L 1 KR 36/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 3 KR 421/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 36/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 138/15
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach den Kodierrichtlinien 2010 ist eine Beatmung mittels Nasen-CPAP auf die Dauer der künstlichen Beatmung anzurechnen.
Bemerkung
BSG: NZB zurückgenommen
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. November 2013 wird zurückgewiesen. Die Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin übernahm am 17. Juni 2010 die Versicherte der Beklagten E K aus dem St. J Krankenhaus zur stationären Behandlung. Am 18. Juni 2010 wurde die Versicherte auf die Intensivstation verlegt, wo am 19. Juni 2010 um 13:45 Uhr mit ihrer assistierenden Beatmung mittels Nasen-CPAP (Continuous Positive Airway Pressure) begonnen wurde. Um 14:15 Uhr wurde die Versicherte intubiert und seitdem kontrolliert beatmet, bis sie am 23. Juni 2010 um 13:00 Uhr verstarb.

Für die Behandlung der Versicherten kodierte die Klägerin die DRG A13F und stellte der Beklagten einen Betrag von 7.785,17 EUR in Rechnung. Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung, die der Klägerin mit Schreiben vom 2. August 2010 angezeigt wurde. In seinem Gutachten vom 29. März 2011 befand der MDK, dass die Abrechnung nicht korrekt sei. Die DRG A13F dürfe nur angesteuert werden, wenn die künstliche Beatmung länger als 95 Stunden gedauert habe. Die Versicherte sei aber nur vom 19. Juni 2010, 14:15 Uhr bis zum 23. Juni 2010, 13:00 Uhr künstlich beatmet worden (aufgerundet 95 Stunden). Die Nasen-CPAP am 19. Juni 2015 von 13:45 Uhr bis 14:15 Uhr zähle nicht mit. Unter diesen Voraussetzungen ergebe sich das leistungsgerechte Entgelt aus der DRG B16Z, so dass Anspruch nur auf 4.546,89 EUR bestehe. Den Differenzbetrag von 3.238,28 EUR verrechnete die Beklagte am 20. Mai 2011 mit einer anderen Forderung der Klägerin.

Mit der am 13. Dezember 2011 bei dem Sozialgericht Potsdam eingegangenen Klage begehrt die Klägerin, die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.238,28 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20. Mai 2011 sowie 300,- EUR nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte am 29. November 2012 antragsgemäß verurteilt. Die Klage sei zulässig und begründet. Die Notwendigkeit der Behandlung der Versicherten im Krankenhaus stehe außer Streit. Es komme allein darauf an, ob die Versorgung der Versicherten mit der Nasen-CPAP mittels High-Flow-Ventilation als Beatmungsstunden anzurechnen sei. Aus der Rechtsprechung des BSG (Hinweis auf Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R) ergebe sich, dass die Abrechnungsvorschriften wortlautgetreu auszulegen seien. Eine maschinelle Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinien liege vor, weil die Versicherte intensivmedizinisch versorgt worden sei. Denn nach der einschlägigen Definition könne bei intensiv medizinisch versorgten Patienten eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese anstelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt würden. Die von der Beklagten in Bezug genommene Rechtsauffassung des Landessozialgerichts für das Saarland, wonach eine künstliche Beatmung ausschließlich vorliege, wenn Gas in die Lunge bewegt werde, sei unzutreffend. Nach den Kodierrichtlinien reiche das Verstärken der eigenen Atmung aus und sei der Patient nur in der Regel intubiert oder tracheotomiert. Unter einer nicht-invasiven Beatmung oder non-invasiven positiv Pressure-Ventilation werde eine mechanische Unterstützung der Atmung ohne endotrachialen Zugang verstanden. Über verschiedene Arten von Gesichtsmasken erfolge wie bei der invasiven Beatmung eine Überdruckbeatmung. Prinzipiell könne jede Beatmungsform auch nichtinvasiv durchgeführt werden. Daran zeige sich, dass eine maschinelle Beatmung auch vorliege, wenn eine Beatmung über ein Maskensystem erfolge. Aus dem 2010 erschienenen Buch "Grundlagen der maschinellen Beatmung" von Jörg Rathgeber ergebe sich, dass in der jüngsten Vergangenheit ein Paradigmenwechsel stattgefunden habe, die nicht invasive Beatmung heute bei zahlreichen Indikationen eine mögliche Alternative zur klassischen Beatmung darstelle. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass eine Beatmung über eine Nasen-CPAP sogar einen höheren Aufwand erfordere als eine tracheogesteuerte Beatmung.

Gegen das ihr am 10. Januar 2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 7. Februar 2013 bei dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingegangene Berufung der Beklagten. Für die Bewertung komme es nur auf die nach den Kodierrichtlinien anzusetzende maschinelle Beatmung an. Die streitgegenständliche Masken-CPAP gehöre nicht dazu, weil sie nach den Kodierrichtlinien nur im Rahmen einer Entwöhnung nach erfolgter maschineller Beatmung angerechnet werden könne, sofern sie mindestens sechs Stunden am Tag zum Einsatz komme. Bei der Versicherten sei nur ein kontinuierlicher Gasfluss erzeugt und eben nicht Gas mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt worden. Auf den höheren Aufwand für eine Masken-CPAP könne es nicht ankommen. Nach der Rechtsprechung des BSG seien nämlich die Vertragspartner aufgefordert, in solchen Fällen Unrichtigkeiten mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (Hinweis auf Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R). Die Kodierrichtlinien für das Jahr 2013 würden nunmehr ausschließlich für Neugeborene und Säuglinge ausdrücklich vorsehen, dass eine Atemunterstützung mit CPAP bei der Ermittlung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen sei. Auch an anderer Stelle werde deutlich, dass die Kodierrichtlinien zwischen Beatmung und Atemunterstützung mit Masken-CPAP unterscheiden würden. Die Unterscheidung der invasiven von der noninvasiven Beatmung spiele für die Unterscheidung zwischen Beatmung oder Atemunterstützung mittels CPAP keine Rolle, da eine maschinelle Beatmung auch mit Maske vorgenommen werden könne. Eine Masken-CPAP sei entgegen der Darstellung durch das Sozialgericht keine noninvasive maschinelle Beatmung. Vielmehr sei zwischen einer maschinellen Beatmung mit Maske und einer Masken-CPAP zu unterscheiden. Eine CPAP setze den eigenen Atemantrieb des Patienten voraus. Bei einer Beatmung würden dagegen die Gase mittels einer maschinellen Vorrichtung in die Lunge bewegt. Die Kodierrichtlinien würden sich teilweise auf die maschinelle Beatmung mit Maske beziehen. Eine Klarstellung in den Kodierrichtlinien wäre überflüssig, wenn eine Masken-CPAP ohnehin Beatmung wäre. Nur im Rahmen der Entwöhnung könne die CPAP angerechnet werden. Wenn die CPAP als maschinelle Beatmung zu werten wäre, könnte sie kein geeignetes Instrument zur Entwöhnung von einer maschinellen Beatmung sein. Auf die Urteile des LSG Baden-Württemberg v. 21. März 2014 – L 4 KR 5233/12 und des LSG Hamburg v. 27. März 2014 – L 1 KR 119/12 werde Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 29. November 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat die Klage zurückgenommen, soweit sie für die Aufwandspauschale Zinsen in Höhe von mehr als 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz beantragt hat.

Im Übrigen beantragt sie,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Die Kodierrichtlinie für das Jahr 2013 sei für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreites vollständig irrelevant. Der Begriff der CPAP-Beatmung sei auch nicht sachlich unzutreffend. In Bezug auf die maschinelle Beatmung verwende die Beklagte wohl ihre eigene Definition. Auch das von ihr in Bezug genommene Urteil des LSG Baden-Württemberg bestätige ihre Rechtsauffassung insoweit nicht. Eine Masken-CPAP finde auch nicht ausschließlich im Rahmen einer Entwöhnung statt. Es handele sich insoweit vielmehr um einen in den Kodierrichtlinien speziell geregelten Fall. Soweit das LSG Baden-Württemberg dazu eine andere Auffassung vertreten habe, seien seine Schlussfolgerungen nicht zwingend. Das LSG Hamburg behandele dagegen nur die Beatmung eines Neugeborenen, die in den Kodierrichtlinien speziell ausgeformt worden sei.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin Bezug genommen, die vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat keinen Erfolg. Mit Recht hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung weiterer 3.238,28 EUR und 300,- EUR. Zu Unrecht hat die Beklagte in Höhe von 3.238,28 EUR gegen eine andere (unstreitige) Forderung der Klägerin aufgerechnet. Es bestand keine Aufrechnungslage. Der Klägerin stand kein Erstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung wegen des vollständigen Ausgleichs der von der Beklagten für die Behandlung der Versicherten erstellten Rechnung zu. Die Forderung war nämlich in voller Höhe berechtigt, die Behandlung ist nicht in Höhe des aufgerechneten Betrages überzahlt gewesen.

Der Zahlungsanspruch der Klägerin für die Behandlung der Versicherten der Beklagten ist dem Grunde nach durch die in Übereinstimmung mit dem Leistungs- und Leistungserbringerrecht des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfolgte Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung entstanden (vgl. BSG, Urt. v. 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – juris Rn 15). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Versicherte der Beklagten am 17. Juni 2010 bis zum 23. Juni 2010 einer Behandlung im Krankenhaus bedurfte.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen (bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen) haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkatalog sieht für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG zwei Schritte vor: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach einem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information herausgegebenen Kode zu verschlüsseln. Dazu haben die Vertragspartner Kodierrichtlinien beschlossen, die ebenfalls jährlich überprüft und angepasst werden. Der sich ergebende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grouper) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. BSG Urt. v. 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris Rn 17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn 16).

Streitig zwischen den Beteiligten ist allein, ob die Klägerin mit Recht eine künstliche Beatmung der Versicherten von mehr als 95 Stunden Dauer kodiert hat. Allein die Kodierung dieser Behandlungsleistung entscheidet darüber, ob die von der Klägerin angesetzte DRG A13F (Beatmung )95 und (250 Stunden, ohne komplexe oder bestimmte OR-Prozedur, ohne intensivmedizin. Komplexbehandlung )552 Punkte, ohne komplizierende Konstellation, Alter )16 Jahre, oder verstorben oder verlegt (9 Tage, ohne kompl. Diagnose, ohne kompl. Prozedur) statt der von der Beklagten anerkannten DRG B16Z (Strahlentherapie bei Krankheiten und Störungen des Nervensystems, mehr als ein Behandlungstag, weniger als 11 Bestrahlungen) anzurechnen ist, was zu einer Entgeltdifferenz in Höhe der hier streitigen 3.238,28 EUR führt. Der Senat ist mit dem Sozialgericht der Auffassung, dass die Klägerin für den vorliegenden Behandlungsfall zu Recht eine künstliche Beatmung von mehr als 95 Stunden Dauer kodiert hat. Demnach hat die Klägerin keinen überhöhten Rechnungsbetrag ausgewiesen und ist es nicht zu einer Überzahlung gekommen.

Nach den Kodierrichtlinien in der für das Jahr 2010 geltenden Fassung wird die maschinelle Beatmung ("künstliche Beatmung") unter 10 (Krankheiten des Atmungssystems) als ein Vorgang definiert, bei dem Gase mittels einer mechanischen Vorrichtung in die Lunge bewegt werden. Die Atmung wird unterstützt durch das Verstärken oder Ersetzen der eigenen Atemleistung des Patienten. Bei der künstlichen Beatmung ist der Patient in der Regel intubiert oder tracheotomiert und wird fortlaufend beatmet. Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden. Für die Auslegung der Kodierrichtlinien gilt, dass sie grundsätzlich streng nach Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang zu erfolgen hat, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden. Nur so sind die Kodierrichtlinien für die routinemäßige Anwendung im Massengeschäft der Abrechnung der zahlreichen Behandlungsfälle handhabbar. Das auf DRG basierte Vergütungssystem ist vom Gesetzgeber als jährlich weiter zu entwickelndes (§ 17b Abs. 2 S. 1 KHG) und damit als "lernendes" System angelegt. Bei zutage tretenden Unrichtigkeiten, Unbilligkeiten oder Fehlsteuerungen sind daher in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese Mängel mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (Urteil des BSG vom 28. November 2013 – B 3 KR 33/12 R – und vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R).

Eine künstliche Beatmung von mehr als 95stündiger Dauer ist vorliegend erbracht worden, weil auch der Zeitraum von 13:45 Uhr bis 14:15 Uhr am 19. Juni 2010 anzurechnen ist, in dem die Versicherte mit einer Nasen-CPAP und High-Flow-Ventilation versorgt war. Unmittelbar aus den Kodierrichtlinien ergibt sich, dass eine künstliche Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen kann, wenn der Patient intensivmedizinisch versorgt wird. Die Versicherte der Beklagten befand sich zu dem hier fraglichen Zeitpunkt bereits auf der Intensivstation der Klägerin. Eine Nasen-CPAP erfolgt unter Verwendung einer Nasenmaske. Die zusätzliche Voraussetzung in den Kodierrichtlinien, dass das Maskensystem an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt worden sein muss, bedeutet nicht, dass im konkreten Behandlungsfall immer erst eine Intubation oder Tracheotomie vorgenommen worden sein muss, ehe die Verwendung eines Maskensystems als künstliche Beatmung angerechnet werden könnte. Die Bestimmung nimmt nämlich insoweit allgemein auf Fortentwicklungen der medizinischen Behandlungstechniken Bezug, so dass es nur darauf ankommt, ob früher in einem solchen Fall stets und von Anfang an eine Intubation oder Tracheotomie vorgenommen worden sein würde (so auch LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21. März 2014 – L 4 KR 5233/12). Die so zu verstehende Bedingung wird durch ein Maskensystem als fortschrittliche nichtinvasive Behandlungstechnik stets erfüllt.

Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten scheitert die Anrechnung als Beatmungszeit nicht daran, dass eine CPAP die Beatmung des Patienten nicht vollständig übernimmt, sondern nur ein Überdruck erzeugt wird, der dem Patienten das Atmen erleichtern soll. Für die Tatsache, dass bei der Behandlung der Versicherten tatsächlich ein Überdruck mittels CPAP erzeugt worden ist, bezieht sich der Senat auf die von der Klägerin vorgelegte Patientenakte. Die Formulierung in den Kodierrichtlinien, dass Gase in die Lunge des Patienten maschinell bewegt werden müssen, schließt nicht aus, dass auch assistierende Atemsysteme als künstliche Beatmung im Sinne der Kodierrichtlinien angesehen werden können. Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass bei der assistierenden Beatmung der verwendete Überdruck mit einer Maschine erzeugt wird, so dass jedenfalls eine maschinelle Unterstützung der Atmung erfolgt. Selbst wenn der Überdruck nur unterstützend wirkt, kann der Einsatz der Maschine dazu beitragen, dass die Atemgase in die Lunge bewegt werden. Denn bei bestimmungsgemäßen Einsatz der Methode ist der erzeugte Überdruck eine Bedingung dafür, dass das Atmen erleichtert wird und der Patient mit der ihm noch verbliebenen Atemfähigkeit die Atemgase in die Lunge ziehen kann. Der Definition der künstlichen Beatmung in den Kodierrichtlinien ist nicht zu entnehmen, dass die Maschine der einzige Faktor sein muss, der für die Bewegung der Gase in die Lunge verantwortlich ist. Die Formulierung, dass die Bewegung in die Lunge "mittels" einer mechanischen Vorrichtung erfolgen muss, lässt ihrem Wortsinn nach auch zu, dass lediglich ein für die Fortdauer der Atmung kausaler Faktor gesetzt wird. Für dieses Verständnis spricht insbesondere, dass nach den Kodierrichtlinien für eine Unterstützung der Atmung neben dem Ersetzen der Atmung ausdrücklich auch das Verstärken der eigenen Atemleistung des Patienten ausreicht. Soweit das LSG für das Saarland in seinem Urteil v. 14. Dezember 2011 – L 2 KR 76/10 dazu eine andere Rechtsauffassung vertreten hat, folgt der Senat dem nicht. Er hält die Auffassung des LSG für das Saarland insbesondere deswegen für nicht überzeugend, weil das LSG den Satz in den Kodierrichtlinien, dass auch eine Unterstützung der Atmung ausreicht, schlicht als missverständlich bezeichnet und ihn deswegen außer Betracht lässt (Urteil v. 14. Dezember 2011 – L 2 KR 76/10 – juris Rn 28). Diese Vorgehensweise ist mit der Vorgabe einer wortlautgetreuen Auslegung der Kodierrichtlinien nicht vereinbar. Die Definition der maschinellen Beatmung in den Kodierrichtlinien ist demnach weit genug, um die bei der Versicherten vorgenommene Nasen-CPAP zu erfassen.

Auch aus einer systematischen Auslegung der Kodierrichtlinien, die nach der Rechtsprechung des BSG ohnehin nur mit Vorsicht zu handhaben ist (Urt. v. 23.Juni 2015 – B 1 KR 21/14 R), ergibt sich nach Auffassung des Senats nicht mit der gebotenen Deutlichkeit, dass eine Nasen-CPAP nicht als künstliche Beatmung anzusehen ist. Aus der bereits in der Kodierrichtlinien für das Jahr 2010 enthaltenen Bestimmung, dass eine Atemunterstützung mit kontinuierlichem positiven Atemwegsdruck (CPAP) nur bei Neugeborenen und Säuglingen unter der Ziffer 8-711.0 zu kodieren sei, folgt nicht, dass diese Regelung eine Sperrwirkung für andere Fälle der Behandlung von Erwachsenen entfaltet, in denen der Einsatz von CPAP unter besonderen Umständen, nämlich bei einer Behandlung auf der Intensivstation, erfolgt und nicht unter der Ziffer 8-711.0, sondern als Beatmungsdauer kodiert wird. Soweit das LSG Hamburg für die Kodierrichtlinien in der Version des Jahres 2005 dazu eine andere Rechtsauffassung vertritt (Urt. v. 27. März 2014 – L 1 KR 119/12 – juris Rn 26), vermag der Senat ihm jedenfalls für die Kodierrichtlinien Version 2010 nicht zu folgen. Die in den Kodierrichtlinien 2010 auf die Vorschriften zur Kodierung der Ziffer 8.711.0 unmittelbar folgenden Hinweise auf Störungen wie Schlafapnoe bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen legen zumindest nahe, dass sich die Kodierung der Ziffer 8.711.0 auf eine Behandlung im Wege der Atemtherapie bezieht.

Selbst die für das Jahr 2013 geltende Fassung der Kodierrichtlinien stellt nicht eindeutig klar, dass eine CPAP-Beatmung bei Erwachsenen unter keinen Umständen als Beatmungsdauer kodiert werden darf. Dort ist zwar nunmehr allgemein formuliert, dass "die Dauer der Atemunterstützung mit kontinuierlichem positivem Atemwegsdruck ( ) bei Neugeborenen und Säuglingen bei der Ermittlung der Beatmungsdauer zu berücksichtigen" ist. Im Gegensatz zu dem vorherigen, sich auf die Ziffer 8.711.0 beziehenden Satz ist aber keine Rede davon, dass die Berücksichtigung "nur" bei Neugeborenen und Säuglingen zulässig ist. Aus dem Vergleich der beiden Sätze ergibt sich damit, dass der neuen Regelung der Kodierrichtlinien für das Jahr 2013 über die Beatmungsdauer bei Neugeborenen und Säuglingen gerade keine negative Wirkung für die Berücksichtigung der CPAP bei Erwachsenen beigemessen werden sollte. Die weitergehende Frage, ob und unter welchen Bedingungen die geänderte Fassung der Kodierrichtlinien für das Jahr 2013 Auswirkungen auch auf die Auslegung der Kodierrichtlinien für das Jahr 2010 haben könnte, stellt sich folglich erst gar nicht.

Nach Auffassung des Senats ist aus der gesonderten Erwähnung der CPAP in den Kodierrichtlinien im Rahmen der Regeln für die Entwöhnung nicht abzuleiten, dass die CPAP nicht auf die (eigentliche) Beatmungsdauer außerhalb der Entwöhnungsphase angerechnet werden darf. Beatmung und Entwöhnung sind keine Gegensätze, so dass die Prämisse der Beklagten, dass was als Entwöhnung anzurechnen ist nicht auch als Beatmung berücksichtigt werden darf, nicht richtig ist. Nach den Kodierrichtlinien endet die Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung (Kodierrichtlinien 2010 S. 100), so dass die Entwöhnung zur Beatmung gehört. Auch in medizinischer Hinsicht kann die Phase der Entwöhnung nicht streng von der eigentlichen künstlichen Beatmung in dem Sinne getrennt werden, dass eine Entwöhnung erst einsetzt, wenn die Beatmung als solche abgeschlossen ist. Die Phasen überschneiden sich vielmehr. Bereits mit der Aufnahme der künstlichen Beatmung muss die Entwöhnung bedacht, vorbereitet und eingeleitet sein, so dass eine Entwöhnung von der künstlichen Beatmung eigentlich gleichzeitig mit ihrem Beginn anfängt (Hessisches LSG v. 5. Dezember 2013 – L 1 KR 300/11 – juris Rn 34; ihm folgend SG Aachen v. 2. Dezember 2014 – S 13 KR 121/14 - juris Rn 21). Die Entwöhnung ist ein Aspekt der künstlichen Beatmung, der vom LSG Hamburg besorgte Zirkelschluss, wenn die CPAP gleichzeitig als Beatmung und als Methode der Entwöhnung angesehen wird (Urt. v. 27. März 2014 – L 1 KR 119/12 – juris Rn 26), zeichnet sich in Wahrheit also nicht ab.

Die Kodierrichtlinien 2010 bewerten den Einsatz von CPAP bei der Entwöhnung ausdrücklich als künstliche Beatmung. In den Kodierrichtlinien 2010 (S. 102) ist dazu formuliert, dass für die Anrechnung eines Kalendertages auf die Dauer der künstlichen Beatmung die Unterstützung der Atmung durch eine Masken-CPAP für wenigstens sechs Stunden am Kalendertag ausreicht, wenn im Rahmen einer Entwöhnung ein Wechsel zwischen Spontanatmung des Patienten und Unterstützung durch Masken-CPAP erfolgt. Das spricht nach Auffassung des Senats – entgegen dem LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 21 März 2014 – L 4 KR 5233/12 - eher dafür, dass eine Masken-CPAP auch außerhalb der Entwöhnung als künstliche Beatmung angesehen werden kann. Nicht die Verwendung der Masken CPAP, sondern der Wechsel zur Spontanatmung erscheint als die eigentliche Phase der Entwöhnung. Jedenfalls ist dieser Regelung aus den im vorigen Absatz genannten Gründen nichts für einen Umkehrschluss zu entnehmen, dass die CPAP außerhalb der Entwöhnungsphase nicht als künstliche Beatmung angesehen werden kann. Maßgebend bleibt danach die allgemeine Definition der künstlichen Beatmung in den Kodierrichtlinien 2010, die – wie bereits dargestellt – auch die Versorgung mittels einer Masken-CPAP umfasst. Mit Recht hat die Beklagte demnach die DRG A13F abgerechnet.

Der Zinsanspruch für die Forderung über 3.238,28 EUR ergibt sich aus § 18 Abs. 4 und 5 des Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung.

Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung von 300,- EUR als Aufwandspauschale folgt aus § 275 Abs. 1c SGB V. Die von der Beklagten eingeleitete Prüfung hatte nicht das Ergebnis, dass eine Minderung des Abrechnungsbetrages gerechtfertigt ist. Der Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich insoweit aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB (BSG v. 23. Juni 2015 – B 1 KR 24/14 R – juris Rn. 14/15).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen, soweit die Klägerin die Klage nicht wegen der Höhe der Zinsforderung teilweise zurückgenommen hat.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 197a Sozialgerichtsgesetz iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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