S 20 KR 283/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Neuruppin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Neuruppin (BRB)
Aktenzeichen
S 20 KR 283/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sozialgericht Neuruppin
Urteil vom 3. Juli 2014
S 20 KR 283/12

Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 19 Abs. 4 GG
Art. 11 LV
§ 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG, § 120 SGG

Leitsätze:

1. Die Beiziehung von Behandlungsunterlagen durch das Gericht ist dem Versicherten gegenüber ein Eingriff sowohl in sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) als auch in sein Recht auf Datenschutz (Art. 11 LV) und bedarf entweder der Erteilung einer Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten oder einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage. Behandlungsunterlagen, die ohne das Vorliegen einer Schweigepflichtentbindungserklärung oder auf nicht hinreichender gesetzlicher Grundlage dem Gericht zu Lebzeiten des Versicherten übersandt worden sind, dürfen im sozialgerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden und sind daher ohne Einsichtnahme durch das Gericht zurückzusenden (vgl. Sozialgericht Neuruppin, Urteil vom 3. Juli 2014 - S 20 KR 329/11 -).

2. Übersendet ein Krankenhausträger in einem krankenhausrechtlichen Vergütungsstreit nach Tod des Versicherten dessen Behandlungsunterlagen als Bestandteil seines Beteiligtenvorbringens ohne gerichtliche Anforderung (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG) und bejaht er die Rechtmäßigkeit der Übersendung und ihre Verwertung im gerichtlichen Verfahren, so besteht insoweit kein Verwertungsverbot.

3. Einzelfallprüfungen bzw. Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes können nach kritischer Würdigung zur alleinigen Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn der Krankenhausträger auf diese Einzelfallprüfungen bzw. Stellungnahmen hin keine erheblichen tatsächlichen Umstände geltend macht, die nach seiner Ansicht Grundlage für den streitigen Vergütungsanspruch sein können und ihn das Gericht auf die möglichen Folgen hinweist.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für einen stationären Aufenthalt eines Versicherten der Beklagten.

1. Der bei der Beklagten versicherte R H, geboren am 1929, wurde zur Durchführung einer Becken-Bein-Angiographie vom 25. November 2008 bis zum 26. November 2008 in dem A K U in 16303 S vollstationär behandelt. Die Beklagte zahlte den auf Grundlage der DRG F75D ("Andere Krankheiten des Kreislaufsystems ohne äußerst schwere CC, Alter ) 17 Jahre") in Rechnung gestellten Betrag i. H. v. 810,11 EUR an die Klägerin und beauftragte den Medizinischen Dienst des Bundeseisenbahnvermögens (MD) wegen der fraglichen Erforderlichkeit der stationären Behandlung mit einer Einzelfallprüfung. Der MD zeigte der Klägerin unter dem 23. Dezember 2008 die Einleitung des Prüfverfahrens an und forderte den Krankenhausentlassungsbericht, die Pflegedokumentation sowie die Patientenkurve an. Er kam in seiner gutachterlichen Stellungnahme vom 21. Juni 2010 zu dem Ergebnis, dass aus den vorgelegenen Unterlagen "die Notwendigkeit der stationären Behandlung bei prinzipiell ambulant möglicher Diagnostik" nicht erkennbar sei. Es wird weiter ausgeführt:

"Insbesondere finden sich in den vorliegenden Unterlagen keine schweren Begleiterkrankungen, keine zusätzlichen diagnostischen oder therapeutischen Maßnahmen und keine Hilfeleistungen für die Aktivitäten des täglichen Lebens, die die stationäre Notwendigkeit durch die Inanspruchnahme der besonderen Mittel des Krankenhauses primär begründen würden. Die vorgenommene Untersuchungen hätten regelhaft ambulant unter zumutbarer Belastung für den Patienten erfolgen und ein stationärer Aufenthalt vermieden werden können."

Die Beklagte forderte die Klägerin unter dem 8. August 2010 zur Rechnungskorrektur auf und kündigte andernfalls die vollständige Verrechnung des gezahlten Betrags an. Der Versicherte verstarb am 24. September 2010. Nachdem die Klägerin Widerspruch erhoben hatte, nahm der MD unter dem 19. Mai 2011 erneut Stellung und hielt an seiner bisherigen Beurteilung fest. Die Beklagte verrechnete am 2. April 2012 mit anderen Forderungen der Klägerin den hier streitigen Betrag.

2. Mit der am 28. September 2012 bei dem Sozialgericht Neuruppin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Zahlungsbegehren weiter und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 810,11 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. April 2012 und in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 die Behandlungsunterlagen übersandt. Nachdem das Gericht mit Schreiben vom 13. Mai 2013 die Klägerin unter Hinweis auf datenschutzrechtliche und sonstige Geheimhaltungsaspekte um Klarstellung gebeten hatte, ob die Einführung der Behandlungsunterlagen in das Verfahren und deren Verwertung im Verfahren in Ordnung gehe, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 16. Mai 2013 eine entsprechende Erklärung abgegeben. Das Gericht hat der Beklagten dann die Behandlungsunterlagen auf ihren Akteneinsichtsantrag hin übersandt. Auf Veranlassung der Beklagten hat der MD anschließend nach erneuter Auswertung der Behandlungsunterlagen unter dem 23. August 2013 Stellung genommen und seine vorangegangenen Stellungnahmen gestützt.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis zur Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und die Behandlungsunterlagen, die zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

1. Die als Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) statthafte und auch sonst zulässige Klage (vgl. Bundessozialgericht in st. Rspr., etwa: Urteile vom 10. April 2008 - B 3 KR 19/05 R - m. w. N. [juris] und vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 3/08 KR R - m. w. N. [juris]) war abzuweisen, da der Klägerin der geltend gemachte Vergütungsanspruch nicht zusteht.

a) Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 3 Fünftes Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB V) i. V. m. der Pflegesatzvereinbarung der Beteiligten für das Jahr 2008. Der Vergütungsanspruch besteht unabhängig von etwaigen - lediglich deklaratorischen - Erklärungen der Beklagten zur Kostenübernahme mit der Inanspruchnahme der Leistungen durch den Versicherten, wenn dessen Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) durchgeführt wird und diese Versorgung erforderlich ist (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V; vgl. Bundessozialgericht a.a.O., m. w. N.).

b) Der Rechtsstreit ist nicht bereits aus formalen Gründen, die mit dem MD-Prüfverfahren im Zusammenhang stehen, zu entscheiden. Die Beklagte hat in nicht zu beanstandender Weise den MD mit der Prüfung des Einzelfalls beauftragt. Auch ist das dreischrittige Prüfverfahren (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. April 2009 - B 3 KR 24/07 R - [juris]) eingehalten worden.

c) Das Gericht ist von der fehlenden Erforderlichkeit der stationären Behandlung nach den zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten überzeugt (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) und sieht für eine Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten keinen Anlass.

aa) Der Große Senat des Bundessozialgerichts hat zur Erforderlichkeit einer Krankenhausbehandlung und zum Prüfungsumfang der Gerichte ausgeführt (Beschluss vom 25. September 2007 - GS 1/06 [juris]):

"Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege, zu erreichen, so besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung. Das gilt auch dann, wenn der Versicherte zur Sicherstellung der ambulanten Behandlung einer Betreuung durch medizinische Hilfskräfte in geschützter Umgebung bedarf und eine dafür geeignete Einrichtung außerhalb des Krankenhauses nicht zur Verfügung steht.

... Fest steht nach dem Wortlaut nur, dass der Aufenthalt im Krankenhaus einem Behandlungszweck dienen muss und die Krankenkasse deshalb nicht leistungspflichtig ist, wenn der Patient aktuell keiner ärztlichen Behandlung (mehr) bedarf, sondern aus anderen Gründen, etwa wegen Hilflosigkeit, Pflegebedürftigkeit, zur Verwahrung oder zum Schutz der Öffentlichkeit, im Krankenhaus behalten oder dort untergebracht wird (ständige Rechtsprechung des BSG; siehe zuletzt BSGE 94, 161 = SozR 4-2500 § 39 Nr 4 RdNr 13 mwN; zum früheren Recht der RVO: BSGE 47, 83, 85 f = SozR 2200 § 216 Nr 2 S 3 f; BSGE 59, 116 = SozR 2200 § 184 Nr 27; BSG SozR 2200 § 184 Nr 22 S 32 f und Nr 28 S 41 ff). Davon geht auch der 3. Senat ausdrücklich aus (Beschluss vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 5 und 8).

... Reicht nach den Krankheitsbefunden eine ambulante Therapie aus, so hat die Krankenkasse die Kosten einer dennoch durchgeführten stationären Krankenhausbehandlung auch dann nicht zu tragen, wenn der Versicherte aus anderen, nicht mit der Behandlung zusammenhängenden Gründen eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt, die gegenwärtig außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist.

Ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, hat das Gericht im Streitfall grundsätzlich uneingeschränkt zu überprüfen. Es hat jedoch von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen.

Die Entscheidung darüber, ob dem Versicherten ein Anspruch auf Gewährung vollstationärer Krankenhausbehandlung als Sachleistung zusteht und darin eingeschlossen die Entscheidung, ob eine stationäre Behandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist, obliegt nicht dem Krankenhaus, sondern der Krankenkasse, gegen die sich der Anspruch richtet (BSGE 65, 94, 97 = SozR 2200 § 182 Nr 115 S 264 f; BSGE 82, 158, 161 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 26 f; Urteil des BSG vom 11. Oktober 1988 - 3/8 RK 20/87 - USK 88157; siehe auch Beschluss des 3. Senats vom 3. August 2006 - B 3 KR 1/06 S - Umdruck RdNr 10). Die Entscheidungsabläufe sind unterschiedlich, je nachdem, zu welchem Zeitpunkt die Kasse mit dem Leistungsbegehren befasst wird. Beantragt der Versicherte vorab die Genehmigung einer gemäß § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 iVm Abs 4 SGB V vertragsärztlich verordneten Krankenhausbehandlung, so entscheidet die Krankenkasse ihm gegenüber durch Verwaltungsakt. Wird er dagegen, wie zumeist, wegen einer akuten Erkrankung oder eines Krankheitsverdachts ohne vorherige Konsultation der Krankenkasse stationär aufgenommen, so entscheidet diese über den Behandlungsanspruch lediglich indirekt, indem sie, erforderlichenfalls nach Einschaltung des MDK, dem die Leistung erbringenden Krankenhaus eine - in der Regel befristete - Kostenzusage (Kostenübernahmeerklärung) erteilt (zur rechtlichen Wirkung der Kostenübernahmeerklärung siehe: BSGE 86, 166, 170 f = SozR 3-2500 § 112 Nr 1 S 5 f; BSGE 89, 104, 106 = SozR 3- 2500 § 112 Nr 2 S 12 f). Dieser Vorgang wiederholt sich, wenn zu einem späteren Zeitpunkt über eine Verlängerung des Krankenhausaufenthalts zu befinden ist. In allen Fällen hat die Krankenkasse vor ihrer Entscheidung die Erforderlichkeit der stationären Behandlung eigenständig und ohne Bindung an die Beurteilung des zuständigen Krankenhausarztes zu prüfen. Nichts anderes gilt für das Gericht, das gegebenenfalls in einem nachfolgenden Rechtsstreit über den Behandlungsanspruch des Versicherten oder den Vergütungsanspruch des Krankenhauses zu entscheiden hat."

bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend, denen das erkennende Gericht uneingeschränkt folgt, war die Klage auf Grundlage der gutachterlichen Stellungnahmen des MD vom 21. Juni 2010, vom 19. Mai 2011 und vom 23. August 2013 abzuweisen. Diese können nach kritischer Würdigung im gerichtlichen Verfahren verwertet werden (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 14. Dezember 2000 B 3 P 5/00 R - [juris]; Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, Rn. 7f zu § 128 m.w.N.).

(1) Insbesondere waren die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Februar 2013 übersandten Behandlungsunterlagen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und durften an die Beklagte zur Weiterleitung an den MD übersandt werden.

Zwar hat die Klägerin die Behandlungsunterlagen als Bestandteil ihres Beteiligtenvortrags ohne gerichtliche Anforderung (§ 106 Abs. 3 Nr. 2 SGG) übersandt. Sie hat aber dann die Rechtmäßigkeit der Übersendung und Verwertung im Verfahren auf Grundlage des gerichtlichen Hinweisschreibens vom 13. Mai 2013 in eigener Zuständigkeit geprüft und klarstellend bejaht. Ein Verwertungsverbot für die Behandlungsunterlagen im gerichtlichen Verfahren ist daher insgesamt nicht anzunehmen. Zwar hat das Sozialgericht Neuruppin mit Urteil vom 3. Juli 2014 - S 20 KR 329/11 - aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes ein Verwertungsverbot für Behandlungsunterlagen angenommen, die ohne Schweigepflichtentbindungserklärung des Versicherten oder ohne hinreichende gesetzliche Grundlage dem Gericht zu Lebzeiten des Versicherten übersandt worden sind. Vorliegend war der Versicherte aber bereits vor Klageerhebung und vor Übersendung der Behandlungsunterlagen verstorben. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) sowie der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) gebieten es daher vorliegend, die eingereichten Behandlungsunterlagen zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Die Annahme eines Verwertungsverbots wäre den Beteiligten gegenüber unverhältnismäßig.

Versicherte können sich für den Schutz vor Einsicht Dritter in ihre Behandlungsunterlagen sowie vor Übersendung ihrer Behandlungsunterlagen auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) sowie auf das Grundrecht auf Datenschutz (Art. 11 Verfassung des Landes Brandenburg) berufen (vgl. Sozialgericht Neuruppin, a.a.O.). Der postmortale Schutz einer Person lässt nach ihrem Tod zwar nicht jeglichen Schutz vor Rechtsverletzungen entfallen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 BvR 1168/04 - [juris]; Kammergericht, Beschluss vom 18. Januar 2011 - 1 W 340/10 - [juris]; Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, Rn. 6 ff. zu § 107 und Rn. 10 zu § 106). Ihre Rechte auf postmortale Achtung der Persönlichkeit und auf Schutz der Intimsphäre sowie ihre Datenschutzinteressen wiegen aber geringer als die entsprechenden Interessen zu Lebzeiten (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. August 2006 - 1 BvR 1637/05 - [juris]). Die Erkennbarkeit der Einzelheiten der Erkrankungen und Behandlungen für Dritte ist nach dem Tod eines Versicherten weniger belastend. Diesen betroffenen Rechten kommt im Rahmen der vorzunehmenden Güterabwägung daher ein geringerer Stellenwert zu, so dass den Verfahrensrechten der Beteiligten - durch Verwertung der Behandlungsunterlagen im gerichtlichen Verfahren - Vorrang einzuräumen ist.

Aus diesen Gründen war dem Antrag der Beklagten auf Gewährung von Akteneinsicht in die Behandlungsunterlagen zu entsprechen (§ 120 SGG), und das Gericht durfte sich für seine Entscheidung auch auf die Stellungnahme des MD vom 23. August 2013 stützen, die nach erneuter Auswertung der Behandlungsunterlagen ergangen war.

(2) Der MD hat mit seinen Stellungnahmen nach Auswertung der Behandlungsunterlagen nachvollziehbar, schlüssig und in sich widerspruchsfrei dargelegt, dass zum einen die durchgeführten Untersuchungen grundsätzlich ambulant durchgeführt werden können und zum anderen in der Person des Versicherten keine besonderen Umstände vorliegen, die eine stationäre Durchführung medizinisch erforderlich gemacht haben. Dabei hat er insbesondere auch das Vorliegen von Begleiterkrankungen sowie die Erforderlichkeit von Hilfeleistungen für Aktivitäten des täglichen Lebens mit in den Blick genommen und so den Einzelfall medizinisch konkret gewürdigt. Insbesondere hat sich der MD in seiner Stellungnahme vom 23. August 2013 zu den von der Klägerin aufgeworfenen Rügen positioniert und diese - für das Gericht nachvollziehbar - entkräftet. Das Gericht geht auf dieser Grundlage davon aus, dass die klägerseitig behauptete fehlende häusliche Versorgung des Versicherten nicht gegeben war.

Die Klägerin ist der Begutachtung durch den MD trotz des in ihrer Sphäre verfügbaren medizinischen Sachverstands mit erheblichen Einwänden nicht entgegengetreten. Insbesondere geht ihr Hinweis auf einen stationären Folgeaufenthalt des Versicherten vom 8. Januar 2009 bis zum 20. Januar 2009 ins Leere. Denn zum einen kann aus der Befundsituation zu diesem Zeitpunkt nicht zwingend auf die Erforderlichkeit der hier streitigen stationären Behandlung geschlossen werden. Zum anderen handelte es sich bei dem späteren Aufenthalt bereits nach den Angaben der Klägerin um eine "Operation", so dass für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer stationären Behandlung andere Maßstäbe gegolten haben können. Insgesamt vermögen die lediglich an der Oberfläche bleibenden Einwürfe der Klägerin die substantiierte Beurteilung des MD nicht zu erschüttern und lösen deshalb auch keine weitergehenden Ermittlungen des Gerichts im Rahmen der ihm obliegenden Amtsermittlungspflicht aus. Es liegt an der Klägerin, tatsächliche Umstände aus ihrer eigenen Sphäre vorzutragen, die nach ihrer Ansicht Grundlage für den streitigen Vergütungsanspruch sein können (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Dezember 2008 - B 1 KN 3/08 KR R - [juris: Rn. 23 ff.]; Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Auflage 2012, Rn. 4, 7 f., 8a, 14, 17 f. zu §103). Sie ist mit gerichtlichen Schreiben vom 5. November 2013 und vom 6. März 2014 auf die möglichen Folgen hingewiesen worden. Schließlich ergeben sich auch aus den von der Klägerin zur Gerichtsakte gereichten Behandlungsunterlagen keine offenkundigen, abweichenden Erkenntnisse.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Weder die Klägerin noch die Beklagte sind in der Eigenschaft als Versicherter oder Leistungsempfänger am Verfahren beteiligt und damit nicht gemäß § 183 SGG kostenmäßig privilegiert.

Rechtsmittelbelehrung:
( ...)
Rechtskraft
Aus
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