Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 AS 75/09 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Schüler einer Schule im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG, denen es wegen der Erreichbarkeit der Ausbildungsstätte von der elterlichen Wohnung zumutbar wäre, bei den Eltern zu wohnen, haben nach § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG.
Sie gehören jedoch zum Kreis der potentiellen Leistungsberechtigten nach dem SGB II, da bei ihnen § 7 Abs. 6 Nr .1 SGB II eingreift, der den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II verdrängt.
Sie gehören jedoch zum Kreis der potentiellen Leistungsberechtigten nach dem SGB II, da bei ihnen § 7 Abs. 6 Nr .1 SGB II eingreift, der den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II verdrängt.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 14.04.2009 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 wird bis zum 30.04.2009 angeordnet; über diesen Zeitraum hinaus jedoch nur bezüglich der Regelleistung. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes die Fortsetzung der Zahlung der durch Aufhebungsbescheid eingestellten Leistungen nach dem SGB II.
Die 1989 geborene Antragstellerin lebt nicht bei ihren Eltern in F., sondern wohnte bis zum 30.04.2009 in einer eigenen Wohnung in der R-Straße in A-Stadt. Nach der Kündigung durch ihren Vermieter wurde die Antragstellerin vorübergehend von ihrer ehemaligen Pflegefamilie unter der im Rubrum aufgeführten Anschrift aufgenommen. Die Antragstellerin war im Jahr 2006 vom Jugendamt aus der Familie ihrer leiblichen Eltern genommen worden, da familiäre Probleme bekannt wurden. Bis zum 31.12.2008 wurde die Antragstellerin vom Jugendamt Schwalm-Eder unterstützt. Sie erhielt Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII (vergleiche Bl. 35a der Verwaltungsakte).
Bis zur 10. Klasse besuchte sie das HT. Gymnasium in A-Stadt. In der Folgezeit besuchte sie zunächst die RS-Schule in M. Seit August 2008 ist die Antragstellerin Schülerin der R-DP-Schule in F. und absolviert dort die Fachoberschule im Bereich Wirtschaft und Verwaltung. Der Schulabschluss wird voraussichtlich im Juli 2010 erreicht. Auf die Schulbescheinigung in der Verwaltungsakte (Bl. 60) wird verwiesen.
Der letztgenannte Ausbildungsgang auf der R-DP-Schule in F. bietet jungen Menschen mit und ohne Berufsausbildung die Möglichkeit, die allgemeine Fachhochschulreife zu erwerben, die zum Studium in einem gestuften Studiengang an einer Universität oder zum Studium an einer Fachhochschule berechtigt. Außerdem befähigt sie zur Ausübung qualifizierter Funktionen in Technik, Wirtschaft und Verwaltung. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Ausbildungsgangs der Antragstellerin wird auf die in der Gerichtsakte beiliegenden Informationsblätter der R-DP-Schule in F. sowie auf deren Internetauftritt verwiesen.
Mit Bescheid vom 23.12.2008 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 in Höhe von 427,00 EUR (Bl. 70a der Verwaltungsakte der Verwaltungsakte).
Anfang März 2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin fernmündlich mit, dass die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II ab März 2009 eingestellt würden.
Die Antragstellerin stellte einen Antrag auf die Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG, über den jedoch noch nicht entschieden worden ist. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist den Beteiligten nicht bekannt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz hat die Antragstellerin am 12.03.2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim hiesigen Sozialgericht Kassel gestellt.
Mit Bescheid vom 12.03.2009 hat die Antragsgegnerin die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung zum 01.03.2009 aufgehoben. Die Antragsgegnerin begründet ihre Entscheidung mit § 7 Abs. 5 S.1 SGB II. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Härtefallregelung nach § 7 Abs. 5 S.2 SGB II lägen ebenfalls nicht vor.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.04.2009 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 eingelegt (Bl. 88 der Gerichtsakte).
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag damit, dass ihr kein Geld zum Leben zur Verfügung stehe. Ihr Vermieter habe ihr gekündigt. Sie erhalte auch keinen Unterhalt von ihren Eltern. Ihr Kindergeld werde von ihren Eltern für die Bezahlung der privaten Krankenversicherung sowie weiterer Versicherungen einbehalten. Die Antragstellerin verweist insoweit auf das Kündigungsschreiben ihres Vermieters vom 15.03.2009 (Bl. 32 der Gerichtsakte) und auf den Schriftsatz ihres Vaters an die Antragsgegnerin vom 09.02.2009 (Bl. 31 der Gerichtsakte).
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, aufgrund des Bescheides vom 23.12.2008 an sie monatliche Leistungen für März bis Juni 2009 in Höhe von 427,00 EUR auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestehe, da der Antragstellerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zustehe.
II.
Der einstweilige Rechtsschutzantrag ist überwiegend erfolgreich.
Das Gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 gewertet. Durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.12.2008 wurden der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 gewährt. Diese Leistungen wurden durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 wieder aufgehoben. Es handelt sich in der Hauptsache also um einen Anfechtungsfall. Da ein Widerspruch gegen einen Bescheid, durch den Leistungen nach dem SGB II aufgehoben werden, gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, ist der einstweilige Rechtsschutz gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 26.3.2007, Az. L 9 AS 38/07 ER; Krasney / Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. A. 2008, S.188).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn nach einer Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. A. 2008, Rn. 189 ff., 227). Bei der Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache und die Schwere einer möglichen Rechtsverletzung im Interimszeitraum von Bedeutung. Welche Wahrscheinlichkeitsanforderungen hinsichtlich des Erfolgs in der Hauptsache im Einzelfall zu fordern sind, hängt von der Schwere einer möglichen Rechtsverletzung im Interimszeitraum ab (Krodel, a.a.O., Rn. 192 f.).
Erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Bescheid anzuordnen. Ist der angefochtene Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag im Regelfall abzulehnen.
Im Falle einer solchen Orientierung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Kammerbeschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, muss das Gericht im Rahmen einer umfassenden Folgenabwägung dafür Sorge tragen, dass eine Verletzung der Menschenwürde ausgeschlossen werden kann (BVerfG, a.a.O; s. auch: Krodel, a.a.O., Rn. 204, 407).
Das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 ist rechtswidrig.
1. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung wird in dem Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 nicht genannt. Insoweit wird lediglich auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II verwiesen. Als Ermächtigungsgrundlage für den Aufhebungsbescheid dürfte vorliegend allenfalls § 40 Abs. 1 S.2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 SGB III i.V.m. § 45 SGB X in Betracht kommen. Soweit ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit aufgehoben werden. Nach § 45 Abs. 2 S.1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstige auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
2. Der Aufhebungsbescheid war mangels ordnungsgemäßer Anhörung formell rechtswidrig gewesen. Dieser Fehler ist jedoch nach § 41 Abs. 2 SGB X durch die Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geheilt. Die Antragstellerin hatte vor Erlass des Aufhebungsbescheids kein Anhörungsschreiben erhalten, sondern wurde lediglich telefonisch über die Aufhebung des Bescheids informiert. Eine telefonische Anhörung ist nicht schlechthin unrechtmäßig (vgl. insoweit: von Wulffen: in: Ders. (Hrsg.), SGB X, 6. A. 2008, § 24 Rn. 8), setzt aber im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes voraus, dass der Betroffene über die entscheidungserheblichen Tatsachen im Sinne des § 24 SGB X umfassend aufgeklärt wird. Eine telefonische Mitteilung, dass die Leistungen eingestellt werden, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Wenn der Betroffene nicht umfassend über die tatsächlichen und rechtlichen Hintergründe der Verwaltungsentscheidung informiert wird, ist es ihm nicht möglich, durch sein Vorbringen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt die vorgesehene Entscheidung der Verwaltung zu beeinflussen (vgl. insoweit: Von Wulffen in: Ders. (Hrsg.), SGB X, § 24 Rn.2). Dieser Mangel ist aber gemäß § 41 SGB X geheilt, da der Antragstellerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens rechtliches Gehör gewährt wurde und eine Nachholung der erforderlichen Anhörung bis zur letzen Tatsacheninstanz im sozialgerichtlichen Verfahren möglich ist.
3. Der Aufhebungsbescheid ist aber in materieller Hinsicht rechtswidrig, da der ursprüngliche Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin rechtmäßig war, die Antragstellerin also anders ausgedrückt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGG II, wonach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, wird vorliegend durch die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II verdrängt.
Nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II findet § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
§ 2 Abs. 1a BAföG knüpft an § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG an. Für den Besuch der in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten wird Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 1a BAföG nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und zusätzlich eine der Nummern 1 - 3 dieses Absatzes vorliegt.
Vorliegend ist die Ausbildung der Antragstellerin nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG zu beurteilen.
Es handelt sich bei der Ausbildungsstätte der Antragstellerin nämlich um eine Fachoberschule im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG.
Maßgebend für die Zuordnung der Ausbildung nach den Regelungen des BAföG sind gemäß § 2 Abs. 1 S.2 BAföG Art und Inhalt der Ausbildung. Auf die formelle Bezeichnung der Ausbildung kommt es nicht an (BVerwG, Beschluss v. 2.7.1984, 5 C 3/82).
Der Ausbildungsgang der Antragstellerin entspricht allerdings der Sache nach einer Fachoberschule. Fachoberschulen sind Schulen, die auf einem mittleren Bildungsabschluss aufbauen, mit Klasse 11 beginnen und – anders als die allgemein bildenden Schulen – nicht nur allgemeine, sondern fachtheoretische und fachpraktische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln und zur Fachhochschulreife führen, also den Zugang zu einer Fachhochschule eröffnen (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 18). Hiervon abzugrenzen sind Fachschulen. Dies sind Schulen, die außer einem mittleren Bildungsabschluss grundsätzlich den Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung oder eine entsprechende praktische Tätigkeit voraussetzen. Die Fachschule führt zu vertiefter beruflicher Fachbildung, regelmäßig in dem Fach der zuvor abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung und fördert die Allgemeinbildung (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 16 unter Verweis auf: BVerwG, FamRZ 1985, 112). Berufsfachschulen sind Schulen mit Vollzeitunterreicht mit mindestens einjähriger Dauer. Ihr Besuch setzt keine Berufsausbildung voraus und baut nicht auf Kenntnissen oder Fertigkeiten auf, die in anderen Ausbildungsstätten als Schulen erworben werden können. Sie haben das Ziel, allgemeine und fachliche Lehrinhalte zu vermitteln und den Schüler zu befähigen, den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder einen Teil der Berufsausbildung in einem oder mehreren anerkannten Ausbildungsberufen zu erlangen, oder ihn zu einem Berufsbildungsabschluss zu führen, der nur in Schulen erworben werden kann (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 12).
Vorliegend ist es das Ziel der Antragstellerin, die allgemeine Fachhochschulreife zu erlangen. Der Zugang zu dem Ausbildungsgang der Antragstellerin knüpft an die rechtlichen Kriterien für eine Fachoberschule an. Die Antragstellerin besucht damit eine Fachoberschule im Sinne des § 2 BAföG.
Soweit der Besuch nach den Zulassungsbestimmungen voraussetzt, dass der Auszubildende eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, fällt die Fachoberschule unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 BAföG (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall. Da die Antragstellerin keine Berufsausbildung absolviert hat, ist sie nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S.1 Nr.1 BAföG förderungsfähig.
Ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG nach § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 1 BAföG setzt allerdings zusätzlich voraus, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a BAföG erfüllt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Vorliegend kommt als Tatbestandsvariante des § 2 Abs. 1a S. 1 BAföG lediglich die Nr. 1 in Betracht. Danach wird für den Besuch der in § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist.
Der Regelung des § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BAföG liegt der Gedanke zu Grunde, dass es einem Auszubildenden, der eine der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 genannten Ausbildungsstätten besucht, typischerweise möglich und zumutbar ist, in der elterlichen Wohnung zu bleiben beziehungsweise dorthin zurückzukehren. Eine Förderung mit Mitteln des BAföG sei aber notwendig, wenn eine auswärtige Unterbringung erforderlich wird, weil die besuchte Schule oder eine andere vergleichbare zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreicht werden kann (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 52). Dabei legt das Gesetz eine typisierende Betrachtung zu Grunde: Ob es dem Auszubildende im Einzelfall tatsächlich möglich oder zumutbar wäre, bei seinen Eltern zu wohnen ist hiernach unerheblich (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 52).
Eine Ausnahme hiervon sieht lediglich § 2 Abs. 1a S.2 BAföG vor. Danach kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass über S. 1 hinaus Ausbildungsförderung für den Besuch der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 genannten Ausbildungsstätten auch in Fällen geleistet wird, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist. Von dieser Verordnungsermächtigung hat der Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.01.2009, L 28 AS 1919/07, Rn.30). Solange dies nicht geschehen ist, werden die Schülerförderungsvoraussetzungen auch bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Haushalt der Eltern bzw. der Rückkehr dorthin nicht erfüllt (Ramsauer/ Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 67 mit Verweis auf VGH Mannheim, FamRZ 2004, 230; vgl. auch: OVG Lüneburg, Beschluss v. 12.5.1998, 4 M 2072/98, Rn.14).
Erreichbar ist die entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nur dann, wenn der Auszubildende durch den Zeitaufwand für den Weg dorthin nicht unzumutbar belastet wird. Maßgeblich ist die durchschnittliche tägliche Wegzeit. Eine Ausbildungsstätte ist nicht zumutbar, wenn der Auszubildende bei Benutzung der günstigsten öffentlicher Verkehrsmittel mindestens an drei Wochentagen für Hin- und Rückfahrt eine Wegzeit von insgesamt mehr als zwei Stunden benötigt. Hierzu gehören auch die notwenigen Wartezeiten vor und nach dem Unterricht (VG Dresden, Beschluss v. 15.1.2009, 5 L 1610/08; Ramsauer / Stallbaum / Sternal, § 2 Rn. 62).
Vorliegend wohnen die Eltern der Antragstellerin in der S-Straße in F. Die R-DP-Schule befindet sich im S-Weg in F. Beide Orte sind laut Routenplaner im Internet: 30,06 Km voneinander entfernt. Die schnellste Verbindung mit dem Bus braucht eine Stunde reine Fahrtzeit.
Stellt man allein auf die R-DP-Schule ab, ist die Schule von der Wohnung der Eltern nach summarischer Prüfung nicht erreichbar, so dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG bestünde. In der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin befindet sich ein Vermerk von Herrn N. (Bl. 127 der Akte), der zu dem Ergebnis kommt, dass ein BAföG Anspruch bestehe, da die Fahrtzeit für Hin- und Rückfahrt inklusive Wartezeit mit dem Bus zwei Stunden und 9 Minuten betragen würde.
Allerdings muss sich die Antragstellerin, wie der Wortlaut des § 2 Abs. 1a S.1 Nr.1 BAföG zeigt, auch auf andere "entsprechende zumutbare Ausbildungsstätten" verweisen lassen (vgl. insoweit auch VG Dresden, Beschluss v. 15.1.2009, 5 L 1610/08). Eine Verweisung auf eine andere Fachoberschule ist vorliegend möglich.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt Frau Z. vom Amt für Ausbildungsförderung. Aus einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch am 20.12.2008 in der Verwaltungsakte geht hervor, dass die Eltern bis zur Volljährigkeit das Sorgerecht für die Antragstellerin hatten und dass der Weg zur nächstgelegenen Fachoberschule in Z. keine Stunde betrage. Daher komme ein Anspruch auf BAföG-Leistungen nicht in Betracht (Bl. 66 der Verwaltungsakte). Zu diesem Ergebnis kommt auch das Gericht im Rahmen einer Internet-Recherche bei "Bahn.de". Ein Bus von F-Mitte benötigt bis S. in S-Z lediglich 28 Minuten.
Das Gericht hat weiterhin im Rahmen einer eigenen Internetrecherche festgestellt, dass die Beruflichen Schulen S-Z auch den Bildungsgang Fachoberschule mit dem Schwerpunkt "Wirtschaft/Verwaltung" anbieten. Auf die Internetseite der Beruflichen Schulen S-Z wird verwiesen.
Das Gericht geht daher davon aus, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1a Nr.1 BAföG nicht besteht. Die Antragstellerin kann von der Wohnung ihrer Eltern eine zumutbare Ausbildungsstätte erreichen.
Da es der Antragstellerin zumutbare wäre, bei ihren Eltern zu wohnen und der Ausschluss der Leistungen nach § 2 Abs. 1a BAföG eingreift, kommt die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 6 Nr.1 SGB II zur Anwendung, die den Ausschluss der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 SGB II aufhebt (vgl. insoweit auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.01.2008, L 26 B 60/08 AS ER, L 26 B 61/08 AS PKH, Rn. 7; LSG Niedersachsen-Bremen, 14.02.2006, L 9 AS 19/06 ER; LSG NRW, Beschluss v. 8.10.2007, L 1 B 9/07 AS ER, Rn. 23 ff.; SG Duisburg, Beschluss v. 5.3.2007, S 10 (2) AS 300/06 ER, Rn. 23; SG Hamburg, Beschluss v. 21.4.2005, S 51 AS 219/05 ER; Hackethal, Juris-Praxis Kommentar, SGB II, Stand 12.2.2008, § 7 Rn. 68; Hähnlein in: Gagel (Hrsg.), SGB III mit SGB II, Stand Juni 2008, § 7 Rn. 93; Brühl / Schoch in: LPK – SGB II, § 7 Rn. 105; s. auch: Niewald in: LPK-SGB XII, 8. A. 2008, § 22 Rn. 39).
Von der Verweisbarkeit der Antragstellerin auf die Beruflichen Schulen S. ist offenbar zunächst auch die Antragsgegnerin ausgegangen, da sie der Antragstellerin nach dem Telefonat mit Frau Z. von der BAföG Stelle am 22.12.2008, mit Bescheid vom 23.12.2008 Leistungen nach dem SGB II bewilligte (Bl. 70a der Verwaltungsakte). Insoweit ist für das Gericht nicht erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin inzwischen zu einer anderen Entscheidung gelangt ist.
Da die Antragstellerin am 30.04.2009 aus ihrer Wohnung ausgezogen ist und vorübergehend von ihren Pflegeeltern aufgenommen wurde, ist die aufschiebende Wirkung ab dem 01.05.2009 nur noch hinsichtlich der Regelleistung, nicht aber bezüglich der Kosten der Unterkunft, anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Antragsgegnerin den Umzug der Antragstellerin durch die Leistungseinstellung faktisch erzwungen hat, erscheint es dem Gericht billig, der Antragsgegnerin die gesamten Kosten – trotz teilweisen Obsiegens – aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des gerichtlichen Eilrechtsschutzes die Fortsetzung der Zahlung der durch Aufhebungsbescheid eingestellten Leistungen nach dem SGB II.
Die 1989 geborene Antragstellerin lebt nicht bei ihren Eltern in F., sondern wohnte bis zum 30.04.2009 in einer eigenen Wohnung in der R-Straße in A-Stadt. Nach der Kündigung durch ihren Vermieter wurde die Antragstellerin vorübergehend von ihrer ehemaligen Pflegefamilie unter der im Rubrum aufgeführten Anschrift aufgenommen. Die Antragstellerin war im Jahr 2006 vom Jugendamt aus der Familie ihrer leiblichen Eltern genommen worden, da familiäre Probleme bekannt wurden. Bis zum 31.12.2008 wurde die Antragstellerin vom Jugendamt Schwalm-Eder unterstützt. Sie erhielt Hilfe für junge Volljährige nach § 41 SGB VIII (vergleiche Bl. 35a der Verwaltungsakte).
Bis zur 10. Klasse besuchte sie das HT. Gymnasium in A-Stadt. In der Folgezeit besuchte sie zunächst die RS-Schule in M. Seit August 2008 ist die Antragstellerin Schülerin der R-DP-Schule in F. und absolviert dort die Fachoberschule im Bereich Wirtschaft und Verwaltung. Der Schulabschluss wird voraussichtlich im Juli 2010 erreicht. Auf die Schulbescheinigung in der Verwaltungsakte (Bl. 60) wird verwiesen.
Der letztgenannte Ausbildungsgang auf der R-DP-Schule in F. bietet jungen Menschen mit und ohne Berufsausbildung die Möglichkeit, die allgemeine Fachhochschulreife zu erwerben, die zum Studium in einem gestuften Studiengang an einer Universität oder zum Studium an einer Fachhochschule berechtigt. Außerdem befähigt sie zur Ausübung qualifizierter Funktionen in Technik, Wirtschaft und Verwaltung. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Ausbildungsgangs der Antragstellerin wird auf die in der Gerichtsakte beiliegenden Informationsblätter der R-DP-Schule in F. sowie auf deren Internetauftritt verwiesen.
Mit Bescheid vom 23.12.2008 bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 in Höhe von 427,00 EUR (Bl. 70a der Verwaltungsakte der Verwaltungsakte).
Anfang März 2009 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin fernmündlich mit, dass die Zahlung von Leistungen nach dem SGB II ab März 2009 eingestellt würden.
Die Antragstellerin stellte einen Antrag auf die Bewilligung von Leistungen nach dem BAföG, über den jedoch noch nicht entschieden worden ist. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, ist den Beteiligten nicht bekannt.
Mit anwaltlichem Schriftsatz hat die Antragstellerin am 12.03.2009 einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim hiesigen Sozialgericht Kassel gestellt.
Mit Bescheid vom 12.03.2009 hat die Antragsgegnerin die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II mit Wirkung zum 01.03.2009 aufgehoben. Die Antragsgegnerin begründet ihre Entscheidung mit § 7 Abs. 5 S.1 SGB II. Die Voraussetzungen zur Anwendung der Härtefallregelung nach § 7 Abs. 5 S.2 SGB II lägen ebenfalls nicht vor.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.04.2009 hat der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 eingelegt (Bl. 88 der Gerichtsakte).
Die Antragstellerin begründet ihren Antrag damit, dass ihr kein Geld zum Leben zur Verfügung stehe. Ihr Vermieter habe ihr gekündigt. Sie erhalte auch keinen Unterhalt von ihren Eltern. Ihr Kindergeld werde von ihren Eltern für die Bezahlung der privaten Krankenversicherung sowie weiterer Versicherungen einbehalten. Die Antragstellerin verweist insoweit auf das Kündigungsschreiben ihres Vermieters vom 15.03.2009 (Bl. 32 der Gerichtsakte) und auf den Schriftsatz ihres Vaters an die Antragsgegnerin vom 09.02.2009 (Bl. 31 der Gerichtsakte).
Die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verurteilen, aufgrund des Bescheides vom 23.12.2008 an sie monatliche Leistungen für März bis Juni 2009 in Höhe von 427,00 EUR auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II nicht bestehe, da der Antragstellerin dem Grunde nach ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG zustehe.
II.
Der einstweilige Rechtsschutzantrag ist überwiegend erfolgreich.
Das Gericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung als einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 gewertet. Durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 23.12.2008 wurden der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2009 bis 30.06.2009 gewährt. Diese Leistungen wurden durch den Bescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 wieder aufgehoben. Es handelt sich in der Hauptsache also um einen Anfechtungsfall. Da ein Widerspruch gegen einen Bescheid, durch den Leistungen nach dem SGB II aufgehoben werden, gemäß § 39 Nr. 1 SGB II keine aufschiebende Wirkung hat, ist der einstweilige Rechtsschutz gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gerichtet (Hessisches Landessozialgericht, Beschluss v. 26.3.2007, Az. L 9 AS 38/07 ER; Krasney / Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 5. A. 2008, S.188).
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist begründet, wenn nach einer Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Antragstellers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und dem Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung das private Interesse überwiegt (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. A. 2008, Rn. 189 ff., 227). Bei der Interessenabwägung sind vor allem die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache und die Schwere einer möglichen Rechtsverletzung im Interimszeitraum von Bedeutung. Welche Wahrscheinlichkeitsanforderungen hinsichtlich des Erfolgs in der Hauptsache im Einzelfall zu fordern sind, hängt von der Schwere einer möglichen Rechtsverletzung im Interimszeitraum ab (Krodel, a.a.O., Rn. 192 f.).
Erweist sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Bescheid anzuordnen. Ist der angefochtene Bescheid hingegen offensichtlich rechtmäßig, so ist der Antrag im Regelfall abzulehnen.
Im Falle einer solchen Orientierung an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache muss das Gericht in den Fällen, in denen das einstweilige Rechtsschutzverfahren vollständig die Bedeutung des Hauptsacheverfahrens übernimmt und eine endgültige Verhinderung der Grundrechtsverwirklichung eines Beteiligten droht, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen (BVerfG, Kammerbeschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, muss das Gericht im Rahmen einer umfassenden Folgenabwägung dafür Sorge tragen, dass eine Verletzung der Menschenwürde ausgeschlossen werden kann (BVerfG, a.a.O; s. auch: Krodel, a.a.O., Rn. 204, 407).
Das Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt vorliegend das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 ist rechtswidrig.
1. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Aufhebung der Leistungsbewilligung wird in dem Aufhebungsbescheid der Antragsgegnerin vom 12.03.2009 nicht genannt. Insoweit wird lediglich auf den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II verwiesen. Als Ermächtigungsgrundlage für den Aufhebungsbescheid dürfte vorliegend allenfalls § 40 Abs. 1 S.2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 330 SGB III i.V.m. § 45 SGB X in Betracht kommen. Soweit ein begünstigender Verwaltungsakt rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit aufgehoben werden. Nach § 45 Abs. 2 S.1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstige auf den Bestand des Verwaltungsakts vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist.
2. Der Aufhebungsbescheid war mangels ordnungsgemäßer Anhörung formell rechtswidrig gewesen. Dieser Fehler ist jedoch nach § 41 Abs. 2 SGB X durch die Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens geheilt. Die Antragstellerin hatte vor Erlass des Aufhebungsbescheids kein Anhörungsschreiben erhalten, sondern wurde lediglich telefonisch über die Aufhebung des Bescheids informiert. Eine telefonische Anhörung ist nicht schlechthin unrechtmäßig (vgl. insoweit: von Wulffen: in: Ders. (Hrsg.), SGB X, 6. A. 2008, § 24 Rn. 8), setzt aber im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes voraus, dass der Betroffene über die entscheidungserheblichen Tatsachen im Sinne des § 24 SGB X umfassend aufgeklärt wird. Eine telefonische Mitteilung, dass die Leistungen eingestellt werden, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Wenn der Betroffene nicht umfassend über die tatsächlichen und rechtlichen Hintergründe der Verwaltungsentscheidung informiert wird, ist es ihm nicht möglich, durch sein Vorbringen zum entscheidungserheblichen Sachverhalt die vorgesehene Entscheidung der Verwaltung zu beeinflussen (vgl. insoweit: Von Wulffen in: Ders. (Hrsg.), SGB X, § 24 Rn.2). Dieser Mangel ist aber gemäß § 41 SGB X geheilt, da der Antragstellerin im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens rechtliches Gehör gewährt wurde und eine Nachholung der erforderlichen Anhörung bis zur letzen Tatsacheninstanz im sozialgerichtlichen Verfahren möglich ist.
3. Der Aufhebungsbescheid ist aber in materieller Hinsicht rechtswidrig, da der ursprüngliche Bewilligungsbescheid der Antragsgegnerin rechtmäßig war, die Antragstellerin also anders ausgedrückt einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II hat.
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGG II, wonach Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts haben, wird vorliegend durch die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II verdrängt.
Nach § 7 Abs. 6 Nr. 1 SGB II findet § 7 Abs. 5 SGB II keine Anwendung auf Auszubildende, die auf Grund von § 2 Abs. 1a BAföG keinen Anspruch auf Ausbildungsförderung haben.
§ 2 Abs. 1a BAföG knüpft an § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG an. Für den Besuch der in Abs. 1 Nr. 1 bezeichneten Ausbildungsstätten wird Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 1a BAföG nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und zusätzlich eine der Nummern 1 - 3 dieses Absatzes vorliegt.
Vorliegend ist die Ausbildung der Antragstellerin nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG zu beurteilen.
Es handelt sich bei der Ausbildungsstätte der Antragstellerin nämlich um eine Fachoberschule im Sinne des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BAföG.
Maßgebend für die Zuordnung der Ausbildung nach den Regelungen des BAföG sind gemäß § 2 Abs. 1 S.2 BAföG Art und Inhalt der Ausbildung. Auf die formelle Bezeichnung der Ausbildung kommt es nicht an (BVerwG, Beschluss v. 2.7.1984, 5 C 3/82).
Der Ausbildungsgang der Antragstellerin entspricht allerdings der Sache nach einer Fachoberschule. Fachoberschulen sind Schulen, die auf einem mittleren Bildungsabschluss aufbauen, mit Klasse 11 beginnen und – anders als die allgemein bildenden Schulen – nicht nur allgemeine, sondern fachtheoretische und fachpraktische Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln und zur Fachhochschulreife führen, also den Zugang zu einer Fachhochschule eröffnen (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 18). Hiervon abzugrenzen sind Fachschulen. Dies sind Schulen, die außer einem mittleren Bildungsabschluss grundsätzlich den Abschluss einer einschlägigen Berufsausbildung oder eine entsprechende praktische Tätigkeit voraussetzen. Die Fachschule führt zu vertiefter beruflicher Fachbildung, regelmäßig in dem Fach der zuvor abgeschlossenen einschlägigen Berufsausbildung und fördert die Allgemeinbildung (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 16 unter Verweis auf: BVerwG, FamRZ 1985, 112). Berufsfachschulen sind Schulen mit Vollzeitunterreicht mit mindestens einjähriger Dauer. Ihr Besuch setzt keine Berufsausbildung voraus und baut nicht auf Kenntnissen oder Fertigkeiten auf, die in anderen Ausbildungsstätten als Schulen erworben werden können. Sie haben das Ziel, allgemeine und fachliche Lehrinhalte zu vermitteln und den Schüler zu befähigen, den Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf oder einen Teil der Berufsausbildung in einem oder mehreren anerkannten Ausbildungsberufen zu erlangen, oder ihn zu einem Berufsbildungsabschluss zu führen, der nur in Schulen erworben werden kann (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 12).
Vorliegend ist es das Ziel der Antragstellerin, die allgemeine Fachhochschulreife zu erlangen. Der Zugang zu dem Ausbildungsgang der Antragstellerin knüpft an die rechtlichen Kriterien für eine Fachoberschule an. Die Antragstellerin besucht damit eine Fachoberschule im Sinne des § 2 BAföG.
Soweit der Besuch nach den Zulassungsbestimmungen voraussetzt, dass der Auszubildende eine Berufsausbildung abgeschlossen hat, fällt die Fachoberschule unter § 2 Abs. 1 Nr. 3 BAföG (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall. Da die Antragstellerin keine Berufsausbildung absolviert hat, ist sie nur unter den Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S.1 Nr.1 BAföG förderungsfähig.
Ein dem Grunde nach bestehender Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG nach § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 1 BAföG setzt allerdings zusätzlich voraus, dass die Antragstellerin die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1a BAföG erfüllt. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Vorliegend kommt als Tatbestandsvariante des § 2 Abs. 1a S. 1 BAföG lediglich die Nr. 1 in Betracht. Danach wird für den Besuch der in § 2 Abs. 1 S.1 Nr. 1 BAföG bezeichneten Ausbildungsstätte Ausbildungsförderung nur geleistet, wenn der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt und von der Wohnung der Eltern aus eine entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nicht erreichbar ist.
Der Regelung des § 2 Abs. 1a S. 1 Nr. 1 BAföG liegt der Gedanke zu Grunde, dass es einem Auszubildenden, der eine der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 genannten Ausbildungsstätten besucht, typischerweise möglich und zumutbar ist, in der elterlichen Wohnung zu bleiben beziehungsweise dorthin zurückzukehren. Eine Förderung mit Mitteln des BAföG sei aber notwendig, wenn eine auswärtige Unterbringung erforderlich wird, weil die besuchte Schule oder eine andere vergleichbare zumutbare Ausbildungsstätte von der Wohnung der Eltern aus nicht erreicht werden kann (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 52). Dabei legt das Gesetz eine typisierende Betrachtung zu Grunde: Ob es dem Auszubildende im Einzelfall tatsächlich möglich oder zumutbar wäre, bei seinen Eltern zu wohnen ist hiernach unerheblich (Ramsauer / Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 52).
Eine Ausnahme hiervon sieht lediglich § 2 Abs. 1a S.2 BAföG vor. Danach kann die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass über S. 1 hinaus Ausbildungsförderung für den Besuch der in Abs. 1 S. 1 Nr. 1 genannten Ausbildungsstätten auch in Fällen geleistet wird, in denen die Verweisung des Auszubildenden auf die Wohnung der Eltern aus schwerwiegenden sozialen Gründen unzumutbar ist. Von dieser Verordnungsermächtigung hat der Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 20.01.2009, L 28 AS 1919/07, Rn.30). Solange dies nicht geschehen ist, werden die Schülerförderungsvoraussetzungen auch bei Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Haushalt der Eltern bzw. der Rückkehr dorthin nicht erfüllt (Ramsauer/ Stallbaum / Sternal, BAföG, 4. A. 2005, § 2 Rn. 67 mit Verweis auf VGH Mannheim, FamRZ 2004, 230; vgl. auch: OVG Lüneburg, Beschluss v. 12.5.1998, 4 M 2072/98, Rn.14).
Erreichbar ist die entsprechende zumutbare Ausbildungsstätte nur dann, wenn der Auszubildende durch den Zeitaufwand für den Weg dorthin nicht unzumutbar belastet wird. Maßgeblich ist die durchschnittliche tägliche Wegzeit. Eine Ausbildungsstätte ist nicht zumutbar, wenn der Auszubildende bei Benutzung der günstigsten öffentlicher Verkehrsmittel mindestens an drei Wochentagen für Hin- und Rückfahrt eine Wegzeit von insgesamt mehr als zwei Stunden benötigt. Hierzu gehören auch die notwenigen Wartezeiten vor und nach dem Unterricht (VG Dresden, Beschluss v. 15.1.2009, 5 L 1610/08; Ramsauer / Stallbaum / Sternal, § 2 Rn. 62).
Vorliegend wohnen die Eltern der Antragstellerin in der S-Straße in F. Die R-DP-Schule befindet sich im S-Weg in F. Beide Orte sind laut Routenplaner im Internet: 30,06 Km voneinander entfernt. Die schnellste Verbindung mit dem Bus braucht eine Stunde reine Fahrtzeit.
Stellt man allein auf die R-DP-Schule ab, ist die Schule von der Wohnung der Eltern nach summarischer Prüfung nicht erreichbar, so dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem BAföG bestünde. In der Verwaltungsakte der Antragsgegnerin befindet sich ein Vermerk von Herrn N. (Bl. 127 der Akte), der zu dem Ergebnis kommt, dass ein BAföG Anspruch bestehe, da die Fahrtzeit für Hin- und Rückfahrt inklusive Wartezeit mit dem Bus zwei Stunden und 9 Minuten betragen würde.
Allerdings muss sich die Antragstellerin, wie der Wortlaut des § 2 Abs. 1a S.1 Nr.1 BAföG zeigt, auch auf andere "entsprechende zumutbare Ausbildungsstätten" verweisen lassen (vgl. insoweit auch VG Dresden, Beschluss v. 15.1.2009, 5 L 1610/08). Eine Verweisung auf eine andere Fachoberschule ist vorliegend möglich.
Zu dem gleichen Ergebnis kommt Frau Z. vom Amt für Ausbildungsförderung. Aus einem Aktenvermerk über ein Telefongespräch am 20.12.2008 in der Verwaltungsakte geht hervor, dass die Eltern bis zur Volljährigkeit das Sorgerecht für die Antragstellerin hatten und dass der Weg zur nächstgelegenen Fachoberschule in Z. keine Stunde betrage. Daher komme ein Anspruch auf BAföG-Leistungen nicht in Betracht (Bl. 66 der Verwaltungsakte). Zu diesem Ergebnis kommt auch das Gericht im Rahmen einer Internet-Recherche bei "Bahn.de". Ein Bus von F-Mitte benötigt bis S. in S-Z lediglich 28 Minuten.
Das Gericht hat weiterhin im Rahmen einer eigenen Internetrecherche festgestellt, dass die Beruflichen Schulen S-Z auch den Bildungsgang Fachoberschule mit dem Schwerpunkt "Wirtschaft/Verwaltung" anbieten. Auf die Internetseite der Beruflichen Schulen S-Z wird verwiesen.
Das Gericht geht daher davon aus, dass ein Anspruch auf Leistungen nach dem Bundesausbildungsgesetz gemäß § 2 Abs. 1a Nr.1 BAföG nicht besteht. Die Antragstellerin kann von der Wohnung ihrer Eltern eine zumutbare Ausbildungsstätte erreichen.
Da es der Antragstellerin zumutbare wäre, bei ihren Eltern zu wohnen und der Ausschluss der Leistungen nach § 2 Abs. 1a BAföG eingreift, kommt die Ausnahmevorschrift des § 7 Abs. 6 Nr.1 SGB II zur Anwendung, die den Ausschluss der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 5 SGB II aufhebt (vgl. insoweit auch: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 24.01.2008, L 26 B 60/08 AS ER, L 26 B 61/08 AS PKH, Rn. 7; LSG Niedersachsen-Bremen, 14.02.2006, L 9 AS 19/06 ER; LSG NRW, Beschluss v. 8.10.2007, L 1 B 9/07 AS ER, Rn. 23 ff.; SG Duisburg, Beschluss v. 5.3.2007, S 10 (2) AS 300/06 ER, Rn. 23; SG Hamburg, Beschluss v. 21.4.2005, S 51 AS 219/05 ER; Hackethal, Juris-Praxis Kommentar, SGB II, Stand 12.2.2008, § 7 Rn. 68; Hähnlein in: Gagel (Hrsg.), SGB III mit SGB II, Stand Juni 2008, § 7 Rn. 93; Brühl / Schoch in: LPK – SGB II, § 7 Rn. 105; s. auch: Niewald in: LPK-SGB XII, 8. A. 2008, § 22 Rn. 39).
Von der Verweisbarkeit der Antragstellerin auf die Beruflichen Schulen S. ist offenbar zunächst auch die Antragsgegnerin ausgegangen, da sie der Antragstellerin nach dem Telefonat mit Frau Z. von der BAföG Stelle am 22.12.2008, mit Bescheid vom 23.12.2008 Leistungen nach dem SGB II bewilligte (Bl. 70a der Verwaltungsakte). Insoweit ist für das Gericht nicht erkennbar, weshalb die Antragsgegnerin inzwischen zu einer anderen Entscheidung gelangt ist.
Da die Antragstellerin am 30.04.2009 aus ihrer Wohnung ausgezogen ist und vorübergehend von ihren Pflegeeltern aufgenommen wurde, ist die aufschiebende Wirkung ab dem 01.05.2009 nur noch hinsichtlich der Regelleistung, nicht aber bezüglich der Kosten der Unterkunft, anzuordnen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Antragsgegnerin den Umzug der Antragstellerin durch die Leistungseinstellung faktisch erzwungen hat, erscheint es dem Gericht billig, der Antragsgegnerin die gesamten Kosten – trotz teilweisen Obsiegens – aufzuerlegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved