet der Senat durch die Berichterstatterin und die ehrenamtlichen Richter. Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl der Kläger zu dem Verhandlungstermin am 20. August 2020 nicht erschienen war. Der Kläger war zu dem Termin mit Schreiben vom 3. Juli 2020, zugestellt am 8. Juli 2020, geladen und darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.
II. Die Berufung ist teilweise bereits unzulässig, im Übrigen unbegründet.
1. Hinsichtlich der erstmals mit Schreiben vom 11. August 2020 formulierten Anträge des Klägers ist die Berufung bereits unzulässig. Die Berufung dient als Rechtsmittel der Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung. Soweit der Kläger die Auszahlung der einbehaltenen Dividenden der Jahre 2016 und 2017 begehrt, greift er nicht den erstinstanzlichen Gerichtsbescheid an, sondern begehrt vielmehr dessen Umsetzung. Hierfür ist eine Berufung nicht der richtige Weg. Sollte der Beklagte entgegen seiner Ankündigung im Schriftsatz vom 28. Juli 2020 die Dividenden noch immer nicht ausgezahlt haben, so wäre dies zunächst gegenüber dem Beklagten geltend zu machen bzw. mit Hilfe von Vollstreckungsmaßnahmen durchzusetzen. Soweit der Kläger die Auszahlung der in den Monaten Oktober und November 2015 im Wege der Aufrechnung einbehaltenen Beträge begehrt, kann dies ebenfalls nicht im Rahmen der Berufung geltend gemacht werden, da dieses Begehren nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war. Hier müsste vielmehr zunächst eine Leistungsklage beim Sozialgericht erhoben werden. Bereits in der mündlichen Verhandlung am 20. August 2020 hat der Senat diesbezüglich allerdings darauf hingewiesen, dass der Einbehalt im Wege der Aufrechnung wegen des aufschiebenden Widerspruchs der am 11. September 2015 erhobenen Klage rechtswidrig gewesen sein dürfte. Insofern täte der Beklagte gut daran, zur Vermeidung eines weiteren Rechtsstreits die Auszahlung zu veranlassen.
2. Soweit der Kläger sich dagegen wendet, dass ihm Leistungen für die Genossenschaftsanteile als Darlehen und nicht als Zuschuss gewährt wurden, ist die Berufung zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage insoweit abgewiesen. Der Darlehensbescheid ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Dass der erkennbar erst am 20. Mai 2015 erlassene Darlehensbescheid vom Beklagten auf den 11. Februar 2015 rückdatiert wurde, mag befremdlich erscheinen, führt jedoch als solches nicht zur Rechtswidrigkeit der in dem Bescheid getroffenen inhaltlichen Regelungen. Ein Verwaltungsakt wird gem. § 39 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit seiner Bekanntgabe wirksam, unabhängig davon, welches Datum er ausweist. Allerdings waren die Leistungen bereits am 19. Februar 2015 ausgezahlt worden, wobei allen Beteiligten aufgrund der vorherigen Gespräche, des Abtretungsvertrags und des später wieder aufgehobenen Darlehensbescheids vom 19. Februar 2015 klar war, dass es sich hierbei um ein Darlehen handelte. Damit war die Darlehensgewährung als solche bereits am 19. Februar 2015 erfolgt. Für die hier streitgegenständliche Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf die Gewährung einer Beihilfe hatte oder aber die Leistungen zu Recht lediglich als Darlehen gewährt worden waren, spielt der Zeitpunkt des Erlasses des förmlichen Darlehensbescheids keine Rolle.
Wie das Sozialgericht, so vermag auch der Senat nicht zu erkennen, dass der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen für die Genossenschaftsanteile als Zuschuss statt als Darlehen hatte. § 22 Abs. 6 Satz 3 SGB II in der zum Zeitpunkt der Leistungsgewährung geltenden Fassung lautete: "Eine Mietkaution soll als Darlehen erbracht werden". Genossenschaftsanteile waren damals zwar noch nicht ausdrücklich erwähnt (sie werden erst mit der ab 1.8.2016 geltenden Fassung vom 26.7.2016 in § 22 Abs. 6 SGB II explizit genannt), doch war die Vorschrift auf sie analog anwendbar. Der Gesetzeswortlaut sieht damit eindeutig eine darlehensweise Gewährung als Regelfall vor. Ein Ermessen des Leistungsträgers hinsichtlich der Form der Leistungsgewährung und damit die Möglichkeit eines Zuschusses besteht nur dann, wenn ein atypischer Fall vorliegt. Dabei ist ein atypischer Fall dann anzunehmen, wenn sich die Situation des Betroffenen deutlich von derjenigen anderer Leistungsberechtigter unterscheidet und es deshalb nicht gerechtfertigt erscheint, ihn mit den typischen Folgen eines Darlehens zu belasten. Dass hier ein atypischer Fall in diesem Sinne vorliegt, ist nicht erkennbar. Besondere Umstände der konkreten Lebenssituation des Klägers, die dazu führen würden, dass er von einer monatlichen Leistungskürzung um 10 % des Regelbedarfs deutlich stärker getroffen wäre als andere Leistungsbezieher, sind weder vorgetragen worden noch erkennbar. Das Nichtvorhandensein eigener Mittel ist bereits Voraussetzung für einen Anspruch auf Leistungen für Genossenschaftsanteile und damit der typische Fall, vermag also die Annahme eines atypischen Einzelfalls nicht zu begründen. Auch das Fehlen einer abgeschlossenen Ausbildung und die dadurch bedingten Schwierigkeiten bei der Vermittlung in eine Erwerbstätigkeit sind keine atypische Situation für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die darlehensweise Gewährung von Leistungen für Genossenschaftsanteile hat der Senat nicht. Ein Darlehen ist sachgerecht, weil die Genossenschaftsanteile in das (nicht verwertbare) Vermögen der leistungsberechtigten Person übergehen und die steuerfinanzierten Mittel der Grundsicherung nicht der Vermögensbildung dienen sollen.
3. Auch mit dem Begehren, den Aufrechnungsbescheid vom 11. Februar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2015 aufzuheben bzw. abzuändern, ist die Berufung zulässig, jedoch nicht begründet. Der Beklagte ist zur Aufrechnung berechtigt.
a. Der Aufrechnungsbescheid hat sich nicht durch Zeitablauf erledigt. Es handelt sich um einen Grundlagenverwaltungsakt, mit dem die Aufrechnung nicht nur für den bei seinem Erlass laufenden Bewilligungszeitraum, sondern darüber hinaus für die Dauer des Leistungsbezugs erklärt wurde (vgl. zur Aufrechnung durch Grundlagenverwaltungsakt Bundessozialgericht, Urteil vom 28.11.2018 – B 14 AS 31/17 R, Rn 33 ff.). Der Aufrechnungsbescheid nimmt ausdrücklich Bezug auf die Regelung des § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II und führt aus, dass das Darlehen für die Dauer des Leistungsbezugs durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfes getilgt wird. Der Kläger steht seit dem Erlass des Bescheids durchgehend im Leistungsbezug.
b. Fehlerhaft war der Aufrechnungsbescheid insoweit, als dass die vor seinem Erlass nach § 24 SGB X erforderliche Anhörung hier zunächst nicht durchgeführt worden war. Dieser Verfahrensfehler ist jedoch durch Nachholung der Anhörung im Widerspruchsverfahren geheilt worden, § 41 Abs. 1 Nr. 3 SGB X (zur Möglichkeit der Heilung eines Verstoßes gegen § 24 SGB X im Widerspruchsverfahren vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 37/09 R). Der Kläger hat durch die angefochtenen Bescheide Kenntnis von allen entscheidungserheblichen Tatsachen erlangt und sich zu diesen im Widerspruchsverfahren auch geäußert.
c. Der Umstand, dass der Aufrechnungsbescheid zwar auf den 11. Februar 2015 datiert ist, tatsächlich jedoch erst am 20. Mai 2015 erlassen wurde, mag Bedeutung für die Frage des rechtmäßigen Beginns einer Aufrechnung haben, was sich hier im Ergebnis allerdings nicht auswirkt, da wegen des Widerspruchs des Klägers eine Aufrechnung jedenfalls zunächst unterblieb und die ursprünglich einbehaltenen Aufrechnungsraten für die Monate März bis Juni 2015 wieder ausgezahlt wurden. Die Rückdatierung führt jedoch nicht dazu, dass die verfügte Aufrechnung insgesamt, also auch für die Zukunft, rechtswidrig wäre.
d. Die Aufrechnung ist materiell rechtmäßig. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 42a Abs. 2 SGB II, der bestimmt, dass Rückzahlungsansprüche aus Darlehen für die Dauer des Leistungsbezugs durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des maßgebenden Regelbedarfs getilgt werden. Dies gilt grundsätzlich für alle Darlehen mit Ausnahme der – hier nicht einschlägigen – Konstellation, dass die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts selbst als Darlehen erbracht werden (§ 42a Abs. 2 Satz 4 SGB II).
Nachdem die Frage der Anwendbarkeit des § 42a SGB II auf Mietkautionsdarlehen lange Zeit kontrovers diskutiert worden war, hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 28. November 2018 (B 14 AS 31/17 R) entschieden, dass § 42a SGB II auch auf Mietkautionsdarlehen Anwendung finde und der Aufrechnung zur Tilgung von Mietkautionsdarlehen keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüberstünden. Auf die Ausführungen in den dortigen Urteilsgründen wird Bezug genommen. Das Urteil bezieht sich zwar explizit auf Darlehen für eine Mietkaution, die Erwägungen des Bundessozialgerichts lassen sich jedoch auf Darlehen für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen übertragen, da diese einer Mietkaution vergleichbar sind bzw. keine derartigen strukturellen Unterschiede bestehen, dass sie anders zu behandeln wären. Der Senat sieht auch unter Berücksichtigung des klägerischen Vorbringens im Berufungsverfahren keinen Anlass, von der Entscheidung des Bundessozialgerichts abzuweichen. Fehler bei der Anwendung des § 42a Abs. 2 SGB II auf den konkreten Fall des Klägers oder sonstige Gründe für die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids sind nicht erkennbar.
Die vom Bundessozialgericht im Urteil vom 28. November 2018 (aaO, Rn. 35) erwähnte Pflicht des Leistungsträgers, die Aufrechnung unter Kontrolle zu halten, sowie die dort benannten "Korrekturmöglichkeiten" (aaO, Rn. 45 ff.) zur Vermeidung einer zu langen Aufrechnungsdauer bzw. einer zu hohen Belastung infolge der gleichzeitigen Aufrechnung mehrerer Darlehen sind auch im Falle des Klägers zu beachten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt sich hieraus jedoch nichts ableiten, da eine Aufrechnung – mit Ausnahme der Monate Oktober und November 2015 – bisher wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Klage noch nicht umgesetzt wurde, es also weder zu einer übermäßig langen noch zu einer über 10 % des Regelsatzes hinausgehenden Kürzung der Auszahlung gekommen ist. Angesichts dessen kann auch der Hilfsantrag des Klägers, die Aufrechnung teilweise zu erlassen bzw. zeitlich zu begrenzen, jedenfalls derzeit keinen Erfolg haben. Insbesondere sind keine Gründe ersichtlich, die derzeit für einen Erlass des Darlehens sprechen würden, besondere Lebensumstände, die eine Einziehung unbillig erscheinen ließen (§ 44 SGB II), sind weder vorgetragen noch erkennbar.
Es bleibt jedoch Aufgabe des Beklagten, die zeitliche und betragsmäßige Belastung durch eine Aufrechnung – wenn sie denn tatsächlich durchgeführt wird – im Blick zu behalten und ggf. entsprechend zu reagieren. Ebenso bleibt es dem Kläger unbenommen, nach einer gewissen Dauer der Aufrechnung (das Bundessozialgericht zieht in dem genannten Urteil drei Jahre in Erwägung, aaO, Rn. 46) bzw. bei einer relevanten Änderung seiner Lebensumstände deren zeitliche Begrenzung bzw. den Erlass oder Teilerlass der Darlehensrückzahlungsforderung beim Beklagten zu beantragen.
4. Soweit der Kläger mit der Berufung auch die Feststellung beantragt, dass der Abtretungsvertrag nichtig sei, dürfte dies bereits unzulässig sein. Diese Frage war nämlich – zu Recht – nicht Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung. Zwar hatte der Kläger in seiner Klagschrift ausgeführt, er wolle Klage auch gegen den Abtretungsvertrag erheben. In den konkreten Anträgen im erstinstanzlichen Verfahren war eine Feststellung der Nichtigkeit des Vertrags aber nicht begehrt worden, vielmehr nur dessen Abänderung im Zusammenhang mit den sonstigen Begehren, d.h. der Umwandlung des Darlehens in eine Beihilfe, dem Unterlassen einer Aufrechnung bzw. der Aufhebung der Verzinsung des Darlehens, gefordert worden.
Im Übrigen wären die Berufung bzw. eine Klage insoweit aber auch nicht begründet. Es ist nicht erkennbar, dass der Abtretungsvertrag nichtig oder auch nur rechtswidrig wäre. Der Kläger kann insbesondere nicht geltend machen, er habe den Vertrag nur unter dem Einfluss von Drohungen bzw. Zwang abgeschlossen. Aus dem Verwaltungsvorgang des Beklagten ergibt sich, dass der Kläger selbst mit Schreiben vom 2. Februar 2015 beim Beklagten nach der Erforderlichkeit einer Abtretungserklärung gefragt und um Zusendung gebeten hatte und damit vor jedem diesbezüglichen Tätigwerden des Beklagten bereits seine Bereitschaft zur Abtretung zum Ausdruck gebracht hatte. Ferner ist entgegen der Auffassung des Klägers eine Übersicherung nicht zu befürchten. Der Vertrag bestimmt eindeutig, dass die Abtretung zum Zweck der Sicherung des Darlehensrückzahlungsanspruchs erfolgt. Bereits daraus ergibt sich, dass die Abtretung nur solange und nur in einer solchen Höhe Bestand haben soll, wie ein Sicherungsbedürfnis besteht.
Auch aus der Bezugnahme auf einen nichtexistierenden Darlehensbescheid vom 11. Februar 2015 ergibt sich keine Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit des Abtretungsvertrags. Zwar wird ein solcher Bescheid nicht durch den Erlass eines entsprechend rückdatierten Darlehensbescheids im Mai 2015 geschaffen, doch war für beide Vertragspartner aus den Gesamtumständen der Darlehensvergabe und der Abtretungsvereinbarung hinreichend klar erkennbar, welches konkrete Darlehen hier gesichert werden sollte. Eine Falschbezeichnung des Bescheids schadet insoweit nicht.
Weitere Gründe für die Annahme von Nichtigkeit oder Rechtswidrigkeit der Abtretungsvereinbarung sind nicht erkennbar.
5. Dem höchst hilfsweise gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens und Vorlage an das Bundesverfassungsgericht war nicht nachzukommen. Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass das Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält (Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, der Senat hält die für seine Entscheidung maßgeblichen Vorschriften aus den oben genannten Gründen nicht für verfassungswidrig.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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