L 5 KR 49/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 10 KR 388/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 49/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Bei der vor- und nachstationäre Behandlung gemäß § 115a SGB V handelt es sich um eine Leistungserbringung eigener Art. Sie ist Teil der Krankenhausbehandlung und stationäre Behandlung im weiteren Sinne.
2. Fehlt es an einer Verordnung von Krankenhausbehandlung, liegen die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch als vorstationäre Behandlung nach § 115a SGB V nicht vor.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. April 2011 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 854,34 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des bei der Beklagten versicherten U. K. (im Folgenden: Versicherter) im September 2003.

Die Klägerin betreibt ein Krankenhaus in R ... Der Versicherte wurde dort nach einem Sturz am 5. September 2003 auf der Haustreppe mit einem Rettungswagen eingeliefert. Nach der Einsatzdokumentation Rettungsdienst hatte er eine Platzwunde am Hinterkopf und Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule. Er war mit einer Schienung der Halswirbelsäule versorgt worden und im Übrigen bei vollem Bewusstsein und unauffälligem Blutdruck. Bei seiner Aufnahme klagte er über starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule. Neurologische Ausfälle wurden nicht dokumentiert. Im Krankenhaus wurden ein Röntgenbild und anschließend eine Computertomografie (CT) der Halswirbelsäule angefertigt. Diese ergab einen unauffälligen Befund. Daraufhin wurde der Versicherte mit einer Schanz-Krawatte versorgt und auf die Station aufgenommen. Nach seiner Entlassung am 7. September 2003 forderte die Klägerin für die Behandlung von der Beklagten mit Rechnung vom 18. September 2003 1.667,69 EUR unter Zugrundelegung der DRG 168B (nicht operativ behandelte Erkrankungen und Verletzungen im Wirbelsäulenbereich). Die Beklagte zahlte den Betrag zunächst in voller Höhe und verrechnete ihn schließlich am 19. Mai 2004 mit einer anderen zwischen den Beteiligten unstreitigen Forderung. Der Verrechnung lag das Sozialmedizinische Gutachten des MDK Schleswig-Holstein (C. Voß) vom 12. Mai 2004 zugrunde, in dem dieser zu dem Ergebnis einer primären Fehlbelegung kam. Bei der Schmerzsymptomatik handele es sich um ein normales Beschwerdebild im Rahmen einer Halswirbelsäulendistorsion. Auch die Anlage eines Halsstützverbandes rechtfertige nicht zwingend eine vollstationäre Behandlung.

Die Klägerin hat am 30. Dezember 2008 Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben. Das Sozialgericht hat von der Chirurgin Dr. H. das schriftliche Gutachten vom 24. November 2010 und die ergänzende Stellungnahme vom 28. März 2011 eingeholt. Die Klägerin verweist darauf, dass der Versicherte mit schweren Schmerzmitteln behandelt worden sei. Das Gutachten sei unwissenschaftlich.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie, die Klägerin, 1.667,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. Mai 2004 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie sieht sich durch das Gutachten bestätigt.

Das Sozialgericht hat die Sachverständige in der mündlichen Verhandlung vom 14. April 2011 ergänzend angehört und mit Urteil vom gleichen Tag die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 854,34 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 19. Mai 2004 zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Bei der Abrechnung habe die Klägerin zu Recht die DRG 168B zugrunde gelegt, allerdings sei die stationäre Behandlung nur am 5. September 2003 erforderlich gewesen, und zwar bis zu der Auswertung der CT-Bilder an diesem Tag. Die Einschätzung, ob eine stationäre Behandlung erforderlich sei, sei vom aufnehmenden Krankenhausarzt gemäß § 39 Abs. 1 des Fünften Sozialgesetzbuches (SGB V) unmittelbar beim Eintreffen des Patienten im Krankenhaus zu treffen. Das Gesetz selbst bestimme nicht den Umfang der Prüfung und den Zeitpunkt. Eine Prüfung erst nach Durchführung mehrerer Behandlungen sei nicht nachvollziehbar. Entsprechend stelle der aufnehmende Arzt den erforderlichen Behandlungsplan anhand des vorläufigen Behandlungsziels unmittelbar bei Erstkontakt auf. Das gelte auch dann, wenn die weitere Diagnostik zu dem Ergebnis komme, dass eine stationäre Behandlung nicht mehr erforderlich sei. Vor diesem Hintergrund habe für den aufnehmenden Arzt der begründete Verdacht eines Bruchs des Halswirbelsäulenkörpers bestanden. Damit habe zu diesem Zeitpunkt festgestanden, dass die weitere Diagnostik unter stationären Bedingungen zu erfolgen habe. Sowohl für das Röntgen als auch für die nachfolgende Computertomografie sei der Versicherte liegend zu transportieren gewesen. Erst als festgestanden habe, dass kein Bruch der Halswirbelsäule vorgelegen habe, habe man den Behandlungsplan anpassen und den Versicherten ambulant weiterbehandeln können. Da dies am gleichen Tag der Einlieferung geschehen sei, reduziere sich der Leistungsanspruch der Klägerin auf den Betrag von 854,34 EUR, den die Kammer mittels des Webgroupers der Universität Münster ermittelt habe.

Gegen dieses ihr am 2. Mai 2011 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten, eingegangen beim Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) am 16. Mai 2011. Der Begründung des Sozialgerichts, so die Beklagte, könne nicht gefolgt werden. Die Aufnahmeuntersuchung stelle die Prüfung des Krankenhauses im Sinne des § 39 SGB V dar. Das Ergebnis habe ergeben, dass eine stationäre Behandlung nicht erforderlich gewesen sei. Damit seien die Voraussetzungen einer Kostenübernahme als stationäre Behandlung nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 14. April 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es auf die fachlich einwandfreie Einschätzung des behandelnden Krankenhausarztes an. Für die Entscheidung des Krankenhausarztes sei allein maßgebend, ob nach seinem damaligen Kenntnisstand vertretbar gewesen sei, eine solche stationäre Behandlung durchzuführen. Das sei nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. H. eindeutig der Fall, da für den aufnehmenden Arzt der begründete Verdacht des Bruchs eines Halswirbelkörpers vorgelegen habe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Krankenakte des Versicherten und die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Streitig ist im Berufungsverfahren allein noch der Vergütungsanspruch bezogen auf die Behandlung des Versicherten am 5. September 2003 in Höhe von 854,34 EUR, da allein die Beklagte Berufung gegen das entsprechende Leistungsurteil des Sozialgerichts eingelegt hat. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Unrecht zur Zahlung verpflichtet, da eine stationäre Behandlung des Versicherten nicht erforderlich war. Ein Anspruch auf Vergütung einer vorstationären Behandlung liegt ebenfalls nicht vor.

Richtigzustellen ist zunächst, dass streitbefangen nicht der Vergütungsanspruch der Klägerin wegen der Behandlung des Versicherten ist. Die Beklagte hat den geltend gemachten Vergütungsanspruch zunächst aufgrund der Rechnungsstellung der Klägerin beglichen. Streitig ist vielmehr, ob die Beklagte berechtigt war, gegen eine weitere unstreitige Forderung der Klägerin nachträglich mit einem Rückzahlungsanspruch aufzurechnen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung des stationären Aufenthalts des Versicherten besaß und deshalb zu Unrecht bereichert war.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt, denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die grundsätzlich bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin als Krankenhausträgerin und die Beklagte als Krankenkasse gleichgeordnet gegenüberstehen. Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten.

Der Beklagten stand allerdings eine Erstattungsforderung in Höhe der noch streitigen 854,34 EUR zu, mit der sie gegenüber einem unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin aufrechnen konnte. Denn es fehlte bereits an der Grundlage für den beglichenen Vergütungsanspruch der Klägerin, nämlich einer Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Versicherten im Sinne des § 39 SGB V.

Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich ausschließlich nach medizinischen Erfordernissen, die das Gericht im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen hat (Beschluss des Großen Senats [GS] des BSG vom 25. September 2007 – GS 1/06 = SozR 4 2500 § 39 Nr. 10). Krankenbehandlung, die nicht der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf, ist grundsätzlich ambulant durchzuführen; insbesondere die vollstationäre Krankenhausbehandlung ist nachrangig gegenüber allen anderen Arten der Krankenbehandlung (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. auch BSG, Urteil vom 10. April 2008 – B 3 KR 19/05 R = SozR 4 2500 § 39 Nr. 12). Ob die notwendige medizinische Versorgung nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses durchgeführt werden kann, ist immer anhand der Umstände des konkreten Einzelfalles zu beurteilen; es kommt auf die Art und Schwere der Krankheit im Einzelfall an und ob dafür die medizinische Versorgung eines Versicherten gerade im Krankenhaus notwendig ist. Da für die ärztliche Entscheidung, Behandlungsverfahren ambulant oder stationär durchzuführen, vor allem Risikoabwägungen ausschlaggebend sind, lässt sich die Frage, ob ambulante oder stationäre Behandlung angezeigt ist, nicht immer eindeutig allein nach der beabsichtigten Diagnostik und dem angestrebten Behandlungsziel beantworten. Wesentlich kommt es vielmehr auch auf den Gesundheitszustand des Versicherten an. Andere Faktoren können ebenfalls eine Rolle spielen. Denn eine medizinische Versorgung, die als solche nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse in der Regel ambulant vorgenommen werden kann, kann gleichwohl aufgrund besonderer Gegebenheiten des Einzelfalles eine stationäre Krankenhausbehandlung erfordern. Bei der Beurteilung dieser Gegebenheiten ist von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, dem eine Einschätzungsprärogative nicht zukommt (Beschluss des GS, a.a.O.). Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung ist auch dann gegeben, wenn sie sich nach dem Behandlungsplan des Krankenhausarztes zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstrecken soll, später jedoch aus medizinischen Gründen vorzeitig abgebrochen werden muss – sog. abgebrochene stationäre Krankenhausbehandlung (BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 11/04 R = SozR 4 2500 § 39 Nr. 5).

Ausgehend von diesen Grundsätzen war die vollstationäre Behandlung des Versicherten im streitbefangenen Zeitraum nicht erforderlich.

Der Versicherte gab bei seiner Einweisung eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule an, keine Kopfschmerzen, keine Übelkeit, kein Erbrechen und somit nach Auffassung der Sachverständigen kein Hinweis auf ein Schädel-Hirn-Trauma wesentlichen Ausmaßes. Auch die Neurologie war unauffällig. Erst die Primärdiagnostik des Röntgens erbrachte nach Auffassung der Sachverständigen den hochgradigen Verdacht auf eine Fraktur des dritten Halswirbelkörpers mit der im Anschluss daran durchgeführten Computertomografie der Halswirbelsäule, um eine entsprechende Verletzung auszuschließen. Ein solcher Ausschluss erfolgte dann auch durch diese Diagnostik. Damit bestand zu keinem Zeitpunkt eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit, da auch, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts, für die Durchführung der Diagnostik die Notwendigkeit einer stationären Behandlung nicht erforderlich war. Dies hat letztlich auch die Sachverständige in ihrem Gutachten unter ad 3.) bestätigt. Auch eine anschließende stationäre Überwachungsnotwendigkeit bestand danach nicht. Ob für das Röntgen und das nachfolgende CT der Versicherte aufgrund der Verdachtsdiagnose eines Halswirbelkörperbruchs liegend zu transportieren war mag dahinstehen, schließt letztlich aber auch eine ambulante Untersuchung nicht aus. Der Kreislauf war über die gesamte Untersuchung und bereits schon während des Krankentransports stabil, so dass auch deshalb eine stationäre Untersuchung nicht notwendig war.

Allerdings wäre im Falle der Bestätigung der Verdachtsdiagnose Halswirbelkörperbruch ein stationärer Aufenthalt erforderlich gewesen. Allein der Verdacht auf eine die vollstationäre Behandlung begründende Diagnose reicht jedoch nicht zwingend dazu aus, bereits die Diagnostik unter vollstationären Bedingungen durchzuführen. Denn es ist kein Grund ersichtlich, warum diese nicht ambulant hätte durchgeführt werden können. Eine Abrechnung als ambulante Leistung (vgl. dazu BSG 18. September 2008 – B 3 KR 22/07 R = SozR 4-2500 § 115b Nr. 2) kommt hier allerdings nicht in Betracht, da für eine solche, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, Schuldner nicht sie ist, sondern die Abrechnung über die Kassenärztliche Vereinigung erfolgt.

Eine Vergütung als vorstationäre Behandlung gemäß § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V kommt ebenfalls nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann das Krankenhaus bei Verordnung von Krankenhausbehandlung Versicherte in medizinisch geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung behandeln, um die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären (Alternative 1) oder die vollstationäre Behandlung vorzubereiten (Alternative 2). Rechtsgrundlage des entsprechenden Vergütungsanspruchs für eine stationäre Behandlung ist § 115a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB V in Verbindung mit § 1 und Anlage 1 der Gemeinsamen Empfehlung über die Vergütung für vor- und nachstationärer Behandlung nach § 115a Abs. 3 SGB V vom 30. Dezember 1996, da auf Landesebene eine Vereinbarung gemäß § 115a Abs. 3 Satz 1 SGB V zwischen den dort genannten Trägern in Schleswig-Holstein nicht geschlossen worden ist und die Vertragsparteien auch nicht von der Möglichkeit nach § 115a Abs. 3 Satz 5 SGB V Gebrauch gemacht haben, die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz anzurufen.

§ 115a SGB V wurde durch Art. 1 Nr. 71 GSG mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführt. Zweck der Vorschrift ist es, vollstationäre Krankenhausbehandlung nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verkürzen und dadurch zum Abbau von Krankenhausbetten und allgemein zu Kosteneinsparungen im Krankenhaus beizutragen (BT Drucks. 12/3608, S. 102). Da dreiseitige Verträge über die Durchführung und Vergütung einer zeitlich begrenzten vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V in der am 31. Dezember 1992 geltenden Fassung nur in Bayern, Hessen und Niedersachsen zustande gekommen waren, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, eine weitergehende gesetzliche Regelung vorzunehmen.

Die vor- und nachstationäre Behandlung eines Versicherten nach § 115a SGB V ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vor- und nachstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V), handelt es sich der Sache nach zwar um eine Sonderform der ambulanten Versorgung der Versicherten, die aber nur bei vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung erbracht werden darf und im Vorfeld bzw. im Nachgang zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung stattfinden muss (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Insoweit geht es bei der vor- und nachstationären Behandlung um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex" zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne (BSG, Urteil vom 10. März 2010 B 3 KR 15/08 R = SozR 4 2500 § 115a Nr. 1), die in § 115a Abs. 3 SGB V über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt.

Voraussetzung für diesen Vergütungsanspruch ist nach der gesetzten Vorgabe in § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, ob die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären (Alternative 1) oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten war (Alternative 2). Unerheblich ist dabei, ob die strittige Behandlung sowohl ambulant als auch vorstationär möglich war. Eine solche Abgrenzung ist vom Gesetz nicht vorgesehen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Ja¬nuar 2011 – L 4 KR 62/05; LSG für das Saarland, Urteil vom 14. Dezember 2011 – L 2 KR 122/09). Die Nutzung krankenhausspezifischer Strukturen wird bei der vorstationären Behandlung nicht vorausgesetzt. Die Befugnis zur vorstationären Behandlung setzt auch nicht stets voraus, dass sie im Vorfeld zur einer stationären Behandlung stattfindet, was schon aus der Legaldefinition in § 115a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V folgt. Die Prüfung durch einen Krankenhausarzt kann gerade auch zu dem Ergebnis führen, dass – anders als es der Krankenhausbehandlung verordnende Vertragsarzt gesehen hat – eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist. Dies entspricht dem gesetzlichen Klärungsauftrag der vorstationären Behandlung in § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

Tatbestandsvoraussetzungen der Behandlung durch Krankenhäuser nach § 115a SGB V sind die Verordnung von Krankenhausbehandlung und das Vorliegen eines medizinisch geeigneten Falles (Urteil des erkennenden Senats vom 9. Februar 2012 – L 5 KR 52/11; jurisPK-SGB V/Köhler-Hohmann, § 115a Rz. 10; Knittel in Hauck/Noftz, SGB V, § 115a Rz. 4; Hänlein in LPK SGB V, SGB V, 3. Aufl. 2009, § 115a Rz. 5; Kingreen in Beck’scher Online-Kommentar Sozialrecht, § 115a Rz. 2). Hier fehlt es bereits an der nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut notwendigen Verordnung von Krankenhausbehandlung (zur Auslegung des Begriffs des medizinisch geeigneten Falles s. Urteil des erkennenden Senats vom 9. Februar 2012 a. a. O.).

Die Verordnung von Krankenhausbehandlung richtet sich nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 i.V.m. § 4 SGB V sowie § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V i.V.m. § 7 der Krankenhausbehandlungsrichtlinien i.d.F. vom 24. März 2003. Sie setzt voraus, dass eine ambulante Versorgung des gesetzlich Versicherten zur Erzielung des Heil- und/oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Hat sich der vertragsärztliche Leistungserbringer vom Zustand des Patienten überzeugt und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung festgestellt, so hat er unter Angabe der Haupt- und Nebendiagnose einschließlich der Gründe für die stationäre Behandlung die Krankenhausbehandlung zu verordnen. Die Verordnung bezieht sich mithin auf eine stationäre Behandlung und nicht einschränkend lediglich auf eine vorstationäre Behandlung. Fehlt es wie hier an einer solchen Verordnung von Krankenhausbehandlung und damit an der vertragsärztlichen Abklärung über die Notwendigkeit einer stationären Behandlung, liegen die Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach § 115a SGB V nicht vor. Die Notwendigkeit der Verordnung von Krankenhausbehandlung folgt neben dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift auch aus den Gesetzesmaterialien. Diese bestimmen zu dieser Vorschrift, dass nur im Falle der Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen niedergelassenen Arzt die Regelung dem Krankenhaus erlaubt, Versicherte in geeigneten Fällen ohne Unterkunft und Verpflegung zu behandeln (BT-Drucks. 12/3608, S. 102 zu Nr. 63 § 115a Abs. 1). Für die Notwendigkeit der ärztlichen Verordnung spricht über den eindeutigen Wortlaut der Norm hinaus, dass die vorstationäre Behandlung gerade im Schnitt- und Spannungsfeld zwischen ambulanter und stationärer Versorgung die Funktion hat, den Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte im nichtstationären Bereich sicherzustellen (BT-Drucks., a.a.O.).Damit setzt die vorstationäre Behandlung erst nach der ärztlichen Einweisung in das Krankenhaus ein und kann deshalb nicht mehr dem Bereich der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung zugeordnet werden (BT-Drucks., a.a.O.). Dies und der Umstand, dass ein vertragsärztlicher Leistungserbringer sich vom Zustand des Patienten überzeugt und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung festgestellt hat, macht es notwendig, dass auf die Verordnung vorstationärer Behandlung, auch im Notfall, nicht verzichtet werden kann. Mögen auch die Anforderungen an eine ärztliche Krankenhausverordnung (s. dazu die Krankenhausbehandlungsrichtlinien vom 24. März 2003) im Notfall geringer sein (vgl. etwa Bayerisches LSG, Urteil vom 18. April 1999 – L 4 KR 83/98), kann gleichwohl auf ihr Vorliegen nicht verzichtet werden.

Fehlt es mithin bereits an der für den Leistungsanspruch notwendigen ärztlichen Verordnung der Krankenhausbehandlung, braucht der Senat nicht zu prüfen, ob ein geeigneter Fall im Sinne des § 115 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V hier vorlag (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 9. Februar 2012 a. a. O.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Hintergrund sind weitere Entscheidungen des Senats vom gleichen Tag (L 5 KR 49/11) und vom 9. Februar 2012 (a. a. O.), in denen sich der Senat ebenfalls mit der Abgrenzung von ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung befasst hat.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

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Rechtskraft
Aus
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