S 29 KR 1075/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Köln (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 29 KR 1075/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 18/11 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Auf die Widerklage hin wird die Klägerin verurteilt, 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an die Beklagte zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Widerklage trägt die Klägerin. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungsleistungen, insbesondere über die Frage, ob die Beklagte eine stationäre Behandlung als neue Diagnosis Related Groups (DRG) nach dem Fallpauschalenkatalog 2009 abrechnen durfte oder eine Fallzusammenführung aus einer zuvor erfolgten Behandlung hätte vornehmen müssen.

Die Beklagte ist Trägerin des Kreiskrankenhauses xxxxxxxxxx, dass in den Krankhausplan des Landes Nordrhein-Westfalen aufgenommen ist. Der bei der Klägerin versicherte xxxxxxxxxxxx (im Folgenden: der Versicherte) wurde im Zeitraum vom xxxxxxxxx bis zum xxxxxxxxx (im Folgenden: Behandlungsabschnitt I) und vom xxxxxxxxxxx bis zum xxxxxxxxxx (im Folgenden: Behandlungsabschnitt II) in der Klinik für Visceral-, Thorax- und Gefäßchirurgie behandelt.

Im Behandlungsabschnitt I wurde der Versicherte auf Einweisung der Ärzte für Allgemeinmedizin xxxxxxxxxxxxxxxxxxxx und xxxxxx wegen einer klinisch nachgewiesenen Leistenhernie links stationär in das Krankenhaus der Beklagten aufgenommen. Im Entlassungsbericht vom xxxx führten die behandelnden Ärzte xxxxxx und xxxxxxx aus, dass im Verlauf der stationären Aufnahme am xxxxx eine endoskopische Hernienoperation (TEP) mit Netz-Implantation links komplikationslos durchgeführt worden sei. Postoperativ sei die Behandlung komplikationslos verlaufen. Zum Entlassungszeitpunkt wurde eine körperliche Schonung für 1 Woche aufgegeben. Der Wundverschluss sollte bis zur Entfernung am achten postoperativen Tag nicht gewechselt werden.

Unter dem xxxxxxxxx kam es zu einer notfallmäßigen Vorstellung des Versicherten bei der Beklagten. Privatdozent Dr. xxxx berichtete über den stationären Aufenthalt des Versicherten im Behandlungsabschnitt II im Entlassungsbrief vom xxxx und gab an, dass der Versicherte sich bis zum xxxxxxx in stationärer Behandlung wegen eines ausgedehnten Hämatoms bis weit in das Skrotalfach reichend nach endoskopischer Herniotomie befunden habe. Unter konservativen Maßnahmen mit lokaler physikalischer Therapie und i.v. Antibiose, bei liegendem Netz, sei die Schwellung deutlich rückläufig. Das Hämatom im Skrotalfach sei nahezu komplett resorbiert. In der Leiste sei noch eine wulstige pralle Resistenz vorhanden, die jedoch tendenziell auch gut rückläufig sei.

Mit Schreiben vom xxxxxxx stellte die Beklagte der Klägerin den stationären Aufenthalt im Behandlungsabschnitt I in Rechnung und wies folgende Entgelte aus:

DRG-Ziffer G 24 Z Eingriffe bei Bauchwandhernien, Nabelhernien und anderen Hernien, Alter ) 0 Jahre oder beidseitige Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter ) 0 Jahre und ( 56 Jahre oder Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter ) 55 Jahre 2.182,19 EUR Vorstationäre Chirurgie 0,00 EUR Zuschlag Qualitätssicherung 1,29 EUR Zuschlag für Gemeinsamen Bundesausschuss vollstationär 0,85 EUR Zuschlag für Verbesserung der Arbeitsbedingung 18,60 EUR Telematikzuschlag, vollstationär (§ 291a Abs. 7a i.V. mit 0,90 EUR Abs. 7 Satz 4 SGB V) Zuschlag für Erlösausgleiche nach § 5 Abs. 4 KHEntgG 112,01 EUR Pflegezuschlag nach § 4 Abs. 10 KHEntgG 16,08 EUR Zu- und Abschläge nach GMG und sonstige Zu- und -37,20 EUR Abschläge DRG Sys 1,03 EUR Eingriffe bei Bauchwandhernien, Nabelhernien und anderen -738,86 EUR Hernien, Alter ) 0 Jahre oder beidseitige Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter ) 0 Jahre und ) 56 Jahre oder Eingriffe bei Leisten- und Schenkelhernien, Alter ) 55 Jahre Zuschlag nach § 7 Nr. 4 KHEntgG 17,07 EUR

Gesamtsumme 1.528,96 EUR

Mit Schreiben vom xxxxxxxxx stellte die Beklagte den Behandlungsabschnitt II in Rechnung und führte folgende Positionen auf:

DRG-Ziffer X 62 Z Vergiftungen / Toxische Wirkungen von Drogen, 1.544,76 Medikamenten und anderen Substanzen oder Folgen einer medizinischen Behandlung Zuschlag Qualitätssicherung 1,29 EUR Zuschlag für Gemeinsamen Bundesausschuss vollstationär 0,85 EUR Zuschlag für Verbesserung der Arbeitsbedingungen 20,55 EUR Telematikzuschlag, vollstationär (§ 291a Abs. 7a i.V. mit 0,90 EUR Abs. 7 Satz 4 SGB V) Zuschlag für Erlösausgleiche nach § 5 Abs. 4 KHEntgG 123,74 EUR Pflegezuschlag nach § 4 Abs. 10 KHEntgG 17,76 EUR DRG Sys 1,03 EUR Zuschlag nach § 7 Nr. 4 KHEntgG 17,07 EUR

Gesamtsumme 1.727,95 EUR

Die Klägerin überwies am xxxxxx und xxxxxxxxxx die in den Rechnungsschreiben ausgewiesenen Beträge unter Vorbehalt und beanstandungsfrei an die Beklagte.

Mit Schreiben vom xxxxxxx bat die Klägerin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Nordrhein (MDK) um eine Überprüfung der Abrechnungen für den Behandlungsabschnitt I und II.

In seiner Stellungnahme vom xxxxxxx führte der MDK aus, dass die am xxxxxxx erfolgte stationäre Wiederaufnahme des Versicherten in kausalem Zusammenhang mit der am xxxxxxx durchgeführten Operation erfolgte und auf eine Komplikation zurückzuführen sei. Die Behandlungsfälle seien zusammenzuführen, da die Wiederaufnahme innerhalb der Grenzverweildauer des ersten Aufenthaltes erfolgt sei.

Mit Schreiben vom xxxxxx setzte die Klägerin die Beklagte über die Stellungnahme des MDK in Kenntnis und bat um Übersendung einer korrigierten Abrechnung und Gutschrift der bereits bezahlten Rechnungsbeträge.

Am xxxxxx wiedersprach die Beklagte der Stellungnahme des MDK. Sie führte aus, dass eine Wiederaufnahme wegen einer Komplikation nur dann vorliege, wenn es sich um eine in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallende Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung im Sinne eines Behandlungsverschuldens gehandelt habe. Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn es sich um unvermeidbare oder typische Nebenwirkungen einer Erkrankung und deren Behandlung handelt, Patienten das Krankenhaus gegen ärztlichen Rat zu früh verlassen oder sich nicht an ärztliche Verordnungen bzw. Empfehlungen halten. Im vorliegenden Fall sei ein Verschulden der Beklagten für die erneute Aufnahme nicht erkennbar. Eine Wiederaufnahme wegen einer Komplikation liege nicht vor. Beide Behandlungsfälle seien getrennt abzurechnen.

Am xxxxxxxxxxx nahm der MDK zu den Einwänden der Beklagten Stellung und verblieb bei seiner am xxxxxxx dargelegten Auffassung. Mit Schreiben vom xxxxxxxx und xxxxxxx forderte die Klägerin die Beklagte unter Bezugnahme auf die MDK-Stellungnahme vom xxxxxx auf, eine Überzahlung in Höhe von 1.848,78 EUR zu erstatten. Sie legte dar, dass Fälle, die keinesfalls zusammengelegt werden sollen, in § 2 Abs. 3 der Fallpauschalenvereinbarung 2009 (FPV 2009) extra benannt worden seien. Die DRG Sys, die von einer Fallzusammenführung ausgeschlossen seien, seien in der Spalte 13 des Fallpauschalenkatalogs ausgewiesen. Beide Sachverhalte seien vorliegend nicht einschlägig. Eine Komplikation, die sicher nicht im Verantwortungsbereich des Krankenhauses liege, könne nur vorliegen, wenn die Aufnahme vom Versicherten selbst, oder durch den die weitere Behandlung übernehmenden Arzt verursacht werde. Die Beklagte verweigerte mit Schreiben vom 29.09.2010 eine Erstattung.

Die Klägerin hat am xxxxxxx Klage erhoben. Sie vertritt die Ansicht, dass die eingetretene Komplikation nicht in den Verantwortungsbereich des Versicherten und des ambulant behandelnden Arztes falle. Die Behandlungsfälle seien somit zusammenzulegen. Ziel der Fallzusammenführung sei es, im Hinblick auf mögliche Komplikationen eine verfrühte Entlassung der Patienten zu vermeiden; zumindest keine finanziellen Anreize in dieser Richtung zu geben. Das Krankenkaus trage unter Bezugnahme auf die Begründung zu § 8 Abs. 5 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) (Bundestagsdrucksache 15/994, Seite 22) das Risiko von auftretenden Komplikationen. Stelle sich ein konkreter Behandlungsbedarf als spezifische Folge einer Erkrankung bzw. deren Behandlung dar, auf die sich der Behandlungsauftrag des Krankenhauses bereits während des vorangegangenen Krankenhausaufenthaltes erstreckt habe, so bleibe das Krankenhaus aufgrund desselben Behandlungsauftrags auch für die weitere Krankenhausbehandlung verantwortlich und habe innerhalb der Grenzverweildauer Anspruch auf eine einheitliche Pauschalvergütung. Mit dem Eintritt der Komplikation verwirkliche sich das spezifische Gesundheitsrisiko des Behandlungsfalles, das zu Bekämpfen das Krankenhaus gegen Zahlung der Fallpauschale beauftragt worden sei. Treffe dies auf Fälle unvorhergesehener atypischer Komplikationen zu, so müsse es für absehbare, behandlungstypische Nebenwirkungen erst recht gelten. Nur wenn die erneute Einweisung auf Umständen beruhe, die mit der früheren Behandlung in keinerlei Zusammenhang im Sinne direkter oder gemeinsamer Ursächlichkeit stehe, handele es sich um einen neuen Behandlungsfall, der zur Abrechnung einer weiteren Fallpauschale berechtige. Das Krankenhaus werde durch die Anwendung dieser Regelung nicht ungerechtfertigt aus Gründen benachteiligt, die außerhalb seiner Verantwortung liegen. Die Verantwortung des Krankenhauses werde durch den Auftrag zur Behandlung der Erkrankung bestimmt, welche die Veranlassung für den ersten Krankenhausaufenthalt gegeben oder auf die sich die Behandlung sonst erstreckt habe. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Sozialgerichts Koblenz vom 09.11.2010 (Az.: S 3 KR 364/09) sei es für die Vornahme einer Fallzusammenführung unerheblich, ob das Krankenhaus ein Verschulden am Eintritt der Komplikation treffe. Ungerechtfertigt wäre es, einen zusammenhängenden Krankheits- und Behandlungsfall innerhalb der Grenzverweildauer in zwei Behandlungsfälle aufzuspalten und dem Krankenhaus so einen Anreiz zu bieten, durch die – mehr oder weniger zufällige oder willkürliche – zwischenzeitliche Entlassung des Patienten eine weitere Fallpauschale geltend zu machen, obwohl der ursprüngliche Behandlungsfall im Ganzen betrachtet noch nicht abgeschlossen sei.

Die Klägerin hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.848,78 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 15.10.2010 zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom xxxxxxx hat die Klägerin den Klageantrag abgeändert und beantragt nunmehr, die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 388,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 15.10.2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen und – für den Fall der Klageabweisung – die Klägerin zu verurteilen, ihr 300,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Sie vertritt die Ansicht, dass eine bloße "conditio sine qua non" zwischen den beiden Krankenausaufenthalten den Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 FPV 2009 nicht eröffne. Der durch die Klägerin vertretene weite Ansatz sei mit dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 FPV 2009 nicht zu vereinbaren. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 17.06.2010 (Az.: B 3 KR 4/09 R) seien Vergütungsregelungen allgemein streng nach ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach dem systematischen Zusammenhang auszulegen, woraus folge, dass eine ausdrückliche Feststellung getroffen werden müsse, dass die eingetretene Komplikation in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses falle. Durch den MDK seien der Beklagten keine Gesichtspunkte mitgeteilt worden, die eine in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallende Komplikation belegen würden. Der Beklagten entziehe sich das Verhalten des Patienten oder eines weiteren Dritten im Rahmen des nicht (mehr) stationären Aufenthaltes. Die Beklagte habe weder Kenntnis des Verhaltens des Patienten noch seiner Lebensumstände. Auch seien keine Einflussmöglichkeiten der Beklagten auf die Patienten oder Dritte vorhanden. Vor diesem Hintergrund habe der Normgeber die grundsätzliche Entscheidung getroffen, dass zwei getrennte Krankenhausaufenthalte auch entsprechend abzurechnen seien. § 2 FPV 2009 enthalte keinen Auffangtatbestand. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des SG Landshut vom 26.05.2011 (Az.: S 1 KR 223/09) treffe die materielle Beweislast für das Vorliegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation die Klägerin. In Bezug auf die hilfsweise erhobene Widerklage sei es in Anbetracht des unbegründeten Klagebegehrens infolge der Prüfung durch den MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages gekommen, so dass der Beklagten seitens der Klägerin eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR zu entrichten sei.

Die Klägerin beantragt,

die Hilfswiderklage abzuweisen.

Sie führt aus, dass es in Anbetracht der Ausführungen des MDK zu einer Rechnungsminderung gekommen sei.

Das Gericht hat den Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Physikalische Therapie, Chirotherapie und Rheumatologie Dr. xxxxxxx zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens nach Aktenlage beauftragt. In seinem schriftlichen Gutachten vom xxxxxxxx diagnostizierte er beim Versicherten im Behandlungsabschnitt I eine Leistenhernie links und eine endoskopische Hernienoperation mit Netzimplantation links am xxxxx sowie – im Behandlungsabschnitt II – ein Hämatom nach endoskopischer Leistenhernienoperation links am xxxxxxx. In beiden Behandlungsabschnitten habe eine medizinische Indikation für eine stationäre Behandlung bestanden. Die am xxxxxxx erfolgte stationäre Wiederaufnahme und der damit verbundene erneute Behandlungsbedarf sei auf eine Komplikation zurückzuführen, die im ursächlichen Zusammenhang mit der im Zeitraum vomxxxxxxxxx bis xxxxxxxxx durchgeführten stationären Leistung zu sehen sei. Die eingetretene Komplikation sei in Auftreten und Ausmaß zum Zeitpunkt der Entlassung unter Berücksichtigung des im Behandlungszeitraum verfügbaren Wissens- und Kenntnistandes der verantwortlichen Krankenhausärzte objektiv medizinisch nicht vorhersehbar und vermeidbar gewesen. Normalerweise komme es nach totalendoskopischen Leistenhernienoperationen nicht zu Nachblutungen. Diese seien jedoch auch bei korrekter Technik nicht völlig auszuschließen. Im vorliegenden Falle handele es sich bei der Nachblutung um ein schicksalhaftes Geschehen. Ob sich der Versicherte nicht adäquat den ärztlichen Anordnungen entsprechend verhalten habe, könne nicht beurteilt werden.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte sowie die Behandlungsunterlagen des Versicherten für beide Behandlungsabschnitte haben vorgelegen und waren Gegenstand der Beratung der Kammer. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

1.) Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Die Klage ist als Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil es sich um einen Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis handelt, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen und die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R; BSG, Urteil vom 10.04.2008, Az.: B 3 KR 19/05 R; BSG, Urteil vom 20.11.2008, Az.: B 3 KN 4/08 KR R).

Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Erstattung überzahlter Vergütungen für die hier streitigen Krankenhausbehandlungen. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, einen Betrag i.H.v. 388,79 EUR zu erstatten. Die Beklagte hat der Klägerin ordnungsgemäß mit Schreiben vom 29.12.2009 1.528,96 EUR und mit Schreiben vom 06.01.2010 1.727,95 EUR in Rechnung gestellt.

Es wurde im Behandlungsabschnitt I eine als stationäre Behandlung abzurechnende Krankenhausleistung erbracht, die nach der Fallpauschale G 24 Z zu vergüten war. Im Behandlungsabschnitt II erfolgte eine entsprechende Behandlung, deren Abrechnung sich nach der Fallpauschale X 62 Z richtete. Der Aufenthalt war medizinisch notwendig; die Abrechnungen sind im Einzelnen unstreitig in richtiger Höhe erfolgt. Nach Auffassung der Kammer wurden die stationären Aufenthalte des Versicherten vom 23.12.2009 bis 24.12.2009 und vom 28.12.2009 bis 05.01.2010 von der Beklagten korrekt abgerechnet.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Beklagten aus den streitigen Abrechnungen ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie der Verordnung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2009 (FPV 2009).

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG entsteht die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unmittelbar mit der Inanspruchnahme einer Leistung durch den Versicherten (vgl. BSG, Urteil vom 17.05.2000, Az.: B 3 KR 33/99 R). Der Behandlungspflicht der zugelassenen Krankenhäuser im Sinne des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, der nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG), des KHEntgG und der Bundespflegesatzverordnung (BPflV) in der zwischen den Krankenkassen und dem Krankenhausträger abzuschließenden Pflegesatzvereinbarung festgelegt wird (§ 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, in den Nr. 1 bis 8 abschließend aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 9 KHEntgG). Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragspartner auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien (§ 11 KHEntG i.V.m. § 18 Abs. 2 KHG: Krankenhausträger und Sozialleistungsträger) einen Fallpauschalenkatalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge zu vereinbaren. Die Grundlage dieser Regelungen des KHEntgG findet sich in § 17 b KHG, auf den § 9 KHEntgG auch mehrfach Bezug nimmt. Nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG ist für die Vergütung der allgemeinen Krankenhausleistungen ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem einzuführen. Dieses hat nach § 17 b Abs. 1 Satz 2 KHG Komplexitäten und Comorbiditäten abzubilden; sein Differenzierungsgrad soll praktikabel sein. Mit den Entgelten nach Satz 1 werden die allgemeinen vollstationären und teilstationären Krankenhausleistungen für einen Behandlungsfall vergütet (§ 17 b Abs. 1 Satz 3 KHG). Nach § 17 b Abs. 2 Satz 1 KHG vereinbaren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam entsprechend den Vorgaben der Absätze 1 und 3 mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein Vergütungssystem, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG orientiert, seine jährliche Weiterentwicklung und Anpassung, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen, und die Abrechnungsbestimmungen, soweit diese nicht im KHEntgG vorgegeben werden. Gemäß § 17 b Abs. 6 Satz 1 KHG wurde dieses Vergütungssystem für alle Krankenhäuser verbindlich zum 01.01.2004 eingeführt. Der Fallpauschalenkatalog ist nach Fallgruppen (DRG) geordnet (zum Ganzen grundlegend BSG, Urteil vom 18.09.2008, Az.: B 3 KR 15/07 R; BSG, Urteil vom 25.11.2010, Az.: B 3 KR 4/10 R).

Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng nach ihrem Wortlaut, ergänzend auch noch nach systematischem Zusammenhang, auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2001, Az.: B 3 KR 1/01 R). Sofern sich in der Praxis erweist, dass es dabei zu Bewertungsunstimmigkeiten und sonstigen Ungereimtheiten kommt, ist es Aufgabe der Vertragspartner, die nunmehr dafür zuständig sind, dies durch Weiterentwicklung der Fallpauschalen- bzw. Sonderentgelt-Kataloge und der Abrechnungsbestimmungen zu beheben. Dem entspricht die Zurückhaltung der Rechtsprechung bei der Auslegung von Abrechnungsbestimmungen im vertragsärztlichen Bereich (vgl. BSG, Urteil vom 21.02.2002, Az.: B 3 KR 30/01 R).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze sind - entgegen der Auffassung der Klägerin - die Voraussetzungen für eine Fallzusammenführung nach § 2 Abs. 3 FPV 2009 nicht gegeben.

Nach § 8 Abs. 5 KHEntgG hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn Patienten, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer wieder aufgenommen werden (§ 8 Abs. 5 S. 1 KHEntgG). Näheres oder Abweichendes regeln die Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 S. 1 KHG oder eine Rechtsverordnung nach § 17b Abs. 7 KHG (§ 8 Abs. 5 S. 2 KHEntgG). In § 2 Abs. 3 FPV 2009 haben die Vertragsparteien die Vorgaben nach § 8 Abs. 5 KHEntgG ergänzt und abweichend geregelt, dass das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen hat, wenn Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wiederaufgenommen werden (§ 2 Abs. 3 S. 1 FPV 2009).

Vorliegend erfolgt die Wiederaufnahme des Versicherten am xxxxxxxx unstreitig innerhalb der oberen Grenzverweildauer von neun Behandlungstagen für die bei isolierter Betrachtung des ersten Krankenhausaufenthaltes maßgebliche DRG G 24 Z FPV 2009. Sie erfolgte zudem zweifelsfrei aufgrund einer Komplikation, da der durchschnittliche Ablauf des im Behandlungsabschnitt I durchgeführten ärztlichen Eingriffs gestört wurde (vgl. zum Komplikationsbegriff Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 260. Auflage 2004, Stichwort "Komplikation").

Die Wiederaufnahme beruhte allerdings nicht im Sinne der Regelung des § 2 Abs. 3 S. 1 FPV 2009 auf einer Komplikation, die "in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses" fiel.

Entgegen der Auffassung der Klägerin ist diese Regelung bei der gebotenen strengen Wortlautauslegung nicht bereits bei jeder Komplikation einschlägig, der eine Ursache-Folge-Verknüpfung zwischen der vom Krankenhaus durchgeführten Leistung und dem Eintritt einer zur Wiederaufnahme des Patienten führenden unerwünschten Folge zugrunde liegt (a.A. SG Koblenz, Urteil vom 09.11.2010, Az.: S 3 KR 364/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.08.2011, Az.: L 5 KR 248/10). Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft abzulegen. Verantwortung stellt das menschliche Handeln zwar in kausale Zusammenhänge (vgl. insoweit zutreffend LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.08.2011, Az.: L 5 KR 248/10); kann indes darauf nicht reduziert werden. Zwar müssen Kausalbeziehungen bei der Zuschreibung von Verantwortung berücksichtigt werden. So kann keine Person für Dinge verantwortlich gemacht werden, die ihrer kausalen Einflußsphäre prinzipiell entzogen sind. Die Zuschreibung personaler Verantwortung impliziert jedoch, über die Feststellung möglicher Kausalzusammenhänge hinaus, zusätzliche Annahmen der Zurechenbarkeit. Eine Handlung ist prinzipiell zurechenbar, sofern "Tatherrschaft" besteht, d.h. sofern die Handlung in der Gewalt des Einzelnen steht; sofern auch anders hätte gehandelt werden können. Der Eintritt eines Ereignisses, das auf äußeren Einfluss oder bloßen Zufall gründet, ist stets nicht zurechenbar und entzieht sich der Verantwortung (vgl. hierzu ausführlich unter Berufung auf den Verantwortungsbegriff nach Aristoteles Werner, in: Düwell/Hübenthal/Werner, Handbuch Ethik, 1. Auflage 2002, Kapitel "Verantwortung", S. 521 ff.). Übertragen auf den hier streitigen Zusammenhang einer Komplikation auf Grund einer durchgeführten medizinischen Behandlungsleistung besteht keine Verantwortung für die erfolgte Wiederaufnahme, wenn maßgeblich für die Komplikation ein nicht vom Krankenhaus zu vertretender Umstand ist. Unvermeidbare Nebenwirkungen, unvernünftiges Verhalten des Patienten nach der ersten Krankenhausentlassung oder ein fehlerhaftes Behandlungsverhalten des nach der ersten Krankenhausentlassung ambulant weiterbehandelnden Arztes entziehen sich der "Tatherrschaft" des Krankenhauses und fallen daher nicht in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses.

Unter Zugrundelegung dieser strengen Wortlautauslegung bleibt vorliegend offen, ob die Wiederaufnahme des Versicherten am xxxxxxxx auf eine Komplikation zurückzuführen ist, die in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fällt.

Nach den überzeugenden Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen Dr. Kutzner, denen die Kammer folgt, lässt sich ein entsprechender Nachweis nicht erbringen. Wie der gerichtliche Sachverständige ausführte, könne es zu einer Nachblutung kommen, die nicht unbedingt auf einen ärztlichen Kunstfehler zurückzuführen sei. Bei jeder Operation könne es infolge einer Lockerung von Gefäßligaturen zu Nachblutungen kommen. Diese seien auch bei korrekter Technik nicht völlig auszuschließen. Zum Entlassungstermin am xxxxxxxxx sei der Eintritt der Komplikation objektiv medizinisch nicht vorhersehbar und nicht vermeidbar gewesen. Auf einem ärztlichen Fehlverhalten beruhe sie nicht. Es habe sich bei der Nachblutung um ein schicksalhaftes Geschehen gehandelt. Ob sich der Versicherte nicht adäquat den ärztlichen Anordnungen verhalten habe, könne nicht gesagt werden.

Aus welchen Gründen es letztlich dennoch zur Nachblutung am dritten Tag nach der Entlassung aus dem Krankenhaus kam, lässt sich medizinisch nicht mehr aufklären. Letztlich handelt es sich um ein schicksalhaftes Ereignis, dessen Ursache nicht ermittelt werden kann. Die Folgen der Unerweislichkeit dieser Tatsachen trägt die Klägerin. Insoweit gilt der Grundsatz, dass jeder Beteiligte die Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, welche die von ihm geltend gemachte Rechtsfolge begründen (vgl. hierzu ausführlich SG Landshut, Urteil vom 26.05.2011, Az.: S 1 KR 223/09). Den Beweis, dass die Wiederaufnahme auf Umstände zurückzuführen ist, die in den Verantwortungsbereich des beklagten Krankenhauses fallen, konnte die Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht erbringen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Ursache für die Wiederaufnahme bereits beim ersten Krankenhausaufenthalt gesetzt wurde.

2.) Die nach § 100 SGG zulässige – hilfsweise erhobene - Widerklage ist begründet.

Die Beklagte hat einen Anspruch auf Zahlung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V i.H.v. 300,00 EUR sowie der geltend gemachten Verzugszinsen.

Die Krankenkassen sind nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V in den gesetzlich bestimmten Fällen oder wenn es nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, verpflichtet, bei Erbringung von Leistungen, insbesondere zur Prüfung von Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistung, sowie bei Auffälligkeiten zur Prüfung der ordnungsgemäßen Abrechnung, eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen.

Gemäß § 275 Abs. 1c SGB V ist bei einer Krankenhausbehandlung nach § 39 SGB V eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V zeitnah durchzuführen. Die Prüfung ist spätestens sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei der Krankenkasse einzuleiten und durch den MDK dem Krankenhaus anzuzeigen. Falls die Prüfung nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages führt, hat die Krankenkasse dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 EUR zu entrichten. Vorliegend führte die seitens der Klägerin eingeleitete Überprüfung - wie vorstehend dargelegt - nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages.

Die Aufwandspauschale ist mit einem Zinssatz in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Ansatz zu bringen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.05.2009, Az.: L 11 KR 5231/08).

3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

4.) Das Gericht hat die Sprungrevision gemäß § 161 Abs. 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. In der Rechtsprechung ist umstritten, wann im Anwendungsbereich des § 2 Abs. 3 S. 1 FPV 2009 eine Komplikation in den "Verantwortungsbereich des Krankenhauses" fällt.
Rechtskraft
Aus
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