L 5 B 1140/08 ER AS

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 24 AS 2921/08 ER
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 5 B 1140/08 ER AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2008 wird zurückgewiesen. 2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. 3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die am 10. Dezember 2008 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Hamburg vom 8. Dezember 2008, durch den der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt worden ist, ist statthaft und zulässig (§ 172 Abs. 1 und Abs. 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 173 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG). Sie ist jedoch unbegründet.

Gegenstand dieses Eilverfahrens ist trotz des Versagungsbescheides vom 29. Oktober 2008 ein Leistungsbegehren und damit einstweiliger Rechtsschutz im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG. Zwar ist in der Hauptsache gegen einen Versagungsbescheid nach § 66 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch die isolierte Anfechtungsklage gegeben und in deren Rahmen allein die Rechtmäßigkeit der Versagung zu prüfen. Gleichwohl richtet sich der einstweilige Rechtsschutz vorliegend nicht nach § 86b Abs. 1 SGG, denn es geht um ein einstweiliges Rechtsschutzbegehren, mit dem vorläufig Leistungen erstritten werden sollen. Für dieses Rechtsschutzbegehren kommt es nicht darauf an, ob Leistungen wegen fehlender Mitwirkung versagt oder aber wegen Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt worden sind. Unerheblich und nicht zu prüfen ist daher in diesem Beschwerdeverfahren, ob der Versagungsbescheid rechtmäßig ist. Entscheidend ist allein, ob die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung begründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren jedoch nicht in dem hohen Maße, das für den Erlass einer die Hauptsache faktisch vorwegnehmenden einstweiligen Anordnung erforderlich ist, dargelegt und glaubhaft gemacht, die beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) zur Zeit beanspruchen zu können und hierauf zur Vermeidung wesentlicher Nachteile angewiesen zu sein.

Das Sozialgericht hat es zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die der Senat entsprechend § 153 Abs. 2 SGG ergänzend Bezug nimmt, abgelehnt, dem Begehren der Antragstellerin zu entsprechen, die Antragsgegnerin vorläufig im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr als alleinstehende Hilfebedürftige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ohne Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen des Herrn A. M. zu gewähren. Die Beschwerdebegründung gibt keine Veranlassung zu einer abweichenden Betrachtung.

Denn in der Tat liegen hinreichende Indizien dafür vor, dass die Antragstellerin und Herr M. eine Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II bilden. Zur Bedarfsgemeinschaft gehören nach § 7 Abs. 3 Nr. 1 und 3 lit. c SGB II die erwerbsfähigen Hilfebedürftigen – hier die am X.XXXXXXXX 1978 geborene Antragstellerin – und als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person – hier der am XX.XXXXXX 1980 geborne Herr M. –, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Voraussetzung für die Annahme einer Partnerschaft im Sinne des zum 1. August 2006 neugefassten § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II ist eine derart dichte und auf Dauer angelegte Verbindung, dass angenommen werden kann, die Partner fühlten sich so füreinander verantwortlich, dass sie zunächst ihren gemeinsamen Lebensunterhalt sicherstellen, bevor sie ihr persönliches Einkommen zur Befriedigung eigener Bedürfnisse verwenden. Diese Annahme ist vorliegend auf der Grundlage von äußeren Anhaltspunkten, sog. Hinweistatsachen, erlaubt. Denn die Antragstellerin und Herr M., in dessen zuvor von ihm bewohnte Wohnung in der F.-Straße die Antragstellerin ausweislich der Meldebestätigung vom 26. Juni 2008 an diesem Tag einzog, haben nicht nur am 17. Juli 2008 zum 1. August 2008 gemeinsam eine Wohnung in der V.-Straße angemietet, sind gemeinsam in diese Wohnung gezogen und wohnen in ihr seit 1. September 2008 zusammen. Sie leben in dieser Wohnung auch in einem gemeinsamen Haushalt als partnerschaftlich verbundene Personen zusammen. Hierfür spricht bereits, dass die schwangere Antragstellerin ein Kind von Herrn M. erwartet (berechneter Entbindungstermin am XX.XXXXXXXXX 2008), das beide nach Angaben der Antragstellerin gemeinsam erziehen wollen, und sie nach ihren Angaben deshalb zum 1. Juli 2008 von B., wo sie studierte, nach Hamburg, wo Herr M. lebt und erwerbstätig ist, gezogen ist, um mit ihm eine gemeinsame Wohnung zu suchen und zu beziehen. Zudem hat die Antragstellerin selbst in ihrem Schreiben an die Antragsgegnerin vom 19. Juli 2008 angegeben, sie werde mit dem Vater des Kindes, der später auch ihren Lebensunterhalt übernehmen werde, in absehbarer Zeit zusammenziehen und damit eine Bedarfsgemeinschaft bilden, und in ihrem Antrag vom 7. September 2008, zwischen ihr und Herrn M. bestehe eine Partnerschaft. Es ist kein Grund vorgetragen oder ersichtlich, die Antragstellerin an dieser begründeten Selbsteinschätzung nicht festzuhalten.

Dies zusammengenommen rechtfertigt die Annahme einer auf Dauer angelegten Beziehung im Sinne gemeinsamer Lebensführung und gegenseitiger Verantwortung, die eine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art neben sich nicht zulässt. Nach dem Kenntnisstand dieses Eilverfahrens leben die Antragstellerin und Herr M. daher derzeit "so" im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 lit. c SGB II zusammen, dass ein wechselseitiger Einstandswille anzunehmen ist, weil er erwartet werden kann.

Auf die nach § 7 Abs. 3a SGB II mögliche Vermutung des wechselseitigen Willens, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, kommt es daher vorliegend schon nicht mehr an. Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass nach § 7 Abs. 3a Nr. 2 SGB II dieser Wille vermutet wird, wenn Partner mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, und dass eben dies vorliegend unmittelbar bevorsteht.

Hinzuweisen ist auch darauf, dass aus dem Fehlen eines Vermutungstatbestands nach § 7 Abs. 3a SGB II keineswegs darauf geschlossen werden kann, eine Bedarfsgemeinschaft liege nicht vor. Vielmehr gelten insoweit die gleichen Maßstäbe für die Annahme des Vorliegens einer eheähnlichen Gemeinschaft wie vor Einführung der Vermutungsregelung des § 7 Abs. 3a SGB II. Ist schon nach diesen Maßstäben – wie hier – die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft gerechtfertigt, vermag hieran das Nichtvorliegen eines Vermutungstatbestandes nichts zu ändern.

Zutreffend auch hat das Sozialgericht in seiner Entscheidung dargelegt, bei Berücksichtigung des Einkommens des Herrn M. aus seiner Erwerbstätigkeit ergebe sich für die Antragstellerin als Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft kein Leistungsanspruch. Der Senat nimmt hierauf entsprechend § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

Soweit in die Bedarfsberechnung der Antragsgegnerin und des Sozialgerichts Beitragsaufwendungen der Antragstellerin für eine Kranken- und Pflegeversicherung keinen Eingang gefunden haben, hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass auf Antrag nach § 26 Abs. 3 SGB II die Übernahme von Aufwendungen für die angemessene Kranken- und Pflegeversicherung durch die Antragsgegnerin in Betracht kommt, wenn allein durch diese Aufwendungen Hilfebedürftigkeit eintritt. Auf die entsprechende Anfrage des Berichterstatters hat der Bevollmächtigte der Antragstellerin mitgeteilt, dass die Antragstellerin sich rückwirkend freiwillig krankenversichert habe und die Mittel hierfür sich von ihren Eltern darlehensweise zur Verfügung habe stellen lassen müssen, sich zur Frage eines Antrags nach § 26 Abs. 3 SGB II jedoch nicht geäußert. Nach wie vor liegt es daher in der Hand der Antragstellerin, diesen Antrag zu stellen und so auch unter Annahme einer Bedarfsgemeinschaft mit Herrn M. Leistungen zu erhalten.

Ebenso obliegt es ihrer Entscheidung, nach der Geburt des gemeinsamen Kindes einen erneuten Leistungsantrag bei der Antragsgegnerin zu stellen.

Aus den dargelegten Gründen bot die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 73a SGG in Verbindung mit § 114 ZPO). Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren war daher abzulehnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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