B 6 KA 76/04 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KA 620/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 4316/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 76/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Wandeln Ärzte ihre berufliche Kooperation von einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft um, müssen sie diesen Wechsel der Rechtsform auch gegenüber den Patienten eindeutig zum Ausdruck bringen.
2. Führen zwei Vertragsärzte nach außen eine Praxisgemeinschaft, behandeln aber die Patienten wie Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis, steht ihnen nicht mehr Honorar zu, als wenn sie in einer Gemeinschaftspraxis tätig geworden wären.
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Juni 2004 wird zurückgewiesen. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten auch für das Revisionsverfahren zu erstatten.

Gründe:

I

Umstritten sind sachlich-rechnerische Richtigstellungen und eine damit verbundene Honorarrückforderung.

Der Kläger ist im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV), die Rechtsnachfolgerin der KÄV Südwürttemberg ist, als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. In der Zeit vom 1. Februar 1993 bis zum 31. Dezember 1995 betrieb er mit einem weiteren Facharzt für Allgemeinmedizin, Dr. U., eine Gemeinschaftspraxis. Nachdem sie die Gemeinschaftspraxis für beendet erklärt hatten, arbeiteten der Kläger und Dr. U. ab Januar 1996 - unter im Wesentlichen unveränderten äußeren Bedingungen - als "Praxisgemeinschaft" weiter. Sie behandelten in den betroffenen Quartalen I/1996 bis IV/1998 zahlreiche Patienten beide hausärztlich. Die Quote dieser sog Doppelbehandlungsfälle belief sich im Durchschnitt dieser Quartale auf 58 % aller Patienten; sowohl der Kläger als auch Dr. U. rechneten in diesen Fällen die Ordinationsgebühr (Nr 1 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) in der ab dem 1. Januar 1996 geltenden Fassung) ab.

Der zuständige Prüfungsausschuss strich bei den Honoraranforderungen des Klägers für die Quartale I/1996 bis II/1997 den Ansatz der Nr 1 EBM-Ä in den Fällen der Doppelbehandlung durch den Kläger und Dr. U., sofern das Schwergewicht der Behandlung bei Dr. U. gelegen hatte. Der Beschwerdeausschuss setzte im Widerspruchsverfahren das Verfahren der Wirtschaftlichkeitsprüfung teilweise aus. Er sah eine vorrangige Zuständigkeit der KÄV zur Vornahme von Honorarberichtigungen. Er erstreckte später die Aussetzung auf die Quartale III/1997 bis IV/1998.

Die KÄV Südwürttemberg berichtigte daraufhin mit dem streitigen Bescheid die Honorarabrechnungen des Klägers für die Quartale I/1996 bis IV/1998. In den Quartalen I/1996 bis II/1997 strich sie die Leistung nach Nr 1 EBM-Ä immer dann, wenn auch Dr. U. diese Position im jeweiligen Quartal für denselben Patienten abgerechnet und diesen nach dem Inhalt der Abrechnungsscheine überwiegend behandelt hatte. Betroffen waren bei dem Kläger zwischen 256 und 330 Ansätze der Nr 1 EBM-Ä (insgesamt 597.705 Punkte). In den Quartalen III/1997 bis IV/1998 verzichtete die KÄV auf eine Berichtigung bei der Abrechnung der Ordinationsgebühr, weil die Überschreitungen des Praxisbudgets höher waren als die potenziell gerechtfertigten Kürzungen. Sie verminderte außerdem für alle streitbefangenen Quartale die Hausarztpauschale um 30 % (25.835,22 DM = 13.209,34 EUR) und forderte das insgesamt überzahlte Honorar zurück. Zur Begründung führte die KÄV ua aus, der Kläger und Dr. U. hätten ab dem Quartal I/1996 bei der hausärztlichen Behandlung von Patienten de facto die frühere Gemeinschaftspraxis fortgesetzt. Auf Grund der Umfirmierung zur Praxisgemeinschaft sei es in zahlreichen Fällen zu Doppeleinlesungen der Chipkarten der Patienten gekommen. Das habe zu Doppelberechnungen der Ordinationsgebühr, zur doppelten Berechnung der Hausarztpauschale, zur Besserstellung bei der Berechnung der Budgets und zu günstigeren statistischen Werten bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung geführt. Das Honorar der Praxisgemeinschaft habe sich im Vergleich zum durchschnittlichen Honorar der früheren Gemeinschaftspraxis in den Vorquartalen in den Quartalen I bis IV/1996 um 89, 62, 46 und 42 % erhöht, die Fallzahlen seien in diesen Quartalen im Vergleich zu den Vorquartalen um 70, 51, 62 und 55 % angestiegen (Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2000).

Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Richtigstellungs- und Rückforderungsbescheide als rechtmäßig beurteilt. Die KÄV Südwürttemberg habe die Ordinationsgebühr im vorgenommenen Umfang streichen und die hausärztliche Grundvergütung um 30 % kürzen dürfen. Gebührentatbestände, deren Voraussetzungen nur deshalb vorlägen, weil zuvor zumindest grob fahrlässig ein Pflichtverstoß begangen worden sei, könnten unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht als erfüllt betrachtet werden. Aus dem Gesamtzusammenhang der Regelungen über die Wahl eines Hausarztes durch den Patienten ergebe sich ein Regel-Ausnahme-Verhältnis in dem Sinne, dass ein Versicherter den gewählten Hausarzt innerhalb eines Quartals nur in Ausnahmefällen wechseln solle. Weil nach Beendigung der Gemeinschaftspraxis weder eine räumliche Trennung noch eine andere Zuordnung des Praxispersonals erfolgt sei, habe der Kläger darauf achten müssen, dass die Versicherten nicht beide Ärzte der Praxisgemeinschaft innerhalb eines Quartals als Hausärzte in Anspruch nähmen. Für die Versicherten, denen in der Regel der Unterschied zwischen einer Gemeinschaftspraxis und einer Praxisgemeinschaft nicht bekannt sei, sei eine Änderung der rechtlichen Verhältnisse nicht erkennbar gewesen. Auf die unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkte der Praxisgemeinschaftspartner könne sich der Kläger nicht berufen, weil eine Spezialisierung innerhalb eines Behandlungsspektrums dem Wesen hausärztlicher Tätigkeit widerspreche. Die ohne Darlegung nachvollziehbarer Gründe erfolgte Umwandlung der Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft, die intern nach wie vor als Gemeinschaftspraxis betrieben worden sei, und die Zahl der Doppeleinlesungen der Krankenversichertenkarte und Doppelbehandlungen bei beiden Praxisgemeinschaftspartnern legten es nahe, dass sich der Kläger und Dr. U. die Patienten systematisch zugeschanzt hätten. An der Rechtsmissbräuchlichkeit des Vorgehens in zumindest 30 % der Behandlungsfälle bestehe kein Zweifel (Urteil vom 9. Juni 2004).

Mit seiner Revision rügt der Kläger eine Verletzung der § 45 Abs 2 Satz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Abs 4 Satz 1 und 2 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä), des § 76 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sowie des Art 12 Grundgesetz. Die Berichtigungsbescheide beruhten auf Mutmaßungen und Unterstellungen. Pflichtverletzungen seien ihm - dem Kläger - in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren nicht nachgewiesen worden. Es sei willkürlich, seinen Honoraranspruch im Wege einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung auf der Grundlage eines unterstellten Verstoßes gegen ärztliche Hinweispflichten zu kürzen, sobald ein gewisser Prozentsatz der Patienten auf Grund eigener Entscheidung innerhalb eines Quartals oder auch an einem Tag beide Ärzte der Praxisgemeinschaft konsultiert habe. Das gelte auch dann, wenn die Praxis vormals als Gemeinschaftspraxis geführt worden sei. Ein Allgemeinarzt sei weder verpflichtet, den Patienten vorab über Inhalt und Umfang der hausärztlichen Versorgung zu unterrichten, noch diesen anzuhalten, den Hausarzt nur aus wichtigem Grund zu wechseln. Die insoweit einschlägige Regelung des § 76 Abs 3 SGB V sei allein an den Versicherten gerichtet und beschreibe keine vertragsärztlichen Pflichten. Zudem sei die sog Doppelinanspruchnahme dann unbedenklich, wenn es sich bei den in Praxisgemeinschaft tätigen (Haus-)Ärzten - wie hier - um solche mit unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkten handele. Im streitigen Zeitraum habe die Möglichkeit einer Überweisung von Patienten innerhalb von Praxisgemeinschaften noch nicht bestanden. Es sei schließlich willkürlich, die Höhe des Kürzungsbetrages aus den angeblich zu Unrecht angesetzten Gebührennummern zu ermitteln und diesen unter Außerachtlassung der Praxisbesonderheiten ohne konkrete Fallüberprüfungen, Patientenbefragungen etc zu schätzen.

Der Kläger beantragt, die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 9. Juni 2004 und des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Juli 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. November 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Februar 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidungen der Vorinstanzen für zutreffend. Soweit der Kläger als Hausarzt die Behandlung eines Patienten durch einen Orthopäden für angezeigt gehalten habe, weil er selbst eine ausreichende Behandlung nicht mehr habe leisten können, hätte er eine Überweisung veranlassen müssen. Bereits aus dem Wortlaut des § 76 Abs 3 SGB V ergebe sich die gesetzgeberische Intention, dass Patienten den Arzt innerhalb eines Quartals nur aus wichtigem Grund wechseln sollten. Ziel der Regelung sei - neben der besseren Koordination der ärztlichen Behandlung durch einen Arzt -, die Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Versorgung zu gewährleisten. Die Vorschrift enthalte ein gesetzliches Leitbild, an dessen Verwirklichung der Vertragsarzt mitwirken müsse und dem er zumindest nicht zuwider handeln dürfe. Insbesondere nach einer für die Patienten nicht erkennbaren Umwandlung einer Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft müsse den Patienten deutlich gemacht werden, dass sie sich zu Beginn des Quartals für die Behandlung bei einem Arzt entscheiden müssten, und die Konsultation des anderen auf eng begrenzte Ausnahmen beschränkt sei. Die hohe Quote von Doppelinanspruchnahmen lasse ebenso wie der Umstand, dass bis zu 14 % der Patienten beide Ärzte sogar am selben Tag aufgesucht hätten, die missbräuchliche Gestaltung der Praxisgemeinschaft durch den Kläger und durch Dr. U. hinreichend deutlich erkennen.

II

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der Kläger hat im Umfang der von der KÄV Südwürttemberg vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen keinen Anspruch auf Gewährung der Ordinationsgebühr bzw der hausärztlichen Grundvergütung.

Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides sind hinsichtlich der Richtigstellung der Honorarabrechnung die Regelungen in § 45 Abs 2 Satz 1 BMV-Ä in der seit 1. Januar 1995 geltenden und § 34 Abs 4 Satz 2 EKV-Ä in der seit 1. Juli 1994 geltenden Fassung, die auf der Grundlage von § 83 Abs 3 SGB V (idF des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2477) vereinbart, dann auf der Grundlage des § 83 Abs 1 SGB V (idF des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) vom 21. Dezember 1992, BGBl I 2266) geändert wurden. Nach den genannten - im Primär- und Ersatzkassenbereich im Wesentlichen gleich lautenden und für die hier betroffenen Abrechnungen maßgeblichen - bundesmantelvertraglichen Vorschriften hat die KÄV die Befugnis, die von den Vertragsärzten eingereichten Abrechnungen rechnerisch und gebührenordnungsmäßig zu prüfen und nötigenfalls richtig zu stellen, was auch im Wege nachgehender Richtigstellung erfolgen kann. Dabei kann das Richtigstellungsverfahren von Amts wegen oder auf Antrag einer Krankenkasse durchgeführt werden (vgl BSGE 89, 90, 93 f = SozR 3-2500 § 82 Nr 3 S 6). Die Befugnis zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Honoraranforderung auf bundesmantelvertraglicher Rechtsgrundlage besteht nicht nur im Falle rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Fehler, sondern erfasst auch Fallgestaltungen, in denen der Vertragsarzt Leistungen unter Verstoß gegen Vorschriften über formale oder inhaltliche Voraussetzungen der Leistungserbringung durchgeführt und abgerechnet hat (vgl zum Ganzen zuletzt Urteil des Senats vom 8. September 2004 - BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 7, 14, mwN - und Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 14/04 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). Dementsprechend hat das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Rechtsprechung das Rechtsinstitut sachlich-rechnerischer Richtigstellung zB bei Abrechnung fachfremder Leistungen oder qualitativ mangelhafter Leistungen durchgreifen lassen, aber auch bei Leistungen nicht genehmigter Assistenten sowie bei der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs mit Hilfe eines Assistenten und ferner bei Operationsleistungen, die zwar zunächst ambulant-vertragsärztlichen Charakter hatten, dann aber auf Grund einer sich anschließenden Aufnahme in eine sog Tagesklinik der stationären Versorgung zuzurechnen waren (zu den verschiedenen Fallgestaltungen s zB BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 und SozR 4-5533 Nr 273 Nr 1; BSGE 84, 247 = SozR 3-2500 § 135 Nr 11; BSGE 93, 170 = SozR 4-2500 § 95 Nr 8; BSG USK 94165; BSG SozR 3-5525 § 32 Nr 1; BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 10 ff; Urteil vom 28. September 2005 - B 6 KA 14/04 R - zur Veröffentlichung in SozR 4 vorgesehen). In solchen Fällen ist auch kein Raum für einen Vergütungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (vgl BSG SozR 4-2500 § 39 Nr 3 RdNr 14; BSGE 94, 213 RdNr 26 = SozR 4-5570 § 30 Nr 1 RdNr 23). Für die Rückforderung überzahlten Honorars ist Rechtsgrundlage § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Eine nach den Bestimmungen zur sachlich-rechnerischen Richtigstellung rechtmäßige (Teil-)Aufhebung des Honorarbescheides mit Wirkung für die Vergangenheit löst nach § 50 Abs 1 Satz 1 SGB X eine entsprechende Rückzahlungsverpflichtung des Empfängers der Leistung aus (s zuletzt: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - B 6 KA 17/05 R - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen).

Die Beklagte hat die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen zu Recht darauf gestützt, dass sich der Kläger wegen der praktizierten Form der Kooperation mit Dr. U. durch pflichtwidriges Verhalten bei der Ausgestaltung der beruflichen Zusammenarbeit und bei der Erfüllung des spezifischen hausärztlichen Versorgungsauftrags vertragsärztliches Honorar verschafft hat, das er nicht hätte erzielen können, wenn die Zusammenarbeit korrekt durchgeführt worden wäre. Diesen auf pflichtwidriger Verhaltensweise beruhenden Honoraranteil darf die KÄV sachlich-rechnerisch berichtigen und insoweit bereits ausgezahltes Honorar zurückfordern. Sie ist nicht darauf beschränkt, den Pflichtverstoß disziplinarisch zu ahnden (§ 81 Abs 5 Satz 1 SGB V) und/oder - bei Fortsetzung der Pflichtwidrigkeit trotz eindeutiger Belehrung - auf die Entziehung der Zulassung (§ 95 Abs 6 SGB V) hinzuwirken.

Der Kläger hat dadurch gegen vertragsarztrechtliche Pflichten verstoßen, dass er auch nach Umwandlung der zusammen mit Dr. U. zwischen 1993 und 1995 geführten hausärztlichen Gemeinschaftspraxis in eine Praxisgemeinschaft zum 1. Januar 1996 seine Praxis so fortgeführt hat, als ob er noch in einer Gemeinschaftspraxis mit Dr. U. tätig gewesen sei.

Für die berufliche Kooperation im Status der Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ist kennzeichnend, dass sich mehrere Ärzte des gleichen Fachgebietes oder ähnlicher Fachgebiete zur gemeinsamen und gemeinschaftlichen Ausübung des ärztlichen Berufs in einer Praxis zusammenschließen, wobei - über die gemeinsame Nutzung der Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Personal hinaus - die gemeinschaftliche Behandlung von Patienten und die gemeinschaftliche Karteiführung und Abrechnung in den Vordergrund treten (vgl BSGE 91, 164 RdNr 19 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18; SozR 3-2500 § 85 Nr 47 S 398; BSGE 55, 97, 104 = SozR 5520 § 33 Nr 1 S 8). Einen Schwerpunkt bildet die Zusammenarbeit zur gemeinsamen Einnahmenerzielung (vgl Cramer, MedR 2004, S 552, 554). Für die Annahme einer gemeinschaftlichen Berufsausübung im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis ist neben einer Beteiligung der Partner an den Investitionen und Kosten der Praxis grundsätzlich auch eine Beteiligung am immateriellen Wert der Praxis (dem sog "Goodwill") erforderlich, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Einzelfall unterschiedlich sein kann (vgl hierzu Engelmann in: von Wulffen/Krasney (Hrsg), Festschrift 50 Jahre BSG, 2004, S 429, 454 f mwN). Diese Form der Zusammenarbeit bedarf vorheriger Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs 2 Satz 2 Ärzte-ZV).

Der Kläger und Dr. U. haben ihre berufliche Zusammenarbeit in dem besonderen öffentlich-rechtlichen Status der Gemeinschaftspraxis Ende 1995 beendet. Seit dem 1. Januar 1996 sind sie nach außen jeweils in einer Einzelpraxis tätig und arbeiten in einer "Praxisgemeinschaft" zusammen. Bei der Praxisgemeinschaft handelt es sich um eine Organisationsgemeinschaft, die nicht der gemeinsamen, in der Regel jederzeit austauschbaren ärztlichen Behandlung an gemeinsamen Patienten dient (H.-J. Rieger in: Rieger (Hrsg), Lexikon des Arztrechts, 2. Aufl, Stand: Dezember 2002, Nr 4270 RdNr 1). Mit ihr wird vielmehr die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte mit dem vorrangigen Zweck, bestimmte Kosten zur besseren Ausnutzung der persönlichen und sachlichen Mittel auf mehrere Ärzte umzulegen (Engelmann, aaO, S 431 f; zur steuerrechtlichen Behandlung s BFH, Urteil vom 14. April 2005 - XI R 82/03 - NJW 2006, 111, 112; vgl auch Cramer, aaO, S 554). Es verbleibt bei der selbstständigen Praxisführung mit verschiedenem Patientenstamm und jeweils eigener Patientenkartei (Ratzel in: Ratzel/Lippert, Kommentar zur Musterberufsordnung der Deutschen Ärzte, 4. Aufl 2006, §§ 18, 18a, RdNr 9; Engelmann, aaO, S 432).

Diesen für die Außenrechtsbeziehungen der beteiligten Vertragsärzte - einerseits gegenüber dem Patienten, andererseits gegenüber KÄV und Krankenkassen - zentralen Statuswechsel von der Gemeinschaftspraxis zu zwei in einer Praxisgemeinschaft kooperierenden Einzelpraxen haben der Kläger und Dr. U. bei der Gestaltung der Organisation von Praxis und Behandlungsabläufen nicht umgesetzt. Nach den für den Senat bindenden (§ 163 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Feststellungen des LSG haben beide Ärzte ausdrücklich im Januar 1997 gegenüber dem Prüfungsausschuss erklärt, wegen der gegenüber der Gemeinschaftspraxis in der Vergangenheit (gemeint: bis 1995) festgesetzten Kürzungen hätten sie sich gezwungen gesehen, die Gemeinschaftspraxis aufzulösen und in Form einer Praxisgemeinschaft weiterzuführen; an der Praxisführung habe sich damit jedoch nichts Wesentliches geändert. In dieser - trotz des Wechsels des beruflichen Status von der Gemeinschaftspraxis zur Praxisgemeinschaft - faktischen Fortführung der Gemeinschaftspraxis liegt ein Verstoß gegen vertragsärztliche Pflichten von erheblichem Gewicht. Denn die faktische Fortführung einer gemeinsamen Behandlung des bisherigen Patientenstammes durch beide Ärzte in rechtlich getrennten Praxen hat eine deutliche Vermehrung der Fallzahlen beider Ärzte sowie der abrechenbaren Leistungen zur Folge, ohne dass sich an der Behandlung der Patienten etwas geändert hätte.

Die mit dieser Vorgehensweise verbundenen künstlich produzierten Honorarzuwächse stehen dem Kläger und Dr. U. nicht zu. Sowohl die Ordinationsgebühr (Nr 1 EBM-Ä) als auch die hausärztliche Grundvergütung (Kapitel B I. Nr 1 EBM-Ä) können für einen Behandlungsfall in einem Quartal grundsätzlich nur einmal abgerechnet werden. Dabei ist der Behandlungsfall entsprechend der Definition in § 21 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä bzw - sachlich gleich lautend - in § 25 Abs 1 Satz 1 EKV-Ä die gesamte von demselben Vertragsarzt innerhalb desselben Kalendervierteljahres an demselben Kranken ambulant zu Lasten derselben Krankenkasse vorgenommene Behandlung. Die Behandlung eines Versicherten in einem Quartal durch mehrere Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis bildet einen einzigen Behandlungsfall iS des § 21 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä, § 25 Abs 1 Satz 1 EKV-Ä (vgl Engelmann, aaO, S 435). Dabei wird bei Gemeinschaftspraxen, deren Partner ausschließlich Hausärzte sind, nach dem Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (BMÄ) bzw der Ersatzkassen-Gebührenordnung (E-GO) eine Ordinationsgebühr zuzüglich eines prozentualen Aufschlags von 10 % vergütet. Soweit in BMÄ und E-GO auf die "Gemeinschaftspraxis" abgestellt wird, knüpfen die Vorschriften an den durch den konstitutiven Genehmigungsakt begründeten öffentlich-rechtlichen Status iS des § 33 Abs 2 Satz 2 der Ärzte-ZV an (zur Wirkung der Genehmigung s zB BSGE 85, 1, 8 = SozR 3-2500 § 103 Nr 5 S 35; BSG SozR 3-2200 § 368c Nr 1 S 3 f). Fehlt dieser, kann nicht in entsprechender Anwendung auf die Abrechnungsregelungen für die Gemeinschaftspraxis zurückgegriffen werden. Denn für die Entscheidung, ob eine Gebührenposition zur Anwendung kommt, ist in erster Linie der Wortlaut der Bestimmungen maßgebend; eine ausdehnende Anwendung oder analoge Anwendung von Leistungsbeschreibungen ist ausgeschlossen (BSG SozR 4-2500 § 87 Nr 5 RdNr 11, mwN; vgl auch BSG SozR 4-5533 Nr 273 Nr 1 RdNr 7).

Kooperieren Vertragsärzte hingegen nur in Form einer Praxisgemeinschaft, bilden die Leistungen jedes einzelnen Arztes bei einem Versicherten jeweils einen Behandlungsfall. Jeder Arzt kann damit Ordinationsgebühr und hausärztliche Grundvergütung für sich abrechnen. Das führt zu einer künstlichen Fallzahlvermehrung, wenn sich Patienten in einem Quartal sowohl von dem einen als auch von dem anderen Arzt einer fachgebietsgleichen Praxisgemeinschaft behandeln lassen. Die für die Patienten einer Gemeinschaftspraxis selbstverständliche Auswahl zwischen mehreren Ärzten der Praxis, die bei fachgebietsgleichen Praxen auch durch Umstände wie die zufällig kürzere Wartezeit beeinflusst werden kann (vgl Wehebrink, NZS 2005, 400, 401), stellt bei einer Praxisgemeinschaft einen Arztwechsel iS des § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V dar, der nach dieser Norm nur "bei Vorliegen eines wichtigen Grundes" stattfinden soll. Im Hinblick darauf und wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Doppelabrechnung vertragsärztlicher Leistungen durch mehrere Ärzte einer Praxisgemeinschaft müssen Vertragsärzte die gegenüber den Zulassungsgremien vollzogene Auflösung der Gemeinschaftspraxis und die Neuausrichtung der beruflichen Kooperation bei der Gestaltung der Behandlungsabläufe der Praxen unzweideutig und für die Patienten unübersehbar umsetzen. Die nach außen gewählte Rechtsform muss im Praxisalltag transparent realisiert werden. Anderenfalls liegt ein Gestaltungsmissbrauch vor (dazu eingehend: Luxenburger, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht im DAV, Bd 2, 2000, S 67, 70), der - worüber hier allein zu entscheiden ist - vergütungsrechtliche Konsequenzen hat (vgl auch LSG Rheinland-Pfalz, MedR 2005, 614, m Anm Dahm).

Behandeln die Partner einer aus einer Gemeinschaftspraxis hervorgegangenen Praxisgemeinschaft die Patienten zu einem hohen Anteil gemeinschaftlich, nachdem sie es unterlassen haben, auf die Änderung der Rechtsform ihrer Zusammenarbeit unmissverständlich hinzuweisen, bedienen sie sich der Kooperationsform der Praxisgemeinschaft missbräuchlich. Es bedarf hier keiner Entscheidung, ab welchem Vom-Hundert-Satz gemeinsam behandelter Patienten in einer fachgebietsgleichen Praxisgemeinschaft ein solcher Missbrauch der Rechtsform anzunehmen ist. Die zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KÄBV) und den Spitzenverbänden der Krankenkassen mit Wirkung vom 1. Januar 2005 vereinbarten Richtlinien zum Inhalt und zur Durchführung der Abrechnungsprüfungen der KÄVen und der Krankenkassen (DÄ 2004, A-2555) geben in § 11 Abs 2 für die Plausibilitätsprüfung bereits bei 20 % Patientenidentität in (teil-)gebietsgleichen/versorgungsbereichsidentischen (aaO, Buchst a) bzw 30 % bei gebietsübergreifenden/versorgungsübergreifenden Praxisgemeinschaften (aaO, Buchst b) die Annahme einer Abrechnungsauffälligkeit vor.

Diese Aufgreifkriterien sind hier nicht unmittelbar heranzuziehen; doch lassen die in den Richtlinien vorgenommenen Grenzziehungen erkennen, dass jedenfalls dann, wenn zwei in der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft kooperierende Vertragsärzte desselben Fachgebietes mehr als 50 % der Patienten in einem Quartal gemeinsam behandeln, tatsächlich die für eine Gemeinschaftspraxis kennzeichnende gemeinsame und gemeinschaftliche Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch Behandlung eines gemeinsamen Patientenstammes stattfindet. Bei einer derart hohen Patientenidentität muss das Patientenaufkommen koordiniert werden, was wiederum die für eine Gemeinschaftspraxis typische einheitliche Praxisorganisation erfordert. Ein Gestaltungsmissbrauch liegt bei einer so hohen Quote von Doppelbehandlungen insbesondere dann vor, wenn unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft eine vormals von diesen Vertragsärzten betriebene Gemeinschaftspraxis unter vergleichbaren Praxisbedingungen faktisch fortgeführt wird. Die beteiligten Vertragsärzte machen sich in einer solchen Situation den Umstand zu Nutze, dass die Patienten auf Grund von Ankündigungen der Ärzte in der Vergangenheit und ihrer Erfahrung einer gemeinsamen Behandlung durch beide Ärzte typischerweise nicht wahrnehmen, dass sich etwas an den rechtlichen Rahmenbedingungen der Behandlung geändert hat, und deshalb keinen Anlass zu der Annahme haben, die Inanspruchnahme beider Ärzte bedeute eine normativ prinzipiell unerwünschte Form der Behandlung.

Die vorgenannten Voraussetzungen missbräuchlicher Nutzung der Rechtsform der Praxisgemeinschaft sind bei dem Kläger erfüllt. Die ärztliche Kooperation zwischen ihm und Dr. U. ging über den Betrieb einer Praxisgemeinschaft als reiner Organisationsgemeinschaft zur Kostenminimierung hinaus. Nach den für den Senat bindenden Feststellungen des LSG wurden in der Kooperation zwischen dem Kläger und Dr. U. seit der Beendigung ihrer Gemeinschaftspraxis im statusrechtlichen Sinne zum 31. Dezember 1995 auf Grund systematischen Zuweisens ca 58 % der Patienten innerhalb eines Quartals durch beide Partner der Praxisgemeinschaft behandelt. Beide Ärzte behandelten die Patienten in den Praxisräumen der vormaligen Gemeinschaftspraxis unter im Wesentlichen unveränderten Praxisbedingungen mit einer gemeinsamen Beschäftigung von für beide Praxisgemeinschaftspartner tätigen Mitarbeitern. Dies führte, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, im Verhältnis zur vorher betriebenen Gemeinschaftspraxis bei den Einzelpraxen der Praxisgemeinschaft ab dem Quartal I/1996 zu einer deutlichen Erhöhung der Fallzahlen und damit verbunden zu einer erheblichen Steigerung des Honorars des Klägers und Dr. U., ohne dass nach dem eigenen Bekunden des Klägers auch nur Ansätze für Änderungen der Zusammensetzung und der Morbidität ihrer Patienten vorhanden waren.

Der Kläger kann die durch die künstliche Erhöhung der Fallzahlen nicht gerechtfertigte Abrechnung der Ordinationsgebühr (Nr 1 EBM-Ä) sowie die hausärztliche Grundvergütung in Fällen der Doppelbehandlung von Patienten mit Dr. U. nicht beanspruchen. Da er und Dr. U. nur in Form einer Praxisgemeinschaft, tatsächlich aber in einer "faktischen Gemeinschaftspraxis" (Wehebrink, NZS 2005, 400) zusammengearbeitet haben, steht ihnen jedenfalls nicht mehr an Honorar zu, als ihnen zu zahlen wäre, wenn sie auch rechtlich eine Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Ärzte-ZV gebildet hätten. Weder die Streichungen der Leistungen nach Nr 1 EBM-Ä in bestimmten Fällen der Doppelbehandlung noch die Kürzung der Hausarztpauschale um 30 % sind danach zu Lasten des Klägers rechtswidrig. Vieles spricht sogar dafür, dass die KÄV Südwürttemberg berechtigt gewesen wäre, die Leistung nach Nr 1 EBM-Ä bei dem Kläger immer dann zu berichtigen, wenn der betreffende Patient auch von Dr. U. behandelt worden ist, unabhängig davon, bei welchem Arzt der Behandlungsschwerpunkt lag. Jedenfalls bei einer Patientenidentität von mehr als 50 % bei formal unter der Rechtsform einer Praxisgemeinschaft zusammenarbeitenden Ärzte desselben Fachgebiets sind solche Gebührentatbestände des EBM-Ä, bei denen bei einer Behandlung in einer fachgleichen Gemeinschaftspraxis eine Vergütung für ein Quartal höchstens einmal gewährt wird, bei keinem der Praxisgemeinschaftspartner zu berücksichtigen. Denn insoweit scheidet eine vergütungsrechtliche Zuordnung der Leistung zu einem Vertragsarzt aus.

Die Kürzung der hausärztlichen Grundvergütung im Umfang von 30 % der abgerechneten kurativen Behandlungsfälle ist hier zudem unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung der besonderen vertragsärztlichen Pflichten im Rahmen der hausärztlichen Versorgung gerechtfertigt. Nach § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V ist für die üblicherweise von Hausärzten erbrachten Leistungen, insbesondere die Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen, eine auf den Behandlungsfall bezogene Bewertung vorzusehen (hausärztliche Grundvergütung). Dem entspricht die Regelung in § 8 Abs 1 des Vertrages über die hausärztliche Versorgung - im Folgenden "Hausarztvertrag" - vom 6. September 1993, den die Spitzenverbände der Krankenkassen mit der KÄBV auf der Grundlage von § 73 Abs 1c Satz 1 SGB V (idF des GSG) als Bestandteil der Bundesmantelverträge (§ 1 Abs 2, § 10 Satz 2 BMV-Ä bzw § 1 Abs 5, § 3 Satz 2 EKV-Ä) geschlossen haben und der am 1. Januar 1994 in Kraft getreten ist (DÄ 1993, A-2716). Dieser sieht vor, dass der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmende Arzt für die Übernahme der besonderen hausärztlichen Versorgungsfunktionen gemäß § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V eine behandlungsfallbezogene Grundvergütung erhält. In Kapitel B I. Nr 1 Satz 1 EBM-Ä wird die hausärztliche Vergütung als solche gemäß § 87 Abs 2a SGB V definiert. Die hausärztliche Grundvergütung kommt in den zutreffenden Fällen "automatisch" zur Auszahlung, soweit ein Fall nicht auf der Grundlage eines Notfalldienstscheins, Vertretungsschein oder als Auftragsleistung zur Abrechnung gelangt; ein solcher Ausschluss gilt auch für fachärztliche Leistungen (Kapitel B I. Nr 1 Satz 2 EBM-Ä).

Der Kläger nimmt als Facharzt für Allgemeinmedizin nach § 73 Abs 1a Satz 1 Nr 1 SGB V an der hausärztlichen Versorgung teil (vgl zur Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung auch BSGE 80, 257, 261, 264 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 6, 9 f). Nach § 73 Abs 1 Satz 1 idF des GSG gliedert sich die vertragsärztliche Versorgung in die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung. Die hausärztliche Versorgung umfasst insbesondere die allgemeine und fortgesetzte ärztliche Betreuung eines Patienten in Diagnostik und Therapie bei Kenntnis seines häuslichen und familiären Umfeldes (§ 73 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB V), die Koordination diagnostischer, therapeutischer und pflegerischer Maßnahmen (aaO, Nr 2), die Dokumentation, insbesondere Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung der wesentlichen Behandlungsdaten, Befunde und Berichte aus der ambulanten und stationären Versorgung (aaO, Nr 3), die Einleitung oder Durchführung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen sowie die Integration nichtärztlicher Hilfen und flankierender Dienste in die Behandlungsmaßnahmen (aaO, Nr 4). Die von dem Vertragsarzt "üblicherweise erbrachten Leistungen" iS des § 87 Abs 2a Satz 3 SGB V, von denen dort exemplarisch die Betreuungs-, Koordinations- und Dokumentationsleistungen genannt sind, beschreibt der Hausarztvertrag. Nach § 2 Abs 3 Nr 2 Hausarztvertrag sind die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte ua verpflichtet, diagnostische und therapeutische Maßnahmen im Behandlungsfall zu veranlassen und durchzuführen; dazu gehört insbesondere die Einbeziehung ärztlichen Sachverstandes anderer Fachgebiete; Patientendaten aus der ambulanten und stationären Versorgung sind zu dokumentieren und weiterbehandelnden Vertragsärzten sowie Krankenhausärzten im Rahmen der berufsrechtlichen Bestimmungen zu übermitteln (aaO, Nr 4). Dazu zählt des Weiteren die Zusammenführung, Bewertung und Aufbewahrung dieser und weiterer Daten aus der ambulanten und stationären Versorgung. Zu diesem Zweck darf ein Hausarzt bei Ärzten, die einen seiner Patienten weiterbehandeln, nach § 73 Abs 1b Satz 1 SGB V die wesentlichen Behandlungsdaten und Befunde des Versicherten zum Zweck der Dokumentation erheben. Der Versicherte wählt nach § 76 Abs 3 Satz 2 SGB V einen Hausarzt. Bei einem Hausarztwechsel ist der bisherige Hausarzt des Versicherten verpflichtet, dem neuen Hausarzt die bei ihm über den Versicherten gespeicherten Unterlagen mit dessen Einverständnis vollständig zu übermitteln (§ 73 Abs 1b Satz 5 SGB V). Diese detaillierte Regelung der besonderen hausärztlichen Versorgungsaufgaben ist auch Grundlage für den Anspruch auf eine hausärztliche Grundvergütung (vgl Krimmel/Schirmer, Handbuch für den Vertragsarzt, Stand: 1. Januar 1996, Abschn 5.132). Dementsprechend erfüllt ein Hausarzt, der systematisch Versicherte in einem Quartal zusammen mit einem weiteren Hausarzt versorgt, ohne mit diesem in einer Gemeinschaftspraxis zusammenzuarbeiten, nicht sämtliche zur Abrechnung der hausärztlichen Grundvergütung erforderlichen Versorgungsaufgaben, sondern wirkt vielmehr einer Koordinierung der hausärztlichen und fachärztlichen Leistungen durch den Hausarzt entgegen. Bei paralleler Betreuung durch zwei eigenständige Praxen kann eine Zusammenführung der Behandlung im Rahmen der hausärztlichen Versorgung durch insbesondere eine einheitliche Dokumentation des Behandlungsgeschehens nicht gewährleistet werden. Der Zweck der Gewährung der Hausarztvergütung für das von § 2 Hausarztvertrag erfasste Aufgabenspektrum wird verfehlt.

Der Annahme einer solchen Verletzung der Pflichten der hausärztlichen Versorgung steht hier auch das Recht des Versicherten auf freie Arztwahl nicht entgegen. Die Versicherten können nach § 76 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des GSG unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten frei wählen (vgl auch § 13 Abs 3 Satz 1 BMV-Ä bzw § 7 Abs 3 Satz 1 EKV-Ä). Die Versicherten sollen den an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Arzt nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB V innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln (ebenso nunmehr auch die Regelung über die hausarztzentrierte Versorgung des § 73b SGB V, eingefügt durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003, BGBl 2190; nach Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 aaO soll der Versicherte den Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln). Entsprechend bestimmen die bundesmantelvertraglichen Regelungen (§ 21 Abs 4 BMV-Ä, § 25 Abs 6 EKV-Ä), dass die Krankenkassen die Versicherten dazu anhalten, den Vertragsarzt innerhalb eines Kalendervierteljahres nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes zu wechseln. Das gilt auch für die hausärztliche Versorgung. Nach § 76 Abs 3 Satz 2 SGB V "wählt" der Versicherte einen Hausarzt. Aus der Vorschrift erwächst zwar keine Verpflichtung des Versicherten zur Wahl eines Hausarztes (ebenso Hess, Kasseler Kommentar, Stand: August 2004, § 76 SGB V RdNr 21; Klückmann in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Februar 1999, § 76 RdNr 21). Sie verdeutlicht jedoch ebenfalls, dass die gesetzlichen Regelungen auch vor der Einfügung des § 73b SGB V über die hausarztzentrierte Versorgung von der grundsätzlichen Bindung des Versicherten an die Wahl eines (Haus-)Arztes während eines Kalendervierteljahres ausgingen. Für den hausärztlichen Versorgungsbereich wird das durch die damit korrespondierende Verpflichtung des Hausarztes gemäß § 76 Abs 3 Satz 3 SGB V (idF des GSG) unterstrichen, den Versicherten vorab über den Umfang der hausärztlichen Versorgung (§ 73 SGB V) zu unterrichten. Aus dieser Regelung ergibt sich auch eine Verpflichtung des Hausarztes, einer unkoordinierten Mehrfachinanspruchnahme anderer Ärzte entgegenzuwirken (vgl Klückmann in Hauck/Noftz, aaO, § 76 RdNr 22). Insbesondere Ärzte einer Praxisgemeinschaft, die vormals eine Gemeinschaftspraxis im statusrechtlichen Sinne war, sind bei Fortführung des Praxisbetriebes unter im Wesentlichen für den Patienten unveränderten äußeren Bedingungen verpflichtet, die Versicherten darauf hinzuweisen, dass sie im Rahmen der hausärztlichen Versorgung innerhalb eines Quartals an die Behandlung durch einen Hausarzt gebunden sind, soweit kein wichtiger Grund für einen Wechsel des Hausarztes vorliegt. Im Hinblick auf den nahe liegenden Gestaltungsmissbrauch ist ein entsprechender Hinweis zu dokumentieren.

Welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit die Voraussetzung eines wichtigen Grundes des Versicherten für einen Arztwechsel innerhalb eines Quartals gegeben sind, kann offen bleiben. Als Rechtfertigung für einen solchen kommen vor allem individuelle Aspekte aus dem Arzt-Patienten-Verhältnis in Betracht. Der mutmaßlich häufigste Fall des Hausarztwechsels im Quartal, der Umzug eines Patienten, scheidet hier von vornherein aus. Aber auch der mit einer Störung des Vertrauensverhältnisses zum bisher behandelnden Hausarzt begründete Arztwechsel spielt als wichtiger Grund keine Rolle. Es ist weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden, dass fast 60 % der Patienten nach einem ärztlichen Hinweis auf Voraussetzungen und Konsequenzen eines Hausarztwechsels Quartal für Quartal einen entsprechend begründeten Wunsch geäußert hätten.

Insbesondere rechtfertigen die von der Revision in den Vordergrund ihrer Argumentation gestellten unterschiedlichen Behandlungsschwerpunkte des Klägers und von Dr. U. die hohe Quote des Hausarztwechsels und die damit verbundene Doppelinanspruchnahme hausärztlicher Leistungen nicht. Denn der Hausarzt koordiniert die Überweisung an andere Fachärzte und ist dafür selbst von der spezifisch fachärztlichen Leistungserbringung ausgeschlossen. Nach § 5 Abs 1 Satz 1 Hausarztvertrag nehmen Vertragsärzte, die an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, daran im Rahmen ihres Fachgebietes und nach Maßgabe des Hausarztvertrages teil. Sie erfüllen die besonderen hausärztlichen Versorgungsfunktionen nach § 2 Hausarztvertrag und können alle Leistungen ihres Fachgebietes (Allgemeinmedizin, Innere Medizin, Kinderheilkunde) mit Ausnahme der von den Partnern des Hausarztvertrages vereinbarten Liste zu § 6 Abs 2 Hausarztvertrag aufgeführten Leistungen (DÄ 1994 A-916; dazu näher BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 17) in der vertragsärztlichen Versorgung erbringen. Der Genehmigungsumfang für die gesamte Röntgendiagnostik als Radiologe (Kläger), für das Röntgen des gesamten Skeletts mit einer Zulassung zur kompletten Doppler-Sonographie als H-Arzt und der Zusatzbezeichnung Chirotherapie und Sportmedizin (Dr. U.) sowie die hier geltend gemachte besondere orthopädische Ausrichtung der Praxis des Dr. U. sind für die hausärztliche Doppelbehandlung ohne Überweisung nicht von Bedeutung.

Die Beklagte war danach berechtigt, die Leistungen nach Nr 1 EBM-Ä und die hausärztliche Grundvergütung des Klägers zumindest in dem vorgenommenen Umfang zu streichen bzw zu reduzieren. Die Rechtmäßigkeit sachlich-rechnerischer Berichtigungen setzt grundsätzlich kein Verschulden des Vertragsarztes voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die KÄV den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechungssammelerklärung aufhebt. Diese Rechtsfolge setzt voraus, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig erfolgt sind (BSG SozR 3-5550 § 35 Nr 1 S 5). Im Übrigen hat der Kläger nach den Feststellungen des LSG grob fahrlässig gehandelt, da die Rechtsmissbräuchlichkeit der Doppelbehandlungen auch für ihn offenkundig war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Rechtskraft
Aus
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