L 1 KR 63/08

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 16 KR 414/07
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 63/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Kodierung der malignen Grunderkrankung (hier: Mammakarzinom) bei Folgebehandlungen (hier:
Brustrekonstruktion)

Für die Kodierung der malignen Grunderkrankung als Hauptdiagnose reicht es nicht, dass eine
Brustrekonstruktion infolge der operativen Entfernung der Brust wegen eines Mammakarzinoms erforderlich
wird. Vielmehr setzt die Kodierung des Mammakarzinoms als Hauptdiagnose bei einer stationären
Krankenhausbehandlung zur Brustrekonstruktion voraus, dass bezüglich der malignen Grunderkrankung
therapeutische und/oder diagnostische Maßnahmen notwendig sind und durchgeführt werden.
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 7. Mai 2008 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.345,33 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Vergütung für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung.

Bei einer Versicherten der beklagten Krankenkasse war im Februar 2003 wegen eines Mammakarzinoms eine Ablatio mammae rechts vorgenommen worden. Es folgten eine Radiochemotherapie und bis 2005 mehrere Versuche eines sekundären Brustaufbaus, durch die aber infolge postoperativer Komplikationen nur ein unzureichendes kosmetisches Ergebnis erzielt werden konnte. Zum erneuten Brustaufbau wurde die Versicherte vom 17.01.2006 bis zum 22.02.2006 in der Klinik für Plastische Chirurgie des Krankenhauses der Klägerin, das in den Krankenhausplan des Freistaates Sachsen aufgenommen ist, vollstationär behandelt.

Diese Krankenhausbehandlung rechnete die Klägerin gegenüber der Beklagten am 07.03.2006 auf der Grundlage der Fallpauschale für die Diagnosis Related Group (DRG) J01Z ab; dabei kodierte sie als Hauptdiagnose die ICD-10 (2006) C50.8 (Bösartige Neubildung der Brustdrüse, mehrere Teilbereiche überlappend) und als Nebendiagnose die ICD-10 (2006) T86.51 (Nekrose eines Hauttransplantats). Die Beklagte bezahlte unter Vorbehalt und beanstandete mit Schreiben vom 23.03.2006 unter Berufung auf eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 21.03.2006 die Abrechnung; zutreffenderweise hätte die Komplikation (T86.51) als Hauptdiagnose und die Tumorerkrankung (C50.8) als Nebendiagnose kodiert werden müssen, woraus sich die DRG-Fallpauschale A60B ergebe. Gegen diesen Wechsel der Hauptdiagnose wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 22.05.2006: Es habe sich um eine Folgebehandlung nach Mammakarzinom gehandelt; die Versicherte sei wegen der mehrfach fehlgeschlagenen Rekonstruktionsversuche, nicht aber wegen einer Komplikation der vorangegangenen Eingriffe vorstellig geworden. Die Beklagte holte ein MDK-Gutachten vom 02.06.2006 ein, wonach im vorliegenden Fall nicht die Kodierrichtlinie 0201e anzuwenden, sondern nach der Kodierrichtlinie D002d zu verfahren sei, weil bei bekannter Grunderkrankung ausschließlich der aktuelle Krankheitszustand (Folgezustand nach Malignomtherapie) behandelt worden sei; dieser Zustand wäre zwar besser mit der ICD-10 (2006) T86.88 (Versagen und Abstoßung sonstiger transplantierter Organe und Gewebe) beschrieben, was aber weiterhin zur DRG-Fallpauschale A60B führte. Die Beklagte machte sich diese Auffassung zu Eigen und setzte am 13.09.2006 den Differenzbetrag zur DRG-Fallpauschale J01Z von 1.345,33 EUR von unstreitigen Forderungen der Klägerin ab.

Die Klägerin hat am 24.08.2007 beim Sozialgericht Dresden (SG) diesen noch offenen Differenzbetrag nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2006 eingeklagt und geltend gemacht, die Kodierung der Tumorerkrankung als Hauptdiagnose sei korrekt. Ohne die wegen dieser Erkrankung notwendige Ablatio mammae wären die gesamten Rekonstruktionsoperationen zum Aufbau der rechten Brust nicht erforderlich gewesen.

Die Beklagte hat ein MDK-Gutachten vom 07.11.2007 vorgelegt, wonach entscheidend sei, dass die Versicherte nicht aufgrund der bösartigen Erkrankung oder ihrer direkten Folgen stationär aufgenommen worden sei, sondern aufgrund des unzureichenden kosmetischen Ergebnisses nach frutstran erfolgten sekundären Brustaufbauten und damit aufgrund von Komplikationen.

Mit Gerichtsbescheid vom 07.05.2008 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung weiterer 1.345,33 EUR. Aus den zugrunde zu legenden Kodierrichtlinien ergebe sich eindeutig, dass als Hauptdiagnose nicht die Tumorerkrankung zu kodieren sei. In der Kodierrichtlinie D002d werde unter "Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose" ausgeführt: Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstelle und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt sei, jedoch nur das Symptom behandelt werde, sei das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren; die zugrunde liegende Krankheit sei anschließend als Nebendiagnose zu kodieren. Im vorliegenden Fall sei bei der Aufnahme die zugrunde liegende Tumorerkrankung bekannt gewesen. Behandelt worden sei nicht diese als solche, sondern lediglich das unhaltbare kosmetische Ergebnis der bisherigen Rekonstruktionsversuche, also der Folgezustand als Symptom. Damit sei lediglich dieses behandelte Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer am 13.06.2008 eingelegten Berufung. Die Rekonstruktion der Brust sei keineswegs ein aus der Tumorerkrankung resultierendes Symptom, das als Hauptdiagnose zu kodieren sei. Vielmehr sei nach der Kodierempfehlung Nr. 106 des MDK beim Brustaufbau der Malignom-Kode zu verwenden, auch wenn in einem gesonderten Krankenhausaufenthalt die Folgen der Malignom-Entfernung behandelt würden. Dies entspreche der Kodierrichtlinie 0201e.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 7. Mai 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.345,33 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 14. September 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Krankenhausbehandlung habe ausschließlich auf die Korrektur des unzureichenden kosmetischen Ergebnisses abgezielt. Die maligne Grunderkrankung oder deren direkte Folgen seien nicht behandelt worden. Die Kodierrichtlinie 0201e sei nicht anzuwenden. Vielmehr sei nach der Kodierrichtlinie D002d zu verfahren.

Dem Senat haben die Gerichtsakten beider Rechtszüge, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Patientenakten der Klägerin vorgelegen. Hierauf und auf die in den Gerichtsakten enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten sowie den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten hat der Berichterstatter anstelle des Senats als Einzelrichter entschieden (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Die Berufung der Klägerin ist unbegründet.

Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen.

Die Beklagte durfte von unbestrittenen Vergütungsforderungen der Klägerin aus anderen Behandlungsfällen zwecks Aufrechnung (zu deren Zulässigkeit und Voraussetzungen: Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 22.07.2004 - B 3 KR 21/03 R - BSGE 93, 137 = SozR 4-2500 § 137c Nr. 2, jeweils Rn. 7; Urteil vom 12.05.2005 - B 3 KR 18/04 R - SozR 4-5565 § 14 Nr. 8 Rn. 8; Urteil vom 30.06.2009 - B 1 KR 24/08 R - BSGE 104, 15 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 17, jeweils Rn. 11) mit ihrer öffentlich-rechtlichen Erstattungsforderung 1.345,33 EUR absetzen. Die Beklagte hat Anspruch auf Erstattung dieses Geldbetrages, den sie der Klägerin zuvor ohne Rechtsgrund lediglich unter dem Vorbehalt der Nachprüfung für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten vom 17.01.2006 bis 22.02.2006 bezahlt hatte. Denn für diesen Behandlungsfall hatte die Klägerin keinen Vergütungsanspruch nach Maßgabe der DRG-Fallpauschale J01Z, sondern durfte nur die um 1.345,33 EUR geringere Vergütung nach der DRG-Fallpauschale A60B verlangen.

Rechtsgrundlage des im Kern streitigen restlichen Vergütungsanspruchs der Klägerin für die Behandlung der Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Satz 1 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG), § 1 Fallpauschalenvereinbarung 2006 (FPV 2006) sowie Anlage 1 der FPV 2006, jeweils in der im Behandlungszeitraum geltenden Fassung. Denn der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe gemäß § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V nach Maßgabe des KHG, des KHEntgG und, sofern das Krankenhaus nicht in das DRG-Vergütungssystem einbezogen ist, der Bundespflegesatzverordnung (vgl. dort § 1 Abs. 1) vertraglich abschließend festgelegt wird (siehe nur BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 12/08 R - BSGE 105, 150 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 20, jeweils Rn. 8 f.; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 3/08 KR R - BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 15, jeweils Rn. 15; Urteil vom 16.12.2008 - B 1 KN 1/07 KR R - BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13, jeweils Rn. 11; Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 Rn. 12; Urteil vom 12.06.2008 - B 3 KR 19/07 R - BSGE 101, 33 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 9, jeweils Rn. 19).

Bei Krankenhäusern, die – wie dasjenige der Klägerin – dem DRG-Vergütungssystem unterliegen (vgl. § 17b Abs. 1 Satz 1 KHG), werden gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 KHEntgG die allgemeinen Krankenhausleistungen gegenüber den Patienten oder ihren Kostenträgern mit verschiedenen, dort aufgezählten Entgelten abgerechnet. Hier geht es um die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 9 KHEntgG). Diese Fallpauschalen einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelte oder vorzunehmenden Abschläge haben nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutschen Krankenhausgesellschaft zu vereinbaren. Bei der Vereinbarung sind die Vorgaben des § 17b Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 KHG zu beachten, wonach ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem auf der Grundlage von DRG einzuführen und jährlich weiterzuentwickeln sowie anzupassen ist, insbesondere an medizinische Entwicklungen, Kostenentwicklungen, Verweildauerverkürzungen und Leistungsverlagerungen zu und von anderen Versorgungsbereichen. Für das hier im Streit stehende Jahr sind die Vertragsparteien diesem Regelungsauftrag mit dem Fallpauschalenkatalog in Anlage 1 der FPV 2006 nachgekommen.

Der Fallpauschalenkatalog ist nach DRG geordnet. Dabei erfolgt die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG in zwei Schritten: Zunächst werden die Diagnosen nach der Internationalen Klassifikation für Krankheiten (ICD) in der vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) herausgegebenen deutschen Fassung und die Behandlung nach dem ebenfalls vom DIMDI herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 SGB V). Sodann werden in einem zweiten Schritt anhand dieser Kodes mithilfe eines vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) zertifizierten Software-Programms (Goupers) die DRG-Fallpauschale sowie die dafür zu zahlende Vergütung errechnet.

Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung (Kodierung) haben die erwähnten Vertragsparteien (Deutsche Krankenhausgesellschaft, Spitzenverbände der Krankenkassen und Verband der privaten Krankenversicherung) auf der Grundlage von § 17b Abs. 2 KHG und von § 1 Nr. 5 der hierauf beruhenden Vereinbarung vom 30.06.2000 über die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems (abrufbar unter http://www.gkv-spitzenverband.de/upload/Vereinbarung 17 b KHG 020800 1131.pdf) mit den jährlich aktualisierten Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) einheitliche Kodierregeln für die Dokumentation der diagnosen-, prozeduren- und sonstiger gruppierungsrelevanter Merkmale aufgestellt; diese Kodierrichtlinien bilden zugleich die Grundlage für die Kalkulationen und die Anpassung des pauschalisierten Vergütungssystems einschließlich der dafür erforderlichen Datenerhebung. Maßgebend für den vorliegenden Behandlungsfall sind die DKR Version 2006.

Ausgehend hiervon war die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten vom 17.01.2006 bis zum 22.02.2006 nicht nach der von der Klägerin abgerechneten DRG-Fallpauschale J01Z, sondern nach der DRG-Fallpauschale A60B zu vergüten. Denn als Hauptdiagnose war nicht die maligne Grunderkrankung (Mammakarzinom) zu kodieren, sondern der Folgezustand nach der Malignomtherapie (Versagen des zur Brustrekonstruktion transplantierten Gewebes).

Nach der allgemeinen Kodierrichtlinie DKR D002d darf eine bekannte Grunderkrankung – wie hier das Mammakarzinom – nur dann als Hauptdiagnose kodiert werden, wenn diese Krankheit auch behandelt wird. Dies ergibt sich aus den Ausführungen in der DKR D002d unter "Zuweisung der zugrunde liegenden Krankheit als Hauptdiagnose", wonach die Grunderkrankung als Hauptdiagnose zu kodieren ist, wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist und behandelt wird bzw. während des Krankenhausaufenthaltes diagnostiziert wird. Ergänzend heißt es in der DKR D002d unter "Zuweisung eines Symptoms als Hauptdiagnose": Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Krankheit zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, jedoch nur das Symptom behandelt wird, ist das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren; die zugrunde liegende Krankheit ist anschließend als Nebendiagnose zu kodieren. Die demnach maßgebliche Voraussetzung für die Kodierung einer bekannten Grunderkrankung als Hauptdiagnose, nämlich die Behandlung der Grunderkrankung, war im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Denn während des streitigen stationären Aufenthaltes der Versicherten im Krankenhaus der Klägerin wurden bezüglich der malignen Grunderkrankung weder therapeutische noch diagnostische Maßnahmen durchgeführt; vielmehr beschränkte sich die ausschließlich in der Klinik für Plastische Chirurgie dieses Krankenhauses durchgeführte Behandlung auf die Korrektur des unhaltbaren kosmetischen Ergebnisses der bisherigen Rekonstruktionsversuche.

Aus den speziellen Kodierrichtlinien ergibt sich nicht, dass die bekannte maligne Grunderkrankung gleichwohl als Hauptdiagnose zu kodieren war. Allerdings heißt es in dem spezifischen Kapitel für Tumorerkrankungen in der DKR 0201e unter "Auswahl und Reihenfolge der Kodes": "Der Malignom-Kode ist als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Behandlung der bösartigen Neubildung und zu notwendigen Folgebehandlungen (z.B. Operationen, Chemo-/Strahlentherapie, sonstige Therapie) sowie zur Diagnostik (z.B. Staging) anzugeben, bis die Behandlung endgültig abgeschlossen ist, also auch bei den stationären Aufenthalten, die beispielsweise auf die chirurgische Entfernung eines Malignoms folgen." Demnach kann die malignome Grunderkrankung auch bei Folgebehandlungen als Hauptdiagnose kodiert werden. Diese Folgebehandlungen müssen aber nicht nur (medizinisch) notwendig sei, sondern auch der Malignomtherapie und/oder -diagnostik dienen. Die Erwähnung von "notwendigen Folgebehandlungen" nach der "Behandlung der bösartigen Neubildung" in der DKR 0201e ist nicht als Gegenüberstellung, sondern als Ergänzung zu verstehen. Mit dem zitierten Satz bringt die DKR 0201e zum Ausdruck, dass die maligne Grunderkrankung als Hauptdiagnose für jeden Krankenhausaufenthalt zur Malignombehandlung bis zu deren endgültigem Abschluss anzugeben ist. Dass dementsprechend auch die Folgebehandlungen die maligne Grunderkrankung betreffen müssen, zeigt auch der Satz, der dem zitierten Satz in der DKR 0201e folgt: "Denn obwohl das Malignom operativ entfernt worden ist, wird der Patient nach wie vor wegen des Malignoms behandelt." Damit wird nicht nur eine Begründung für die Einbeziehung von Folgebehandlungen gegeben, sondern zugleich verdeutlicht, was die einbezogenen Folgebehandlungen kennzeichnet: dass auch sie der Therapie und/oder Diagnostik der malignen Grunderkrankung dienen. Zudem bestimmt die DKR 0201e am Ende des Abschnitts über "Auswahl und Reihenfolge der Kodes": "Wenn sich ein Patient mit einem Symptom vorstellt und die zugrunde liegende Erkrankung zum Zeitpunkt der Aufnahme bekannt ist, ist das Symptom als Hauptdiagnose zu kodieren, sofern ausschließlich das Symptom behandelt wird." Es genügt also – wie nach der allgemeinen Kodierrichtlinie DKR D002d – nicht, dass ein Folgezustand nach einer Tumorerkrankung bzw. -behandlung eine Krankenhausaufnahme erforderlich macht. Vielmehr muss auch die maligne Grunderkrankung und nicht allein der Folgezustand behandelt werden. Bestätigt wird dies durch eine spätere Ergänzung der speziellen Kodierrichtlinie für Malignome. Seit der Version 2008 (DKR 0201j) heißt es dort nach den ersten beiden oben zitierten Sätzen: "War der Aufnahmegrund weder die maligne Erkrankung noch die Chemo-/Strahlentherapie, so ist die Hauptdiagnose gemäß DKR D002 Hauptdiagnose (Seite 4) zu wählen." Damit ist keine inhaltliche Änderung vorgenommen worden, sondern nur präzisiert worden, was sich bereits vorher aus dem Wortlaut dieser Kodierrichtlinie (zu dessen Maßgeblichkeit: BSG, Urteil vom 18.09.2008 - B 3 KR 15/07 R - SozR 4-2500 § 109 Nr. 11 Rn. 18) ergab: dass nämlich allein bei Behandlungen, die der Malignomtherapie und/oder -diagnostik dienen, die malignome Grunderkrankung als Hauptdiagnose zu kodieren ist.

Nach der DKR 0201e reicht es also für die Kodierung der malignen Grunderkrankung als Hauptdiagnose nicht, dass eine Brustrekonstruktion infolge der operativen Entfernung einer Brust (Ablatio mammae) wegen eines Mammakarzinoms erforderlich wird. Vielmehr setzt die Angabe des Mammakarzinoms als Hauptdiagnose bei einem Krankenhausaufenthalt zur Brustrekonstruktion voraus, dass bezüglich der malignen Grunderkrankung therapeutische und/oder diagnostische Maßnahmen medizinisch notwendig sind und durchgeführt werden. Dies ist bei einem Brustaufbau während des primären Eingriffs, mithin unmittelbar nach der Ablatio mammae, immer der Fall. Wird aber die Brustrekonstruktion sekundär nach Abschluss der Radio- und Chemotherapie durchgeführt, muss zumindest eine Kontrolle des Restgewebes der betroffenen Brust auf Resttumore, Metastasen oder Tumorrezidive erforderlich sein und stattfinden. Dies war bei dem hier streitigen sekundären Brustaufbau nach mehreren fehlgeschlagenen Rekonstruktionsversuchen nicht der Fall.

Schließlich besteht – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch kein Widerspruch zu den Kodierempfehlungen des MDK (abrufbar unter http://www.mdk.de/1534.htm). Zwar ist nach der Kodierempfehlung Nr. 106 bei einem sekundären Brustaufbau nach Ablatio mammae und anschließender Chemotherapie das Mammakarzinom als Hauptdiagnose zu verschlüsseln. Doch setzt dies die Durchführung von therapeutischen und/oder diagnostischen Maßnahmen bezüglich der malignen Grunderkrankung voraus. Denn nach der Kodierempfehlung Nr. 348 ist selbst bei Krankenhausaufnahme wegen bestehender Restdefekte im Sinne einer sekundären Wundheilung außerhalb der oberen Grenzverweildauer des sekundären Brustaufbaus nicht (mehr) die maligne Grunderkrankung als Hauptdiagnose zu kodieren, da nicht mehr diese, sondern (nur noch) der Folgezustand Aufnahmegrund ist. Gleiches gilt nach der Kodierempfehlung Nr. 349 beim ästhetisch und funktionell unzureichenden Ergebnis einer brusterhaltenden Operation. Da die Kodierempfehlungen für den vorliegenden Fall eines erneuten sekundären Brustaufbaus nach mehreren fehlgeschlagenen Rekonstruktionsversuchen die Kodierung des Mammakarzinoms als Hauptdiagnose nicht nahelegen, kann offen bleiben, ob ein Krankenhaus aus einer Kodierempfehlung des MDK überhaupt Rechte herleiten kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 2, § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.

Dr. Wahl Richter am LSG
Rechtskraft
Aus
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