L 5 KR 52/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 19 KR 315/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 52/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Allein die Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen Vertragsarzt löst noch keinen Vergütungsanspruch des Krankenhauses für eine vorstationäre Behandlung aus. Es muss darüber hinaus ein medizinisch geeigneter Fall vorliegen. Das bedeutet im Falle von § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1. 1. Alt. SGB V, dass die gute Möglichkeit bestehen muss, dass die vorstationäre in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung mündet, d. h. diese muss konkret und ernsthaft im Raume stehen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. März 2011 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird zugelassen. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 147,25 EUR festgesetzt. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Vergütung einer vorstationären Krankenhausbehandlung hat.

Die Klägerin behandelte den 1938 geborenen und bei der Beklagten versicherten E. S. am 13. August 2003. Der einweisende Allgemeinarzt Dr. H. hatte auf seiner Verordnung von Krankenhausbehandlung vermerkt: "Non Hodgkin Lymphom, Rezidiv, stationäre Therapie". Beigefügt waren ein CT-Befund und ein Blutbild. Nachdem sich der Versicherte bei der Klägerin vorgestellt hatte, wurde weder eine erneute Chemotherapie noch eine weitere Operation veranlasst. Im Brief an den einweisenden Arzt teilte die Klägerin diesem mit, dass kein weiterer Krankheitsprogress seit Frühsommer 2003 vorläge. Es habe völlige subjektive Beschwerdefreiheit und keine Indikation zur Wiederaufnahme einer aggressiven Chemotherapie bestanden.

Am 19. August 2003 stellte die Klägerin der Beklagten einen Betrag von 147,25 EUR für vorstationäre Krankenhausbehandlung in Rechnung. Am 27. August 2003 verfasste der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) eine Stellungnahme, wonach ambulante Chemotherapie möglich gewesen sei. Die Beklagte beglich die Rechnung daraufhin nicht.

Am 29. Dezember 2008 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass die vorstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei. Sie habe mit der Beklagten einen Verjährungsverzicht vereinbart.

&8195; Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 147,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 %-Punkten über dem Basissatz ab dem 3. September 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie darauf verwiesen, dass eine ambulante Behandlungsmöglichkeit bestanden habe.

Das Sozialgericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2011 Beweis erhoben durch Vernehmung des Arztes für innere Medizin Dr. K. aus Ka. als medizinischen Sachverständigen.

Mit Urteil vom selben Tage, in dem die Berufung zugelassen wurde, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung der strittigen Behandlung gemäß § 115a SGB V habe. Danach reiche es für den Vergütungsanspruch einer vorstationären Krankenhausbehandlung nicht aus, dass eine Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen Arzt vorliege. Tatbestandsvoraussetzung für vorstationäre Krankenhausbehandlung sei neben einer Verordnung nämlich das Vorliegen eines medizinisch geeigneten Falls. Ein medizinisch geeigneter Fall könne sich letztlich nur dann ergeben, wenn der Vorrang ambulanter Behandlung nicht eingreife. Dies folge insbesondere aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Medizinisch geeignete Fälle im Sinne des § 115a SGB V seien solche, die im zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit vollstationärer Krankenhausbehandlung stünden. Problematisch bei der Abgrenzung von vorstationärer Krankenhausbehandlung zu ambulanter Behandlung sei, dass grundsätzlich jede ärztliche Untersuchung im Krankenhaus zu einer medizinisch erforderlichen stationären Krankenhausbehandlung führen könne und deshalb zunächst der Wortlaut des § 115a Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative SGB V (Klärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung) erfüllt sei. Wenn aber die medizinische Geeignetheit des Behandlungsfalls für vorstationäre Behandlung nicht weiter geprüft werde und letztlich das bloße Vorliegen einer Verordnung für stationäre Krankenhausbehandlung zur Auslösung des Vergütungsanspruchs ausreiche, bestünde die Gefahr, dass das oben beschriebene Stufenverhältnis ausgehöhlt werde. Es sei deshalb die gewisse Wahrscheinlichkeit einer Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung erforderlich. Hier sei zum Zeitpunkt der Vorstellung des Versicherten bei der Klägerin stationäre Krankenhausbehandlung nicht wahrscheinlich gewesen. Die Behandlung stünde deshalb nicht im Zusammenhang mit einer zu erfolgenden stationären Krankenhausbehandlung und es handele sich nicht um einen medizinisch geeigneten Fall im Sinne des § 115a Abs. 1 Halbsatz 1 SGB V. Diese medizinische Einschätzung beruhe auf dem überzeugenden Gutachten des medizinischen Sachverständigen Dr. K ... Zum Zeitpunkt des Erscheinens des Versicherten bei der Klägerin habe dieser unter einem CBCC-Lymphom, das erstmals im Juli 1999 diagnostiziert worden sei, gelitten. Er habe sich im Zustand nach Polychemotherapie mit sechs Zyklen nach einem CHOP-Schema befunden ohne Hinweis auf ein Voranschreiten oder ein Rezidiv der Erkrankung. Die medizinische Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung sei für den aufnehmenden Arzt sehr unwahrscheinlich gewesen. An dieser Einschätzung hätte auch die weitere Diagnostik nichts geändert. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hätten die Ergebnisse der entscheidenden CT-Untersuchung vorgelegen. Der Patient sei völlig beschwerdefrei gewesen. Eine vollstationäre Krankenhausbehandlung wäre medizinisch bei einem eindeutigen Rezidiv mit typischer B-Symptomatik oder bei sekundären Komplikationen z. B. in Form von fieberhaften Infekten erforderlich gewesen. Derartiges habe aber nicht vorgelegen. Aus diesen Umständen ergebe sich, dass der die Verordnung ausstellende Arzt insoweit eine Fehleinschätzung getroffen habe. Insbesondere wegen des fehlenden Krankheitsprogresses wie auch fehlender Komplikationen sei es nicht notwendig gewesen, den Versicherten in ein Krankenhaus zu überweisen. Es sei zwar nachvollziehbar, dass der Hausarzt den Versicherten zur weiteren Abklärung an Fachärzte habe abgeben wollen. Es hätten jedoch im niedergelassenen Bereich ambulant weitere Informationen von diesen eingeholt werden können, bevor der Schritt zur Einweisung bzw. zur Verordnung von stationärer Krankenhausbehandlung erfolgt sei. Es sei deshalb nicht medizinisch erforderlich gewesen, den Versicherten ins Krankenhaus zu schicken.

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 21. April 2011 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 19. Mai 2011 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist.

Die Klägerin ist weiterhin der Auffassung, dass sie zu Recht eine vorstationäre Leistungserbringung gemäß § 115a SGB V abgerechnet habe. Die Argumentation des Sozialgerichts sei schon deshalb nicht richtig, weil ein Stufenverhältnis zwischen ambulanter und vorstationärer Behandlung nicht vorliege. Die vorstationäre Behandlung im Krankenhaus gemäß § 115a SGB V diene dazu, die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten. Voraussetzung für eine vorstationäre Behandlung im Krankenhaus sei lediglich die Verordnung von Krankenhausbehandlung durch einen Vertragsarzt. Diese Verordnung begründe auch rechtlich die Einordnung der vorstationären Behandlung als Bestandteil der Krankenhausbehandlung, da aus der Sicht des einweisenden Vertragsarztes die Möglichkeiten der ambulanten Versorgung ausgeschöpft seien. Nach Abs. 2 Satz 3 solle die notwendige ärztliche Behandlung außerhalb des Krankenhauses auch während der vorstationären Behandlung durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte nach wie vor gewährleistet werden. Der behandelnde Vertragsarzt solle daher trotz Krankenhauseinweisung die Verantwortung für die Behandlung interkurrenter Erkrankungen und vor allem für eine Behandlung im Notfall behalten. Deswegen schreibe Abs. 2 Satz 5 die Pflicht des Krankenhauses zur unverzüglichen Unterrichtung des einweisenden Arztes über die Durchführung einer vorstationären Behandlung ausdrücklich vor. Anders als nach altem Recht führe daher die Verordnung von Krankenhausbehandlung nicht zu einer scharfen Trennung zwischen ambulanter und stationärer Behandlung, sondern zu einer Überschneidung beider Leistungsbereiche bei Durchführung einer vorstationären Diagnostik. Es handele sich damit gerade nicht um ein Stufenverhältnis. Die Regelungen in § 115a SGB V dienten – ebenso wie die Voraussetzungen der ärztlichen Verordnung – dazu, den Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte sicherzustellen und die ambulante Versorgung mit der vorstationären Versorgung zu verzahnen. Die Regelung des § 115a SGB V richte sich ersichtlich an Krankenhäuser. Ihnen gestatte der Gesetzgeber, nicht nur vollstationäre, sondern auch vorstationäre Leistungen zu erbringen. Da es sich dabei um eine Behandlung ohne Unterkunft und Verpflegung handele, werde den Krankenhäusern durch diese Regelung in begrenztem Ausmaß gestattet, an der ambulanten Versorgung teilzunehmen. Die Entscheidung über die Aufnahme einer vorstationären Behandlung gemäß § 115a SGB V obliege allein dem Krankenhaus, das dazu durch seinen zuständigen Krankenhausarzt die medizinischen Voraussetzungen zu prüfen habe. Unerheblich sei dabei, ob man dem Krankenhaus wegen der gesetzgeberischen Formulierung "kann" einen Ermessensspielraum für die Entscheidung zubilligen möchte oder ob man den Wortlaut der Norm als reines "Kompetenz-Kann" verstehe und davon ausgehe, dass das Krankenhaus bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen vorstationäre Behandlungen zu erbringen habe. Der Wortlaut der Bestimmung dürfe nicht dahingehend ausgedehnt werden, dass das Krankenhaus nur tätig werden dürfe, wenn zusätzlich eine gewisse Wahrscheinlichkeit einer Notwendigkeit eine vollstationäre Krankenhausbehandlung erforderlich mache.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 29. März 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 147,25 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 3. September 2003 zu zahlen, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie weist darauf hin, § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V regele die Prüfung des Krankenhauses, welche Behandlung zur Erreichung des Behandlungsziels erforderlich sei. Die Verordnung von Krankenhausbehandlung sei hier mit einem Hodgkin-Lymphom-Rezidiv begründet worden. Diese Leistung sei eine ambulante Behandlung, die – wie im Gerichtsgutachten festgestellt und von der Klägerin unwidersprochen – im niedergelassenen Bereich zu erbringen sei. Mithin könne es sich bei der erbrachten Leistung nicht um eine vorstationäre Behandlung handeln, da die in § 115a SGB V genannten Voraussetzungen nicht vorlägen. Auch wenn eine Verordnung von Krankenhausbehandlung ausgestellt worden sei, so fehle es an einem medizinisch geeigneten Fall, der behandelt werde, um eine vollstationäre Behandlung abzuklären oder eine vollstationäre Behandlung vorzubereiten. Wenn die Prüfung des Krankenhauses bei Aufnahme ergebe, dass eine ambulante Behandlung ausreichend sei, lägen damit die Voraussetzungen der Abrechenbarkeit einer vorstationären Behandlung, auch unter Berücksichtigung des § 12 Abs. 1 SGB V, nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist nach §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, weil das Sozialgericht die Berufung zugelassen hat und sie form- und fristgerecht erhoben wurde. Sie ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Vergütung einer vorstationären Krankenhausbehandlung hat.

Die Klägerin hat mit der erhobenen echten Leistungsklage im Sinne von § 54 Abs. 5 SGG die richtige Klageart gewählt, denn sie begehrt die Verurteilung der Beklagten zu einer Leistung, auf die grundsätzlich bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen ein Rechtsanspruch besteht. Ein Verwaltungsakt konnte nicht ergehen, weil sich die Klägerin als Krankenhausträgerin und die Beklagte als Krankenkasse gleichgeordnet gegenüber stehen (Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 14/07 R m. w. N.). Ein Vorverfahren war mithin nicht durchzuführen, die Einhaltung einer Klagefrist nicht geboten. Seitens der Klägerin ist auch die bei Zahlungsklagen grundsätzlich erforderliche Bezifferung des Anspruchs (vgl. BSGE 83, 254, 263) erfolgt.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs für eine vorstationäre Behandlung ist § 115a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB V in Verbindung mit § 1 und Anlage 1 der Gemeinsamen Empfehlung über die Vergütung für vor- und nachstationäre Behandlung nach § 115a Abs. 3 SGB V vom 30. Dezember 1996, da auf Landesebene eine Vereinbarung gemäß § 115a Abs. 3 Satz 1 SGB V zwischen den dort genannten Trägern in Schleswig-Holstein nicht geschlossen worden ist und die Vertragsparteien auch nicht von der Möglichkeit nach § 115a Abs. 3 Satz 5 SGB V Gebrauch gemacht haben, die Schiedsstelle nach § 18a Abs. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) anzurufen.

§ 115a SGB V wurde durch Art. 1 Nr. 71 GSG mit Wirkung vom 1. Januar 1993 eingeführt. Zweck der Vorschrift ist es, vollstationäre Krankenhausbehandlungen nach Möglichkeit zu vermeiden oder zu verkürzen und dadurch zum Abbau von Krankenhausbetten und allgemein zu Kosteneinsparungen im Krankenhaus beizutragen (BT-Drucks. 12/3608 Seite 102). Da dreiseitige Verträge über die Durchführung und Vergütung einer zeitlich begrenzten vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus gemäß § 115 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 in der am 31. De-zember 1992 geltenden Fassung nur in Bayern, Hessen und Niedersachsen zu Stande gekommen waren, sah sich der Gesetzgeber veranlasst, eine weitergehende gesetzliche Regelung vorzunehmen.

Die vor- und nachstationäre Behandlung eines Versicherten nach § 115a SGB V ist gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V Teil der Krankenhausbehandlung. Da bei der vor- und nachstationären Behandlung nur medizinische Leistungen des Krankenhauses erbracht werden, nicht aber Unterkunft und Verpflegung (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V), handelt es sich der Sache nach zwar um eine Sonderform der ambulanten Versorgung der Versicherten, die aber nur bei vertragsärztlicher Verordnung von Krankenhausbehandlung erbracht werden darf und im Vorfeld bzw. im Nachgang zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung stattfinden muss (§ 115a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 SGB V). Insoweit geht es bei der vor- und nachstationären Behandlung um eine "Leistungserbringung eigener Art" als "Annex" zur vollstationären Versorgung im Krankenhaus und somit um "stationäre" Behandlung im weiteren Sinne (BSG, Urteil vom 10. März 2010, B 3 KR 15/08 R Rdn. 10 m. w. N.), die in § 115a Abs. 3 SGB V über eine eigenständige Vergütungsregelung verfügt.

Voraussetzung für diesen Vergütungsanspruch ist nach der gesetzlichen Vorgabe in § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V, ob die Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung zu klären (Alternative 1) oder die vollstationäre Krankenhausbehandlung vorzubereiten war (Alternative 2). Unerheblich ist dabei, ob die strittige Behandlung sowohl ambulant als auch vorstationär möglich war. Eine solche Abgrenzung ist vom Gesetz nicht vorgesehen (Landessozialgericht – LSG – Sachsen-Anhalt, Urteil vom 27. Januar 2011, L 4 KR 62/05; LSG für das Saarland, Urteil vom 14. Dezember 2011, L 2 KR 122/09). Die Nutzung krankenhausspezifischer Strukturen wird bei der vorstationären Behandlung nicht vorausgesetzt. Die Befugnis zur vorstationären Behandlung setzt auch nicht stets voraus, dass sie im Vorfeld zu einer stationären Behandlung stattfindet, was schon aus der Legaldefinition in § 115a Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V folgt. Die Prüfung durch einen Krankenhausarzt kann gerade auch zu dem Ergebnis führen, dass anders als es der Vertragsarzt gesehen hat – eine stationäre Behandlung nicht erforderlich ist. Dies entspricht dem gesetzlichen Klärungsauftrag der vorstationären Behandlung in § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V.

Tatbestandsvoraussetzungen der Behandlung durch Krankenhäuser nach § 115a SGB V sind die Verordnung von Krankenhausbehandlung und das Vorliegen eines medizinisch geeigneten Falls (juris PK-SGB V/Köhler-Hohmann § 115a Rdn. 10; Knittel in Hauck/Noftz, SGB V § 115a Rdn. 4; anderer Ansicht Sozialgericht Kiel, Urteil vom 12. August 2011, S 3 KR 142/09 nicht rechtskräftig; nicht eindeutig Kasseler Kommentar-Hess § 115a SGB V Rdn. 3, wonach (allein?) Voraussetzung für eine vorstationäre Behandlung die Verordnung von Krankenhausbehandlung ist).

Die Verordnung von Krankenhausbehandlung richtet sich nach § 73 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. Abs. 4 SGB V sowie § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V i. V. m. § 7 der Krankenhausbehandlungsrichtlinien i. d. F. vom 24. März 2003. Sie setzt voraus, dass eine ambulante Versorgung des gesetzlich Versicherten zur Erzielung des Heil- und/oder Linderungserfolgs nicht ausreicht. Hat sich der vertragsärztliche Leistungserbringer vom Zustand des Patienten überzeugt und die Notwendigkeit einer stationären Behandlung festgestellt, so hat er unter Angabe der Haupt- und Nebendiagnose einschließlich der Gründe für die stationäre Behandlung die Krankenhausbehandlung zu verordnen. Die Verordnung bezieht sich mithin auf eine stationäre Behandlung und nicht einschränkend lediglich auf eine vorstationäre Behandlung.

Der unbestimmte Rechtsbegriff "medizinisch geeignete Fälle" wird konkretisiert durch die gesetzlich genannten Varianten der vorstationären (Nr. 1) und nachstationären (Nr. 2) Krankenhausbehandlung. Zu beiden Fallkonstellationen liefert die Norm die entsprechende Legaldefinition, wobei es im hier strittigen Fall allein um eine vorstationäre Behandlung im Sinne von § 115a Abs. 1 Nr. 1 SGB V geht, die auf die Abklärung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung gerichtet ist (1. Alternative).

Die vorstationäre Behandlung kann schon deshalb nicht gänzlich losgelöst von einer vollstationären Behandlung gesehen werden. Bei der im engen Kontext mit der vorstationären Behandlung ebenfalls in § 115a SGB V geregelten nachstationären Behandlung ist dies evident, da hier immer eine vollstationäre Behandlung vorausgegangen sein muss. Auch bei der vorstationären Behandlung gibt es zum Zeitpunkt der Behandlung eine Beziehung zu einer vollstationären Behandlung. Das bedeutet – wie bereits ausgeführt – zwar nicht, dass die vollstationäre Behandlung anschließend auch tatsächlich erfolgen muss, denn die Prüfung der Erforderlichkeit der stationären Behandlung kann auch zu dem Ergebnis führen, dass die vollstationäre Behandlung gerade nicht erforderlich ist. Es geht jedoch immer um Fälle, in denen nach Einschätzung des behandelnden und die Krankenhausbehandlung verordnenden Vertragsarztes und des aufnehmenden Krankenhausarztes eine vollstationäre Behandlung erforderlich sein könnte. Wenn sich dann im Rahmen der vorbereitenden Diagnostik herausstellt, dass ein vollstationärer Aufenthalt doch nicht erforderlich ist, soll eine Abrechnung dieser Diagnostik als vorstationäre Behandlung erfolgen. Mit der Einführung des § 115a SGB V sollten aber nicht typische ambulante Behandlungen, die nicht mit einer stationären Behandlung im Zusammenhang stehen, in die Krankenhäuser verlagert werden. Dessen muss sich auch der Krankenhausarzt bei der Aufnahmeuntersuchung auch wegen des Wirtschaftlichkeitsgebots des § 12 Abs. 1 Satz 1 SGB V bewusst sein. Die Prüfungspflicht der Krankenhausärzte kann deshalb nicht darauf reduziert sein, dass sie sich nur auf das Vorliegen einer Verordnung bezieht. Das gilt für die vorstationäre Behandlung ebenso wie für die nachstationäre Behandlung. Ohne eine weitergehende Prüfungspflicht der Krankenhausärzte würde der gesetzgeberische Zweck der Kosteneinsparung (s. o.) in sein Gegenteil verkehrt werden, weil eine große Missbrauchsgefahr gegeben wäre. Wenn das Budget des Vertragsarztes erschöpft ist, könnte er sonst ungeprüft und nicht justiziabel einzelne (insbesondere teure) Untersuchungen ins Krankenhaus verlagern, die er ebenfalls erbringen aber nicht abrechnen könnte oder die von vornherein ambulant nicht abrechenbar wären.

Allein die Verordnung des Vertragsarztes ausreichend sein zu lassen, um einen Vergütungsanspruch des Krankenhauses auszulösen, wäre dem SGB V auch systemfremd. Grundsätzlich sind nämlich ärztliche Verordnungen und Bescheinigungen auf ihre Richtigkeit hin überprüfbar und führen nicht unkontrollierbar zu einem Leistungsanspruch. Dies gilt beispielsweise bei der Verordnung von Hilfsmitteln oder häuslicher Krankenpflege ebenso wie bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vgl. BSG vom 24. September 2002 – B 3 KR 2/02 R). Bei der Verordnung von Krankenhausbehandlung haben zunächst die Krankenhausärzte zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung tatsächlich vorliegen. In § 39 SGB V ist dies in Bezug auf die vollstationäre Behandlung ausdrücklich geregelt. Hinsichtlich der vorstationären Behandlung gilt schon im eigenen Interesse des Krankenhauses nichts anderes, weil das Krankenhaus spätestens, wenn es zum Streit über die Vergütung kommt, das Vorliegen der Voraussetzungen für einen Vergütungsanspruch für diese Behandlung als Anspruchssteller beweisen muss.

Dass der Gesetzgeber die Missbrauchsgefahr gesehen, sie aber nicht in Kauf nehmen wollte, verdeutlicht § 115 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 SGB V. Kommen jedoch keine Verträge zur Ausgestaltung der Wirtschaftlichkeit und Verhinderung von Missbrauch zu Stande, ist es Aufgabe der Gerichte, für eine Auslegung der Norm zu sorgen, die Missbrauch verhindert. Die Festlegung der Anforderungen, die an die Krankenhausärzte bei der Prüfung, ob ein "medizinisch geeigneter Fall" vorliegt, zu stellen sind, muss dabei berücksichtigen, dass die Abgrenzung von ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung im konkreten Einzelfall vielfach schwierig ist und die Krankenhausärzte bei ihren Entscheidungen einem zivil- und strafrechtlichen Haftungsrisiko ausgesetzt sind.

Es muss daher ein Prüfungsmaßstab für die Krankenhausärzte gefunden werden, der diese einerseits nicht überfordert, der aber andererseits Missbrauch verhindert und dem Wirtschaftlichkeitsgebot Rechnung trägt. Grundlage der Prüfung des medizinisch geeigneten Falles ist, wie § 115a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alternative 1 SGB V verdeutlicht, der Grad der Möglichkeit einer vollstationären Behandlung. Welcher Grad maßgeblich ist, lässt sich aus dem Gesetz nicht ableiten. Die Kategorien "sicher" und "möglich" scheiden dabei von vornherein aus. Würde eine vollstationäre Behandlung wie in der 2. Alternative (Vorbereitung einer vollstationären Krankenhausbehandlung) aus Sicht des Krankenhausarztes "sicher" folgen, bedürfte es keiner vorstationären Behandlung, die Alternative 1 liefe leer. Dass eine Untersuchung möglicherweise zu einer anschließenden vollstationären Krankenhausbehandlung führt, ist abstrakt nie auszuschließen, also immer zumindest "möglich". Eine Wahrscheinlichkeit der stationären Behandlung ist nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht zu fordern. Wahrscheinlich ist etwas, wenn mehr dafür als dagegen spricht. Dies würde insbesondere in Grenzfällen den Krankenhausärzten eine kaum leistbare Abwägungsentscheidung abfordern. Den Vergütungsanspruch für eine vorstationäre Behandlung auf die Fälle zu reduzieren, in denen eine anschließende vollstationäre Behandlung wahrscheinlich ist, ist auch mit den Tatbestandsvoraussetzungen des § 115a SGB V nicht vereinbar, weil die vorstationäre Krankenhausbehandlung die Erforderlichkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung ja erst abklären soll. Wenn von vornherein nur die Fälle erfasst würden, in denen mehr für als gegen eine anschließende vollstationäre Krankenhausbehandlung spricht, würde die Norm weitgehend ihren Sinn verlieren. Da die vorstationäre Behandlung aus oben genannten Gründen nicht losgelöst von der vollstationären Behandlung gesehen werden kann, muss aber die gute Möglichkeit bestehen, dass die vorstationäre Krankenhausbehandlung in eine vollstationäre Krankenhausbehandlung mündet, d. h. diese muss konkret und ernsthaft im Raume stehen. Dem Gesetzeszweck (Kostenersparnis, Wirtschaftlichkeitsgebot, Verhinderung von Missbrauch) wird dadurch angemessen Rechnung getragen, in dem das Krankenhaus in diesen Fällen einen Anspruch auf Vergütung nach § 115a SGB V auch dann hat, wenn es anschließend nicht zu einer vollstationären Krankenhausbehandlung kommt, wohingegen bei der Prüfung der Erforderlichkeit einer vollstationären Krankenhausbehandlung durch die Krankenhausärzte nach § 39 SGB V in dieser Konstellation kein Vergütungsanspruch gegeben wäre.

Nach den auf dem Gutachten des Arztes für innere Medizin Dr. K. beruhenden medizinischen Feststellungen des Sozialgerichts, die von den Beteiligten im Berufungsverfahren nicht in Zweifel gezogen wurden, war im Anschluss an die hier strittige Krankenhausbehandlung eine vollstationäre Behandlung von vornherein "sehr unwahrscheinlich". Der Senat nimmt auf die überzeugenden Ausführungen des Sozialgerichts insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und schließt sich denen in vollem Umfang an. Danach stand hier objektiv keine vollstationäre Behandlung als konkrete Möglichkeit ernsthaft im Raum. Die Verordnung von Krankenhausbehandlung beruhte auf einer Interpretation der medizinischen Befunde durch den Hausarzt, die von den Krankenhausärzten als unzutreffend erkannt wurden. Es bestand kein Hinweis auf ein Voranschreiten oder ein Rezidiv der Krebserkrankung. Mithin sind die Tatbestandsvoraussetzungen für einen Vergütungsanspruch nach § 115a SGB V nicht gegeben, weil kein "medizinisch geeigneter Fall" vorlag. Deshalb hat die Berufung der Klägerin keinen Erfolg.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Der Senat lässt die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zu. Der Abgrenzung zu ambulanter, vorstationärer und vollstationärer Behandlung kommt grundsätzliche Bedeutung zu.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.

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Rechtskraft
Aus
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