L 1 KR 74/14

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
S 7 KR 397/13
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 74/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Regelungen zur obligatorischen Schlichtung bei Vergütungsstreitigkeiten zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen mit Streitwerten bis zu 2000,00 Euro sind nur anwendbar, wenn der Schlichtungsausschuss anrufbar und damit das Schlichtungsverfahren tatsächlich durchführbar ist. Dies setzt auch die förmliche Anzeige der Errichtung und Funktionsfähigkeit des Schlichtungsausschusses voraus (Anschluss an BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 - B 3 KR 7/14 R).
2. Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwaltes verlangt in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Hierfür hat der Rechtsanwalt durch entsprechende Organisation seines Büros zu sorgen.
I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. Februar 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Chemnitz zurückverwiesen.

II. Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.166,56 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.166,56 EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % jährlich hieraus seit 4. November 2013.

Die Klägerin stellte der Beklagten wegen des Krankenhausaufenthaltes eines Versicherten der Beklagten (G S.) zur Durchführung einer Strahlentherapie vom 13. Juli 2009 bis 15. Juli 2009 insgesamt 1.891,21 EUR in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst in voller Höhe. Mit Schreiben vom 7. August 2009 an die Klägerin zeigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung im Freistaat Sachsen e.V. (MDK) dieser gemäß § 275c Abs. 1c Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an, dass eine Prüfung nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durchgeführt werde und forderte von der Klägerin Behandlungsunterlagen an. Nach Erstellung eines Gutachtens durch den MDK am 25. August 2009 wandte sich die Beklagte mit Schreiben vom 26. August 2009 an die Klägerin und führte aus, ein Belegungstag sei möglich und ausreichend gewesen. Da die ursprüngliche Rechnung bereits voll vergütet sei, bitte sie um Überweisung des Rückforderungsbetrages von 1.166,56 EUR.

Am 31. Juli 2013 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Chemnitz erhoben und begehrt festzustellen, dass der Beklagten kein Erstattungsanspruch aufgrund der stationären Behandlung ihres Versicherten G S. in der Zeit vom 13. Juli 2009 bis 15. Juli 2009 gegen sie zustehe. Mit Schreiben vom 16. Januar 2014 an das SG hat die Beklagte mitgeteilt, sie habe ihren Erstattungsanspruch i.H.v. 1.166,56 EUR am 1. November 2013 gegen eine Forderung der Klägerin aus einem anderen Behandlungsfall aufgerechnet. Der Klage fehle ihres Erachtens das Feststellungsinteresse. Hierauf hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 24. Januar 2014 beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 1.166,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 % jährlich hieraus seit dem 4. November 2013 zu verurteilen.

Das SG hatte die Beteiligten bereits mit Schreiben vom 9. Dezember 2013 zur beabsichtigten Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheides angehört und hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2014 abgewiesen. Die Klage sei unzulässig. Zum Zeitpunkt der Umstellung der Feststellungsklage auf die nunmehr erhobene Leistungsklage durch den am 24. Januar 2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz der Klägerin fehle es an dem vor der Erhebung der Leistungsklage zwingend durchzuführenden Schlichtungsverfahren. Nach § 17c Abs. 4b Satz 3 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) sei bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert werde, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Abs. 4 durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2.000,00 EUR nicht übersteige. Diese Vorschrift sei am 1. August 2013 in Kraft getreten. Die Klägerin habe erstmals mit der Umstellung auf die Leistungsklage durch am 24. Januar 2014 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz die streitig gebliebene Vergütung im Wege der Leistungsklage von der Beklagten gefordert. Da auch der Wert der Forderung mit 1.166,56 EUR die Grenze von 2.000,00 EUR nicht übersteige, sei vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG durchzuführen. Dies sei jedoch unterblieben, so dass die Leistungsklage unzulässig sei. Das Schlichtungsverfahren könne auch nicht nach Klageerhebung mit heilender Wirkung nachgeholt werden.

Gegen den ihr am 19. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am Donnerstag, den 20. März 2014 durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung eingelegt und dabei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist beantragt. Der Prozessbevollmächtigte hat insoweit vorgetragen, die Rechtsanwaltsfachangestellte S , die die eingehende Post bearbeite, sei seit vielen Jahren in seiner Kanzlei tätig und eine äußerst zuverlässige und gut ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte. Sie sei mit der Berechnung von Rechtsmittelfristen vertraut und habe wie in der gesamten Tätigkeit in der Vergangenheit auch auf diesem Gebiet fehlerfrei gearbeitet. Sie habe die Berufungsfrist und die Berufungsbegründungsfrist auf dem anzugreifenden Gerichtsbescheid und auch als im Fristenbuch notiert mit ihrem Handzeichen versehen. Er - der Prozessbevollmächtigte - erhalte als Anwalt die eingehende Post mit der Akte und den darauf von der Rechtsanwaltsfachangestellten notierten Fristen. Die Notierung auf dem eingehenden Schriftstück diene der Kontrolle der richtigen Fristenberechnung durch den Rechtsanwalt. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe durch den Vermerk "not.", der sich hinter der jeweiligen Frist befinde, bestätigt, diese Frist auch in dem Fristenkalender, der in der Kanzlei des Unterzeichners als Papierkalender geführt werde und ausschließlich Fristen enthalte, eingetragen zu haben. Diese Eintragungen der auf den eingehenden Poststücken notierten Fristen würden durch ihn in regelmäßigen Abständen stichprobenweise geprüft. Bisher seien keine Fälle aufgetreten, in denen Fristen als eingetragen notiert gewesen seien, tatsächlich eine Frist aber nicht eingetragen gewesen sei. Im vorliegenden Fall seien zwar die Berufungsfristen dreier Parallelverfahren und Berufungsbegründungsfristen in allen vier Parallelverfahren eingetragen worden, aus Gründen, die nicht mehr nachvollzogen werden könnten, sei die Berufungsfrist im streitgegenständlichen Verfahren jedoch versehentlich nicht eingetragen worden. Dieses Versehen, das dann auch zur Versäumung der Berufungsfrist geführt habe, sei ihm am 20. März 2014 aufgefallen. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin hat hierzu von ihm und der Rechtsanwaltsfachangestellten S unterzeichnete eidesstattliche Versicherungen vom 20. März 2014 und 1. September 2014, eine Kopie seines Fristenbuches vom 19. Dezember 2013 und die erste Seite des Gerichtsbescheides vom 14. Februar 2014 mit Eingangsstempel seiner Kanzlei und handschriftlichen Vermerken vorgelegt. In der eidesstattlichen Versicherung der Rechtsanwaltsfachangestellten S hat diese über das Vorbringen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin hinaus noch ausgeführt, in der Kanzlei bestehe eine allgemeine Anweisung, dass die eingehenden Schriftstücke darauf zu kontrollieren seien, ob und gegebenenfalls welche Fristen in dem Schreiben genannt seien oder mit dem Zugang des Schreibens ausgelöst würden. Würden durch eingehende Schriftstücke Fristen ausgelöst, so würden diese zunächst von ihr berechnet. Das Fristablaufdatum werde dann auf der rechten oberen Ecke des Schriftstückes, welches die Frist ausgelöst habe, notiert. Anschließend würden die Ablaufdaten in dem Fristenkalender der Kanzlei von ihr eingetragen; danach zeichne sie die Eintragung mit ihrem Handzeichen auf dem fristauslösenden Schriftstück ab. Dann würden die Schriftstücke in die Handakten einsortiert und dem Anwalt vorgelegt.

Die Klage sei entgegen der Auffassung des SG ebenfalls zulässig gewesen. Darüber hinaus seien Klage und Berufung auch begründet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Chemnitz vom 14. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.166,56 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 4 % jährlich seit dem 4. November 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach sind sowohl Klage als auch Berufung unzulässig.

Der Senat hat die Beteiligten mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, das Verfahren gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das SG Chemnitz zurückzuverweisen und um Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG gebeten. Dieses Einverständnis haben die Beteiligten mit Schreiben vom 9. Januar 2015 und 14. Januar 2015 erteilt. Ferner hat der Senat mit Schreiben vom 12. März 2015 den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten aus beiden Rechtszügen und den Verwaltungsvorgang der Beklagten, die dem Senat vorgelegen haben, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben.

Die Berufung ist zulässig. Zwar ist nach § 151 Abs. 1 SGG die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen und diese Frist ist vorliegend nicht eingehalten worden, da das Urteil des SG dem Bevollmächtigten der Klägerin am 19. Februar 2014 mit Empfangsbekenntnis (§§ 172 Abs. 1, 174 Zivilprozessordnung [ZPO] i.V.m. § 63 SGG) zugestellt worden ist und die Berufungsschrift erst am 20. März 2014 bei Gericht eingegangen ist. Die Monatsfrist begann somit am 20. Februar 2014 zu laufen (§ 64 Abs. 1 SGG) und endete am Mittwoch, dem 19. März 2014. Die Klägerin hat die Versäumung der Berufungsfrist jedoch nicht verschuldet.

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung des Antrags sollen glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 und 2 SGG). Eine Säumnis ist dann schuldhaft, wenn der Beteiligte hinsichtlich der Wahrung der Frist diejenige Sorgfalt außer Acht lässt, die für einen gewissenhaften und seine Rechte und Pflichten sachgemäß wahrnehmenden Prozessführenden im Hinblick auf die Fristwahrung geboten ist und ihm nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten ist. Das Verschulden eines Bevollmächtigten ist dem vertretenen Beteiligten stets wie eigenes Verschulden zuzurechnen. Für ein Verschulden von Hilfspersonen des Bevollmächtigten gilt dasselbe dann, wenn dieses vom Bevollmächtigten selbst zu vertreten, also als dessen eigenes Verschulden anzusehen ist. Das Verhalten des Prozessbevollmächtigten ist dagegen nicht schuldhaft, wenn er darlegen kann, dass es zu einem Büroversehen gekommen ist, obwohl er alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat.

Die Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts verlangt in Fristensachen zuverlässige Vorkehrungen, um den rechtzeitigen Ausgang fristwahrender Schriftsätze sicherzustellen. Zu den Aufgaben des Rechtsanwalts gehört es deshalb, durch entsprechende Organisation seines Büros dafür zu sorgen, dass die Fristen ordnungsgemäß eingetragen und beachtet werden. Der Anwalt hat sein Möglichstes zu tun, um Fehlerquellen bei der Eintragung und Behandlung von Fristen auszuschließen. Ein bestimmtes Verfahren ist insoweit zwar weder vorgeschrieben noch allgemein üblich. Auf welche Weise der Rechtsanwalt sicherstellt, dass die Eintragung im Fristenkalender und die Wiedervorlage der Handakten rechtzeitig erfolgen, steht ihm grundsätzlich frei. Sämtliche organisatorischen Maßnahmen müssen aber so beschaffen sein, dass auch bei unerwarteten Störungen des Geschäftsablaufs, etwa durch Überlastung oder Erkrankung der zuständigen Angestellten, Verzögerungen der anwaltlichen Bearbeitung oder ähnliche Umstände, bei Anlegung eines äußersten Sorgfaltsmaßstabes die Einhaltung der anstehenden Frist gewährleistet ist. Insbesondere muss sichergestellt sein, dass die zur wirksamen Fristenkontrolle erforderlichen Handlungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt, das heißt unverzüglich nach Eingang des betreffenden Schriftstücks, und im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit diesem vorgenommen werden (vgl. zu alledem BSG, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – B 1 KR 11/14 B – juris Rn. 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Hiernach ist der Klägerin gemäß § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren, da sie die Berufungsfrist unverschuldet versäumt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtzeitig - binnen eines Monats - gestellt, die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt und die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht hat. Ein der Klägerin zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten hat nicht vorgelegen, da die Nichteinhaltung der einmonatigen Frist zur Einlegung der Berufung nicht auf einem Organisationsverschulden des Prozessbevollmächtigten der Klägerin beruht hat. Er hat ausreichende Vorkehrungen zur Vermeidung von Fristversäumnissen getroffen, indem er hinsichtlich der Fristenkontrolle die von ihm in seinem Berufungsschriftsatz und von der Rechtsanwaltsfachangestellten S in deren eidesstattlicher Versicherung vom 1. September 2014 dargelegten organisatorischen Maßnahmen ergriffen hat.

Die Berufung ist des Weiteren im Sinne einer Zurückverweisung an das SG begründet.

Rechtsgrundlage für diese Entscheidung ist § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Hiernach kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn dieses die Klage (zu Unrecht) abgewiesen hat, ohne in der Sache selbst zu entscheiden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt. Denn das SG hat die Klage als unzulässig abgewiesen, obwohl es die Sachurteilsvoraussetzungen für eine Entscheidung in der Sache selbst hätte bejahen müssen.

Zwar ist das SG richtigerweise davon ausgegangen, dass in Fällen wie dem vorliegenden seit dem 1. August 2013, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Vorschrift des § 17 Abs. 4b Satz 3 KHG, wonach bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach Absatz 4 durchzuführen ist, wenn der Wert der Forderung 2.000,00 EUR nicht übersteigt, eine Klage grundsätzlich dann unzulässig ist, wenn das Schlichtungsverfahren nach Abs. 4 der Vorschrift nicht durchgeführt worden ist. Auch erfasst der Ausschluss von Direktklagen nach den Grund-sätzen des intertemporalen Prozessrechts nicht nur solche Krankenhausbehandlungen, die seit dem 1. August 2013 durchgeführt worden sind (BSG, Urteil vom 8. Oktober 2014 - B 3 KR 7/14 R - juris Rn. 13). Des Weiteren ist es für das Eingreifen der Schlichtungsregelung nicht maßgeblich, ob das Krankenhaus mit der Klage unmittelbar eine streitig gebliebene Vergütung nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung im Sinne des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG fordert oder ob Streitgegenstand vordergründig eine an sich unstreitige Vergütung ist, gegen die die Krankenkasse mit einem Erstattungsanspruch einer streitig gebliebenen Vergütung für eine andere Behandlung im selben Krankenhaus aufrechnet (BSG, a.a.O., Rn. 14).

Jedoch sind die Voraussetzungen des § 17c Abs. 4 i.V.m. Abs. 4b Satz 3 KHG über die obligatorische Vorschaltung eines Schlichtungsverfahrens als besondere Prozessvoraussetzung, deren Nichterfüllung vor Klageerhebung zur Unzulässigkeit der Klage führt, vorliegend nicht erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen wie vom SG angenommen der Zeitpunkt der Änderung des ursprünglich erhobenen Feststellungsantrags in einen Leistungsantrag durch den Schriftsatz der Klägerin vom 24. Januar 2014 war, da auch dann, wenn dies unterstellt wird, die Klage zulässig war.

Zwar beruhte, wie von § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG gefordert, das Gutachten des MDK vom 25. August 2009 auf einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V. Jedoch kann die prozessuale Sanktion der Unzulässigkeit der Klage nur dann eingreifen, wenn das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG tatsächlich durchführbar ist. Dies setzt zum einen die Anrufbarkeit des Schlichtungsausschusses und damit dessen tatsächliche Bildung und Funktionsfähigkeit voraus. Letztere ist nur dann zu bejahen, wenn Vereinbarungen zu den näheren Einzelheiten des Schlichtungsverfahrens abgeschlossen und Regelungen zur Finanzierung der wahrzunehmenden Aufgaben getroffen worden sind. Auch muss die Funktionsfähigkeit des Schlichtungsausschusses bekanntgegeben werden (BSG a.a.O., Rn. 18). Diesen Voraussetzungen entsprechende und damit arbeitsfähige Schlichtungsausschüsse sind im Freistaat Sachsen noch nicht gebildet worden. Folge der fehlenden Arbeitsfähigkeit von Schlichtungsausschüssen ist die Unanwendbarkeit der Sperrklausel des § 17c Abs. 4b Satz 3 KHG auf Direktklagen, die ab 1. August 2013 erhoben worden sind. Diese Klagen sind solange nicht unzulässig, wie nicht tatsächlich arbeitsfähige Schlichtungsausschüsse angerufen werden können (BSG, a.a.O., Rn. 25).

Die vorliegend erhobene Klage kann auch nicht durch die zum 25. Juli 2014 wirksam gewordene Ergänzung des § 17c Abs. 4 KHG um die Sätze 9 bis 11, die bestimmen, dass die Schiedsstellen nach § 18a Abs. 1 KHG ab dem 1. September 2014 die Funktion der Schlichtungsausschüsse übernehmen, solange diese nicht errichtet sind, unzulässig geworden sein. Zulässig erhobene Klagen bleiben nämlich nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen auch dann grundsätzlich zulässig, wenn sie Zulässigkeitserfordernisse nicht erfüllen, die erst nach Klageerhebung normiert worden sind (BSG, a.a.O., Rn. 31 m.w.N.).

Da nach alledem die vorliegend erhobene Klage entgegen der Rechtsauffassung des SG zulässig war, obwohl vor der Klageerhebung kein Schlichtungsverfahren durchgeführt worden ist und auch die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Klage im Übrigen gegeben sind, insbesondere Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Berufungsfrist zu gewähren war (s.o.), musste der Gerichtsbescheid vom 14. Februar 2014 aufgehoben werden. Im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung hat sich der Senat nicht veranlasst gesehen, eine eigene Sachentscheidung zu treffen und die Sache an das SG zurückverwiesen. Er hat dabei dem Interesse der Beteiligten an der Erhaltung des Instanzenzuges den Vorrang gegenüber einer möglichst schnellen obergerichtlichen Sachentscheidung eingeräumt. Dabei hat er auch berücksichtigt, dass zum einen die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der vorliegend erforderlichen Verweildauer in Betracht kommt und zum anderen der Rechtsstreit erst seit dem 31. Juli 2013 bei den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit anhängig ist, was im Verhältnis zu anderen Streitigkeiten, in denen ebenfalls die Einholung von Gutachten in Betracht kommt, nicht als übermäßig langer Zeitraum anzusehen ist, der im Interesse der Verwirklichung der Rechtsschutzgarantie einer baldigen Entscheidung zugeführt werden müsste (vgl. hierzu auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 19. April 2012 – L 11 SB 45/11 – juris Rn. 30).

Eine Kostenentscheidung war durch den Senat nicht zu treffen. Sie bleibt der Entscheidung des Sozialgerichts vorbehalten (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 11. Auflage 2014, § 159 Rn. 5f.).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).

Dr. Wietek Protz Klotzbücher
Rechtskraft
Aus
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