S 5 AS 222/09 ER

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AS 222/09 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 515/09 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Änderungsbescheid vom 04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 wird angeordnet.

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellerinnen ab Antragseingang (02.09.2009) vorläufig Leistungen nach dem SGB II unter Außerachtlassung der gewährten Umweltprämie als Einkommen bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

Die Antragsgegnerin hat den Antragsstellerinnen ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragstellerinnen begehren im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Auszahlung ihrer SGB II- Leistungen ohne Anrechnung der erhaltenen Umweltprämie als Einkommen.

Die Antragstellerinnen leben in einer Bedarfsgemeinschaft und beziehen von der Antragsgegnerin Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 16.03.2009, bzw. Änderungsbescheid vom 19.03.2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum 01. April 2009 bis 30. September 2009 (endgültig) Leistungen in Höhe von 620,23 EUR bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 06.06.2009 wurden die Leistungen ab 01.07.2009 um den gesetzlichen Anpassungsbetrag auf 634,23 EUR erhöht. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 04.08.2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft nunmehr vorläufig- für den Zeitraum August 2009 Leistungen in Höhe von 634,23 EUR und für den Zeitraum September 2009 Leistungen in Höhe von 217,56 EUR gewährt. Hintergrund dessen ist, dass der Antragstellerin zu 1. am 21.07.2009 im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Neuwagens die staatliche Umweltprämie (so gen. Abwrackprämie) in Höhe von 2.500,- EUR zugeflossen ist und von der Antragsgegnerin ab September 2009 für 6 Monate als Einkommen nach § 11 SGB II angerechnet wurde. Der Wagen der Marke FIAT hatte einen Kaufpreis von 9.218,49 EUR zuzüglich MwSt in Höhe von 1.751,51 EUR, also insgesamt 10.970,- EUR.

Mit Schreiben vom 07.08.2009 legten die Antragstellerinnen gegen diesen Bescheid Widerspruch ein, der unter dem 31.08.2009 ablehnend beschieden wurde.

Gegen den Widerspruchsbescheid reichten die Antragstellerinnen unter dem 01.09.2009 Klage ein.

Mit weiterem Bescheid vom 26.08.2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft für den Zeitraum Oktober 2009 bis März 2010 –unter Anrechnung der Umweltprämie in Höhe von monatlich 416,67 EUR- Leistungen in Höhe von 232,99 EUR monatlich bewilligt.

Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Antragstellerinnen unter dem 15.09.2009 Widerspruch, der bislang nicht beschieden ist.

Mit ihrem bei Gericht am 02.09.2009 eingegangenen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes verfolgen die Antragstellerinnen das Ziel, ihnen ab September vorläufig ungekürzte Leistungen zu gewähren. Sie sind der Ansicht, dass es sich bei der staatlichen Umweltprämie nicht um Einkommen im Sinne des § 11 SGB II handele, da diese wegen der Koppelung an den Erwerb eines Neuwagens als zweckbestimmt zu werten sei. Die Zahlung dieses Betrages beeinflusse auch die wirtschaftliche Lage nicht so günstig, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht gerechtfertigt seien, da die Prämie durch Verrechnung auf den Kaufpreis gerade nicht zur freien Verfügung stehe. Auch sei die Antragstellerin zu 1. dringend auf ein Fahrzeug angewiesen, da der öffentliche Nahverkehr im Bereich ihres ländlich geprägten Wohnortes nur schlecht ausgestaltet sei. Insbesondere für Arztbesuche, die sie aufgrund einer durchgemachten Krebserkrankung in regelmäßigen Abständen durchführen müsse, und für die Ausübung ihrer geringfügigen Beschäftigung, benötige sie daher ein Fahrzeug. Ihr Arbeitsplatz sei 25 km von der Wohnung entfernt. Ihr altes Auto habe derartige Mängel aufgewiesen, dass es für die Antragstellerin nicht mehr nutzbar gewesen sei. So sei bereits im Winter 2008/2009 die komplette Heizungsanlage ausgefallen. Die Mittel für den Kauf des Neuwagens habe sie vollständig von ihrer Mutter als Darlehn erhalten, was sie nunmehr in monatlichen Raten á 50,00 EUR zurückzahle.

Die Antragstellerinnen beantragen sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 anzuordnen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Antragstellerinnen ab dem 01.09.2009 vorläufig Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung der staatlichen Umweltprämie auszuzahlen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.

Sie ist der Ansicht, dass die Voraussetzungen für eine Einkommensanrechnung vorliegen. Insoweit werde von dem zuständigen Bundesministerium auch die Auffassung vertreten, dass die Umweltprämie als Einkommen anzurechnen sei.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichts- und Leistungsakte, die zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen, Bezug genommen.

II.

Aufgrund dessen, dass zwei getrennte Leistungszeiträume streitgegenständlich sind (Leistungszeitraum September 2009 und Leistungszeitraum Oktober 2009 bis März 2010) ist der Antrag entsprechend dem Begehren der Antragstellerinnen auszulegen.

Hinsichtlich des Leistungszeitraums ab Oktober 2009 müssen die Antragstellerinnen ihr Begehren in der Hauptsache auf Gewährung der ungekürzten Leistungen nach dem SGB II mittels einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 SGG) verfolgen, wohingegen für den Zeitraum September 2009 aufgrund der ursprünglichen Bewilligung vom 19.03.2009 und 06.06.2009 nur die Anfechtung des Änderungsbescheides vom 04.08.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2009 in Betracht kommt. Das Begehren der Antragstellerinnen ist daher neben der erstrebten Gewährung der ungekürzten Leistungen im Rahmen einer Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG auch auf die Suspendierung des ergangenen Änderungsbescheides in Gestalt des Widerspruchsbescheides gerichtet. Der so verstandene Antrag ist insgesamt zulässig und begründet.

Zwar haben Widerspruch und Anfechtungsklage nach § 86 a Absatz 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt nach § 86 a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SGG aber in den durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fällen. Ein solcher Fall liegt hier vor, da nach § 39 Nr. 1 SGB II Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt, der über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende entscheidet, keine aufschiebende Wirkung haben. Auf Antrag kann das Gericht die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 86 a Abs. 2 SGG anordnen (§ 86 b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG). Dabei ist die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu treffende gerichtliche Entscheidung das Ergebnis einer Folgenabwägung, bei der das – in den Fällen des § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG gesetzlich vorausgesetzte – öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitbefangenen Bescheides gegenüber dem verfassungsrechtlich geschützten Aussetzungsinteresse des Betroffenen (Art. 19 Abs. 4 GG) zu gewichten ist. Die aufschiebende Wirkung ist dann anzuordnen, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten gegenüber dem Interesse der Verwaltung am Sofortvollzug feststellbar ist. Erweist sich also der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen Rechten verletzt, ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung nicht gegeben.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Voraussetzung dafür ist die Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruches und eines Anordnungsgrundes. Dabei entspricht der Anordnungsanspruch dem materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verpflichtet werden soll, während der Anordnungsgrund die besondere Dringlichkeit der Anordnung begründet. Es muss also ein Sachverhalt vorliegen, der eine Eilentscheidung notwendig macht und ein weiteres Zuwarten –insbesondere das Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache- unzumutbar erscheinen lässt. Zwischen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund besteht eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderung an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils zu verringern sind und umgekehrt.

Nach § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hat der Antragsteller Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Eine Glaubhaftmachung in diesem Sinne liegt vor, wenn das Vorliegen der den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund begründenden Tatsachen für das Gericht überwiegend wahrscheinlich ist.

Nach Maßgabe dieser Ausführungen war dem Begehren der Antragstellerinnen voll zu entsprechen.

Die Antragstellerinnen haben insoweit dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie von dem nach Abzug der anteiligen Umweltprämie verbleibenden monatlichen Leistungsbetrag in Höhe von 232,99 EUR nicht mehr in der Lage sind, ihre Lebenshaltungskosten auch nur annähernd zu decken und insoweit eine wirtschaftliche Notlage droht, bzw. schon eingetreten ist.

Ihnen steht auch ein Anordnungsanspruch zur Seite. Für den Zeitraum März 2010 ergibt sich dies bereits daraus, dass die Umweltprämie ab September 2009 mit monatlich 416,67 EUR (=1/6) berücksichtigt wurde. Ausgehend davon hätte letztmalig im Februar 2010 eine Berücksichtigung erfolgen dürfen, so dass die weitere Berücksichtigung im März offensichtlich rechtswidrig ist.

Im Übrigen gilt folgendes: Dass die Antragstellerinnen nach § 7 Abs. 1 SGB II anspruchsberechtigt sind, ist unstreitig der Fall. Auch steht die Höhe der Regelleistungen und der Kosten der Unterkunft zwischen den Beteiligten nicht in Streit. Zwar ist das Gericht aufgrund des herrschenden Ermittlungsgrundsatzes gehalten, jegliche Voraussetzungen für die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II zu überprüfen. Angesichts der Tatsache, dass der Grundsachverhalt zwischen den Parteien unstreitig ist und einziger Streitpunkt die Anrechnung der staatlichen Umweltprämie als Einkommen ist, erachtet das Gericht es für zweckmäßig, die Prüfung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren auf diesen Punkt zu beschränken.

Diesbezüglich erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtswidrig und verletzen die Antragstellerinnen in ihren Rechten. Dabei kann dahinstehen, ob der angegriffene Bescheid vom 04.08.2009 wegen der darin enthaltenen vorläufigen Bewilligung für einen Zeitraum, der ursprünglich schon endgültig bewilligt war, aus formellen Gründen aufzuheben ist. Denn die teilweise Aufhebung der bewilligten Leistungen erweist sich jedenfalls insoweit als materiell rechtswidrig, als die Antragsgegnerin die staatliche Umweltprämie als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II angesetzt hat.

Weder die Abwrackprämie, noch das von der Mutter der Antragstellerin zu 1. gewährte Privatdarlehn sind bei der Berechnung des Bedarfs zu berücksichtigendes Einkommen, da es sich um zweckbestimmte Einnahmen handelt.

Das erkennende Gericht schließt sich insoweit den bereits veröffentlichten Entscheidungen des SG Magdeburg [Beschluss vom 15.04.2009, Az.: S 16 AS 907/09 ER] und des SG Lüneburg [Beschluss vom 22.08.2009, Az.: 75 AS 1225/09] an. Die gegenteiligen Ansichten des Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen [Beschluss vom 03.07.2009; Az.: L 20 B 59/09 AS ER] und SG Chemnitz [Beschluss vom 09.09.2009, Az.:S 44 AS 4601/09 ER] vermochten nicht zu überzeugen.

Gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Eine Ausnahme hiervon regelt § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II. Danach sind zweckbestimmte Einnahmen, nicht als leistungsminderndes Einkommen zu berücksichtigen, sofern sie die wirtschaftliche Lage des Hilfebedürftigen nicht so günstig beeinflussen, dass daneben die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wäre. Diese beschränkte Ausnahme von der Einkommensberücksichtigung dient einem dreifachen Ziel: Zum einen soll vermieden werden, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des SGB II verfehlt wird. Zum anderen soll die Vorschrift eine Doppelleistung aus öffentlichen Mitteln verhindern, bzw. bei Zuwendungen privater Personen eine Entlastung des Leistungsträgers, bzw. der öffentlichen Hand bewirken [vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage § 11 Rn. 36 ff m.w.N.]. Zweckgebunden sind solche Leistungen, die mit einer erkennbaren Zweckrichtung in der Erwartung gezahlt werden, dass sie vom Empfänger tatsächlich für den gedachten Zweck verwendet werden, so dass die Anrechnung auf den Unterhalt eine Zweckverfehlung darstellen würde. Grundsätzlich kann auch privatrechtliches Einkommen zweckbestimmt sein (Brühl, in Lehr- und Praxiskommentar, SGB II, § 11 Rn. 54). Ein ausdrücklich in einem Gesetz genannter Zweck ist hingegen nicht zu fordern [BSG, a.a.O.]. Im Ergebnis kommt es demnach darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient [vgl. BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 19/07 R m.w.N]. Mit der staatlichen Umweltprämie soll zum einen der Absatz von Personen- Kfz zur Abmilderung der noch gegenwärtigen Rezession belebt werden; zum anderen sollen nur Verbraucher begünstigt werden, die ein mindestens neun Jahre altes Kfz verschrotten lassen und dafür ein schadstoffarmes Neu- Kfz erwerben [vgl. Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20. Februar 2009 (BAnz. S. 835, 1056) sowie die Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 17. März 2009 (BAnz. S. 1144) - http://www.bafa.de/bafa/de/wirtschaftsfoerderung/umweltpraemie/ dokumente/foederrichtlinie umweltpraemie.pdf].

Die Prämie wird dabei unabhängig von Bedürftigkeit gewährt. Ihr Zweck ist also keine Verbesserung der Lebens- und Vermögenssituation einzelner Bürger, sondern eine wirtschafts- wie auch umweltpolitische Lenkungsmaßnahme [vgl. Ziffer 1 der Richtlinie, a.a.O.].

An dieser Zweckbestimmung ändert auch die verfahrensrechtliche Ausgestaltung der Prämiengewährung nichts. Freilich muss der Leistungsempfänger den Kaufpreis eines dem Grunde nach förderungsfähigen Kfz auf eigene Kosten vorstrecken und bekommt die staatliche Leistung erst, wenn die Verschrottung des Altfahrzeugs und der Kauf des Neufahrzeugs nachgewiesen ist und damit zu einem Zeitpunkt in dem die Vermögensumschichtung bereits abgeschlossen ist. Selbst wenn man daraus eine Unanwendbarkeit des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II herleiten wollte, wäre diese Regelung aber jedenfalls analog anzuwenden.

Denn die Umweltprämie steht mit den oben genannten Einschränkungen unter der zwingenden rechtlichen (Zuwendungs-)Voraussetzung der Vornahme einer zuschussfähigen Vermögensumschichtung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sicher keine Bedenken hinsichtlich der Zweckbestimmtheit bestünden, wenn die Prämie als Vorschuss oder echte Subvention an die Autohändler gezahlt worden wäre. Die ungewöhnliche rechtliche Konstruktion wurde gewählt, um den Verwaltungsaufwand so gering wie möglich zu halten, denn in Erwartung einer Vielzahl von zuschussfähigen Vorgängen, hätte eine herkömmliche zweckgebundene Zuwendung einen ungeheuren, die bereitgestellten Mittel zu einem Großteil aufzehrenden Verwaltungsaufwand bedeutet [vgl. Kasparik, BT- Drucks. 16/11955, S. 57]. Allein die Tatsache, dass die Bundesregierung diese Form der Bezuschussung gewählt hat, kann jedoch kein sachliches Differenzierungskriterium dafür sein, dass im Falle einer vorschussweisen Zahlung eine Zweckbestimmung angenommen würde, im Falle der nachträglichen Gewährung aber nicht. Zirkulär ist vor allem das Argument, die Umweltprämie dürfe gesetzlich deshalb als Einkommen berücksichtigt werden, weil sie nicht als herkömmliche zweckgebundene Zuwendung, sondern als nachträgliche "Prämie" ausgestaltet sei; denn damit wird gerade nicht auf einen "sachlichen Grund für die Differenzierung" Bezug genommen, sondern auf die bloße "rechtliche Differenzierung" verwiesen [vgl. insoweit auch Labrenz, NJW 2009, 2245 (2248)].

Würde dieses Argument durchschlagen, dürfte der Gesetzgeber seine Differenzierungsgründe ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Gegebenheiten in einem ersten Schritt selbst erschaffen, ehe er dann in einem zweiten Schritt an sie anknüpft. Dies wäre schlichtweg sinn- und zweckwidrig und letztendlich auch willkürlich.

Eine (analoge) Anwendung des § 11 III Nr. 1a SGB II wird auch nicht durch die (gesetzlichen) Regelungen über die Einführung der Umweltprämie ausgeschlossen. Im Gegenteil ist der Gesetzgeber sich bei ihrem Erlass der Frage nach der Berücksichtigungsfähigkeit der Umweltprämie beim ALG II wohl nicht einmal bewusst gewesen [vgl. insoweit Amtliches Protokoll der 215. Sitzung des Deutschen Bundestages - Drucksachen 16/12114, 16/12358 -]. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass die Bundesregierung derzeit von einer Anrechenbarkeit der Umweltprämie als Einkommen ausgeht; denn ein zum Regelungsgehalt nachträglich entwickelter Wille des Gesetzgebers hat insoweit keine Bedeutung.

Letztendlich ist die Umweltprämie in ihrer Ausgestaltung auch mit der staatlichen Eigenheimzulage vergleichbar. Deren Anrechnung ist (mittlerweile) gesetzlich ausgeschlossen, wenn sie nachweislich zur Finanzierung eines Eigenheims verwendet wurde [vgl. ALG II- V, § 1 Abs. 1 Nr. 7]. Ebenso ist es bei der Abwrackprämie. Die Abwrackprämie erhält nur und ausschließlich, wer sie zum Zwecke des Kaufes eines Neufahrzeuges oder Jahreswagen einsetzt. Wird diese dann auch tatsächlich zur Tilgung des Kaufpreises eingesetzt, entspricht dies der Sachlage bei der Eigenheimzulage. Die Argumentation, dass eine Vergleichbarkeit beider Sachverhalte deswegen ausgeschlossen sei, weil die Eigenheimzulage –anders als die Abwrackprämie- der langfristigen, bzw. lebenslangen Absicherung des verfassungsrechtlich geschützten Grundbedürfnisses des Wohnens diene [so LSG Nordrhein- Westfalen, a.a.O.], vermag nicht zu überzeugen. Denn hinsichtlich der Frage der Zweckgerichtetheit kann es nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht auf die Werthaltigkeit einer Investition ankommen, bzw. darauf, ob der Zweck verfassungsrechtlich geschützt ist, oder nicht. Zweckgerichtet können insbesondere auch solche Zuwendungen sein, die einzig und allein zur Anschaffung von Gütern verwendet werden, die dem sofortigen Verbrauch unterliegen (z.B. Verpflegungsmehraufwendungen). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Anschaffung eines Pkw die Chancen der Wiedereingliederung verbessern kann und damit der systematischen Ausrichtung des SGB II entspricht. Denn vorderstes Ziel der Grundsicherung ist eine möglichst zügige (Wieder-) Eingliederung des Hilfebedürftigen in den Arbeitsmarkt. Erhält der Arbeitslose also durch die Anschaffung eines Kfz die eigene Mobilität, entspricht dies genau dem Ziel, welches das SGB II vorgibt, unabhängig davon, wie lange das Kfz tatsächlich genutzt werden kann. Dies gilt insbesondere wenn –wie hier- das Fahrzeug zur Ausübung einer (wenn auch nur geringfügigen) Beschäftigung benötigt wird. Insofern ist die Nichtberücksichtigung der Abwrackprämie als Einkommen auch aus systematischen Gründen konsequent und geboten.

Auch liegt kein derart "günstiger Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Empfängers" vor, dass die Gewährung von Leistungen daneben nicht gerechtfertigt wäre. Den gegenteiligen Auffassungen [LSG Nordrhein- Westfalen, a.a.O.; SG Chemnitz, a.a.O.] ist insoweit zwar zuzustimmen, dass die gewährte Prämie ein vielfaches des Regelsatzes ausmacht; allerdings wird dabei unberücksichtigt gelassen, dass eine zu berücksichtigende Verbesserung der wirtschaftlichen Lage nur dort gegeben ist, wo entweder die zugewandten Mittel zum Unterhalt ohne Einschränkung zur Verfügung stehen oder die zugewandten Mittel zumindest die Einsparung sonstiger Mittel zur Folge haben, die dem Hilfebedürftigen sonst zum Unterhalt zur Verfügung stehen. Dies trifft hier aber gerade nicht zu.

Im Übrigen unterliegt eine Anrechnung der Abwrackprämie auch soziokulturellen Bedenken. Denn es ist nicht einzusehen, warum Leistungsempfänger, die durch den Kauf eines Neuwagens ebenfalls zur Belebung der Konjunktur beitragen nicht in gleichem Maße begünstigt werden sollen, wie nicht im Leistungsbezug Stehende, welche diese Prämie vom Staat "als Geschenk" erhalten, insbesondere ohne dafür Einkommenssteuer zahlen zu müssen.

Der Vollständigkeit halber weist das Gericht auch darauf hin, dass selbst im Falle einer anderen rechtlichen Einschätzung nicht der volle Wert der Prämie zugrunde zu legen sein dürfte. Denn die Abwrackprämie wird entsprechend des Zwecks der Richtlinie auch für die Verschrottung des Altfahrzeugs gezahlt, also gewissermaßen als Gegenleistung für einen Schonvermögensgegenstand. Insoweit ist aus Sicht der Kammer zu berücksichtigen, dass das Altfahrzeug auch noch einen Restwert besaß, der im Falle einer Veräußerung hätte realisiert werden können und als Vermögenssurrogat anrechnungsfrei gewesen wäre.

Daher dürfte generell auch nur die Abwrackprämie abzüglich des Wertes des Altfahrzeuges als Einkommenszuwachs zu berücksichtigen sein, was unter Umständen zu einer erheblichen Verminderung des anzurechnenden Betrages führen kann. Für den konkreten Fall der Antragstellerinnen lässt sich nicht (mehr) sagen, welchen Wert das Altfahrzeug noch gehabt hat; sicher ist aber, dass das Fahrzeug ohne Inanspruchnahme der Abwrackprämie bei einer einfachen Inzahlunggabe des Altfahrzeuges auch einen gewissen Preis erzielt hätte. Im Ergebnis ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass das Vermögen der Antragstellerin sich durch die Inanspruchnahme der Abwrackprämie so verbessert hat, dass daneben Leistungen nach dem SGB II nicht mehr gerechtfertigt wären.

Gleiches gilt auch für die darlehnsweise Gewährung des Kaufpreises durch die Mutter der Antragstellerin zu 1.

Weiterhin sind die Antragstellerinnen auch nicht gezwungen, das neue Fahrzeug im Rahmen einer Vermögensverwertung zu veräußern. Zwar übersteigt der Neuwert des Wagens mit 10.970,- EUR eindeutig die Angemessenheitsgrenze in Höhe von 7.500,- EUR im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II. Allerdings unterliegt der Vermögensverwertung nur der über der Angemessenheitsgrenze liegende Teil, so dass maximal ein Betrag in Höhe von 3.470,- EUR zum verwertbaren Vermögen gerechnet werden darf [vgl. insoweit auch BSG, Urteil vom 06.09.2007, Az.: B 14/7b AS 66/06 R]. Diesbezüglich steht der Antragstellerin zu 1. allerdings nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ein Freibetrag in Höhe von 7.650,- EUR (=150,- EUR/Lebensjahr) zu. Hinzu kommt nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 SGB II ein zusätzlicher Freibetrag für notwendige Anschaffungen in Höhe von 750,- EUR, so dass der (verwertbare) Wert des Fahrzeuges von den Freibeträgen vollständig erfasst wird. Im Übrigen ist dabei auch zu beachten, dass der Wagen mittlerweile ein halbes Jahr alt ist und aufgrund der Erstzulassung an Wert verloren haben dürfte, so dass der jetzige Verkaufspreis nicht (mehr) dem Kaufpreis entspricht.

In zeitlicher Hinsicht war die einstweilige Anordnung auf die Zeit vom Antragseingang bis zur Beendigung des Hauptsacheverfahrens zu begrenzen. Denn eine rückwirkende Leistungserbringung im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes ist nur in engen Ausnahmefällen, nämlich bei einer aufgrund der unterbliebenen Leistungserbringung fortdauernden Notlage, die hier nicht erkennbar ist. Für den 01.09.2009 war der Antrag daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Antragstellerinnen nur zu einem unerheblichen Teil unterlegen sind, so dass die vollständige Kostentragungspflicht durch die Antragsgegnerin gerechtfertigt ist.
Rechtskraft
Aus
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